Zwischen Not und Notdurft

Defekte Bahntoilette
MoSchle, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Sie sind meist dreckig oder funktionieren gar nicht erst: Zugtoiletten. Sie beschäftigen jetzt auch die Politik. Ein Kommentar.

Nun ist es auch in der Landespolitik angekommen, dass die Toiletten in Zügen der Deutschen Bahn scheiße sind. Nämlich häufig damit verdreckt – und nicht funktionstüchtig. Glück hat der, der in Zügen fährt, die gesperrte Toiletten aufweisen. Gut, dort kann man zwar nicht austreten – aber gleichzeitig kann auch nicht reintreten in das, was danebenging oder überlief. Manchmal kommt der Zug mitsamt Zugtoilette auch gar nicht erst, weil er ausfällt. Auch das kann ein klein wenig Glück innerhalb des immobilen Unglückes sein.

Die Politik muss sich jetzt damit befassen: Sie kritisiert die Deutsche Bahn – die zu 100 Prozent in der Hand des Bundes ist und damit politisch steuerbar wäre. Die Bahn müsse mehr auf saubere und funktionierende Toiletten achten, rät man politisch versiert. Über was reden wir hierzulande eigentlich? Über Klos? Ernsthaft? Aber gut, das zeigt letztlich nur, wie scheiße es wirklich läuft auf der Schiene.

Harnverhalt für das Klima

Erklärt wird unter anderem auch, dass defekte Toiletten für Verspätungen verantwortlich wären. Denn sie führten zu längeren Pinkelpausen auf Bahnhöfen. Ein solcher Zwischenstopp ist mir jedoch noch nie untergekommen. Wer mal auf einer Zugfahrt muss, der irrlichtert gemeinhin durch die Waggons und hat – wie es guter Usus ist beim Geschäftsmodell der DB ist – Pech gehabt. Dass es also defekte Toiletten sind, die Züge verspäten lässt, wirkt als Erklärung ein klein bisschen abenteuerlich.

Pünktlichkeit ist ohnehin nicht mehr das Metier der Deutschen Bahn. Das wissen wir, seitdem Bahnchef Lutz der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) klarmachte, dass Unpünktlichkeit Klimaschutz bedeute. Unter Umständen sollte der ranghöchste Eisenbahner nochmal einen Termin mit der FAS vereinbaren und dort erklären, dass nur defekte Zugtoiletten das Zeug hätten, den Planeten vor dem Klimakollaps zu retten. Nur wenn der Fahrgast unpünktlich ist und seinen Harndrang unterdrückt, hat die Erde noch eine Zukunft.

Was heute wie die mit ihm durchgehende Phantasie eines Zeilenschinders klingt, kann übermorgen schon die neueste These sein, die der Medienbetrieb seiner zahlenden Kundschaft vor die Wärmepumpe wirft. Wer den Harnverhalt moniert, der wird in diesem Szenario mindestens rechtsoffen sein – denn er nimmt den Klimawandel und das Engagement der Deutschen Bahn nicht ernst, ja leugnet die Probleme geradezu. Einhalten for future schont die Ressourcen und macht die Bahn, so heißt es zumindest wegen der Pinkelstopps, noch unpünktlicher. Und genau das muss die Bahn ja sein, sagt uns Lutz, denn nur wer zu spät kommt, den belohnt das Leben – in Form der Klimarettung.

Vorabauskunft als Lösung?

Außerdem seien die Toiletten oft versiegelt, weil die Latrinenbehälter nicht immer auf die Schiene abgelassen werden könnten. Die Deutsche Bahn legt dar, dass ihre Lokführer die Toiletten, die extrem fehleranfällig seien, nicht richtig bedienten. Woran das liegt, sagt sie nicht. Fehlt es an Schulung? Und warum ist die Toilette eigentlich die Sache des Lokführers? Hat der, der einen Zug steuert, nicht viel größere Probleme als einen oder mehrere Bottiche Scheiße abzulassen?

Matthias Gastel, ein Grüner aus dem Bundestag, verlangt ein »zuverlässiges Auskunftsportal, aus dem die Verfügbarkeit der Entsorgungsanlagen jederzeit zuverlässig ersichtlich ist«. Transparenz halt – die Lieblingslösung libertärer Herrschaften, die den Stillstand konservieren wollen. Dann weiß man zwar schneller, wie es um etwas steht – aber es steht um etwas nicht anders als vorher. Vielleicht sollte man ein Auskunftsportal auch für die Fahrgäste anbieten: Damit die immer wissen, in welchem Zug das Klo funktioniert oder in welchem man durch Pisse waten muss. Damit ist zwar nichts geändert, die Situation genauso wie vorher, als es kein Auskunftsportal gab. Aber man kann sich drauf einstellen und schon mal drei, vier Imodium Akut einwerfen, damit man seinen Stuhlgang zwischen Frankfurt und Hamburg einigermaßen kontrollieren kann. Imodium Akut – nehmen und gut, lautete der Werbespruch einst – nie war der Spruch so wahr wie auf einer Zugfahrt.

Dass so ein Thema überhaupt größer thematisiert werden muss, sagt alles über den maroden Zustand des Staatsbetriebes aus. Nichts geht mehr – nicht mal die Toilettenspülung. Fahrgäste sieht man als lästiges Übel an, das Bedürfnisse hat und Notdürfte verrichtet. Die Bahn wäre absolut leistungsfähig, wenn sie nicht dauernd von echten Menschen benutzt würde, die dann auch noch Beschwerden anbringen. Manche behaupten gar, die Deutsche Bahn sei ein einziges Scheißhaus – immerhin funktioniert dort also doch eine Toilette recht zuverlässig.

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22 Kommentare

  1. Töpfchen-Dressur,

    hab mir letztens ein Deutschlandticket andrehen lassen eigentlich wollte ich nur Wochen Karten für den ÖPNV haben.

    Die Fahrtkosten bekomme ich übrigens erstattet, meine eigene Menschenwürde hält mich aber davon ab, mich von denen beschießen zu lassen.

  2. Wenn es doch nur die Toiletten wären die in D beschissen funktionieren, würde mir ein Sack voll Steine vom Herzen fallen. Es lässt sich nicht mal mehr mit einer ganzen Armee von bezahlten `Presstitutes` verheimlichen das in D mittlerweile gar nichts mehr funktioniert. Ich glaube der große Häuptling von über dem großen Teich hat längst keine andere Verwendung mehr für seine Vasalen als in einem Krieg gegen Russland/China verheizt zu werden. Drauf geschissen auf die DB Toiletten.

  3. „Alle reden vom Wetter, wir nicht!“ – Das ist ein Skandal erster Güte!

    Seit genau 1988 fahre ich beruflich sehr regelmäßig mit dem Zu quer durch die Republik. Es hat sich in diesem Zeitraum an der Hygiene in Toiletten nichts, aber auch gar nichts verändert zum Positiven.
    Die Deutsche Bummelbahn ( DB ) behandelt ihre Kunden wie ein Stück lästiger Sch… Seit der sog. Corona-Pandemie kommt etwas anderes hinzu: die Pünktlichkeit. Unpünktlichkeit ist nämlich der Regelfall; gravierende Unpünktlichkeit samt dummdreister Ausreden ( genannt Begründungen ). – Hinzu kommen die ‚total vergammelten Bahnhöfe‘. Zugfahren ist Psychostress: Kommt er? Ja? Wann? Wieviele?

    Die Deutsche Bummelbahn ( DB ) nehme ich in der Summe als ‚elenden Saustall‘ wahr.
    Möge DB es einmal mit besserer Bezahlung, besseren Arbeitsbedingungen usw. versuchen. Dann gibt es auch keinen Personalmangel.

    1. Die Bezahlung ist doch hervorragend bei der DB.
      Jedenfalls wenn man Teil des Managements ist, das die Misstände verantwortet.

      1. Boni für die gute Arbeit des Mangements gibt es noch oben auf das Gehalt drauf. Abgesegnet von den Anteilseignern der Aktiengesellschaft. Oh 100% der Aktien gehören der Bundesrepublik Deutschland. Dann ist das ganz klar vom Volk so gewollt und demokratisch legitimiert durch Bundestagswahlen. Also kann nur alles bestens bei der DB AG sein. (Vorsicht, kann Spuren von Sarkasmus enthalten.)

        1. Nee, Spuren von Delegitimierung des Staates. Denn der Anfangsverdacht vom Anfangsverdacht ist, ist? Phantasie!

          Sie Phantast 😉 !

        2. Bezahlung ist alles das, was am Ende rausspringt – also auch die Boni. Und wenn man bedenkt, wie hoch die schon bei Misserfolgen sind, möchte ich gar nicht wissen, wie hoch die wären, wenn die DB tatsächlich ansatzweise funktionieren würde…

  4. Eine Idee zur weiteren Umsatzsteigerung und Finanzierung noch höherer Manager-Boni:
    Gegen Entgelt kann sich der 1.-Klasse-Reisende künftig vor Antritt der Fahrt im VIP-Bereich des Startbahnhofs von einer Fachkraft einen Katheter legen lassen, der dann im Zielbahnhof wieder entfernt wird. Geschäftsreisende können ihn im Rahmen ihres Zeitmanagements während der Dauer der Geschäftsreise auch gleich drin lassen.
    Die Reisenden der 2. Klasse können vor Fahrtantritt kostenpflichtig einen Eimer oder eine Art Bettflasche mieten.
    Möglich ist alles das natürlich nur mit Bezahlung via DB-APP.

    Läuft!

  5. Senk ju for träwweling wiss deutsche bahn!

    Es ist offenbar nicht politisch gewollt eine gute Eisenbahn in der besten BRD zu haben.

  6. Naja, prinzipiell hat das was mit Kultur und Verantwortung zu tun. Klar, die Primatenantwort ist scheiss drauf.

    In meinen vielen WGs hatte ich das sich wiederholende Phänomen, dass furchtbar viele Leute auf die Toilette gegangen sind, wenn ich sie benutzt hatte. Einfach deswegen, weil ich den Ort so verlassen habe, wie ich ihn gerne vorgefunden hätte.

    Ich fände es ja eine gute Idee, wenn die Toiletten der Privatjets unserer Politiker öffentlich wären. Wäre mal ne neue Protestform.

  7. Als Nicht-Autobesitzer und umweltbewusster Mensch, der regelmäßig mit der DB zur Arbeit pendelt, kann ich nur eins sagen: Dieser ganze Verein ist nur noch ein einziger Haufen Scheiße!!
    Und jetzt noch ein Geständnis: Ich musste mal nach einer Weihnachtsfeier den letzten Zug nach Hause nehmen und beide Toiletten waren kaputt. Zum Glück war keiner mehr in meinem Bereich, denn ich hatte zum Schluss einen solchen Harndrang, dass ich in den Zug gepisst habe. Es war mir einerseits total peinlich, insbesondere wegen der Reinigungskräfte, die das säubern mussten, aber bezüglich der DB auch scheißegal, nur leider konnte ich das nicht an den Vorstand weiterleiten!

  8. Da kackt man eben einfach auf den Sitz oder uriniert entweder aus dem Fenster oder in den Flaschenhalter. Selbst für das große Geschäft hat man im Zug außerdem immer ein paar leere Getränkedosen dabei. Das kommt mehr oder weniger hygienisch und geruchsneutral und ist relativ problemlos in der Entsorgung, weil sowohl das Aluminium als Aluminum als auch der Inhalt später als wertvoller Naturdünger entsorgt werden können. Die Lasche der Getränkedose ist zwar scharfkantig, eignet sich gerade deswegen aber hervorragend als Klopapierersatz bishin zur Imtimrasur. Keine Ahnung, warum sich da jemand beschwert.

  9. ? 49€ Tickets vs. BahnCard 100 ?

    irgendwie klappt es auch nicht mehr mit dem Sozialen Codes, nur ein Problem oder Scheißen alle Mitmenschen nur auf die Gesellschaft im wahrsten Sinne des Wortes.

    Wer im 3-S Sektor arbeitet wie Ich* weiß was gemeint ist, gegen die Antisozialen Happening’s kommt man nicht An!

    *frag mal “die Reinigungs-Dienstleister, den Catering-Service oder das Sicherheits Personal” wie dünn die Decke der Zivilisation in Wirklichkeit ist!

  10. Bitte Glossen und Satire explizit kennzeichnen. Andernfalls ist es für mich mittlerweile sehr schwer dies zu erkennen. Ich habe häufig über Berichte bzw. Nachrichten gelacht, weil ich sie für einen Scherz gehalten habe. War dann nur leider keiner.

    “Außerdem seien die Toiletten oft versiegelt, weil die Latrinenbehälter nicht immer auf die Schiene abgelassen werden könnten. ” für mich war dieser Satz das einzig wirkliche Zeichen für Satire, da ich weiss, dass die Toiletten nicht mehr auf den Gleisen entleert werden. Alles andere ist für mich mittlerweile vorstellbar.

    Also lustige Sachen bitte vorab kennzeichnen. Und das meine ich nicht als Scherz!

  11. Ein lesenswerter Artikel zum Zustand der “Deutschen Bahn”!

    „Die Bahn ist zu einem Betrugskonzern mutiert“
    28. Mai 2024
    Ein Artikel von Rainer Balcerowiak
    Seit vielen Jahren beschäftigt sich der Journalist und Buchautor Arno Luik mit dem Niedergang der Deutschen Bahn und den Hintergründen des Desasters. Hoffnungen, dass der marode Staatskonzern in seiner jetzigen Struktur wieder in die Spur kommen könnte, hat er nicht. Mit Luik sprach Rainer Balcerowiak.
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=115816

    1. Kapitalismus in Aktion halt. Betrugsnummern lohnen sich besonders mit staatlicher Rückendeckung. Oder noch besser mit Rettung, weil system-relevant und allen möglichen Profit schon rausgetragen. Toll diese freie Marktwirtschaft ohne staatliche Beeinflussung!

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