Allen Anfeindungen zum Trotz

Auf der Gedenkveranstaltung für Reiner Bernstein würdigte Moshe Zuckermann dessen „von Humanität getragene Solidarität mit dem menschlichen Leid auf der Welt“.

Der Saal des Neuhauser TRAFO in München war randgefüllt. Gekommen sind viele Wegbegleiter von Reiner und Judith Bernstein, die zum Gedenken an ihren vor über einem Jahr verstorbenen Ehemann eingeladen hatte.

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Der Historiker und Publizist Reiner Bernstein hat sich zeit seines Lebens mit dem Nahostkonflikt beschäftigt, trat für eine friedliche Lösung ein, war in den 1970er Jahren Leiter der Bundesgeschäftsstelle der Deutsch-Israelischen Gesellschaft in Bonn, trat aber 1977 wegen Auseinandersetzung um die Legitimität einer Kritik an Israel als Generalsekretär zurück, war Mitbegründer des Deutsch-israelischen Arbeitskreises für Frieden im Nahen Osten und von 2007 bis 2011 Vorsitzender der „Initiative Stolpersteine für München e. V.“  Er unterstützte die „Genfer Initiative“, die sich für eine Zweistaatenlösung zur Lösung des Nahostkonfliktes einsetzt, hielt dann aber die Einstaatenlösung für vernünftiger. Bernstein wurde immer wieder des Antisemitismus und der Unterstützung der BDS-Kampagne bezichtigt.

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Geladen war auch Moshe Zuckermann als Festredner, der jedoch krankheitsbedingt nicht persönlich anreisen konnte. Dennoch ließ er es sich nicht nehmen, den von ihm um seiner Klarheit und Hartnäckigkeit willen geschätzten und bewunderten Reiner Bernstein in einer anspruchsvollen Rede via Videoübertragung zu würdigen. Nachdem Zuckermann die verschiedenen Typen von Intellektuellen nach Ralf Dahrendorf vorgestellt hatte, bescheinigte er dem lebenslang engagiert in der Palästina-Solidarität Tätigen Bernstein ein Intellektueller „im System“ gewesen zu sein – also einer, der sich nicht hat herausdrängen lassen und einfach dabei blieb, seine Anliegen zu verfechten und dafür mit allen Verantwortlichen im Gespräch zu bleiben; eben „allen Anfeindungen zum Trotz“.

Die Erlebnisse und Gedanken Reiner Bernsteins und dessen – wie Zuckermann betonte – „von Humanität getragene Solidarität mit dem menschlichen Leid auf der Welt“ finden Ausdruck in seinem Buch unter genau diesem Titel:  Allen Anfeindungen zum Trotz.

Wer auch nur vom Rande her die Inflation von Antisemitismusvorwürfen beobachtet, die zumeist Information und Auseinandersetzung mit den Völkerrechtsverstößen des israelischen Staates verhindern sollen, kann sich vielleicht ausmalen, was Reiner Bernstein Zeit seines Lebens erdulden musste. Wie gut, dass er dieses Anliegen mit seiner Frau, die als Judith Strauss in Israel das Licht der Welt erblickte, teilen konnte.

Aber nicht nur Antisemitismusvorwürfe stellen eine Waffe gegen Aktivismus in Deutschland für Menschen- und Völkerrecht in Israel dar. Der antipalästinensische Rassismus füllt in diesem Kontext die andere Seite der Medaille – alles Teile massiver Silencing-Strategien. Dies verdeutlichte am Abend die zweite Festrednerin, die für „Palästina spricht“ und ganz im Sinne Reiner Bernsteins sprach, Lobna Shammout.

Die am Abend gezeigten Filmdokumente ergänzten das Bild. Ein Beitrag des ARD-Europamagazins  machte das Versagen der EU nur allzu deutlich, die verhindert, dass es genügend Medikamente für junge Krebspatienten, u.a. junge Mütter, gibt.* Ein weiterer Filmbeitrag, von Andrej Bockelmann von 1977, erinnerte an den Beginn der sog. Siedlerbewegung und lieferte ein Reportage-Dokument der tabufreien Recherche vor Ort, nämlich in „Wildwest in Westjordanien“.

Der Abend im Trafo war getragen von vielen ebenfalls Aktiven, die den Kampf und die Hoffnung auf ein menschenwürdiges Leben in Israel-Palästina für alle Menschen nicht aufgeben. Dazu gehörten der Salam-Shalom Arbeitskreis Palästina-Israel, die Jüdisch-Palästinensische Dialoggruppe und der Frauen in Schwarz, sowie die musikalische Beigabe von Michael Leslie und die Lesebeiträge von Erich Fried und Charlie Chaplin, vorgetragen von Jürgen Jung.

Ein würdiges Gedenken für den Geehrten, der – so die Worte seiner Frau – „mit dem Gefühl gehen musste, nichts erreicht zu haben“. Das klare Statement fürs unbeirrte Weitermachen ganz in seinem und ihrem Sinne widerspricht diesem Eindruck posthum. Die Vertrauten hätten ihm gerne diese Einsicht vermittelt – aber am besten wird es sein, wenn dies politisch erreicht sein wird.

Als Symbol für das lohnende Engagement steht das *Auguste-Viktoria-Krankenhaus in Ostjerusalem, eine Herzensangelegenheit von Reiner Bernstein.

 

Spenden für das Auguste-Victoria-Krankenhaus in Ostjerusalem unter dem Betreff „AVH krebskranke Kinder“ an: SpendenKonto des Dt. Nationalkomitees des Lutherischen Weltbundes IBAN DE21 5206 0410 0000 4195 40.

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