Karl Lauterbach: Gesundheitsökonom, Gesundheitsexperte, Gesundheitsminister

Gesundheitsökonom Karl Lauterbach mit Maske.
Sandro Halank, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Karl Lauterbach hat Humanmedizin studiert und gilt in der Öffentlichkeit daher als medizinischer Experte. Das war nicht immer so. Vor Jahren stellte man ihn als Gesundheitsökonom vor: Als dieser wirkte er meist – bevor Corona kam.

Karl Lauterbach musste Gesundheitsminister werden? Als sich die amtierende Bundesregierung formierte, war recht schnell klar, wer welches Ressort übernehmen sollte. Nur die Besetzung des Gesundheitsministeriums zog sich etwas. Und das, obgleich die Sozialdemokraten den größten Gesundheitsexperten aller Zeiten in ihren Reihen hatten. Aber irgendwas ließ sie zögern. Überraschend war das freilich nicht, denn auf der NRW-Landesliste für die Bundestagswahl positionierte seine Partei ihn nur auf Platz 23.

Nun hat ja Lauterbach in der Corona-Episode nicht wenige Fans um sich gesammelt. Und die liefen nun in den Netzwerken Sturm: Lauterbach müsse es machen, er sei doch prädestiniert dafür. Schließlich habe er in der Pandemie Expertise bewiesen und Entwicklungen vorhergesehen. Diese Begründung stimmt natürlich nicht, Karl Lauterbach war in jener Zeit ein bisschen so wie die Bibel: Im Buch der Bücher findet man ja viele Passagen zur Nächstenliebe, aber auch zur Rache, Stellen, seine Kinder zu achten – oder sie zu züchtigen. Für jede Lebenslage und jedes Gemüt ist was dabei. Lauterbach wandte diese Methode auch an, von allem, was er behauptete, gab es eine Gegenbehauptung – und das oft schon eine Stunde später.

Sparen, sparen, sparen: Der Gesundheitsökonom

Bevor sich Karl Lauterbach zum Gesundheitsexperten mauserte, war er Gesundheitsökonom – unter der Gesundheitsministerin Ulla Schmidt arbeitete er an der Entwicklung der Fallpauschalen mit und legte sein Hauptaugenmerk auf die Privatisierung des Gesundheitswesens. Sucht man bei Google nach Artikeln mit den Kennwörtern »Gesundheitsökonom« und »Lauterbach«, lassen sich vor dem Jahr 2010 etliche Texte finden, in denen der Mann noch dieses Label trug.

Exemplarisch dafür ein Artikel der Welt von 2001, in dem Lauterbach als Gesundheitsökonom bezeichnet wird – während im selben Artikel Horst Schmidbauer übrigens als CSU-Gesundheitsexperte durchgeht. Überhaupt zeigt der erste Satz schon an, dass man jenen Ökonomen nicht im Pulk der Experten sah. Lauterbach galt damals offenbar nur als einer, der buchhalterisch am Gesundheitswesen herumdoktert.

Gesundheitsökonom: Das scheint als Titel ohnehin treffender – dass er ausgerechnet ein Experte für das Wohlbefinden sein soll, wäre bei dieser Manie, das Gesundheitswesen partout »gesundsparen« zu wollen, auch gar nicht vermittelbar.

An einigen der Problematiken hat der Gesundheitsbuchhalter Lauterbach – wie gesagt – mitgewirkt. Später dann hat er es zumindest nicht beanstandet, sogar noch Verschärfungen gefordert. Kurz bevor das Virus in unser Leben trat, beschwor er noch, dass wir zu viele Krankenhäuser hätten. Ob er auch Häuser der Rhön AG meinte, bei der er jahrelang im Aussichtsrat saß, kann man nur vermuten. Der Ökonom fand keine kritischen Worte für Renditejäger, die das Gesundheitswesen melkten und sich nach betriebswirtschaftlicher Maßgabe bei Patienten und Angestellten »gesundstießen«.

Plötzlich Fachmann: Der Gesundheitsexperte

Weshalb sollte er das auch tun? Sein Credo war noch immer, dass Wettbewerb dem Gesundheitswesen viele Vorteile bringe. Das war die Parole neoliberaler Politik, die immer dann, wenn sie von Vorteilen sprach, nicht unbedingt die Vorteile von Kundschaft oder Patienten im Sinn hatte, sondern von denen, die mit diesen Gruppen geschäftlich zu tun haben.

Wann es damit losging, diesen Karl Lauterbach dem Publikum auch als Gesundheitsexperten vorzustellen, lässt sich nicht mehr ganz genau benennen. Aber auffällig ist, dass er im Laufe der rot-grünen Koalition immer häufiger als Experte präsentiert wurde. Man könnte demnach auch sagen, dass das vermeintliche Expertentum des heutigen Gesundheitsministers noch eine dieser ziemlich fatalen Erbschaften jenes damaligen Zusammengehens zwischen Sozialdemokraten und Grünen darstellt.

Ein Experte war der Gesundheitsökonom aber damals schon nicht. Als Ökonom war die Wirtschaftlichkeit und Rentabilität sein Thema. Die decken sich nicht immer mit der Gesundheit der Patienten – man hat eigentlich den Eindruck: Sogar fast nie. Der Gesundheitsökonom hat nun die Aufgabe, diese sich an sich nicht deckenden Entitäten so an den Mann zu bringen, dass man am Ende denkt: Ja, okay, so ein runtergesparter Krankenhausbetrieb ist vielleicht wirklich gesünder für alle.

Natürlich kann Lauterbach auch den Blutdruck messen und den einen oder anderen Blutwert deuten. Aber als nicht praktizierender Arzt ist er sicher nicht die Stimme, die man um Rat fragt, wenn es einem nicht gut geht. Seine Expertise ist bestenfalls eine theoretische – vermutlich stimmt aber auch das nicht. Sie existiert auf dem Papier, als Marketingzweck für seine Partei. Dumm nur, dass viele geglaubt haben, dass der Ökonom auch Experte kann.

Verantwortung erschlichen: Der Gesundheitsminister Karl Lauterbach

Denn dieser Irrtum war der Grundbaustein für seinen ministeriellen Aufstieg. Wie gesagt, seine eigene Partei zögerte, hofierte ihn nicht gerade. Aber die Rufe aus der Bevölkerung – was heißt: aus dem Äther von Twitter – nahmen derart zu, dass man an ihm nicht vorbeikam. Während der Corona-Krise hat sich Lauterbach vornehmlich bei Twitter eine Fan-Basis erzwitschert. Dass die Partei dieses »Reservoire an Zuneigung« nicht verschwenden wollte, kann man fast nachvollziehen.

Vernetzung gilt heute ja als ausgewiesene Kompetenz. Wenn Fußballklubs dieser Tage Spieler verpflichten, steht neben der »Verwertbarkeit« auf dem Platz auch immer der Social-Media-Auftritt im Mittelpunkt: Wie viele »Freunde«, Abonnenten oder Follower hat der Star? Diese Kontakte sind geldwerter Vorteil. Warum sollte das bei Politikern heute anders laufen? Sicher, sie ziehen kein zweistelliges Millionenheer hinter sich her, dennoch simuliert ein solcher Auftritt Expertise. Über die Kanäle lässt sich die Blase als Realität darstellen, lässt sich recht gefällig die Echokammer in Schwingung versetzen. Das muss man mit ins Kalkül nehmen.

Die ministerielle Verantwortung: Man kann getrost sagen, dass Karl Lauterbach sie sich über die Netzwerke erschlichen hat. Dort mimte er den Experten, indem er Studien zitierte, die gerade mal einige Stunden vorher veröffentlicht wurden. Via Account ließ er diesen »Titel« heraushängen, den ihm die Medien einst verliehen haben.

Zuletzt glänzte er mit der Idee, sogenannte Gesundheitskioske einrichten zu wollen. In denen könnte man Blutdruck messen, einen Verbandswechsel vornehmen lassen. Ärzte gäbe es dort zwar keine, dafür aber examinierte Pflegekräfte. Zum Glück haben wir ja bekanntlich so viele Pflegekräfte im Land, sonst könnte dieser innovative Plan gar nicht greifen. Man sieht daran, dass Karl Lauterbach kein Experte in Gesundheitsfragen ist: Denn er mutet den Menschen, so sie zu Patienten werden, allerlei Hanebüchenes zu. Und Hanebüchenes, man weiß das in diesem Lande seit Dekaden, ist eigentlich die Qualität, die ein Sparökonom bedient. Was Anderes war, ist und wird der jetzige Gesundheitsminister nie sein.

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10 Kommentare

      1. Moin Ottono, wie kommst du auf Moskau?

        German Angst und German Assertiveness* sind Eigentlich damit gemeint! Der Artikel handelt von einem Gesundheits-Tyrannen, der seine Mitbürger Bespaßen/Besparen will.

        *Assertiveness bedeutet „Durchsetzungsvermögen, Selbstbewusstsein, Bestimmtheit“.

        1. Moin, moin,
          du hattest vom Cäsarenwahnsinn gesprochen und den kann man sehr schön in Moskau beobachten.
          Taucht eigentlich nur auf, wenn der Betreffende schon lange, meist zu lange, an der Macht ist und sich für unersetzlich und unbeschreiblich hält.

  1. Lieber Lapuente,

    so wichtig fundierte Kritik am Herrn Bundes(gesundheits)minister Lauterbach ist – Ihre hat mich nicht überzeugt. Sie ist oberflächlich politizistisch. Daß L. 2000 im Rheinland CDU-Mitglied war fehlt. Ebenso als Erklärung für L´s hinteren SPD-NRW-Landeslistenplatz: daß er, seitdem er für die SPD zum Bundestag kandidierte, stets d i r e k t in Leverkusen-Köln IV gewählt wurde (2005-2021). Es mag sein, daß dieser – ungekrönte „Talkshow-Clown“ (so das Linzer Fachjournal soziologie heute) – Typ aus Düren-Birkesdorf 2020/21 vor allem von ihm willfährigen Medien ins BMG reinpubliziert wurde. Was heuer gewiß kein Alleinstellungsmerkmal ist ….

    Die beiden kritikablen Kernkarrierepunkte, die über L´s frühe Routineförderung durch die Adenauerstiftung hinausgehen, bleiben bei diesem Arzt ohne Praxis und Patienten bei Ihnen draußen vor: seine Promotion mit Bestnote bei der als US-Ostküsteneliteschmiede geltenden Harvard-Uni. Und seine von ihm selbst erfolgreich eingefädelte „Berufung“ zum Professor und Direktor eines an-Instituts an der Kölschen Uni. Besonders letztgenannte ist das, was Bert Brecht in anderem Zusammenhang einen – aufzuklärenden – „ungeheuerlichen Vorgang“ nannte.

    Welche Schlußfolgerungen Sie aus dieser freundlichen Kurzkritik ziehen wissen allein Sie selbst – das Möglichkeitsspectrum reicht (vom Starkdeutsch: Schnauze halten) genannten si tacuisses bis zum das nächste Mal besser …

    Gruß, Brian

    1. Die Promotion mit Bestnote, deren zugehörige Dissertation Lauterbach erst auf Druck 2015 öffentlich machte und die danach dahingehend von einem deutschen BW-Hochschuldozenten kommentiert wurde, dass er sie nicht mal als Seminararbeit akzeptiert hätte…

  2. Ich würde ja dem Lauterbach und seinesgleichen einen 1000 fach Booster verabreichen, so gut wie das Zeugs wirkt wird er ewig leben weil es ja total gesund wirkt wie wir wissen oder zweifelt jemand daran? Also vorwärts zum Stich oder hat er etwa Angst du bist unser Gesundheitsheld – zeig uns das du kein rechtsextremer Versager bist

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