
Für Kamala Harris wird es eng: Der Gazakrieg ist Ballast für ihre Wahl. Trump würde als Präsident den Gazakrieg sicher nicht beenden: Dennoch ist er im Aufwind.
Spätestens an diesem Wochenende haben die Demokraten in den USA einen Schuss vor den Bug bekommen, den sie nicht überhören können. Die Washington Post und die Los Angeles Times haben sich nicht dafür ausgesprochen, Harris zu unterstützen.
Ihnen folgten USA Today und die Chicago Tribune, die Detroit Free Press und die Minnesota Star Tribune. Bei der letzten Wahl haben sich noch alle sechs hinter den späteren Amtsinhaber Joe Biden gestellt. Donald Trump unterstützen sie zwar ebenfalls nicht, aber für große liberale publizistische Flaggschiffe ist eine Enthaltung ungewöhnlich.
Noch ungewöhnlicher: Die Entscheidung haben nicht etwa die Redaktionen getroffen; bei der Post und der L.A. Times lagen bereits (fast) fertig geschriebene Editorialy der Meinungsredakion vor, die Harris unterstützten. Harris stammt nicht nur aus Kalifornien, sie und ihr Mann Dough Emhoff haben ein Haus in Los Angeles. In beiden Fällen wurden die Editorials von den Eigentümern aus dem Blatt gekippt.
Zeitungen am Abgrund
Viele Leser waren schockiert. Alleine bei der Post kündigten 200.000 Abonnenten; die Watergate-Journalisten Bob Woodward und Carl Bernstein protestierten. Als die Humorkolumnistin der Post, Alexandra Petri, auf ihrer eigenen Seite Harris unterstützte, bekam sie mehr als 10.000 Kommentare, die meisten zustimmend.
Bei der L. A. Times traten zwei Mitglieder des „Editorial Boards“ zurück, die Leiterin des Meinungsressorts kündigte, desgleichen der Kolumnist Robert Kagan. Journalistengewerkschaften protestierten, und auch bei der L. A. Times gab es eine Welle von Lesern, die ihr Abo aufgaben, darunter der Luke-Skywalker-Darsteller Mark Hamill und der Star-Trek-Kinderstar Wil Wheaton.
Der langjährige Post-Chefredakteur Marty Baron sprach von “Feigheit” und “Rückgratlosigkeit” bei einer Institution, die [seit der Aufdeckung des Watergate-Skandals] für ihren Mut bekannt sei. Das mache die Demokratie zum Kollateralschaden. Trump werde das als Einladung sehen, Bezos einzuschüchtern.
Ja, Bezos. Jeff Bezos, Amazon-Gründer und Hauptaktionär hatte vor elf Jahren die anämische Washington Post von der Graham-Familie gekauft und sie mit einer Finanzspritze in unbekannter Höhe vor dem sicheren Tod gerettet. Das Blatt ließ seit der Wahl von Trump 2016 keine Gelegenheit vergehen, den Präsidenten zu kritisieren, Bezos ließ es geschehen und griff niemals ein. Was ist heute anders?
Nach der Wahl, meint Baron, habe Trump Amazon Rache geschworen. Er habe versucht durchzusetzen, dass die staatliche Post die Raten für Massensendungen von Amazon anhob und er wollte einen zehn-Milliarden-Dollar-Deal für Cloud Computing zwischen Amazon und dem Pengaton verhindern. Derzeit läuft auch ein Ermittlungsverfahren gegen Amazon wegen Kartellbildung. Zudem gibt es nun Temu, die neue Konkurrenz aus China. Es ist gut möglich, dass Amazon mit den von Trump angekündigten Strafzöllen gegen chinesische Importeure geholfen wäre.
Und die L.A. Times? 2018, nach vielen Krisen und Eigentümerwechseln landete die nicht-mehr-so ganz-führende Zeitung aus Los Angeles, bei Patrick Soon-Shiong. Soon-Shiong ist ein chinesisch-stämmiger Arzt und Forscher aus Südafrika, der inzwischen amerikanischer Staatsbürger ist, wie übrigens Elon Musk, der auch ähnlich reich ist wie Bezos, und der Trump unterstützt.
Auch Soon-Shiong, dessen Firma Medikamente entwickelt, hat wirtschaftliche Interessen, etwa, neue Drogen genehmigt zu bekommen und die US-Regierung bei der nächsten Seuche beliefern zu können. Er allerdings soll sich wegen des Gazakrieges entschlossen haben, Harris nicht zu unterstützen. Das behauptet seine Tochter Nika, laut New York Times eine 31-jährige progressive Aktivistin.
“Unsere Familie hat gemeinsam beschlossen, keinen Präsidentschaftskandidaten zu unterstützen”, erklärte sie in einer Pressemitteilung. “Als Bürgerin einen Landes, das offen Genozid finanziert und als eine Familie, die Apartheid in Südafrika erfahren hat, sehen wir das als eine Gelegenheit, die Rechtfertigung für Attacken gegen Journalisten und einen Krieg gegen Kindern zurückzuweisen.”
Trump wird Netanyahu unterstützen
Soon-Shiong weist das zurück; seine Tochter spreche nicht für die Familie oder die Zeitung. Das sei ihre private Meinung. Und: Er wolle in dem höchst streitbaren Wahlkampf kein Öl ins Feuer gießen, sondern sehe sein Vorgehen als Bemühen um Frieden. Aber klar ist: Der Krieg um Gaza, den die meisten Amerikaner versuchen zu ignorieren, geistert durch den Wahlkampf. Und er bringt Harris ins Straucheln.
Die Bilder der blutenden, zerrissenen toten Kinder, die Videos der schreienden, verbrennenden Menschen auf YouTube, Facebook und Instagram, die Flut von Berichten von Augenzeugen und Journalisten, die Grausamkeiten bezeugen. Die täglichen Warnungen vor Genozid und Hungertod, selbst auf CNN. Und ja, die Nazi-Vergleiche und die beschränken sich schon lange nicht mehr auf Trump.
Selbst in der Spätphase von Vietnam war der Krieg den Amerikanern nicht so nahe, auch nicht eine solche Masse von verstörenden Bilder. Damals berichteten zwar US-Zeitungen, zuletzt durchaus offen, aber es gab keine Augenzeugenberichte, die Opfer oder deren Freunde und Angehörige selbst auf Social Media stellen konnten. Dass die New York Times fortlaufend kritisch aus Israel berichtet, liegt auch daran.
Kamala Harris glaubt, oder hofft vermutlich, sie könne die anschwellende Kritik aussitzen. Sie sprich von Waffenruhe und der Zwei-Staaten-Lösung, aber jeder weiß, dass das Lippenbekenntnisse sind. Dass sie Neocons wie Liz Cheney oder Kagan um sich schart, hilft ihr auch nicht. In Michigan, wo 300.000 Araber leben, gibt es eine aktive Boykottbewegung, lieber gar nicht wählen zu gehen, statt Harris.
Außerseiter-Kandidaten wie die Grüne Jill Stein oder der sozialistische Professor Cornell West, auch Bernie Sanders wollen keine Waffen an Israel liefern. Natürlich sind sie vollkommen chancenlos – und Sanders kandidiert nicht einmal mehr –, aber sie könnten Harris ein paar Stimmen von nicht-taktischen, moralischen Wählern wegnehmen, von denen sie doch jede einzelne benötigt, um zu gewinnen
Natürlich würde Trump, den Bibi Netanyahu als Kumpel sieht, ebenfalls Waffen liefern. Wahrscheinlich würde er versuchen, die Europäer dafür zahlen zu lassen, aber wenn ihm das nicht gelingt, zahlt Amerika. Der Unterschied ist aber, dass die Wähler des Trumpenführers von ihm erwarten, dass er Netanyahu unterstützt, Gaza platt zu machen, während Kamalas Wähler wollen, dass sie ihm Paroli bietet.
Brechende Herzen
Amerika wird die toten Kinder von Gaza nicht mehr los, und das für viele Jahre nicht mehr. Vor ein paar Tage lud Jon Stewart, der berühmte, wirklich linke Late-Night-Host auf Comedy Central Josh Shapiro ins Studio ein. Shapiro ist Demokrat und Gouverneur des Swing States Pennsylvania, er wurde auch als Harris’ Vize gehandelt.
“Wir sind beide intellektuelle, vielleicht 1 Meter 70 große Juden”, sagte Stewart zu Shapiro (Stewart ist ungefähr so groß wie ich, also nicht ganz 1,70). “Wir wurden von Kindesbeinen an erzogen, pro-Israel zu sein.” Wenn er heute beim Pessach-Dinner von einer zwei-Staaten-Lösung rede, schauten ihn die Verwandten böse an.
“Es bricht mir das Herz”, meinte Shapiro. “Einmal, weil die Hamas-Terroristen 1.200 Israelis umgebracht und Frauen vergewaltigt haben, auch Kindern, auch Amerikaner, aber ich fühle genauso mit den Menschen in Gaza, die sterben. Ich will, dass die Geiseln zurückkehren, und ich will, dass der Krieg vorbei ist.”
Stewart sagte, es gehe ihm ähnlich. “Warum fühlen wir uns so hilflos?” Aber weder die Hamas noch Netanyahu wollten Frieden. “Wir brauchen eine große Koalition, die ganze Welt muss helfen, den Konflikt zu lösen”. Ein frommer Wunsch, aber die Welt wird Amerika diesen Krieg nicht abnehmen, Harris nicht, und Trump schon gar nicht.
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Die US amerikanischen Milliardäre und finanzgemästeten Think Tanks haben über die ihnen offenstehenden Kanäle einen unauslotbaren Einfluss auf den Staat und seine weltweite Aggressivität.
Neben dem seltsamen Wahlrecht, neben der Klasse von Reichen, die fast alle Sitze im Kongress innehat, gibt es offenbar auch gewohnheitsnäßig die Propaganda des betreuten Denkens
Dass Zeitungen ihren Abonnenten „Wahlempfehlungen,“ geben ist so weit entfernt von azfgeklärten Denken, wie die Erde von der Sonne.
Es erinnert an das naziaffine, miefige Adenauerdeutschland, in dem die religiösen Speichellecker der jeweiligen Macht, die Kirchen, vor den Wahlen „Hirtenbriefe“ in ihren Kirchen vorlesen ließen. Damit die Schaf ihres Gottes den rechten Pferch wählten
Wenn nun Zeitungsinhaber ihre Besitzer- Macht
ausüben und diese aus der Zeit gefallenen Bevormundung und Demokratieaushöhlung beenden, dann hat die Demokratie Mal wieder ein bisschen an Glaubwürdigkeit gewonnen
Wie steht es da eigentlich in der BRD mit Medienbesitz und Demokratieveschädigung?
Dafür gibt’s die Öffentlich-Rechtlichen die sagen 24/365 dem Bundesbürger an wie er zu handeln hat, nur 18,36€ pro Haushalt.
Ein Schnäppchen!
Natürlich ist Trump für die Zwei-Staaten-Lösung in Palästina. Das hat der Autor wohl schon vergessen. Einen entsprechenden Vorschlag ließ Trump 2020 ausarbeiten, wohl wissend, dass es Fünf vor Zwölf ist. Wie immer bei Trump eine genial einfache Lösung, nämlich Palästinenser nach Palästina und Israelis nach Israel. Es sollten die Bewohner der betroffenen Gebiete über ihre Zugehörigkeit abstimmen. Das Problem war anscheinend, dass die Israelis in Palästina bei Israel bleiben wollen, dass aber die Palästinenser in Israel nicht zu Palästina wollten. Wie immer siegten Unvernunft und Mangel an Realismus. Die Folge ist der Völkermord in den Palästinensergebieten. Im Augenblick wird sich Trump aus wahltaktischen Gründen nicht zum Palästinakonflikt äußern, sondern mit der Vergesslichkeit der Wähler rechnen.
Reden Sie bitte keinen Unsinn. Trumps „Vision for Peace“ genannter Plan war ganz sicher keine Zwei-STAATEN-Lösung, sondern eine Ein-Staat-und-ein-Reservat-Lösung. Schauen Sie sich einfach die Karte zum Plan an, dann erübrigt sich jeder Erklärung, warum der Plan „gescheitert“ ist.
–> https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/b/b0/Trump_Peace_Plan_%28cropped%29.jpg
Natürlich habe ich die Karte angeschaut und kam dabei zu einem anderen Schluss als sie. Aber sie können nicht argumentieren, sondern nur pöbeln.
Sie wollen eine „Argumentation“? Können Sie haben.
Schauen Sie sich die Karte zum Autonomie-Plan des Vertrags „Oslo-2“ an, den die Palästinenser 1995 leider unterschrieben und für den Izhak Rabin bis heute in den Himmel gelobt wird (auch vom schrägen Zuckermann):
https://en.wikipedia.org/wiki/Area_C_(West_Bank)#/media/File:Restricted_space_in_the_West_Bank,_Area_C.png
Blaugefärbt auf der Karte ist „Area C“ des _okkupierten_ Westjordanlandes, die komplett unter israelischer Militäradministration steht, aber laut „Oslo-2“ (Zitat) „schrittweise in palästinensische Jurisdiktion überführt“ werden sollte.
Letzteres ist natürlich vertragswidrig nicht geschehen. „Oslo-2“ war Betrug.
Trump wollte mit seinem „Plan“ also einen vorläufigen Schlußstrich unter den bisherigen schleichenden Landraub ziehen und praktisch die komplette „Area C“ Israel übereignen (siehe Trump-Karte), so dass die Palästinenser in eine Vielzahl übrigbleibender Klein-Reservate hätten einwilligen sollen. So wie vor 150 Jahren die nordamerikanischen Ureinwohner.
Reicht Ihnen das?
Wenn ich pöble benutze ich normalerweise nicht das Höflichkeitswort „bitte“.
@Besdomny
Danke, dass Sie auf diese ‚Vision for Peace‘-Farce von Trump’s Schwiegersohn Jared Kushner hinweisen. Ein Witz eines Friedensplanes, genau so wie die damalige ‚Präsentation‘. Die Israelis freuten sich, da sie genau wussten, dass dieser ‚Friedensplan‘ gleich wieder in der Tonne verschwinden wird. Die Palästinenser haben den Plan kollektiv zurück gewiesen, da er komplett einseitig zu Gunsten der Israelis ausgelegt war.
Aber der liebe Herr Tor(wächter) sieht das natürlich anders, weil ja Trump wie immer einfach geniale Lösungen präsentiert und er sich ein Bild angeschaut hat. Einfach gestrickt wie immer. Weiter weg von einer Lösung des Konflikts war wohl noch kein ‚Friedensplan‘ entfernt.
Wenn hier jemand töricht ist, sind sie es. Der Plan war ja gar nicht zur Annahme gedacht, sondern als Verhandlungsbasis für einen Deal, und sollte erst mal die Israelis zu Verhandlungen motivieren. Dass die Palästinenser keine Diplomatie können, ist leider klar.
Der Plan sollte die Israelis zu Verhandlungen ‚motivieren‘ und die Palästinenser können sowieso keine Diplomatie?
Soll das wieder einmal ein angebliches ‚Argument‘ von Ihnen sein?
Ihr geliebter, einfach geniale Trump hat seinen inkompetenten Schwiegersohn mit dem ‚Friedensplan‘ beauftragt und dieser hat komplett versagt, da er nur auf die Bedürfnisse der Israeli eingegangen ist.
Geschätzter Tor(wächter). Informieren Sie sich etwas mehr über diesen sogenannten ‚Friedensplan‘. In Ihrem Alter hätten Sie reichlich Zeit dafür.
Alle Wahl-Prognosen, welche diesen äußerst wichtigen und wahlentscheidenden Fakt ignorieren, sind leider für die Tonne. Das wird auch der Herr Professor – natürlich neidlos – anerkennen; zumal er diese Info sowieso nicht in seine Statistik 📊 unterbringen kann. Dafür weiß der Overton-Magazin Leser jetzt ganz genau, wer die Wahl gewinnen wird.
Und wie das Wetter wird.
Für den geneigten Leser des Overton-Magazins habe ich noch eine interessante Zusatzinformation:
Wie wählt die Qualitätspresse hierzulande ihren Favoriten, ihren Präsidentschaftskanditaten aus?
Ganz einfach: Es wird gar nicht erst versucht, sich mühsam durch Wahlprogramme oder ähnliches zu wühlen, die sie aufgrund mangelnder Lesekompetenz sowieso nicht durchschauen, sondern prüfen, bei welchem Kandidaten / Kandidatin der erste Buchstabe des Nachnamens alphabetisch näher am A liegt.
A wie Arschl…
Ist ja toll! Endlich kann ich wenigstens wieder – gesichert moralisch, ethisch u.w.a.s. auch noch – meine Ohrenputzschlinge zum Preis. von €0,75+- auf Amazonien bestellen.
Wenn man zwei inkompetente Ideologen als Kandidaten hat ist es egal wer von beiden gewählt wird!