Die Lautstärke des Krieges

Szene aus Christine Lambrechts Videoansprache zu Silvester 2022.
Screenshot aus Lambrechts Silvester-Video, bearbeitet

In was für einer ausgeglichenen, ja zufriedenen Republik müssen wir doch leben, in der das Schlimmste, was eine Ministerin anrichten kann, ein missratenes Silvester-Video ist.

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht laufen die Freunde davon. Denn an Silvester hat sie sich irgendwo auf einem Berliner Platz aufgestellt und dabei filmen lassen, wie sie eine kleine Ansprache an ihre Follower richtet. Der übliche Inhalt: Tolles Jahr, Danke an die, die arbeiten müssen und hoffentlich wird alles besser. Außerdem äußerte sie sich recht kurz über den Krieg, denn er habe das Jahr geprägt. All das ging im Getöse von Silvesterknallern unter.

Professionell war der Auftritt nicht – gar keine Frage. Dass das aber dazu führen würde, die Ministerin an den Rand eines Rücktritts zu drängen, war nun wirklich nicht zu erwarten. Haben Ministerinnen und Minister zuletzt nicht viel schlimmere Auftritte hingelegt?

Dass Krieg laut ist, will man wohl nicht hören

Der Hauptvorwurf ist, dass Lambrecht vom Krieg in der Ukraine sprach, während im Hintergrund Raketen und Knaller lärmten. Die Geräuschkulisse sei in Anbetracht ihrer Rede vom Krieg als geschmacklos zu bewerten, hieß es. Womöglich fühlte sich da mancher peinlich berührt, denn wenn man sonst vom Krieg berichtet, erhält man eher saubere Bilder – dass es knallt und kracht, daran möchte man vielleicht lieber nicht erinnert werden. Man mag ihn abstrakt. Dass Krieg jedoch laut ist, will man offenbar nicht hören.

Christine Lambrecht ist wahrlich keine Lichtgestalt dieser Bundesregierung. Wer ist das schon? Und sie äußerte sich in den letzten Monaten oftmals in lächerlicher Art und Weise: Beispielsweise dass der Gepard gar kein Panzer sei und mit seinem Rohr ja nur in die Luft schieße, um Infrastruktur zu schützen. Ihr Truppenbesuch in Stöckelschuhen kam auch nicht gut an. Und ihr Sohnemann, der den Bundeswehrfuhrpark nutzt, um durch die Lande zu tingeln, macht sie als Ministerin nicht gerade attraktiver.

Für ähnliche »Fehltritte« sind in diesem Lande auch schon mal Minister zurückgetreten. Manchmal sogar für weniger. Für ein schlechtes Video jedoch noch nicht.

Und was ist mit all den anderen Figuren, die dieser Republik vorsitzen? Mit einem Panzler, der an Erinnerungslücken leidet? Sollte der nicht Platz machen für einen fitteren Kopf? Eine Außenministerin, die im Ausland als Moralistin auftritt, als Kriegseskalationsbeauftragte am Grab Gandhis PR in eigener Sache macht: Wäre das kein Grund für Rücktrittsforderungen? Oder wie steht es um Frau Strack-Zimmermann, die ständig ihr grundgesetzlich vorgesehenes Amt im Verteidigungsausschuss mit einer Waffenmesse verwechselt?

Als Laschet lachte

Stattdessen bewegt sich die Verteidigungsministerin wegen eines nichtigen Grundes an den Rand eines Rücktrittes. Ihr eigenes Ministerium verleugnet sie, die Bundesregierung stärkt ihr nicht den Rücken, geht eher auf Abstand. Und selbst die Medien, die selten durch Kritik an Mitgliedern der Bundesregierung auffallen, schreiben einen Rücktritt herbei.

Dieses gesamte Szenario erinnert an jene Kampagne gegen Armin Laschet, als er im Sommer 2021 im Hochwassergebiet gelacht hatte. Kaum wurde das medial aufgegriffen, war eigentlich klar: Der Mann gewinnt die Bundestagswahl nicht. Olaf Scholz ist so gesehen nur Kanzler, weil sein Kontrahent im falschen Augenblick kicherte. Der Vorwurf damals war grotesk, denn Menschen lachen in den unmöglichsten Augenblicken. Selbst bei Beerdigungen. Aber diese Causa ließ sich natürlich in ein moralistisches Schurkenstück umschreiben.

Hin und wieder braucht es das dann vermutlich auch, damit weiterhin der Eindruck erhalten bleibt: In Deutschland geht alles mit rechten Dingen zu. Hier kann sich eine Ministerin nicht alles erlauben. Auch sie muss Konsequenzen fürchten. Deutschland sei schließlich immer noch eine erstklassige Demokratie, in der Checks and Balances noch funktionieren. Gelegentlich muss man den Kritikern, vulgo Reichsbürger genannt, doch vorführen, wie intakt die politischen Verhältnisse noch sind. Sonst könnten sie noch glauben, dass sie recht haben mit ihrer Ablehnung der Verhältnisse. Und wenn es dann nur die unbeliebteste Ministerin in diesem Kabinett der Unbeliebten trifft, umso besser: Da ist der Verlust nur weniger dramatisch als bei allen anderen, die es da noch so gibt.

Man muss schon über seinen Schatten springen, um Christine Lambrecht jetzt als Bauernopfer zu titulieren. Sie ist es nicht. Jedenfalls ist sie grundsätzlich kein Opfer. Aber in dieser Angelegenheit kann man ihr das schon attestieren. Was war denn an diesem Video schon dabei? Nur weil sich einige Moralapostel an die Lautstärke des Krieges erinnert fühlen? Vielleicht sollten sie sich daran gewöhnen, denn wenn sie so weitermachen, knallen demnächst nicht nur Böller in diesem Land. Diese Republik gibt sich täglich mehr der Lächerlichkeit preis. Sie hat keine Probleme mit Ministern, die das Land an den Rand der Handlungsfähigkeit bringen, aber mit einer Ministerin, die ein Video verkorkst, rechnet man gnadenlos ab.

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11 Kommentare

  1. Die Panzeroma, hat sich mit der Rüstungsindustrie angelegt und das geht gar nicht. Deshalb bewegt sich die Verteidigungsministerin wegen eines nichtigen Grundes am Rand ihres Rücktritt’s !

    1. Da gibt’s noch eine andere FDP Dame die Laut der Rüstungsindustrie und der Kriegsparteien als Verteidigungsminister*Innen geeigneter ist.

      1. Hi Unbhaki,
        wenn du heute mal die Nachrichten liest, ist die Lambrecht untergetaucht. Minister*Innen die kritische Fragen stellen und Modernste Rüstungstechnik (Puma) als unbrauchbar bezeichnen! Sind nicht lange im Amt und Würden !!

  2. Ein Freund ein guter Freund ist alles was man braucht auf dieser Welt…
    Oder wenn Freunde nicht vorhanden sind, wird eine konzertierte Aktion bereitgestellt.
    Witzigerweise spielen alle mit, die eine demokratische Säule bilden.
    Wer am Silvester Abend eine Parade darlegt, der wird schon instruiert sein auch diesen „Abgang“ zu ermöglichen…

  3. Zunächst noch einmal ein gutes Neues Jahr 2023 an alle hier 😉

    Als jemand, der in seiner Zivildienstzeit, eine ältere Frau, erleben durfte – schon in den späten 1990ern – die die Silvesterböllerei nicht mochte, weil die sie an die Schlacht von Berlin erinnern würde, die sie überlebt hat, und der von seiner Nichte, die einen ukrainischstämmigen Mann hat, dessen Oma die Flucht aus Mariupol gelungen ist, und die – lange vor Silvester 2022 – laut einer Aussage von ihm bei lautem Explositionsgeräusch traumatisiert wirkt, erlaube ich mir da die Sache zwiespältiger zu sehen.

    Die gute Frau Lambrecht sollte schon eine Sanktion erleben, wenn auch eine andere als einen Rücktritt,

    Das andere was Roberto hier schreibt stimmt auch wieder, wenn schon dann alle sanktionieren, und am besten Neuwahlen, die uns eine – dann hoffentlich nicht so „dumme Regierung“ (Zitat:Oskar Lafontaine über die Ampel-Regierung in Berlin) bescheren.

    Als erstes müßte übrigens nicht die Verteidigungsministerin – meiner Ansicht nach – den Hut nehmen sondern die Außenministerin, die immer undiplomatischer agiert – jetzt legt die sich sogar mit dem Nachbarland Polen an, und zerstört mit ihrer arroganten Überheblichkeit – typisch Baerbock – das leidlich gute Verhältnis zum Nachbarland Polen völlig…..mal ganz abgesehen davon wie hasszerfressen, und russophob, die agiert und die ukrainischen Faschisten, die es unleugbar in der Regierung Selenksij bzw. der ukrainischen Soldateska gibt, sogar noch unterstützt statt diese zu bekämpfen….

    ….und was unternimmt sie eigentlich gegen deutsche Rechtsextremisten, die für Selenskjis ASOW-Brigaden an die neue Ostfront gehen?

    Wie war das damals noch mit Menschen aus .de die für die IS, oder gegen den IS, in den Krieg zogen?

    ….die wurden doch allesamt bestraft? Oder irre ich da?

    Sarkastische Grüße
    Bernie

  4. Schön, dass Herr De Lapuente an die Anti-Laschet-Kampagne erinnert.

    Laschet wäre ein deprimierender Bundeskanzler geworden, da bin ich mir als NRW-Bürger sehr sicher. Aber da wäre er ja nicht der erste und auch nicht der letzte gewesen. Die Kampagne hatte einen anderen Grund.

    Rot-Grün musste wieder an die Macht (die gelben Arbeitsverweigerer muss man diesmal halt in Kauf nehmen). Mit keiner anderen Kombination von woken Verrätern und Verräterinnen, Verbrechern und Verbrecherinnen wäre die „Zeitenwende“ so reibungslos zu bewerkstelligen wie mit dieser. Ein schwarz-gelber Wirtschaftsminister auf Frackinggas-Einkaufstour, beim Verlängern von AKW-Laufzeiten und Erweitern von Braunkohle-Schürfrechten? Da wäre aber was los in diesem unserem Lande! Sowas können sich nur die Grünen im Tandem mit den Spezialdemokraten hierzulande erlauben, ohne dass die Medien toben.

    Auch die konsequente Kriegshetzerei und Eskalation würde einer schwarz-gelben Regierung sehr viel schwerer fallen als unseren friedens- und freiheitsliebenden aktuellen Machthabern.

    Darum mussten eben diese hier in Deutschland an die Macht gelangen. Der liebe, aber leider etwas schlichte Herr Laschet war da halt im Weg, sorry.

    Gleiches übrigens auf EU-Ebene. Man erinnere sich, wie die werte Frau Doktor von der Leyen auf ihren Posten gelangte! Jene Dame, die jetzt permanent den Russland-Ukraine-Krieg anheizt und dabei auch noch ständig ihre Amtskompetenzen überschreitet, ohne dass es irgendwen aufregen würde.

    1. Das ist mal einer Analyse 🙂
      Das hat was für sich. Leider haben wir z.Zt. nur die Wahl zwischen Dummheit und Arroganz und einem unsozialen Sauerländer.

  5. Zum einen ist der letzte Absatz richtig, haette man ruhig deutlicher sagen koennen:
    Flintenuschi Zensursula hat eher richtig Schaden angerichtet und darf nun die EU zerstoeren.
    Das Video ist eine Petitesse.

    Andererseits ist ein (letzter 🙂 Gruss der Verteidigungsministerin aus Berlin – im Hintergrund Artilleriefeuer, schwerer Beschuss, Bombeneinschlaege – im Moment nicht die genau richtige Assoziation, wenn man versucht der Bevoelkerung einzureden: die Ukraine muesse mit allen Mitteln verteidigt werden, aber andererseits „der Iwan“ traut sich ja doch nicht, die Nato anzugreifen.
    Etwas unglueckliches framing.

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