Bundesverfassungsgericht weist Klagen gegen Ausgangssperren und Schulschließungen zurück

In Österreich sollen ein Gesetzesentwurf zur Impfpflicht bis 6. Dezember vorgelegt werden. Bundesministerin Karoline Edtstadler und Bundesminister Wolfgang Mückstein berichteten heute zu einem runden Tisch über die Impfflicht. Bild: BKA/Florian Schrötter

Bund und Länder wollen eine schnelle Einigung über die Impfpflicht. Wie die aussehen könnte, könnte man aus ersten Andeutungen in Österreich sehen.

 

Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerden, die gegen die bundesweiten und bußgeldbewehrten Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen ab einer Inzidenz von 100 der Bundesnotbremse vom 22. April bis zum 30. Juni 2021 eingereicht worden waren, zurückgewiesen.  Sie seien „in der äußersten Gefahrenlage der Pandemie mit dem Grundgesetz vereinbar; insbesondere waren sie trotz des Eingriffsgewichts verhältnismäßig“. Auch an den Schulschließungen, die ab einer Inzidenz von 165 eintraten, hat das Bundesverfassungsgericht nichts zu beanstanden.

Das dürfte der vermutlich neuen Regierungskoalition und vor allem der FDP zu schaffen machen, die eben solche Eingriffe mit Verweis auf die Verfassung unterbinden wollten. Das Bundesverfassungsgericht stellte allerdings keinen Freibrief aus, solche Eingriffe sind nur gerechtfertigt, wenn sie dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand entsprechen, um Leben und Gesundheit der Bevölkerung zu sichern, wenn sie nicht einheitlich, sondern nach Gefährdungslage, abgeleitet von der Inzidenz, einsetzen und zeitlich befristet sind. Für das Verhängen von nächtlichen Ausgangssperren muss eine „äußersten Gefahrenlage“ herrschen.

Die Schulschließungen waren zum Schutz des Lebens und der Gesundheit der Bevölkerung und des Gesundheitssystems als letztes Mittel gerechtfertigt, zudem setzten sie mit einer höheren Inzidenz ein und waren zeitlich begrenzt. Es wird auch auf die erst gerade begonnene Impfkampagne hingewiesen: „Die Schulschließungen waren auf einen kurzen Zeitraum von gut zwei Monaten befristet; damit war gewährleistet, dass die schwerwiegenden Belastungen nicht über einen Zeitpunkt hinaus gelten, zu dem der Schutz von Leben und Gesundheit etwa infolge des Impffortschritts seine Dringlichkeit verlieren könnte.“ Auf die Impfung wird auch bei den nächtlichen Ausgangsbeschränkungen hingewiesen, bei denen es Ausnahmen auch „für geimpfte und genesene Personen insbesondere von der Beschränkung privater Treffen, des Aufenthalts im Freien und beim Sport“ gab.

 

Wie zu erwarten kommt heftige Kritik an den Urteilen aus der AfD, die zudem die Unabhängigkeit des Gerichts in Frage stellt. Stephan Brandner, stellvertretender Bundessprecher, sagt: „Das Grundgesetz ist das Papier nicht mehr wert, auf dem es geschrieben steht. Was aber soll man anderes erwarten von einem Bundesverfassungsgericht, das eng verbandelt mit der Regierung ist, sich sogar in vollständiger Besetzung zum Essen mit der Kanzlerin trifft und dort Vorträgen von Ministern lauscht? Ein Gericht, dessen Präsident ein enger Parteifreund von Merkel ist, der hoher Funktionär der Kanzlerpartei war und der sich schon vor Monaten öffentlich zustimmend zur Coronapolitik äußerte? Dass bei diesen Voraussetzungen keine seriöse juristische Prüfung, sondern Büttelrechtssprechung zu erwarten war, dürfte niemanden überraschen.“

Alice Weidel wirft dem Gericht auch fehlenden Abstand zur Politik vor. Sie geht davon aus, dass nun auch die Impfpflicht kommt, die tatsächlich bis vor kurzem von allen Politikern abgelehnt worden ist: „Eine der ersten Amtshandlungen des zukünftigen Bundeskanzlers @OlafScholz  wird es aller Voraussicht nach sein, eine allgemeine #Impfpflicht einzuführen. Das, wovor insbesondere wir als #AfD immer wieder gewarnt haben, wird nun also Realität.“

Die FDP, die bei Impfgegnern und Maßnahmenkritikern gefischt hatte, muss nun umdenken und kann nicht mehr das Mantra von der Verfassungswidrigkeit propagieren. Der designierte Justizminister Marco Buschmann, der Ende Oktober schon mal weissagend verkündet hatte, dass keine Überlastung des Gesundheitssystems mehr drohe, vollzieht die Wende so: „Das BVerfG hat entschieden, dass Kontaktbeschränkungen und Ausgangssperren in der damaligen Form verfassungsgemäß waren. Wir hätten uns insbesondere mit Blick auf die Ausgangssperren ein anderes Ergebnis gewünscht. Selbstverständlich aber respektieren wir die Entscheidung.“ Um dann die Haltung der FDP zu rechtfertigen: „Das Urteil deckt auch die Einschätzungsprärogative von SPD, Grünen und FDP, bei ihrer gesetzgeberischen Entscheidung auf Ausgangssperren zu verzichten und stärker auf Kontaktbeschränkungen zu setzen.“

 

Jetzt werden nicht nur wegen der für den Start der neuen Bundesregierung (un)passend gekommenen Omikron-Virusvariante und den gestiegenen Inzidenzzahlen und Intensivbelegungen neue Lockdowns für bestimmte Bereiche gefordert, sondern kommt auch der Ruf nach einer Impfpflicht verstärkt. Dazu hatte sich allerdings das Bundesverfassungsgericht nicht direkt geäußert, sondern nur Grundrechtseinschränkungen auch abhängig vom Impfstatus gemacht. Der ist freilich in letzter Zeit schwierig festzustellen. Noch gelten zwei Impfungen als vollständig, das müsste aber schnell auf drei Impfungen umgeschaltet werden – mit der Option weiterer Impfungen, wenn der Impfschutz wieder nachlässt oder es neue Impfstoffe etwa gegen Omikran gibt.

Bund und Länder, so teilte Noch-Bundesregierungssprecher Seibert mit, seien sich einig, die Zahl der Impfungen kräftige zu erhöhen und den von einem General geführten Krisenstab einzurichten (führt man denn besser Krieg gegen das Virus?). Zudem müssten schnell weitere Maßnahmen eingeführt werden, neben Kontakteinschränkungen für Ungeimpfte und die Ausweitung der 2G-Regel auf den Einzelhandel, soll noch mehr Druck auf die Ungeimpften durch eine „zeitnahe Entscheidung über eine allgemeine Impfpflicht“ ausgeübt werden.

Wie eine solche Impfpflicht aussehen könnte, wird man am Beispiel von Österreich sehen können. Dort soll eine Regelung bis 6. Dezember vorliegen, über die dann einen Monat lang beraten werden kann.

Impfpflicht in Österreich

In Österreich hat die türkis-grüne Bundesregierung nicht nur eine Impfpflicht ab Februar angedroht, sie hat auch schon begonnen, sich nähere Gedanken darüber zu machen. Unter Ausschluss der FPÖ haben sich Regierung, Opposition und ExpertInnen erstmals beraten. Konkrete Ergebnisse sind noch nicht bekannt. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) informierten ein wenig.

Edtstadler sagte: „Wir wollten keine Impfpflicht, sind aber in einer dramatischen Situation, wenn wir auf die Krankenhäuser und Intensivstationen blicken. Eine Impfpflicht ist dann gerechtfertigt, wenn der allgemeine Gesundheitsschutz durch eine solche Maßnahme erreicht werden kann. Jedenfalls schütze sie vor schweren Verläufen, so Mückstein. Es gehe darum, den nächsten Lockdown zu vermeiden. Überdies entschuldigte Edtstadler sich bei dem Teil der Ungeimpften, „die das Gefühl haben, sie werden mit Menschen, die radikale Ansichten haben und das mit antisemitischen Parolen vermischen“, in ein Ecke gesteckt. Gleichwohl will man diesen ja auch, wenn sie weiter zögern, auf die Pelle rücken.

Wie Der Standard erfahren haben will, ist nach zweimaliger Aufforderung eine Strafe in Höhe von 3600 Euro angedacht, die auch zweimal verlangt werden kann. Unklarheit herrscht über das Mindestalter. Biontech/Pfizer ist für Kinder ab 5 Jahren zugelassen. Der an den Gesprächen beteiligte Infektiologe Wenisch meinte, das würde sich nach der Zulassung richten, die bei 12 und 18 Jahren liegt. Babys könne man nicht in die Impfpflicht einschließen. Standard zitiert den Juristen Karl Stöger, nach dem eine Impfpflicht verfassungskonform sei, eine Impfpflicht für unter Zwölfjährige sei jedoch „verfassungsrechtlich nicht unproblematisch“.  Das könnte den Widerstand auch verstärken, könnte man hinzufügren.

Die Presse hatte gestern einen Entwurf zur Impfpflicht veröffentlicht. Die Regierung stellte allerdings klar, dass dies kein Entwurf der Bundesregierung sei. Darin erwähnte Punkte wären offene Themen bei den Gesprächen.

Nach dem Entwurf, der natürlich dennoch aus der Bundesregierung stammen kann, wäre eine Impfpflicht ab 12 Jahren vorhergesehen. Sie soll auch Folgeimpfungen umfassen, welche Abstände und andere Einzelheiten würde das Gesundheitsministerium festlegen. Bestimmt werden müsse auch, wer als geimpft gilt und ob es eine Gleichstellung Genesener geben soll. Alles heikle Fragen, die viel Zündstoff enthalten und juristisch anfechtbar sein können. Hier wird nach zwei Vorladungen eine Geldstrafe von 3600 Euro oder vier Wochen Haft vorgeschlagen, bei zweimaliger Missachtung würden es 7200 Euro werden. Es soll aber niemand zwangsweise zur Impfung vorgeführt werden, was hieße, man kann sich von der Impfpflicht freikaufen. Die Daten der Ungeimpften sollen aus der  elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) bezogen werden, aus der man sich aber abmelden kann, und aus dem zentralen Impfregister. Die Gültigkeit des Gesetzes wird auf drei Jahre angesetzt.

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2 Kommentare

  1. Das wars, Deutschland ist damit faktisch ein totalitäres Land mit Wahlfassade. Mich erinnert das alles an den Kurzfilmen „Kill all others!“. Wenn man sich der Gesundheitsführung nicht unterwerfen will muss man wohl auswandern. Hoffentlich sind viele aus der Funktionselite Corona-Impfgegner weil sie wie ich um ihr Leben führten, damit dieser Laden schnell zusammen bricht. Nicht das wir 40 Jahre im Exil verbringen müssen.

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