Tanz den Roger Waters!

Bühnenshow, Roger Waters
GabboT, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons

Schwarzer Ledermantel mit roter Armbinde: Ist das eine Straftat oder nicht? Und dürfte man heute noch den Mussolini tanzen?

Roger Waters trat bei seinem Konzert in Berlin mit einem schwarzen Ledermantel auf, den er mit einer roten Armbinde verzierte. Auf der Armbinde zu sehen: Zwei gekreuzte Hämmer. Prompt fühlte sich die Staatsanwaltschaft aufgerufen, einem dringenden Tatverdacht nachzugehen. Hat Waters den Nationalsozialismus verherrlicht?

Wohl eher nicht, denn ein Hakenkreuz präsentierte er nicht. Dafür gekreuzte Hämmer, die eher als was Sowjetisches denken lassen. Ob er mit dem Nationalsozialismus kokettiert: Dieser Frage könnte man hingegen nachgehen. Und auch jener, ob das die künstlerische Freiheit zulässt oder nicht. Gerade in Zeiten wie diesen, in denen der Liberalismus als die größte Errungenschaft schlechthin gefeiert wird, sollte man diese Koketterie doch aushalten können.

Tanz den Adolf Hitler!

In Zeiten, in denen der Liberalismus noch nicht die vermeintlich dominierende Denkart war – um nicht zu sagen: Ideologie –, konnte man sogar den Mussolini tanzen. Die Deutsch-Amerikanische Freundschaft, abgekürzt DAF, erzielte damit einen europäischen Hit. Erstaunlicherweise zogen die Konzerte von DAF nicht Neonazis an, sie wurden von bürgerlichem, teils linkem Publikum frequentiert. Nur im Ostblock, so berichtete DAF später mal, habe man mal in Kitschlederklamotten vor Neonazis spielen müssen.

Der Song »Der Mussolini« kokettierte mit dem Nationalsozialismus. Man tanzte nicht nur den Mussolini, sondern auch der Adolf Hitler wurde textlich getanzt. Und der Jesus Christus. Selbst den Kommunismus schien tanzbar zu sein. Intoniert wurde das Stück im strengen Ton, ein bisschen Kasernenhof schwang mit, als ob ein Rottenführer Befehle bellte. Diese eiskalte Ästhetik durchzog noch weitere Stücke von DAF, nicht nur den »Mussolini«. Man spürte den Spott, den DAF über die Menschenfeinde ausschüttete. Es war eine tanzbare Persiflage.

Dass die Sendeanstalten den DAF-Song nicht spielten, muss man nicht gesondert erwähnen. Und selbstverständlich strampelten sich konservative wie progressive Politiker und Medienleute gegen diesen Angriff auf den zugegeben schlechten Geschmack ab – denn unter uns Ästheten: Harmonisch war der Song nicht. Aber man schrieb nun mal das Jahr 1981, man war noch kleinkariert, kleingeistig und borniert, schließlich war man damals noch rückständig: So stellen wir uns die Achtziger heute jedenfalls vor.

Aber so war es dann doch nicht. Hätte Roger Waters den schwarzen Ledermantel getanzt, wäre vermutlich weniger geschehen als heute. Dieser Tage ereifert sich die kontrollierte Öffentlichkeit in einem Maße, wie man es sich vielleicht in der Retrospektive für 1981 vorstellen würde. Aber damals, in jenen Jahren, da der Liberalismus ja vermeintlich noch gar nicht angekommen war in der deutschen Wirklichkeit, konnte »Der Mussolini« ertragen werden. Junge Leute klatschten in die Hände und grölten, dass sie den Adolf Hitler tanzten: Und dennoch war es das Gegenteil von rechtsradikal.

So sehr Faschisten, wie Hitler ein Maler war

Schon mal eine Bühnenshow von Rammstein gesehen? Die Ästhetik ist runtergekühlt bis ins Unerträgliche, die Stimmen klingen nach einem faschistischen Spieß, die Bilder wirken riefensteinisch. Der schwarze Ledermantel kam auch bei Rammstein schon häufiger zum Einsatz. Wenn auch vielleicht nicht mit Armbinde. Anleihen nahm Rammstein beim slowenischen Kunstkollektiv Laibach, das schon seit Jahrzehnten mit dem Nationalsozialismus beziehungsweise dem Faschismus kokettiert. Auf die Frage, ob sie denn Faschisten seien, antwortete das Kollektiv Anfang der Neunziger: »Wir sind so sehr Faschisten, wie Hitler ein Maler war.«

Gab es wegen Rammstein je Empörung? Sicherlich. Wie immer, wenn jemand gefühllose Videos inszeniert. Aber dass die große Medienhatz ausgerufen wurde, kann man nun wirklich nicht behaupten. Mal abgesehen vom derzeitigen Skandal, wonach Rammstein-Frontmann Till Lindemann sexueller Missbrauch vorgeworfen wird – ein explizit unpolitischer Vorwurf.

Natürlich hält man der Band nichts Politisches vor, denn Rammstein spielt die Revolte nur auf der Bühne. Ihre Show mimt den Bürgerschreck, hat aber keine Qualitäten, die sich in die Wirklichkeit überführen ließen. Sicherlich äußert Lindemann, der Kopf von Rammstein, auch mal laue Gesellschaftskritik in den Gazetten – und natürlich galt für ihn im Rolling Stone auch schon: »Wir hassen Nazis.« Aber dass er die politische Situation aufspießt und gegen den Strich bürstet, wie es ein Roger Waters tut, davon kann nun wahrlich keine Rede sein.

Der Vorwurf der Verherrlichung des Nationalsozialismus scheint also arg konstruiert zu sein, denn mit Nazi-Devotionalien wird seit vielen Jahren und Jahrzehnten auf Showbühnen kokettiert. Selten um Hitler seine Reverenz zu erweisen. Immer um zu provozieren, lächerlich zu machen und eine Botschaft zu unterstreichen. So kann man auch die Ummantelung Waters‘ betrachten. Er spielt auf seinen Konzerten ständig mit der Ikonographie einer verrückt gewordenen Welt. Ob Kommunismus, Kapitalismus, Zionismus, Konzerne oder eben Faschismus: Alle bekommen sie ihr Fett weg. Damit zu spielen, ist die vielleicht letzte reale Revolte einer Rockmusik, die schon seit vielen Jahren als domestiziert gilt. Dass Waters seine Musik nicht zur Fahrstuhlmusik der Macht modifiziert: Das ist der eigentliche Vorwurf an seine Person.

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24 Kommentare

  1. In Osteuropa würde man bei Ledermantel eher an Tscheka denken. Auch wenn Waters zweifellos damit ästhetisierte Gewalt symbolisieren wollte, aber nicht, um sie zu verherrlichen. Irgendwie hergeholt das alles.

    1. Ich habe nie ein Foto eines Tschekisten in Ledermantel gesehen. Einige trugen LederJACKEN, weil die Industriearbeiterschaft, aus der die Tscheka sich rekrutierte, solche trug. War ja in Deutschland zur selben Zeit ebenfalls üblich.
      Ich wüsste auch nicht, wer damals (frühes 20. Jh.) in Russland Ledermäntel getragen haben sollte. Die Bauern trugen Wattejacken, das Kleinbürgertum Dreiteiler plus Stoffmantel (Lenin!). Die Arbeiterschaft trug Jacken, egal ob nun in Leder (haltbarer, aber teurer) oder Stoff.

      Hier ein paar Fotos aus der frühen Tscheka-Zeit:
      > http://history.syktnet.ru/02/03/236.html

      Leder ja, aber ausschließlich Jacken.

  2. Der einzige Grund, dass Waters neuerdings als der „reichweiteststärkste Antisemit der Welt“ und „Nazi“ tituliert wird, machdem er mit seiner Show seit Jahren/Jahrzehnten um die Welt tourt, scheint mir nicht seine Bühnenshow, seine Klamotten, Symbolik oder sonst etwas zu sein…

    Waters hat es gewagt, laut und deutlich das Ukraine-Narrativ anzugreifen, NATO/USA zu kritisieren und hat es sogar gewagt, den Finger in die Wunde zu legen, dass der Westen den Ukrainekrieg seit über 20 Jahren provoziert…

    Hätte er gesagt, „Putin = Hitler“, er hätte auch Säuglinge auf der Bühne opfern können ohne Ärger zu bekommen…

  3. Scholz sagte unverblümt „Ruhm der Ukraine“, alle Anwesenden hat es nicht gestört und keine jüdische Organisation beschwerte sich. Ist eben en vogue…

    1. Hier vor Ort wird für eine Diskussionsveranstaltung der GRÜNEN geworben, die sich mit der Zukunft der Ukraine beschäftigen wird. Überschrift auf den Plakaten: Slava Ukrainii

      In Washington ist diese Grußformel schon lange en vogue.

  4. Das dürfte auch der Grund sein, weshalb jetzt Lindemann geschlachtet werden soll. Seine prorussische Haltung ist kein Geheimnis und da holen die Wokeschisten die Waffen raus, mit denen sie schon Assange erfolgreich angriffen und die Voraussetzungen dafür schufen, um ihn zu vernichten. Irgendwas mit Sex geht immer.

    1. Genau das habe ich auch schon gedacht. Allein frustrierte abgewiesene Frauen
      können nicht diesen Sturm erzeugen. Es fällt auf, dass es um einige Prommies
      sehr ruhig geworden ist. Vor allem bei den Kabarrettisten.

  5. Wobei, wie ich an anderer Stelle erwähnt habe, das Entstehen einer multipolaren Weltordnung auch seine guten Seiten hat, und das schreibe ich obwohl, oder gerade weil ich auch Robertos Sicht ähnlich sehe.

    Zur Zeit tourt eine Frau, und Ex-Auslandsjournalistin, namens Charlotte Wiedemann mit ihrem Werk „Den Schmerz der Anderen begreifen – Holocaust und Weltgedächtnis“, mit Lesungen aus ihrem Werk durch Deutschland.

    Auch ihr würde schon vor ihren Lesungen „Antisemitismus“ vorgeworfen – Nachdenkseiten.de berichtete in den verlinkten „Videohinweisen des Tages“ neulich darüber.

    Der Grund?

    Sie weist auf die ganz offensichtlich absichtlich vergessene rassistische Schlagseite beider Weltkriege hin – die jeweiligen regierungsoffiziellen Stellen, und westlichen Mainstream-Medien, erinnern nur an „weiße Opfer“ der beiden globalen Weltkriege in Europa – der der afroamerikanischen Soldaten, afrikanischen und arabischen bzw. moslemischen Kolonialsoldaten würd völlig ausgeblendet – übrigens auch eine Tatsache, die z..b. alle Hollywood-Kriegsfilme über diese Zeiten als rassistisch erscheinen lässt, da die Gefallenen, Verwundeten, von der deutschen Feindseite in KZs ermordeten, und gefangen genommenen nicht-weißen Weltkriegsteilnehmer einfach nicht dargestellt werden.

    Eine längst überfällige Korrektur 👍😉 über ins vergessen abgeschobene NS-Opfer, und Befreier Westeuropas, neben der Roten Armee, von Hitlers Terrorregime. auf allierter Seite 👍😉

    Müßig daran zu erinnern, dass für diese Soldaten seitens der Wehrmacht, im Falle der Kriegsgefangenschaft der selbe Grundsatz galt wie für die sowjetischen Kriegsgefangenen – es waren „Keine Kameraden“ – den Rest kann sich jeder selber denken.

    Zynische Grüße
    Bernie

  6. Apropos „DAF-Song“, der Erwähung halber gab es zur Zeit des Nationalsozialismus Liederbücher der »Deutschen Arbeitsfront«, welche die Abkürzung DAF mit der Truppe „Deutsch-Amerikanische Freundschaft“ nun teilen.

  7. „Prompt fühlte sich die Staatsanwaltschaft aufgerufen, einem dringenden Tatverdacht nachzugehen.“

    Wie entsteht eigentlich dieser dienstbare Eifer der Staatsanwalts? War die deutsche Justiz nicht gnadenlos gegen Deserteure und Nazigegner und musste sie nicht zum Jagen getragen werden, als es um die Verbrechen der Nazis ging? Hat man nicht die viele der erstklassigen und zweitklassigen Täter laufen oder mit milden Strafen davon kommen lassen?
    Heute exekutiert man seine Rechtschaffenheit an kleinen ukrainischen Hilfswilligen, wie dem Herrn Demjanjuk oder an fünftklassigen Helfern wie dieser 90jährigen Sekretärin, die in einem KZ im Schreibbüro sass. Die Frau war damals eine halbbare Jugendliche und hatte mindesten 10 Jahre Nazipropaganda hinter sich.

    Und heute hat die Berliner Justiz immer noch nicht gelernt, dass es nicht ihre Aufgabe ist, den herrschenden Narrativen willfährig zu sein.

  8. Schwarze Uniform mit roter Armbinde?
    Dann fungierten schon Die Pgs Michael Jackson und Lady Gaga als Obersturmbannführer*innen.

  9. Mir von meist anonymen Milchbubis und -mädels Gesülze zu „LGBTQ+“ anhören zu müssen oder von Nazis, das andere, als sie selbst, Nazis seien, empfinde ich als persönliche Beleidigung und einen Anschlag auf jegliche Vernunft. Das sind Gartenzwerge, die sich Macht anmaßen wollen, jedoch nur üble Hassreden verbreiten, um andere niederzumachen.

    Als meine Generation – „Woodstock“ verbunden – für Toleranz, Frieden, soziale Gerechtigkeit, Selbstbestimmung und individuelle Freiheit eintrat, wo waren da diese spießigen, zu keinerlei Denkleistung fähigen Gartenmorone? Noch nicht mal geboren. Bei vielen dieser armen Würmer kann man annehmen, dass ihnen die Tschernobyl-Katastrophe die für die Hirnentwicklung erforderlichen Gene entfernt hatte. Deshalb wählen die heute „grün“, damit Uranmunition zum Einsatz kommt und Kohlekraftwerke ausgebaut werden. Und versuchen uns – also Angehörigen meiner Generation – absurderweise vorzuschreiben, gentechnischen Veränderungen wie mRNA-Spritzen und Geschlechtsumwandlung Folge zu leisten. Was für ein Faschopack!

    Diese genverwursteten Hohlköpfe versuchen, sich die Forderungen der vernünftigen Generation anzueignen, ohne auch nur den Hauch einer Anstrengung zu unternehmen, die überhaupt zu verstehen. Und dann wollen sie diese ihre fehlgeschlagene Vermoppelkotzung noch gegen frei denkende Menschen verwenden. Diese Vollpfosten sind der Beweis, dass auf den Schultern von Mikroben, die auf den Schultern von Kakerlaken, die auf den Schultern von Zwergen, die auf den Schultern von Riesen hocken, nur Nullen zu finden sind. Der Durchschnitts-IQ vor 2500 Jahren lag bei etwa 180, der Durchschnitts-IQ von heute liegt bei etwa (höchstens) 75.

    Meine Meinung.

    Und viel Spaß weiterhin in dieser Welt.

    1. Schon Jim Morrison (DOORS) sagte:

      Was, Du suchst? Du suchst Anhänger? Suche Nullen!

      Die meisten Leute verstehen gar nicht worum es in „The Wall“ geht

      Wurde es damals am Brandenburger Tor noch bejubelt, so wird es heute verdammt.

      Warum? Nur weil Waters auf Einladung der Russen vor der UNO gesprochen und sich für den Frieden eingesetzt hat.

      Danach liefen die olivbraungrünen „Völkerrechtler“ zur hassgeleiteten Höchstform auf.
      FRIEDEN? Nein. den wollen sie nicht!
      Die Bundeswehr soll demnächst schon die Schüler in den Schulen für den Krieg indoktrinieren.
      Die OLIVBRAUNGRÜNEN brauchen Kanonenfutter

  10. Wichtiger als alle Gesetze in Deutschland ist immer die allgemeine Stimmungslage. Und der ordnen sich viele einfach unter. Auch sogenannte Gebildete wie Doktoren oder Professoren machen da mit. Nach unseren deutschen Erfahrungen von Hexenverfolgung und dreißigjährigem Krieg und von Adolf bis zur SED weiß man, das Gefahr ganz realistisch drohen kann. In den letzten 50 Jahren dergestalt, daß es zur Milchmannzeit an der Haustür klingelt und dann „wird man abgeholt“. Wir haben alle gelesen, daß Richter, die gegen Corona-Regeln entschieden, auf einmal wegen Rechtsbeugung angezeigt wurden, wir haben alle gesehen, daß renommierte Wissenschaftler mundtotgemacht wurden, daß Spaziergänger von der Polizei gejagt wurden. Trotz eines wunderschönen Grundgesetzes, trotz einer Unschuldsvermutung…. Wenn es allgemeine Stimmungslage ist, werden die Gesetze eben immer gerade in die gewünschte Richtung interpretiert und ausgelegt. In Deutschland herrscht immer „die aktuelle Situation“. Und in der ist ziemlich genau fast alles möglich.

  11. Wo waren diese Moral- und SIttenwächter eigentlich die letzten 40 Jahre?

    Das Album ‚The Wall‘, auf welches Waters in der Regel seine Bühnenprogramme aufbaut, stammt aus dem November 1979.
    Wenn ich das grosse ‚The Wall‘-Konzert vom Sommer 1990 in Berlin ansehe, stelle ich fest, dass Waters bereits dort mit all den ihm nun angelasteten Devotionalien aufgetreten ist: dem schwarzen Mantel, den gekreuzten Hämmern. War das damals ein Aufreger? Jeder Staatsanwalt, der sich damals aufgeschwungen hätte, einen irgendwie gearteten Antisemitismusvorwurf daraus zu konstruieren, wäre aus dem Amt gelacht worden.

    Der Videoclip ‚Another Brick in the Wall part 2‘ strotzt vor faschistoider Symbolik. Offenbar hat das nie jemanden gestört.
    Allerdings muss man sich heute fragen, WARUM das bis vor kurzem niemanden gestört hat.

    Könnte es sein, dass man in dieser noch nicht allzu fernen Vergangenheit, im Gegensatz zu heute, imstande war, die Botschaft hinter der Symbolik zu verstehen? Das würde meiner Auffassung nach bedeuten, dass schulische Tätigkeiten wie z.B. Literaturinterpretation heute gänzlich weggefallen sind und dadurch niemand mehr imstande ist, zwischen den Zeilen zu lesen, den Text im Text zu erkennen. Das wäre dann bloss ein weiterer Offenbarungseid für die Misere unserer Bildungssysteme.

    Oder aber es geht hier um die vorsätzliche Weigerung, die eigentliche Botschaft verstehen zu wollen und sich einzig an der Symbolik anzudocken um diese entsprechend nach eigenem Gusto (politisch) ausschlachten zu können.

    Diese Verkürzung läuft dann eben so wie wir aktuell sehen:

    Waters bedient sich faschistoider Symbolik, also ist er ein Nazi, ein Antisemit.

    Das erlaubt denjenigen, die so argumentieren zweierlei:

    1. sie brauchen sich nicht mehr mit der wirklichen Botschaft des Werks von ‚The Wall‘ auseinanderzusetzen, welches mitnichten den Faschismus glorifiziert, sondern im Gegenteil die ganze menschliche Katastophe darin aufzeigt. Immerhin hat Waters Vater im 2. Weltkrieg seinen Vater verloren.
    Sollte dies zutreffen, könnte man, wenn man ganz zynisch veranlagt wäre, denjenigen, die so argumentieren, selbst den Vorwurf der Verherrlichung des Faschismus vorwerfen, weil sie, sei aus intellektueller Unfähigkeit oder politischer Motivation, die von Waters hinter der Symbolik versteckte Botschaft nicht sehen können oder wollen.

    2. sie instrumentalisieren die Symbolik, die wie gesagt schon seit 1979 im Werk von Water und Pink Floyd drin ist bewusst und mit Vorsatz für ihre aktuellen politischen Zwecke. Dadurch, dass sich Waters kritisch mit der Besatzungspolitik Israels und zum Ukrainekonflikt äussert, verstösst er gleich in zwei Punkten gegen das mit Zähnen und Klauen verteidigte deutsche und europäische Narrativ, welches Kritik an Israel auf primitiven Antisemitismus und Kritik am Vorgehen von USA und der Nato während der letzten 20 Jahre als Anteil an der Eskalation in der Ukraine auf Putinpropaganda verkürzt.

    Vermutlich wird beides teils zutreffen, denn es braucht schon eine ordentliche Portion geistiger Beschränktheit, die Message im Werk ‚The Wall‘ nicht verstehen zu können.
    Überwiegend wird es aber freilich so sein, dass man die Message nicht verstehen will und sich stattdessen intellektuell plump an der als Transportmittel verwendeten Symbolik festbeisst und deren Interpretation nach Belieben so zurechtbiegt, bis sie ins eigene Narrativ passt.

  12. Die Nazi-Ikonografie führt RogerWaters schon vor, seit er THE WALL, eine Abrechnung mit autoritären Systemen, die bereits in manchen Kinderzimmern und Schulklassenräumen beginnen, Ende der 1970er auf die Plattenteller, die Bühnen (und in die Kinos) der Welt gebracht hat.
    Und wo unsere „wertegeleitete Demokratie“ sich zusehends mit Riesenschritten wieder einem autoritären System annähert, wenn schon den Herrschenden unbequeme Wahrheiten mit Strafbefehlen von Gerichten abgestraft werden, ist das doch die beste Rechtfertigung für Waters, über vier Jahrzehnte damit nie aufgehört zu haben. Zumal an der Stätte der Planung maximalen Grauens, eben Berlin!

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