Russland lässt sich nicht schwächen, weil es Atomwaffen hat. Die Ukraine hat keine, daher wäre sie viel leichter zu schwächen, meint Autor Hans-Peter Waldrich.
Wenn sie wüssten, was sie wollen, wäre manches besser. Aber sie wissen es nicht. Mal heißt es: Russland ruinieren, wie es Baerbock anvisierte oder Russland schwächen, wie sich Präsident Biden positionierte. Auf jeden Fall aber soll gesiegt werden. Das Ende des Krieges ist erreicht, wenn gesiegt wurde. So simpel ist das.
Wenn es doch nur so einfach wäre! Ist es nicht gänzlich illusorisch zu glauben, Putin würde sich hinter die Linien vor dem Angriff am 24. Februar zurückziehen? Und sogar die Krim wieder ausspucken? Das kann er doch gar nicht, will er im Sattel bleiben! Er kann doch nicht ein derartiges Unternehmen starten und anschließend bekennen, dass es ein Flop war. Dieses Kriegsziel fällt also weg.
Russland in Teilrepubliken zerkleinern?
Vielleicht aber Russland schwächen. Doch wie wünschenswert wäre es, wenn es ginge? Einen souveränen Staat nach dem eigenen Gusto dirigieren zu wollen, den Regime change zustande bringen – das ist ja amerikanische Spezialität mit und ohne Hilfe des CIA. Was aus »geschwächten« Staaten so alles werden kann, nachdem man sie völkerrechtswidrig angegriffen hat, zeigt etwa die Geschichte des Irak seit 2003.
Will man Russland in Teilrepubliken zerkleinern, die sich anschließend in die Wolle kriegen? Soll ein Bürgerkrieg ausbrechen – Bürgerkrieg innerhalb einer Atommacht? Möchte man riskieren, dass noch radikalere Kräfte in den Kreml gelangen? Wer hat da einen Plan, wie sieht der aus? Oder hat niemand einen realistischen Plan, so wie damals im Irak?
Viel eher wäre es schon möglich, die Ukraine zu schwächen – und nicht Russland. Wie viel Biomasse hat die Ukraine zur Verfügung, bis dort der letzte Mohikaner gefallen ist? Denn gelieferte Waffen kämpfen nicht ohne Personal. Der objektive Zynismus dieser Strategie liegt auf der Hand. Das Ausbluten der ukrainischen Streitkräfte ist von Russland längst eingepreist. Und dessen Reserven sind noch lange nicht ausgeschöpft.
Kein »Privatproblem« der Ukraine
Hält die Ukraine aber noch einige Zeit durch, so könnte Putin der Kragen platzen. Wann das wäre und was er täte, wissen wir nicht. Immerhin gibt es einen Präzedenzfall, wie man Atomwaffen einsetzt, um zu signalisieren: Jetzt ist Schluss und in dieser Region haben wir das Sagen! Denn als die Amerikaner am 6. und am 9. August 1945 Hiroshima und Nagasaki bombardierten, ging es um beides: das Ende eines Krieges und darum, den Sowjets zu zeigen, dass sie in Japan nichts verloren haben.
Weshalb sollte Putin nicht von dieser Methode Gebrauch machen? Weshalb nicht – sagen wir – eine atomare Explosion über der Ostsee vornehmen? Einen Demonstrationsschlag sozusagen. Oder mit einer »taktischen« Bombe der ukrainischen Verteidigung den Rest geben? Zurzeit tun wir alles, um durch Provokation herauszubekommen, ob Putin so etwas täte.
Nur eines tun wir nicht. Wir legen es nicht mit aller Kraft darauf an, zu Friedensverhandlungen zu kommen. Dabei müsste man eingestehen, dass es sich um eine geopolitische Auseinandersetzung handelt, um kein »Privatproblem« der Ukraine. Ohne die USA kann sie weder verstanden noch beendet werden. Statt hochzurüsten, könnte hier auch die NATO ein Wörtchen mitreden. Frieden, so wäre die Botschaft, ist uns wichtiger als Dominanz. Denn der objektive Zynismus des gegenwärtigen Vorgehens liegt in der Zerstörung der Ukraine. Egal wie verlogen wir diesen Zynismus moralisch kaschieren.
Atomwaffen lohnen sich
Und ja: Alles was bei Verhandlungen schließlich herauskommen kann, ist zugleich eine Niederlage gegenüber Russland. Dieser Stellvertreterkrieg um Einflusssphären wird wieder einmal dem Aggressor recht geben. Denn wie sollte je eine Herrschaft des Rechts zwischen den Völkern durchsetzbar sein, so lange es Atomwaffen gibt? Wir glauben, diese Waffen behalten zu können, ohne dass es letztlich Konsequenzen hat. Obamas Vorschlag einer atomwaffenfreien Welt –längst vergessen. Der UNO-Atomwaffenverbotsvertrag – kaum der Rede wert.
Das hat Folgen. Wir stehen vor der Frage: Politik als gebe es keine Atomwaffen oder sollen wir deren Existenz ins Kalkül ziehen? Irgendwie tun wir beides. Wir wissen, dass wir Putins Aggression hinnehmen müssen, sie jedenfalls nicht mit NATO-Streitkräften zurückschlagen dürfen. Wir hoffen, dass dennoch irgendwie ein Sieg über ihn möglich wäre und riskieren dabei den ganz großen Kladderadatsch.
Zu guter Letzt werden wir Russland den Donbass und die Krim doch lassen müssen oder wenn es schlecht läuft auch noch größere Teile der Ukraine. Ohne Atomwaffen wäre ein ganz anderer Verlauf denkbar. Insbesondere stünden wir nicht ständig vor dem kollektiven Untergang. So aber bleibt die Botschaft an alle Diktatoren: der Besitz von Atomwaffen lohnt sich! Mal sehen, was demnächst in Ostasien passiert, wenn es um Taiwan geht.
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Was wäre die USA wohl ohne Atomwaffen?
Ach ja, wir müssen Putin die Krim und die Ostukraine überlassen? Wußte nicht, dass sie uns gehören. Putin führt also einen Eroberungskrieg, wußte ich auch nicht. Waren wir nicht in der Auseinandersetzung nicht beteiligt?
Es muss schwer sein, sich von NATO – Narrativen zu trennen. Wir haben das Problem nicht, Ihr müsst Euch winden und dabei Gefahr laufen, Euer Gehirn zu verrenken.
Die USA waren die bislang einzige Macht, die Atomwaffen eingesetzt haben. – Die beiden Städte waren, als sie am Ende des WK II eingeäschert wurden, übrigens ohne jede militärische Bedeutung mehr, aber voller Zivilisten. Die USA wollten damit nur der Welt zeigen, dass sie solche Waffen haben, und diese einzusetzen immer bereit sind.
Diese Zurschaustellung war 1945.
Heute sind sie selbst ein potentielles Ziel geworden. – Aber so recht begreifen wollen sie es immer noch nicht.
Atomwaffen lohnen sich…leider ja.
Unter dem Hintergrund des Angriffs auf die Ukraine durch eine der Garantiemächte, wird es in Zukunft zu so etwas wie dem Budapester Memorandum nicht mehr kommen.
Man kann vermuten, dass es immer noch einige Leute gibt, die den Inhalt des Budapester Memorandum gar nicht verstanden haben, und es ihnen vollkommen entgangen ist, dass die Russen es nach wie vor erfüllen – die Yankees aber nicht, denn die Lagerung amerikanischer Atomwaffen wurde hierzulande sogar ausgeweitet.
Warum sollte die normale Menschheit noch auf die Glaubwürdigkeit der Yankees & Co. etwas geben. – Das Minsker Abkommen haben diese Hooligans ja auch nicht eingehalten.
Eine steile These, dass sich Moskau noch an das BM hält.
Nach dem Motto, was mir gefällt und passt daran halte ich mich, den Rest vergisst man schnell.
Na dann erzähle doch mal, in welchen ehemaligen Ostblockstaaten die Russen noch Atomwaffen lagern.
Ach es geht nur um die Lagerugf von Atomwaffen und um sonst nichts?
Die USA hat im Iran die Möglichkeit verspielt, dass dieses Land sich keine Atomwaffen beschafft.
Die Diplomatie der USA macht seid jahrzehnten die Welt immer unsicherer und dies wird von Jahr zu Jahr immer schlimmer. Eine gute Diplomatie ist vermittelnd, läßt nur Sieger zurück. Das verstehen US-Diplomaten nicht. Sie sind die Nummer 1, der Mittelpunkt des Universiums. Es muss ein Schock für die USA sein, zu erkennen, dass nicht alles um sie kreist. Aber sie können ja im Vatikan anfragen, wie es sich anfühlte, zu wissen, dass die Sonne nicht um die Erde kreist.
@ oberstMeyer : “Ach ja, wir müssen Putin die Krim und die Ostukraine überlassen? Wußte nicht, dass sie uns gehören. ” … das gefällt mir… :)) …!
Der Krieg hat als Bürgerkrieg begonnen. Die Seperatisten auf der einen Seite und die West Ukraine auf der anderen.
Alles andere ist dann Agro Nato gegen Agro Asien.
Die Agression ist beiderseitig und Putin ist nicht Russland sowenig wie Barbender und Scholz Deutschland sind.
Ein ziemlich bescheidener Artikel ganz nach der Gehirnwäsche die es sonst auch in der Westpresse gibt.
“Obamas Vorschlag einer atomwaffenfreien Welt…” Dass der gleiche u.s.-Präsident eine Moderniesierung des Atomwaffenarsenals in die Wege geleitet hat, die damals auf ca. 1 Billion, also 1’000 Milliarden u.s.-$ veranschlagt wurde, zwischenzeitlich auf noch ein wenig mehr, dass derselbe den ‘Pivot to Asia’, sinngemäss die Konfrontation mit China gestartet hat, ist Waldrich wohl entgangen. Generell scheint er zu übersehen, wo der aktuelle Krieg stattfindet, nämlich nahe an Russlands Grenzen, was schon klar sagt, wer hier imperialistisch unterwegs ist.
Eine weitere Eskalation ist leider alles andere als ausgeschlossen. Aus schierer Dummheit und Selbstüberschätzung arbeitet der Westen darauf hin. Warum aber die offensichtlich siegende Partei zu Atombomben greifen, also eine Verzweiflungstat begehen soll – solch krause Logik erschliesst sich nicht. Die russische Kriegsführung ist entgegen den westlichen propagandistischen Behauptungen bemüht, die Zivilbevölkerung zu schonen. Nach der westlichen Methode – wochen- wenn für nötig erachtet monatelange Dauerbombardierung der Hauptstadt – sähe heute die Ukraine anders aus.
Welch ein absurder Pantoffelkino Kommentar von einem Ahnungslosen…
Ich habs schon zweimal verlinkt… sogar das Wall Street Journal berichtet bereist darüber, dass die Amis seit 50 Jahren keine Kriege mehr führen um sie zu gewinnen. Die Übermachtist gross, dass sie den Gegner genügend schwächen und dann einfach aufhören. Und genau das wird in der Ukraine auch passieren. Kriegsziel ist Russland zu schwächen und in erster(!) Linie die ins riesige gewachsene ökonomische Zusammanarbeit Deutschlands und Russland zu sabotieren. Wenn unserer Industrie und der Bevölkerung im Winter das Gas ausgeht, umso besser…
Wall Street Journal 2. July Seite C3 “America’s First ‘Limited War’”
Der “Erste” deshalb, weil man diese Taktik in Korea zum ersten Mal angewendet hat. Den Amis ist es letztlich egal was in der Ukraine abläuft. Die Kriegsziele hat man bereits erreicht. Sollte es trotzdem noch tatsächlich bis zu Atombomben eskalieren, so wird das im Prinzip in Deutschland ablaufen. Weder in Russland noch in den USA, die sind ja nicht blöd.
Im gegensatz zB zu einer Baerbock…