Sie sind ja ein schäbiger Lumpenpazifist!

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Der »Lumpenpazifist« ist eine dieser neuen Wortschöpfungen der Zeitenwende. Der Begriff klingt alt, als sei er vom Volksgerichtshof gestohlen worden. Ist er aber nicht. Schlimm genug, dass man das aber annehmen könnte.

Clemens Wergin ist Chefkorrespondent der Außenpolitik der Tageszeitung Welt. Unlängst sprach er in einem als Meinungsbeitrag gekennzeichneten Pamphlet ganz ungeniert von »Lumpenpazifisten«. Die müssten nun kapieren, dass Putin nicht verhandeln wolle. Woher er das weiß, wo man es doch gar nicht erst versucht, könnte man sich jetzt fragen. Aber das soll nicht das Thema an dieser Stelle sein. Was hier von Belang ist: Woher kommt eigentlich dieser Begriff? Und wieso gilt es nun als völlig unbedenklich, eine derart ehrabschneidende Formulierung zu nutzen?

Entwarnung: Der Begriff entstammt nicht dem Nazi-Jargon. Erstmals augenfällig wurde er im April 2022. Damals gebrauchte Spiegel-Kampfgockel Sascha Lobo diese Komposition. Das war genauer gesagt am 20. April des letzten Jahres: Vielleicht war das ja als Reminiszenz gedacht, mal wieder einen Begriff zu erschaffen, der an alte Tage erinnert. Durchforstet man Google in der Zeit vor jenem 20. April 2022 findet man zu diesem Wortungetüm: Fast nichts. Hier und da nutzte jemand den Begriff in Foren oder Kommentarbereichen – nie aber jemand im offizielleren Rahmen. Und obgleich der Begriff sich anhört wie von einem Volksgerichtshofrichter im geiferndem Monolog hingeworfen, hat er keine Nazi-Vergangenheit. Dennoch weckt er Erinnerungen.

Entehrende Sprache

Schon vor einem Jahr, als Lobo diesen Begriff nutzte und so die Debattenunkultur um ihn bereicherte, fragte ich mich, weshalb mir der »Lumpenpazifist« so übel auffiel. Schließlich gibt es viel schlimmere Beleidigungen, dachte ich mir. Ich dachte an das Lumpenproletariat: Marx hatte jenes Wort angebracht, er bezeichnete damit Proletarier, die ganz unten angelangt sind und keiner klassischen Lohnarbeit nachgingen. Aber dieser Gebrauch war es nicht, der mich unangenehm berührte. In meiner Jugend habe ich gelegentlich gehört, dass dieser oder jener ein Lump sei. Schon damals wirkte das Wort auf mich seltsam antiquiert. Wir jungen Leute sprachen so nicht, es war der Duktus der Alten.

Es kann sein, dass Lobo den Begriff von Marx abgekupfert hat. Wobei man sich Lobo schlecht als belesenen Menschen vorstellen kann. Womöglich hat er einfach nur in jenen Kommentarspalten gewildert, in denen der Begriff selten mal gebraucht wurde. Dass sich Lobo seine Inspirationen – wenn man das so sagen kann bei seiner Person – in Foren und nicht in philosophischer Literatur holt, ist dann schon eher anzunehmen.

Marx hat den Begriff aber sicher unverfänglicher gebrauchen können als Lobo, was vor allem an einer Sache liegt: Er lebte vor Roland Freisler. Es gibt einige wenige Ton- und Bildaufnehmen jenes mörderischen Herrn, der Richter des Volksgerichtshofs war – eine jedoch hat sich mir tief ins Gedächtnis gebrannt, schwarzweißer Film, Freisler schreit einen Angeklagten an: »Sie sind ja ein schäbiger Lump!« Gerichtet waren die Worte an Ulrich Wilhelm Graf Schwerin von Schwanfeld, einem Mitverschwörer des 20. Juni. Für die Deutsche Wochenschau brüllte er ihn nieder. Oft standen die Angeklagten ohne Gürtel oder mit entfernten Hosenknöpfen vor jenen Richter, damit sie im Stehen die Hose halten mussten und so besonders klein und erbärmlich wirkten.

Von Freisler zu Lobo

Natürlich ist Sascha Lobo kein Roland Freisler. Aber er hat es geschafft, dass ich an den Richter, der kurz vor Kriegsende bei einem Luftangriff von einem herabstürzenden Balken erschlagen wurde, denken musste. Lump: Eigentlich ist dieses Wort nicht die Spitzenklasse deutscher Beleidigungskultur. Aber aufgrund dieser spezifischen Geschichte ist das Wort viel ehrabschneidender als man annehmen möchte. Es degradiert den Empfänger, macht ihn zu einer kleinen niedergebrüllten Gestalt, die sich die Hose halten muss, so sie nicht nackt dastehen will.

Nach Auschwitz Gedichte zu schreiben sei barbarisch: Vielleicht meinte Adorno ja mit diesem berühmten Ausspruch genau das, was ich empfinde, wenn man heute demonstrierende Menschen als Lumpenpazifisten tituliert. Denn nach Freisler so einen Begriff zu gebrauchen: Das fühlt sich wie Barbarei an. Der Begriff des Lumpenpazifisten ist ja, oben habe ich es schon ausgeführt, keine Wortschöpfung, die man in den braunen Tagen benutzt hatte. Aber das Perfide ist ja, dass man das annehmen könnte: Es ist eine Art von simulierter Nazi-Begrifflichkeit. Ein Wort, das ein Regisseur mit wenigen bis gar keinen Geschichtskenntnissen seinem Nazi-Mimen in den Mund legen würde, um auf diese Weise seinem Nazi-Film irgendwie ein bisschen Authentizität zu verleihen.

Die entehrende Komponente diverser Begriffe aus jener Zeit damals, war in der Nachbetrachtung stets Thema: Die Welt, in der der oben genannte Clemens Wergin ganz unverkrampft von Lumpenpazifisten schrieb, hatte sich noch 2013 in einem Artikel, einer Rezension genauer gesagt, mit der Nazi-Sprache befasst. Dabei wurde unter anderem Victor Klemperer bemüht: »Worte können sein wie winzige Arsendosen; sie werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da.« Sprache sei eine Maske der Macht, erklärte Joseph Heid, der Autor des Artikels, im weiteren Verlauf.

Die Verrohung derer, die sich milde und nachsichtig aufspielen

Die Entehrung Andersdenkender wurde seinerzeit gezielt gefördert: Untertrieben formuliert. Eine Debattenkultur sollte es ja eben gerade nicht geben: Sondern lediglich einen Hegemonialanspruch der Machthaber. Ihre Vorstellungen sollten mit keinen anderen konkurrieren müssen. Wer das gängige Weltbild hinterfragte, war eben mindestens ein schäbiger Lump. Oder etwas, das man chirurgisch vom Volkskörper abschneiden sollte: Genau deshalb wurde Komödiantchen Sarah Bosetti vor anderthalb Jahren scharf in den Netzwerken angegriffen: Sie hatte Menschen, die sich nicht impfen lassen wollten, als Blinddarm bezeichnet, der zum Überleben nicht wichtig sei.

Damals konnte man die Verrohung bereits stark spüren. Später sprachen auch schon mal Mitarbeiter des Öffentlich-Rechtlichen von Ratten, Arschlöchern und Scheißhaufen und meinten damit Menschen, die nicht das Meinungsbild des deutschen Staatsfunks teilten. Es mag schon sein, dass wir offiziell keinen Krieg gegen Russland führen – aber einen im Inneren, einen gegeneinander führen wir schon längst. Wir stecken in einem Kalten Bürgerkrieg, in einer Eiszeit fest, in der die Weltanschauungen aufeinanderprallen. Und sich bekriegen. Der Feind wird nicht verschont: Man gewährt ihm keinerlei Respekt, macht ihn runter, brüllt ihn freislerhaft an: Manchem ist das offenbar ein innerer Volksgerichtshof.

Wer heute den Lumpenpazifisten im Munde führt, der führt Krieg: Gegen jene, die keinen Krieg wollen. Er behandelt dabei den Andersdenkenden nicht mit den unteilbaren »Ehrenrechten«, sondern spricht ihn mit dieser Titulierung gewissermaßen genau diese Rechte ab: Denn dass er als Bürger dieses Landes ja eine eigene Meinung haben, sie auch auf die Straße tragen darf, nimmt man ihm dadurch, dass man ihm mit diesem schmähenden Begriff belegt. Lumpen sind schließlich ehrlos, schäbige Kreaturen: Man macht sie runter, auf Augenhöhe sucht man mit solchen Subjekten ganz sicher keine Diskussion. Man überzieht sie mit einem Krieg vorverurteilender Worte: Framing genannt – was nichts anderes heißt als einen Krieg der Worte vom Zaun zu brechen.

Am Ende laufen wir alle in Lumpen

Gleichzeitig täuscht der Gebrauch dieses Unwortes über eine Tatsache hinweg: Menschen, die den Frieden anstreben, die sich selbst und andere in Frieden leben sehen wollen, gehen eher nicht in Lumpen. In Frieden ist nicht alles Reichtum, trägt man nicht feinste Linnen, wir wollen nun wirklich nichts verklären: Auch im Frieden gibt es Armut. Aber Lumpen tragen in solchen Zeiten nur wenige traurige Gestalten – freilich immer noch zu viele. Wenn etwas Lumpen am Leib generiert, dann ist das der Krieg. Im Krieg werden aus den guten Hemden und Hosen langsam speckige Fetzen. Nach dem Krieg bedeckt man seinen Körper mit Lumpen, die mal Kleider waren.

Nicht der Pazifist ist also lumpig im Sinne des Wortes. Die, die den Krieg befürworten und jede Verhandlungslösung ad hoc von sich weisen und dabei auch noch die Friedliebenden stigmatisieren, sind lumpige Gestalten: Sie sprechen sich letztlich dafür aus, dass es Lumpen für alle geben soll. Oder für die meisten, Kriegsgewinnler mal ausgenommen.

Es mag demnach also Lumpenbellizisten geben. Aber etwas wie Lumpenpazifisten gibt es nicht. Hier verdreht man die Wirklichkeiten, macht Vernunftstimmen zu Gefährdern. Denn wenn der Pazifist ein Lump ist, dann muss der Kriegsbefürworter per se das Gegenteil eines so windigen, einen so schäbigen Menschen sein: Man zieht die eigene miese Position hoch, indem man den konstruktiven Lösungsansatz niederdrückt. Wer das willentlich tut, der ist ein Lump. Ein ganz schäbiger dazu. Aber die Hosenknöpfe abtrennen, damit er seine Beinkleider haltend vor uns steht, während wir ihn abkanzeln: Das hat nicht mal so einer verdient. Denn ehrabschneidende Behandlung ist nicht die Sache der Lumpenpazifisten. Es ist die Praxis der Lumpenfaschos. Und die werden dieser Tage immer mehr.

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21 Kommentare

  1. Bei der Lobo-Hetze im Speigel musste ich auch sogleich an Roland Freisler und den Volksgerichtshof denken.

    Ich hoffe, dass Schaumschläger wie Lobo, Baerbock, Habeck, Merz und Roetgen aus dem Enddarm der USA raus geschleudert werden, wenn sich der Wind dreht, weil die USA ihren Stellvertreter-Krieg in der Ukraine verlieren.

    Die Polit-Schranzen werden alle weich fallen – die können immer noch als Mietmäuler bei US-Thinktanks unterkommen.

    Lobo darf hoffentlich bald nur noch Zeitungen austragen, statt drin zu herum zu schmieren.

  2. Einmal wird gesagt, wie Lump gemeint ist, dass es Kleidung ist, die verkommt.
    So ist es auch bei Marx, es muss im Kontext gesehen werden, der Lumpenproletariat steht im Gegensatz zu dem, der Kämpft und Klassenmäßig Proletarier ist, Proletarier ist der Lumpenproletarier auch. Es ist schlicht jemand, der aufgegeben hat. Es ist somit kein Schimpfwort, sondern nur ein Zustand, der beschrieben ist.
    Durchaus mit Fremdschämen kann belegt sein, hierzu seien die Nachmittagssendungen im TV genannt, die Leute zeigen, die ihre Hilflosigkeit zelebrieren. Das meine ich, ist „versumpfen“ und nicht Klassenkampf.
    Den Umstand nicht zu sehen, der rutscht auf der Idiotie Lobos aus. Das Niveau Lobos hat Roberto genannt und genau das ist es auch. Inwieweit ist Lobo von verlumpen entfernt? Oder ist das normal Niveau bestimmter Zeilenverkäufer?
    Kommen wir zum Pazifisten.
    Was wird gemeint, wenn Lumpenpazifisten gemeint ist? Welchen „Spielraum“ gibt es bei einem Pazifisten, kann es da ein bisschen Krieg geben, wenn es doch gerecht ist? Oder jegliche Ablehnung und Anwendung von Waffen bzw. Krieg. Das Wichtigste bei allem ist erst einmal, dass die Menschen positioniert haben, das bleibt erhalten, was immer Lobo und entsprechende Apologeten äußern.
    Es bleibt sogar eine starke Position, wenn jeder für sich feststellt, dass er in einer wirklichen Situation nicht mehr dazu stehen kann oder seine Vorstellung verletzt.
    Lobo ist das Töten von Menschen und die Beteiligung daran wichtiger als damit aufzuhören. Das ist so weit in Ordnung, weil er das mit sich abzumachen hat, aber sein Geifer gegen Menschen, die kein Morden wollen, täuscht nicht über seine Lust am Tot hinweg.

  3. Lest alle die Tagebücher und das Buch „LTI“ von Victor Klemperer !!! Dann werdet ihr feststellen, wie gefährlich sich Sprache entwickeln kann, nicht nur in Diktaturen, sondern auch in einer sogenannten „repräsentativen Demokratie“.
    Und da ist es egal, ob die Wortentwickler Hintergrundwissen haben oder nicht. Die Ideologie und die Propaganda sind bestimmend für die Entwicklung der Sprache. Und in der Parteienoligarchie, wo wir jetzt leben, entwickelt sich die Sprache immer mehr zu einer Sprache ohne geistigen Tiefgang. Sie ist oberflächlich und das liegt an den momentan tätigen politischen Machthabern und ihren Vasallen.

  4. Einer Person, die unter Tourette leidet, kann man ihr Vokabular nicht verübeln, da es einfach ist wie es ist.
    .
    Andere, die Unflat produzieren, muss man hin jedoch nicht ernst nehmen – das wäre kontraproduktiv und auf verquere Weise in deren Selbstwahrnehmung bestätigend.
    Bedenklicher wird es erst, wenn Krudes auf fruchtbaren Boden fiele!

  5. Alternativ für Entehrung, ehrabschneidend, entehrend & ehrlos stünde die Würde, was einen Bogen zu massenweise freislerhaften Anfällen in den deutschen Niedriglohnsektoren vorgeschalteten Jobcentern schlagen … würde (…) als kleine Kritik an dem sonst wohltuenden Beitrag, und der Würdigung des Urhebers als »Spiegel-Kampfgockel«.

    Wir stecken in einem Kalten Bürgerkrieg, in einer Eiszeit fest, in der die Weltanschauungen aufeinanderprallen.

    Fühlt sich seit dreizehn Monden mehr wie nationalistisch militaristische Hetze via social engineering an.

    Wobei man sich Lobo schlecht als belesenen Menschen vorstellen kann.

    Auf dem Buchrücken von »Erzählende Affen – Mythen, Lügen, Utopien. Wie Geschichten unser Leben bestimmen« (Samira El Ouassil & Friedemann Karig, 2021 Ullstein) steht eine unbedingte Lesempfehlung von Sascha Lobo:
    „Fucking hell. Dieses Buch schlägt mühelos Bögen von Facebook über die Sprache der Nazizeit bis zur Klimakrise.“

  6. Logo! und der Lumpenpazifisten, diese Lumpen legen gerade ein paar Staaten lahm und diese deklarierten Lumpen zeigen was es bedeutet ständig beleidigt zu werden.
    Hier hat das lobo tatsächlich etwas erreicht.

    PS Lieber Herr de Lapuente, bitte machen sie doch keine Schleichwerbung für eine Suchmaschine, benutze doch einfach ein neutrales Wort.
    MfG

    PPS das Sie und Du, ist bewusst geschrieben

  7. Der „Lumpenpazifist“.
    Er passt in eine Reihe mit dem „Asphaltjournalismus“ und dem „Kritikaster und Miesmacher“, dem „Rassenbewusstsein“ und der „Verjudung“, dem „gesunden Volksempfinden“, dem „Volksschädling“ und zuletzt: dem „Verdunkelungsverbrecher“
    Bei dieser Sprache weiß man sofort aus welcher Ecke sie kommt, aus dem rechtsreformatorischen neoliberalen Milieu, das den Anschluß wittert an nationale volkssozialistische Milieus, die eine angebliche Front gegen Neoliberalismus aufbauen. Kraft durch Freunde. Zur Not kann man auch zusätzlich noch alles, was nicht sofort nach Volk und Raum riecht mit dem Begriff „linksliberal“ diffamieren. Das zieht immer im Schland. Der politsche Kampf zwischen Neoliberalen und Rechtsliberalen ist so offensichtlich gespielt, wie einst das Friedensgeheuchel der NSDAP vor 1933.
    Dazu noch ein Zitat, das nicht aus der Zeit sodnern IN die Zeit gefallen zu sein scheint:
    „Aber auch jeder andere Täter, der seine Verbrechen unter Ausnutzug der Kriegsverhältnisse begeht, tritt damit zum Feinde über. Seine treulose Gesinnung und seine Kampfansage verdienen daher strengste Strafen. Ganz besonders gilt dies jedoch für den feigen Verdunkelungsverbrecher.“ (nachlesbar bei der bpb) Richterbriefe – Mitteilungen d. Reichsministers d. Justiz – Nr. 2, 1.10. 1942. In: Richterbriefe, hg. v. H. Boberach, 1975, S. 9 f.

  8. Schade, die Endteile des Textes sind missglückt. Da hat De Lapuente der Versuchung nachgegeben, den Spiess schlicht umzudrehen. Und wenn er auch behauptet, dann sei er keiner mehr, sondern berechtigt, ändert das nichts am Befund, dass er damit Lobo entgegenstürzt.

    Aber es gibt auch ein anderes Problem. Ein Lumpenpazifist ist nicht dasselbe wie ein Pazifistenlump. Im ersten Fall sehen wir einen Pazifisten in Lumpen, was eigentlich nicht per se ehrenrührig ist, da in Lumpen stecken wohl selten freiwillig ist. Im zweiten ist die Bekleidungskonnotation in den Hintergrund gedrängt, wenn nicht ganz verloren. Ein Lump ist nach einer Definition, die Googlen danach zum Vorschein bringt, eine ‚männliche Person, die als charakterlich minderwertig, betrügerisch, gewissenlos handelnd angesehen wird‘. Auch der Lumpenproletarier mag in Lobos Augen charakterlich minderwertig etc. sein, ist es aber nicht zwingend, als quasi minderwertig werden vielmehr die Lebensumstände ausgewiesen. Für solche Feinheiten haben Lobo und andere, die den von ihm in publizistischen Umlauf gebrachten Neologismus nutzen, wohl kein Ohr, leider aber auch De Lapuente nicht, der sich zu sehr von seiner Freisler-Assoziation leiten lässt.

    Abgesehen davon – die wertende Konnotation eines Begriffs ist nichts Festes. Wenn ich z. B. bekunde, stolz darauf zu sein, ein Lumpenpazifist zu sein, verändere ich sie ein klein wenig. Wenn mir Viele dabei folgten, könnte man den Begriff sogar moralisch umwerten. Diese von der Sprache eingeräumte Möglichkeit ist schon oft von Dissentern, von der zu habenden Meinung Abweichenden, genutzt worden. In diesem Fall wärs besonders einfach, es ginge nur darum, das von Lobo auf den Kopf Gestellte, auf die Füsse zurückzubefördern.

  9. Zuerst diese Meldung hier:
    https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/pulverwerk-rheinmetall-artilleriewerk-100.html
    und dann etwas präziser:
    https://www.n-tv.de/regionales/sachsen/Grossenhain-als-Standort-fuer-Pulverfabrik-im-Gespraech-article24014620.html

    Das haut mich aus den Schuhen, denn wozu ist man auf die Strasse gegangen in den 80ern? Mit Aufnähern auf der Jacke, und unter ständiger Observation von der Firma Horch & Guck. Mit dem Opfer, dass man dann kein Abi machen durfte, und logo: auch kein Studium. Aber: man hatte Flagge gezeigt. hat sich nicht unterkriegen lassen.
    Tausende hier in der DDR.
    Wie froh man war, als endlich dieses atomare Wettrüsten ein Ende hatte.
    Die Russen nach Hause fuhren.
    Endlich eine friedliche Zukunft möglich schien.
    Der gewaltige Pferdefuß aber verborgen war
    unter allerlei Glitzerzeug und Tand.

    Nun ja, jetzt zeigt er sich.
    Jetzt heißt es Knüppel aus dem Sack.
    Man wird wieder zur Zielscheibe gemacht, sitzt mittendrin in der ostdeutschen Provinz,
    logistisch gesehen nicht weit bis zur Grenze, auch der Iwan könnte da was runterschmeißen, aber wer sind wir schon?
    Hauptsächlich Rentner, die alle wegkönnen.
    Aber die sächs. Staatsregierung, die einzig und allein nach Arbeitsplätzen zu gieren scheint, schützt Unwissen vor, um Investoren zu schützen.

    Hier eine fette Protestbewegung? eher kaum denkbar.
    Umliegende Gemeinden beherbergen eine Vielzahl von Pflegeinstitutionen,
    denn in den Großstädten sind die Mieten ja so teuer. Auch die Leute hier:
    jeder zweite ist in der Pflege tätig und checkt vermutlich nicht, was man grad ‚in the backyard‘ aufzubauen gedenkt.

    Und zum Lobo: doch die haben Bücher.
    In einer Serie wo ums Kinderkriegen ging, spielte er mit
    und da sah man eine Bücherwand bis unter die Decke, wo ich dachte: die hätte ich auch gerne 😀

    1. „denn wozu ist man auf die Strasse gegangen in den 80ern?“

      Weil man benutzt wurde , um die öffentliche Simulation aufrechtzuerhalten.
      Das benutzen der Öffentlichkeit ist ein alter Hut. Dieser begann mit dem kreieren von der ‚modernen‘ Beeinflussung!
      Die deutsche Wiedervereinigung war die Weiterentwicklung von Edward Bernays aus vergangener Tage…

  10. Als Lumpenpazifist möchte ich gerne eine persönliche Beobachtung preisgeben :

    Kommentare werden, soweit konform, gleich freigeschaltet! Für mich persönlich möchte ich anerkennen, das ist eine hervorragende Simulation Glückwunsch…

  11. Mir kommt der Text seltsam bekannt vor – ist der hier nicht schon einmal von Roberto J. de Lapuente gepostet worden? Oder war es auf einer anderen Website wo er schreibt? Neulandrebellen – oder Rubikon vielleicht?

    Egal, im übrigen was den Begriff „Lumpenpazifist“ angeht, der kein Nazi-Jargon sein soll – Warum ist sich Roberto so sicher? Es gibt auch wirklich harmlose Worte in unserer deutschen Sprache, die sich bei näherer Betrachtung eben doch aus dem Nazi-Vokabular ergeben bzw. von diesen erfunden, und benutzt wurden.

    Wer weis schon, dass das Wort „Betreuung“ eine Worterfindung der Nazi-Faschisten ist, die damals was ganz anderes bedeutete als heute? Oder „Sonderbehandlung“…..um ein anderes Wort zu nennen dessen eigentliche, furchtbare Bedeutung in Vergessenheit geraten ist – oder wurde….

    Eine Entnazifizierung der deutschen Sprache, und eine Entmilitarisierung in diesen moralen Zeiten, auch von deinen Wortvokabeln würde wohl nicht viel übrig lassen womit wir Deutsche uns in Hochdeutsch untereinander verständigen könnten – leider, muss man sagen.

    Mir ist diese Tatsache übrigens auch nur aufgefallen weil ich dazu mal – zugegeben schon einige Jahre her – ein Buch las – es gibt wirklich total harmlose Worte, und wie schon gesagt würde man „Den Duden“ beauftragen die uns verbindene hochdeutsche Sprache zu reinigen würde wohl nicht viel davon übrig bleiben – Das preußische Kaiserreich, der Militarismus und die NS-Zeit hat eben in unserer Sprache bis heute – auch, wie schon gesagt in völlig harmlosen Worten oder Sprüchen u.a. – Spuren hinterlassen.

    Das wäre mal was für die Woken Krieger, aber wie schon gesagt, aufpassen, da bleibt nicht viel übrig von unserer angeblich so schönen deutschen Sprache….man müßte die komplett neu erfinden 😉

    Sarkastische Grüße
    Bernie

  12. Zu „Ami it’s Time to go“ – Lafontaine meint ja nur das US-Militär – während die Zivilisten bleiben können 😉

    Apropo, ich wies hier schon einmal darauf hin? 43 Millionen US-AmerikanerInnen haben deutsche Wurzeln bzw. sind 2023 Deutschamerikaner der x-ten Generation. Wenn schon auswandern, dann dahin wo Deutsche schon seit hunderten von Jahren in den USA zuhause waren, und sind…..*grins*

    Habe übrigens selber über die Zahl gestaunt, und dass, wegen der beidenen verlorenen Weltkriege Deutschlands bzw. während denen die Deutschen in den USA so behandelt wurden wie heute die russischsprachigen UkrainerInnen im Herrschaftsbereich Selenskijs – kein Witz, die Parallelen Sprachverbot, Diffamierung von Kultur und vieles andere was DeutschamerikanerInnen durchleiden mußten gleicht dem was heute mit russischstämmigen UkrainerInnen dort wo Kiew regiert 1:1…..das war für mich auch ein Aha-Erlebnis….ob das der Grund ist das die USA Selenskij in diese Praxis nicht reinreden? Sie haben die nämlich selber praktiziert gegenüber deutsch- und japanischstämmigen Einwohnern der USA ab Kriegseintritt gegen NS-Deutschland, und Japan bzw. sogar noch einige Jahre danach.

    Zynischer Gruß
    Bernie

  13. Tja, netter Nachruf sozusagen. Nicht umsonst hiess es mal „Wehret den Anfängen“. Sobald eine Masse erstmal ihre Eigendynamik entwickelt, ist das schwer bis gar nicht zu stoppen. Dann heisst es wiedermal bis zum bitteren Ende.

    Erhellende Erfahrungen und Erkenntnisse müssen auch zur rechten Zeit kommen. Eine Atombombe ist auch eine erhellende Erfahrung, man kann nur nichts mehr daraus lernen …

  14. wahrlich entlarvende Thematisierung! Es fällt schwer, sachlich zu bleiben, trotzdem sei die Frage erlaubt, wieso es Volksverhetzern wie Lobo gelingt, Aufmerksamkeit für ihre wirren Konstrukte zu finden.

  15. „Das war genauer gesagt am 20. April des letzten Jahres: Vielleicht war das ja als Reminiszenz gedacht, mal wieder einen Begriff zu erschaffen, der an alte Tage erinnert.“

    Entweder ist der Kampfgockel Lobo nicht die hellste Kerze auf der fraglichen Geburtstagstorte, oder es war eine bewusste Zuspitzung der Hetze. Ich vermute eher letzteres, denn sonst würde er selbst Lumpen sammeln statt sich für gutes Geld öffentlich auskotzen zu dürfen.

  16. Hmm, beim „Lumpenpazifisten“ mir kam als erstes „Der Stürmer“ in den Kopf. Das ist genau die Sprache.

    Dann fiel mir mal wieder das Göring-Interview aus seiner Nürnberger Zelle ein:
    „Natürlich, das einfache Volk will keinen Krieg […] Aber schließlich sind es die Führer eines Landes, die die Politik bestimmen, und es ist immer leicht, das Volk zum Mitmachen zu bringen, ob es sich nun um eine Demokratie, eine faschistische Diktatur, um ein Parlament oder eine kommunistische Diktatur handelt. […] Das ist ganz einfach. Man braucht nichts zu tun, als dem Volk zu sagen, es würde angegriffen, und den Pazifisten ihren Mangel an Patriotismus vorzuwerfen und zu behaupten, sie brächten das Land in Gefahr. Diese Methode funktioniert in jedem Land.“
    https://www.buchhandel.de/buch/Nuernberger-Tagebuch-9783596218851

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