
Märchenstunde für den kleinen Boris.
Komm, Boris, setz dich her und mach’s dir gemütlich! Wir wollen jetzt mal einen Blick in das alte Buch werfen, das wir in Omas Kiste auf dem Speicher gefunden haben! Brauchst du ein Taschentuch? Nein? Also, ich les’ mal den Titel:
„Die redenden Thiere. Ein episches Gedicht in sechsundzwanzig Gesängen von Giambattista Casti. Aus dem Italiänischen übersetzt. 1817 bei J. Heyse in Bremen erschienen.“
Siehst du, mein kleiner Boris, „Tiere“ hat man früher noch mit „th“ geschrieben, das geht heute gar nicht mehr. Und „Italienisch“ mit einem „ä“: „Italiääänisch“! Da lachst du? Ja, hört sich schon komisch an! Brauchst du nicht vielleicht doch ein Taschentuch? Na gut, dann eben nicht. Also, ich les’ mal die erste Strophe:
Die Sitten sing’ ich, die Gebräuche, Thaten,
Den Zwist der Thiere und den wilden Streit
Furchtbarer Heere thierischer Soldaten
In jener dunklen, längstvergessnen Zeit,
Da einst dem Thiergeschlecht des Schicksals Hand
Die Sprache noch verlieh und den Verstand.
Aha! Das Buch erzählt also vom Krieg der Tiere! Spannend, nicht? Schau, hier in der dreizehnten Strophe wird auch erklärt, warum sie Krieg führen:
Wo viele Herrscher sind, ist ewig Streit,
Drum haben stets die Menschen sich bekrieget;
Ja, unter Göttern selbst hat Einigkeit
Nicht immer Platz, wenn sonst Homer nicht lüget;
Wie sollten Thiere denn, gewohnt zu handeln
Nach Willkühr, friedlich durch das Leben wandeln?
Logisch: Hier ein Saddam, ein Gaddafi, ein Kim Jong Un, dort irgendein Assad, Erdogan oder Putin, und immer droht man sich gegenseitig mit Raketen und Massenvernichtungswaffen! Wer dieser Homer wohl sein mag? Sicherlich ein Amerikaner! Als ihr zusammen mit der Ursel nach Washington geflogen seid, ist er euch da nicht vorgestellt worden? Du kannst dich nicht erinnern? Nein? Bist du sicher, dass du kein Taschentuch brauchst? Wie du meinst. Na, dann schauen wir mal weiter! Puh, das ist aber viel, das schaffen wir heute nicht alles! Warte, hier im vierten Gesang ist wieder ein Stelle, die Oma extra mit Bleistift angestrichen hat, Strophe neunundvierzig:
Ich blicke, doch vergebens, rings umher,
Ob keine Morgenröthe sich will zeigen;
Doch ach! der Donner brüllt und immer mehr
Seh’ ich die Zukunft finstrer niedersteigen,
Wenn kräftig Tugend nicht das Übel heilt,
Und nicht ein Wunder uns zu Hülfe eilt!
Ja, das sieht schon sehr nach Krieg aus, genau wie heute! Wäre schon wichtig, dass die Tugend „kräftig“ was dagegen unternimmt! Was meinst du, mein kleiner Boris, kriegt ihr das noch hin, du, der Fritz und der Johann? Die Ursel will euch ja unterstützten, so gut sie kann. Und mit Manuel, Keir, Mark und den anderen versteht ihr euch ja auch ganz gut, nicht wahr? Warte, nimm jetzt mal das Taschentuch hier und schnäuze einmal kräftig durch. Noch einmal! So, prima!
Verbirg Dich Wahrheit! Eile fort von hier!
Schau, mein kleiner Boris, hier im achten Gesang hat Oma gleich zwei Strophen angestrichen! Nämlich… na? Was ist das für eine Zahl? Na? Das haben wir doch erst letzte Woche geübt! Was, du weißt nicht mehr? Überleg noch einmal genau! Richtig, eine sechsundfünfzig! Und hier, nächste Strophe, was ist da für eine Zahl? Ganz genau, eine siebenundfünfzig! Prima, dafür gibt es einen Kuß! Also, ich les’ mal vor was hier steht:
Und wagte einer öffentlich zu sprechen
Die Wahrheit unbedachtsam, war dies schier
Ein großes Staats- und Majestäts-Verbrechen!
Verbirg Dich Wahrheit! Eile fort von hier!
Am Hofe Dich zu zeigen, wage nimmer,
Wo Dir Verfolgung droht und Unglück immer!
Noch einmal sag’ ich’s: Du darfst nimmermehr
Das anerkannte Wahre frei entfalten,
Das nur Gefahr Dir bringt; Du mußt vielmehr
Den angenommnen Irrthum unterhalten,
Die einz’ge Stütze des Gesellschaftsbandes,
Der öffentlichen Ruh, des Landes!
Ja, da lachst du wieder, mein süßer kleiner Boris! Nun ja, hört sich schon sehr altmodisch an! Tatsächlich gibt es „die Wahrheit“ ja gar nicht, wie heute alle wissen. Insofern kann es auch, anders als der Herr Casti glaubt, keinen Grund für sie geben, sich zu verstecken oder fortzueilen! Aber weißt du, mein Schatz, das alles bezieht sich sowieso nur auf Autokratien! Deutschland ist ja zum Glück eine Demokratie! Einen Hof und eine Majestät, so etwas haben wir hier nicht! – Du, da fällt mir ein, wie geht es eigentlich dem… na, wie heißt er doch gleich? Dieser eine Freund von dir, der immer so ernst guckt und immer so gewaltige Geburtstagsfeiern veranstaltet? Wohnt er immer noch in diesem schönen Anwesen gleich neben der Goldelse? Weiß man schon, wann er das nächste Mal feiert und wen er alles eingeladen hat? Ach, wie heißt der kleine Schlingel denn nur, nun sag schon! Wie bitte? Er trank aus dem Füllfederhalter? Wer erzählt den sowas? Er sorgt immer nur für Zank und ist ein Spalter? Aber was lachst du denn, mein kleiner Boris? Also du musst dir schon Mühe geben, etwas deutlicher zu sprechen! Komm, schnäuz‘ dir nochmal gründlich die Nase!
Da Tiere gegen Tiere kämpfend standen
Hm…, hier sind jetzt mehrere Seiten über die Krönung des Löwen und wie es bei Hof so zuging, mit Tatzenlecken und so weiter. Scheint mir nicht so wichtig, das können wir, glaube ich, überspringen. Hm…, scheint so, dass der Löwe irgendwann stirbt und die Löwin mit dem Fuchs die Regentschaft übernimmt… Aber Boris, was machst du denn da? Du brauchst mir doch nicht die Hand zu lecken!? Hihihi, du glaubst wohl, du bist am Hof der Tiere, hihihi! Komm lass das, das ist unhygienisch! Ich kann ja auch gar nicht umblättern, wenn du mir dauernd die Hand leckst! – Schau mal, hier zu Beginn des zehnten Gesangs scheint es endlich loszugehen mit dem Krieg, Oma hat extra ein Lesezeichen eingeschoben:
Woher nehm’ ich die Worte und die Stimme,
Zu singen jener Kriege Graus und Wuth,
Durch die das Thiergeschlecht im heißen Grimme
Die Erde füllt mit Leichen rings und Blut,
Da Thiere gegen Thiere kämpfend standen,
Und ganze Gattungen ihr Ende fanden?
Siehst du, jetzt geht’s zur Sache! Was die Tiere wohl für Waffentechniken eingesetzt haben, was meinst du, mein kleiner süßer Boris? Halt, nein, doch noch kein Krieg. War doch noch zu früh. War scheinbar nur eine Ankündigung. Na gut, dann müssen wir eben noch ein bißchen weiterblättern. Hier, schau, Strophe neunzig hat die liebe Oma wieder extra angestrichen:
Scheint ein Minister einst sich Dir zu zeigen
Als feste Stütze dessen, der da thront,
So nimm von ihm hinweg das ernste Schweigen
Und das Geheimnis, das stets um ihn wohnt,
Nimm ihm sein wichtiges Geschäftigseyn,
So groß er schien, wird er alsdann bald klein!
Das habt ihr bei der Ursel doch auch schon beigebracht bekommen, nicht wahr? Was sagst du? Ihr übt das jeden Tag? Minister-Miene-Machen? Lass doch mal sehen! – Hihihi, also mein kleiner Boris, hihihi, so kannst du jederzeit vor’s Parlament treten! Sind denn die anderen auch so gut? Der Fritz und der Johann? So so, der Frank-Walter ist also der mit Abstand beste! Das wundert mich nicht, er sieht ja schon vom Gesicht her so aus wie eine Eule, das verschafft ihm von vornherein einen Riesenvorteil!
So schlägt der Koch die Eier in die Schüssel
Aber was ist nun mit unseren redenden Tieren? Also hier, im eilften Gesang… ja, da lachst du wieder, aber hier steht tatsächlich „eilf“ und nicht „elf“! Also hier, im eilften Gesang… na, na, jetzt beruhig dich wieder, sonst bekommst du wieder stundenlang Schluckauf! Jedenfalls, wenn mich nicht alles täuscht, sind die Tiere jetzt tatsächlich in aktive Kampfhandlungen verwickelt, nämlich – warte mal, lass mich sehen – die „Royalisten“ unter der Löwin und dem Fuchs gegen die „Clubbisten“, die von Hund und Elefant angeführt werden. Was sagst du da? Du würdest am liebsten beim Elefanten mitkämpfen? Ja, da hast du sicherlich eine kluge Wahl getroffen, mein lieber Boris! Schau mal hier, fünfundfünfzigste Strophe:
Und schleudernd seinen fürcherlichen Rüssel
Drückt’ er die Feinde dutzendweise todt;
So schlägt der Koch die Eier in die Schüssel,
So kneten Bauern Teig zu ihrem Brodt;
Und jene, wie man taktisch redet: ziehen
Sich nun zurück, das heißt auf deutsch: sie fliehen!
Also mit dem Elefanten, da hast du wahrscheinlich recht, ist man immer auf der Gewinnerseite! Wir können das jetzt aber nicht alles lesen, ist viel zu lang. Schau, Oma hat erst wieder die Strophen vierundsechzig und fünfundsechzig angestrichen:
Versunken war die Sonne schon im Meere
Und machte Platz dem Monde und den Sternen,
Da endet das Gemetzel, und die Heere
Sieht man von beiden Seiten sich entfernen,
Indeß zum Fraß der Vögel nun die lieben
Erschlagnen Freunde und die Brüder blieben.
Wie leicht war dieses Unglück zu verhüten
Und dieser blutig frevelhafte Streit,
Wenn man den Grund nur von dem tollen Wüten
Gehoben hätte noch zur rechten Zeit,
Und die Gemüter, statt sie zu zerspalten
Durch Zwietracht, hätte fest vereint gehalten.
Ja, mein kleiner Boris, hinterher ist man immer klüger! Aber so ist das halt: Die einen wollen so, die anderen wollen anders, und immer gibt es Grund für Krieg! Zum Beispiel wollen wir hier in Deutschland und Europa eine Demokratie und einen Rechtsstaat haben und in einer friedlichen und freien Welt leben! Eben deshalb müssen wir uns aber gegen den autokratischen Menschenschinder Putin verteidigen, der genau das nicht will! Die liebe Ursel, wie du weißt, hat ja alles getan, damit wir das mit dem Putin vielleicht doch noch einigermaßen friedlich hinbekommen. Aber am Ende, wenn alles nichts nützt, muss man manchmal eben auch härtere Saiten aufziehen und in den sauren Apfel beißen!
Du, Boris, da fällt mir ein: Haben wir dem Herrn Hüttler nicht versprochen, dass du ihm noch diese Woche dabei hilfst, das faule Obst in seinem Garten aufzulesen? Nein, nein, nicht morgen! Mach das am besten heute noch, und zwar jetzt gleich, es wird ja schon in einer Stunde dunkel! Wir können ja dann morgen noch ein bisschen weiterlesen, wenn du magst. Nimm aber deine Gummi-Stiefel, so matschig wie es da draußen ist! Und grüß den Herrn Hüttler von mir!




abgesehen davon….:
„Die weltweiten Rüstungsausgaben für das Jahr 2024 betrugen 2,7 Billionen US-Dollar und werden für 2035 auf astronomische 6,6 Billionen US-Dollar geschätzt. Gleichzeitig leben etwa 1,1 Milliarden Menschen weltweit in extremer Armut. Es würde keine 2,7 Billionen Dollar erfordern, diese Menschen aus der Armut zu befreien. Tatsächlich genügten mutmaßlich etwa 100 Milliarden Dollar jährlich, um die weltweite Armut zu beseitigen — das ist nur etwa ein Zehntel dessen, was die USA mutmaßlich jährlich in Rüstung investieren.“
https://www.manova.news/artikel/die-kosten-des-krieges
Ach, Sie müssen auch einmal praktisch denken wie unsere Schwab Jünger in den Regierungen.
Die wollen die Erdbevölkerung doch auf max. 4,5 Milliarden Menschen reduzieren. Wenn man
den Armen jetzt hilft, dann vermehren die sich doch sogar. Wenn man aber die richtigen Waffen
baut und auch endlich einmal effektiv einsetzt, dann kann man auf einem Schlag schon 4 Milliarden
Menschen von der Erde tilgen. Die sind dann nicht tot, sie leben nur in einem anderen Universum.