Propaganda: Eine ganz normale journalistische Aufgabe

Bundespressekonferenz
Tobias M. Eckrich, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons, bearbeitet

Stefan Kornelius von der SZ wird Regierungssprecher. Dass Journalisten in dieses Amt wechseln, gilt in der Bundesrepublik als völlig normal. Sollte es aber nicht sein! Ein Kommentar.

Steffen Hebestreit war die längste Zeit Bundespressesprecher. Les jeux sont faits! In seine Amtszeit als Chef des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung und Regierungssprecher, wie seine Stelle genau ausgeschrieben ist, hat er wesentlich zur Desinformation im Lande beigetragen. Ja, genau: Denn exakt das ist die Aufgabe, die ein Regierungssprecher übernimmt – nicht direkt, denn die ergibt sich nicht aus der Stellenbeschreibung selbst, sondern aus dem Wesen der Politik und den Vorgängen des Regierens. Der Regierungssprecher übt sich in Vernebelung. So würde man – in Sonntagsreden – freilich nie über den Journalismus sprechen. Wenn der sich feiert, zeigt er sich als Branche, die von Lichtgestalten geleitet wird, von Wahrheitssuchern und aufrichtigen Leuten mit Gerechtigkeitsfimmel und nicht von Vernebelungs- und Verhüllungskünstlern.

Dass man immer wieder Journalisten für den Posten des Regierungssprechers nominiert, ist also an sich einigermaßen kurios. Oder sagt wenigstens viel über den hiesigen Journalismus aus. Hebestreit war übrigens auch Journalist, wenn auch ein kleiner Fisch seiner Zunft, als Hauptstadtkorrespondent der Frankfurter Rundschau – seit über zehn Jahren ist er nun bereits politischer Sprecher in verschiedenen Ämtern, offenbar treibt es ihn nicht mehr zu einer Tageszeitung zurück. Nun folgt ihm Stefan Kornelius, der seit dem Jahr 2000 das Außenressort der Süddeutschen Zeitung leitete und seit 2021 dem dortigen Politikressort vorsteht. Mitten aus dem journalistischen Alltag ins Bundespressehaus also. Mit im Gepäck: Transatlantische Routine und NATO-Distanzlosigkeit.

Distanzlose Berliner Republik

Vor Hebestreit war Steffen Seibert Bundespressesprecher unter Angela Merkel – offenbar muss man Steffen oder Stefan heißen, um sich für so einen Posten zu qualifizieren und die nötige Kompetenz vorzuweisen. Seibert arbeitete vorher für das ZDF – also irgendwie auch für den Staat. Aber da sich die öffentlich-rechtlichen Sender offiziell als »staatsfern« bezeichnen – obwohl es der Staat ist, der die Einziehung der Rundfunkbeiträge exekutiv durchsetzt, von denen der ganze ZDF-Bums bezahlt wird –, konnte man noch behaupten: Der Journalist Steffen Seibert wird Regierungssprecher. Tat man dann auch. 2010 war das. Und damals tat der Berufene außerdem kund, wie er seine Berufung wahrnahm: Für ihn sei das »eine ganz unerwartete, faszinierende neue Aufgabe«, die sich nun auftue.

Seibert verkaufte dem Publikum sein neues Engagement als genau dies: nämlich als faszinierende neue Aufgabe eines leidenschaftlichen Journalisten. Als sei der Posten ein Job wie jeder andere. In gewisser Weise war das absolut ehrlich, denn der moderne Journalismus in dieser Berliner Republik ist tatsächlich distanzlos. Von Drehtüreffekten sprach man früher mal – heute hat der Maurer ein Loch gelassen und baut gar keine Türen mehr ein, alles ist durchlässig, Politik oder Journalismus, Journalismus oder Politik: Wo sind denn da die Grenzen? Ja, wer kam denn je auf die Idee, da Grenzen zu ziehen? No borders – das ist die one world, die es wirklich gibt in unseren aufgeklärten Gefilden.

Dennoch schrieb ich damals, als Seibert diese und seine faszinierende, neue Aufgabe übernahm, folgende Zeilen auf meiner damaligen Publikationsplattform:

Aber dennoch sagt uns diese Stellungnahme viel, auch wenn sie zuerst nach gar nichts klingt: der leidenschaftliche Journalist ist von den Grundsätzlichkeiten seiner Profession weit entfernt. Er ist nicht neutral, nicht kritisch, nicht objektiv – er ist parteiisch, gutgläubig, subjektiv: er ist das personifizierte Verlautbarungsorgan seines Dienstherrn. Er erzählt, was die Regierung von ihn erwartet; er tut kund, was man ihm aufschreibt; er vermittelt Vordiktiertes – das ist nicht journalistisch: das ist propagandistisch!

Regierungssprecher en masse

Das klang damals markig, ja überkritisch geradezu. Und man spürt förmlich noch ein Restvertrauen des damals noch etwas jüngeren Autors in den Journalismus. Würde sich jener Kornelius heute mit den Worten für die Stelle rechtfertigen, mit denen Steffen Seibert es damals tat, so wäre es vielleicht angemessener, ihm für seine absolute Ehrlichkeit zu gratulieren, als so zu tun, als gäbe es zwei Welten. Denn Seibert stellte beides, Propaganda und Journalismus, nicht etwa gegenüber, sondern legte sie als Optionen dar, die ein ausgebildeter Journalist im hiesigen Deutschland ergreifen kann. Ob nun objektiv berichten oder unter der Fuchtel eines Dienstherrn, der mit ihm bespricht, wie er gewisse Ereignisse oder Vorfälle zu kommunizieren hat: Beides ist Betätigungsfeld für Journalisten.

An dieser Einschätzung hinkt allerdings, dass es mit der Objektivität – gelinde gesagt –schwierig ist: Wenn einer aus dem ZDF kommt, dann ja ohnehin. Der Parteiproporz in den Gremien macht das unmöglich. Öffentlich-rechtliche Sender stellen zwar Journalisten ein, meinen damit aber Regierungssprecher – auch wenn die das strikt von sich weisen würden. Doch das ZDF-Personal besteht aus Konsensfließbandarbeitern, wiederholt stets das, was die jeweilige Bundesregierung für angemessen hält, auch einem direkten Dienstherrn aus der Politik unterstellt zu sein. Diese »Freiwilligkeit« ist vielleicht noch viel schlimmer. Insofern ist der Bundespressesprecher die ehrlichere Haut – denn er ist dienstlich verpflichtet. Stefan Kornelius arbeitete für die Süddeutsche Zeitung. Staatsfern – eigentlich. Man merkt in jenem Blatt selten etwas davon. Das muss sich auch ein leitender Angestellter wie eben jener Kornelius vorwerfen lassen.

Diese Durchlässigkeit könnte man freilich hinnehmen, weil es so viel ehrlicher ist, als so zu tun, als würde man einen autonomen Journalismus in diesem Lande noch wollen. Aber dennoch ist es von Regierungsantritt zu Regierungsantritt immer wieder ein eigentlicher, aber kaum vernommener Skandal, wenn einer aus der Branche die Seiten wechselt und man diesen Seitenwechsel nicht mal moniert. Schon klar, es gibt diese beiden Seiten nicht. Oder nicht mehr? Dass es offenbar nicht mal mehr ein Ideal gibt, muss dennoch Sorgen machen. Denn an wem sollen junge Wahrheitssucher und Gerechtigkeitsfreunde sich denn orientieren? An Seiberts und Korneliusse? Das alles sollte keine Normalität sein – ist es aber. Sich eine andere wenigstens hin und wieder vorzustellen: Das ist eine faszinierende, wenn auch nicht ganz so neue Aufgabe.

Ähnliche Beiträge:

22 Kommentare

  1. Die Propaganda wird noch verschärft werden. Offenbar fürchten sie die eigene Bevölkerung mehr als den Teufel!

    Inhaltlich:
    Gabriel SPD: „Die Bevölkerung muss bereit sein ihr Leben zu geben“ (bezweifelt aber die Bereitschaft – NOCH! )

    Nicole Deitelhoff, Leiterin des Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung

    „Die Regierung muss sich gegen Widerstände und den Willen der Bevölkerung durchsetzen!“

    Ab Minute 47 bis Minute 53

    https://www.ardmediathek.de/video/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL2NhcmVuLW1pb3NnYS8yMDI1LTA1LTA0XzIxLTQ1LU1FU1o

    So etwas nennt man „DEMOKRATIE“ – Die Regierung befiehlt und das Volk muss folgen und nicht umgekehrt!

    1. @Otto0815:
      Wo bleibt eigentlich die ach so unabhängige Staatsanwaltschaft, die der eigentlich auf höchster grundgesetzlichen Ebene strafbaren Kriegshetze dieser Akteure ein jähes Ende bereitet?

      Die hat zu tun mit unliebsamen Meinungen gegen die Kriegshetzer möglichst gerichtlich unterdrücken zu lassen, gar entsprechende Strafanträge zu stellen…
      (Und viele Gerichte machen noch dabei mit!!!)

      Wie nennt man einen Staat der so vorgeht eigentlich?

        1. @Otto0815
          Genau das wollte ich damit sagen! Und das ist das größte Problem! Und ein sehr deutlicher Hinweis, dass es mit echter Demokratie hier nicht allzu weit her ist!
          Und es heißt „vorgeGAUCKelt“…

      1. Staatsanwaltschaft und Richter sind Anus-Lecker solcher Politiker.
        Ein Speichellecker ist dagegen geradezu Che Guevara.
        Kriechwürmer vor dem Herrn.

  2. Steinmeier:
    „Ein schlecht gerüstetes Deutschland ist heute die größere Gefahr für Europa als ein stark gerüstetes Deutschland“

    Immer wenn Deutschland mit dem Säbel rasselte ging es schlecht aus. Aus der Geschichte wird wohl doch nichts gelernt.

    „Heute, da Putins Krieg gegen die Ukraine mit voller Wucht weiter tobt und die USA ihre europäischen Verbündeten enorm unter Druck setzen, kommt Deutschland eine Schlüsselrolle zu …“

    „Deutschland wird gerufen – und wir haben den Ruf gehört. Wir haben verstanden. Ihr könnt auf uns zählen. … Ein schlecht gerüstetes Deutschland ist heute die größere Gefahr für Europa als ein stark gerüstetes Deutschland.“

    Wer hat Deutschland gerufen? Ich habe keinen Ruf gehört, ausser den von Steinmeier!

    „Professionelle Meinungsmache“

    „Die Propaganda funktioniert nicht nur aufgrund der tradierten Muster, auf die sie zurückgreifen kann. Die NATO hat ihre Meinungsbeeinflussung in der Zeit nach dem Irak-Krieg zudem professionalisiert.“
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=132374

  3. Journalisten lernen auf der Journalistenschule zuerst, wem sie in ihrer späteren Berufsausübung zu dienen haben. Sie kommen in der Regel aus gehobenen bürgerlichen Kreisen und dienen der herrschenden Kapitalistenklasse wie Prostituierte, egal ob ihr oberster Chef Hugenberg, Springer, Burda oder Funke heißt. Ein Segen, dass sich noch nicht alle für den Kapitalistendreck hergeben, und auch nicht alle geben sich für den Gleichmarsch in den nächsten Krieg her. Mit Zensur in vielen Foren setzt sich die Volksverblödung die Krone auf. Auch hier gilt der abgewandelte Spruch:

    Sagt der Bundeskanzler zum Verleger, halte du sie dumm, ich halte sie arm

  4. Na ja, wenigstens im Propaganda Ministerium werden ausschließlich echte Fachkräfte verbeamtet was ja bei den anderen Bundesbehörden meistens nicht die Fälle sind.

  5. AfD Verbot aber BfV nennt keine Fakten, weil sie keine haben !!

    Für Verbot der CDU-SPD-GRÜNE gibt es Fakten, denn diese helfen seit 2014 (Kiewer MAIAN) den eindeutig mit NAZI-SYMBOLEN ausgestatteten Ukraine-Truppen und und deren Politischen Führern !!

    DIESE PARTEIEN DÜRFTEN SCHON LANGE NICHT MEHR AKTIV SEIN !!

  6. Kiesewetter schlägt höhere Steuern wegen #Ukraine vor

    Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter will die Menschen in #Deutschland höhere Steuern zahlen und auf Einkommen verzichten lassen, um die Ukraine zu unterstützen und die NATO-Ostflanke gegen Russland hochzurüsten.

    WIR ERDEN IDIOTEN UND NAZIS REGIERT !!

  7. WAS IST DAS FÜ EIN LAND – IN DER SCHWEIZ GELTEN 4 SPARCHEN !!!

    Der ukrainische Sprachbeauftragte Taras Kremin ist stolz darauf, dass es in den Schulen fast keine Kinder mehr gebe, die Russisch lernen

    Insgesamt lernen heute 345 Schüler im Land Russisch oder lernen es als Fremdsprache, obwohl es im Jahr 2021 etwa 100.000 waren.

    Der Ombudsmann versprach, dass ab nächstem Jahr keine mehr übrig sein werden.

  8. Mal zur Einordnung: die BPK dient dazu, die Politik der Regierung zu erklären, nicht zu kritisieren. Das obliegt den Journalisten, die hier Details erfragen können. An sich ist gegen diese Einrichtung nichts zu sagen. Ein sehr demokratisches Instrument, das andere Länder nicht haben. Erst schimpfen, wenn Mist gebaut wurde.
    Die Regierung muss sich hier rechtfertigen und das kann durchaus genutzt werden, um kritische Fragen zu stellen. Regelmäßig taucht da ein gewisser Florian Warweg auf, der für RT und Nachdenkseiten arbeitet. Ein Prorusse, kann man sagen. Der nun brachte den Hebsestreit durchaus schon in Bedrängnis oder gar ins Schwimmen. Aber sie werfen ihn nicht hinaus. Ist ja beachtlich.
    Dieser könnte seine Fragetechnik noch etwas verbessern. Er verbeißt sich gern in Details, lässt das Wichtige aber ungefragt.
    Dieser Warweg wird nun in Zukunft auf den ärgsten Hardliner der Transatlantiker, den Kornelius treffen. Das dürfte interessant werden.
    Zur Einordnung dieses Kornelius nochmal der Ausschnitt aus der „Anstalt“ von 2014. Das letzte Manifest einer freien Presse, würde ich sagen:
    https://x.com/i/status/1918292443545346249

  9. Die Berliner Blase, Agitprop 2.0: Theater auf der Straße, die Straße im Theater, die Regierung in der Redaktion, Redaktionen als Propagandainstrumente der Regierung. Here we are now, entertain us.

  10. Vor allem wirkt bei sehr vielen deutschen das Image eines Menschen. Und das Image als Anchorman des Heute Journal war unendlich seriös.
    Das ändert sich dann bei den meisten deutschen nicht mehr. Es sei denn er schreit. Was der inhaltlich in eloquenter Wortwahl sagt, ist scheißegal. Wie bei Affen.
    Das war m.M.n. einer der Hauptgründe, wenn nicht der Hauptgrund.

  11. Die Bundespressekonferenz ist überflüssig. Arroganz und Inkompetenz werden zur Schau getragen.
    Zum Fremdschämen. Kein Mehrwert.

  12. Ich verstehe den Artikel nicht ganz. Regierungssprecher sind doch dazu da, den Schwachsinn, den die Regierung fabriziert, schönzureden? Oder sollen die Uli Gellermann oder Herrn Warweg engagieren?

    1. Nein.
      Sie haben mit realistischen Einschätzungen von Fakten, kompetente Lösungen, wie man Probleme abmildern will, zu ERKLÄREN.
      Das hat mit den BPKs NICHTS mehr zu tun.
      Goebbels würde die heutige BPK lieben.

      1. Genau. Die meisten etwas aufgeklärten, bzw. informierten Zuhörer bei einer BPK kriegen doch die Krise, weil sie sich nonstop verarscht fühlen. Sie merken, dass das eine Show ist, dass es um

        https://de.wikipedia.org/wiki/Glaubhafte_Abstreitbarkeit

        geht. Ich glaube auch man sieht bei dem Jung mittlerweile einen deutlichen Effekt, nachdem er diese BPKs jahrelang aufgenommen hat, also anwesend war, und ins Netz gestellt hat. Das ist so wie wenn man jahrelang die BILD liest. Man passt sich automatisch an, stumpft ab, und übernimmt deren Duktus, selbst wenn man versucht kritisch zu sein.

        Das Verhalten der BPK widerspricht dem offizielle Anspruch des Staates, der angeblich dem Bürger gehören sollte laut Lehrmeinung in der Schule. Wäre das so, müssten die Sprecher wirklich versuchen möglichst wahre, gut erklärte Antworten zu geben in einfach verständlichem Deutsch. Sie verstecken sich aber hinter endlosen leeren Floskeln, Nebelkerzen, Besserwissertum und Bürokratendeutsch.

        vgl.

        https://en.wikipedia.org/wiki/Bad_faith

  13. Diese Regierungssprecher sind überbezahlte, professionelle Lügner, denen es Spaß macht, kritische Fragen abzublocken und kritische Journalisten als unmöglich und dumm hinzustellen, siehe Hebestreit.
    Leider wird es genauso weitergehen, vermutlich in verschärfter Gangart.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert