Bismarck? Ja, bitte!

Bismarck-Denkmal in Hamburg.
SKopp, CC BY 4.0, via Wikimedia Commons

Soll man in Hamburg das Denkmal des kriegerischen Reichskanzlers Otto von Bismarck schleifen? Bloß nicht, denn wer Geschichte schleift, entsorgt Aufklärung.

Als ich vor knapp 40 Jahren von Süddeutschland nach Hamburg umzog (man könnte sagen: Ich war ein Wirtschaftsflüchtling aus Schwaben, Gruner & Jahr boten damals noch verführerische Arbeitsplätze) fielen mir einige Dinge in der Hansestadt auf: Es gab damals fast keine Straßencafés, keine Straßenkneipen, keine Wirtschaften, die im Freien Wein, Kaffee ausschenkten, keine Restaurants, die draußen gar Essen servierten – naja, fast keine. Heute sitzen die Hamburger sogar bei kühlem Schietwetter vor der Tür und tun so, als ob das klasse sei.

Und die Hamburger hatten damals auch noch überhaupt keine Ahnung, wie man Weiß-/Weizenbier trinkt: Nicht aus Flaschen, was einige hanseatischen Freunde bei meiner Einstandsparty versuchten – bis der Schaum ihnen aus Mund und Nase quoll.

Lasst das Ding stehen

Und noch etwas verblüffte mich damals: ein unförmiges, wuchtiges Beton-Ungetüm über dem Hafen, einfach hässlich. Ich erfuhr, dass dieses Trumm Bismarck darstellt, dass die Hamburger den sogenannten Reichsgründer weg von ihrer Stadt Richtung Meer blicken ließen, weil sie als Republikaner irgendwie mit dem monarchistischen Reaktionär haderten. Eine Geschichte, die so wahrscheinlich nicht stimmt, denn viele Städte an Flüssen oder Meeren lassen ihre „Helden“ in die Ferne blicken, dorthin, wo es Märkte, Kolonien, Länder zu erobern gibt; eines der bekanntesten dieser Art ist wohl das in Lissabon, „Heinrich dem Seefahrer“ gewidmet. Übrigens ähnlich unästhetisch wie das Hamburger Bismarck-Betonwerk.

Ich war bisher nur einmal, viele Jahre ist es her, beim Bismarck-Denkmal – damals ein recht schmutziger Versammlungsort für Kippen, Bierflaschen, Spritzen, Großstadtmüll aller Art.

Damals hätte ich gesagt, wie so viele sich darüber ärgernde Bürger: Jagt dieses Ding, dieses Symbol für eine undemokratisch-imperial-brutale Politik (Sozialistengesetze! Kriege! Kolonien!) in die Luft!

Aber heute sage ich, wie Gott sei Dank so viele in der Stadt, gerade heute, wo es en vogue ist, Denkmäler zu schleifen: Lasst das Ding stehen. Nutzt es zur Erklärung der Geschichte!

Nutzt es so, wie das Kriegs- und Antikriegsdenkmal am Dammtor-Bahnhof. Auch da war ich – wie die rebellischen Studenten in den späten 60er, frühen 70ern des vergangenen Jahrhunderts – dafür, dass der martialische Krieger-Koloss gesprengt wird. Dass er spurenlos entsorgt wird.

Doch mit diesem Rausreißen löst man nicht die heftigen Widersprüche unserer Geschichte. Dieses Auslöschen ist das Gegenteil von Aufklärung.

Denk mal!

Neulich hatte ich Besuch aus Süddeutschland, junge Menschen. Sie stiegen am Dammtor aus dem Zug. Sie sahen das Monstrum, die Verherrlichung des Heldentods, diese kantigen Soldaten, bereit „fürs Vaterland“ in den Tod zu ziehen, das nicht fertiggestellte anti-faschistische Mahnmal von Alfred Hrdlicka direkt daneben. Sie blieben fast eine halbe Stunde bei diesem verstörenden Erinnerungsensemble, googelten auch nach Antworten, die ihnen das Mahnmal leider nicht gibt. Etwa Antworten auf diese Fragen: Warum wurde das Gegendenkmal nicht fertiggestellt? Wer war dagegen? Scheiterte es an Geld?

Auf sie hatte das Antikriegsdenkmal, so ähnlich sagten sie es, gerade, weil es nicht fertiggestellt wurde, eine beklemmende Aktualität, „weil derzeit Rüstung, Panzer, Kanonen wieder in den Alltag zurückkehren“. Weil besonders bei einer Friedenspartei a.D. das Militärische eine bis vor Kurzem undenkbare Renaissance erlebt.

Dieses Denkmal ruft ja fast verzweifelt: Denk mal!

Die Nazis ließen vor dem Krieg, vor dem Feuersturm über Hamburg im Bismarck-Denkmal einen Luftschutzbunker einbauen – soll der vielleicht demnächst wieder aktiviert werden?

Durchaus denkbar – heute, in diesen aus den Fugen geratenen Zeiten. Außenministerium Annalena Baerbock schwärmte ja neulich bei ihrem Finnland-Besuch von den riesigen Bunkerbauten unter den dortigen Städten, das sei „intelligente Stadtplanung“.

Wirklich?

Die vielen Bunker in Hamburg haben zigtausendenfachen Tod im Zweiten Weltkrieg nicht verhindert. Denk mal!

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16 Kommentare

  1. Weiß nicht, ob Bismarck einer der bösen war, immerhin hat er die Gesundheitsversicherung eingeführt (wenn auch nur, um den Linken den Wind aus den Segeln zu nehmen). Ich meine: Wer zu der Zeit war kein Kriegstreiber? Kant war Rassist, Luther Antisemit. Das war damals aber jeder.

  2. Das herumfuhrwerken an der Geschichte zeugt von der Unfähigkeit, mit der Gegenwart umzugehen. Bei Denkmälern gibt es natürlich zusätzlich das Problem, daß sich der Blick auf die Vergangenheit ändert und besonders frühere Verhaltensweisen heute eben anders beurteilt werden als damals. Das sollte keineswegs dazu verführen, diese früher gesellschaftlich akzeptierten Verhaltensweisen heutigen Maßstäben zu unterwerfen. Es gibt doch krasse Beispiele für solche Vorgänge, in den USA wurden zunächst die Ureinwohner im großen Stil ausgerottet und dann die Sklaverei praktiziert. Und, stört das dort heute jemand? Warum müssen wir Deutsche uns immer zum Maßstab aufschwingen? Gerade die Figur Bismarck ist sehr geeignet, sich die Problematik zu verdeutlichen. Deutschland hat dem Reichsgründer seine Existenz in der heutigen geeinten Form zu verdanken, andererseits erhebt sich die Frage, war es wirklich gut, ein solches Großreich in der Mitte Europas zu gründen? Was daraus geworden ist, hat ja das folgende Jahrhundert gezeigt. Wahrscheinlich weil wir mit den Problemen der Gegenwart nicht mehr zurechtkommen verlegen wir uns anscheinend immer stärker darauf, Dinge zum Gegenstand zu machen, die nicht mehr verändert werden können. Anschaulich zu sehen daran, wie die Staaten Osteuropas der Versuchung anheimfallen, alte Rechnungen mit der Sowjetunion zu präsentieren und bemüht sind, diese dem heutigen Rußland aufzumachen. Letztendlich auf Kosten Westeuropas.

    1. Und doch war er ein Mörder! Und Bismarck diente Rothschild mehr als dem Deutschen Volk! (Da gibt es ein sehr aufschlussreiches Buch eines damaligen Reichstagsabgeorfneten!) Woher stammt sein neu errungener Reichtum??? Von dem zukünftigen König in Preußen (damals), den er ermorden ließ. Sein Fürstentum und … eignete er sich geschickt an und enteignete die Erben des ermordeten zukünftigen Königs usw.
      Gesetze (Wünsche des Herrn Rothschild) peitsche er durch, die zukunftsweisend waren > z.B. das Aktiengesetz > nur nicht im Sinne des Deutschen Volkes. Es bleibt noch vieles im Dunkeln, weil die Geschichtsschreibung zu oft und verwirrend gefälscht wurde. Die Rechte und das Eigentum der Gemeinden sind auf ein absolutes Minimum geschrumpft! Auch das nahm unter Bismarck seinen Anfang!
      Bismarck seine sogenannten Errungenschaften wurde uns eingebläut. Leider hinterfragen wir nichts mehr!

      1. Bismarck war sein ganzes Leben lang einer der berüchtigten ostelbischen Landjunker. Feudalismus, Deutschordenstümelei und Kolonialismus scheinbar schon genetisch verankert.
        Egal wie diese traurige Figur in deutschen Landen verherrlicht wurde und wird, er konnte und wollte nicht aus seiner Haut. Ständegesellschaft als politisches Programm. Bismarck und der preussisch-feudalistisch-faschistische Größenwahn führten auf direktem Weg zu den zwei Weltkriegen und zum Rückbau Deutschlands zur US-Kolonie.
        Laßt seine Denkmäler stehen. Als Mahnmal der Schande und des Gedenkens.
        Und stellt noch eines von Hitler daneben.
        Wobei die USA selbst eine Feudalgesellschaft sind und sich der Kreis somit geschlossen hat.

  3. Ist das nicht irgendwie Voodoo? Man behandelt das Abbild des Feindes oder der feindlichen Idee, um ihn oder sie, also die Idee zu vernichten.
    Ck, ne Puppe ist leichter zu behandeln als so ein großes Denkmal, aber was soll’s.
    Richtig aufgeklärt klingt das auch nicht,

    Franz Mehring, Historiker und Journalist, hat die Preußen und das, wofür sie standen, aus tiefstem Herzen verachtet und sie gekonnt und kenntnisreich – damals hatten Schreibende oftmals noch Ahnung von dem, worüber sie schrieben – verspottet. Sie boten ihm in ihrer dummen Borniertheit, oftmals gepaart mit Brutalität und Unbildung, reichlich Stoff. Da ließ er auch den Fritz, den sie gern den “Großen” nennen , nicht aus. Bismark aber passte da nicht so rein. Er war klug.

    Natürlich war er ein Reaktionär, der Gewalt anwandte und provozierte, wenn es ihm notwendig erschien. Aber nur dann. Und man wird nicht umhin kommen festzustellen, dass es die Kriege im Zusammenhang mit der Reichseinigung, also die gegen Frankreich und Östereich mit großer Sicherheit auch gegeben hätte, wenn Bismark sie nicht vom Zaun gebrochen hätte. Beide Weltmächte hätten ebenso einen für sie günstigen Zeitpunkt gewählt, um den weiteren Aufstieg eines mächtigen Konkurrenten zu beenden.

    Wenn ich es einigermaßen überblicke, ich bin ja kein Historiker, führte Deutschland in der Zeit, als der erste Wilhelm unter Bismark Kaiser sein durfte, keine Kriege mehr. Und er hat auch beständig davon gewarnt, sich gegen Russland zu wenden. Anders als heutige Außenpolitiker hatte er eine Vorstellung von den realen Gegebenheiten. Aber er kam auch nicht vom Völkerrecht.
    Ja und dann kam 1888 unser dritter und letzter Kaiser und der quälte Bismark mit der bescheuerten Idee seines Gottesgnadetums und das er selber jetzt Politik macht. Irgendwie nicht gut. Wir wissen, wie es ausging und es war definitiv nicht das Resultat einer Politik, die ihren Anfang bei Bismark hatte.

    Wenn deutsche Wokeschisten sich ausgerechnet auf Bismark einschießen, muss das einen Grund haben. Hat es doch in meiner Stadt Erinnerungsstücke an ganz andere Preußen, die sehr viel mieser als Bismark zu beurteilen sind: Friedrich der II, Hindenburg, Moltke, Wilhelm II fallen mir spontan ein und unsere “Siegessäule” ist auch ein verdammt unsympatisches Denkmal.
    Aber warum Bismark? Das ist angesichts der evidenten Bildungs- und Intelligenzmängel unserer Administration schwer zu verstehen. Man wundert sich, dass sie den Namen kennen. Vieleicht hat ihnen mal gesagt, das Bismark ein Russlandversteher war. Und er hat immer davor gewarnt , dass Deutschland sich gegen Russland stellt. Schätze, dass das heute reicht und mit komplexeren Überlegungen möchte man Wokeschisten nicht befasst sehen. Könnte zu bleibenden Schäden führen,

  4. Bismark? Wird mit 2 Stuecken Holz und 1/4 Gurke gefangen,
    Denkmal? Warum nicht, hier steht zb. so Elefant rum, Reichskolonialehrendenkmal , zuerst
    für die Gloriefizierung von Miesereien, dann flott umgewidmet.
    Heutzutage ist dieser putzige, kleine Park leider unbetretbar, alles voll von Süchtigen so Crack oder Christalmeth Zeugs, was weiss ich, die Stadt kämpft mit den Ergebnissen Ihrer Politik.

    1. Das Kolonialdenkmal vor dem Berliner Schloss wurde abgebaut und nur die Löwen später wieder aufgestellt – im Tierpark vor dem A-Brehm-(Raubtier-)Haus.
      F2 & Bismarck wurden in der DDR erst recht spät wiederentdeckt und teilrehabilitiert. Das andere Preußen hatte man schon früher wiederentdeckt, aber wohl zu spät, um ein auch darauf gründendes spezielles DDR-Nationalbewusstsein zu erzeugen/erinnern, zumal ja wichtige Teile der DDR nie zu Preußen gehörten, sein größter Teil gar im (einst eroberten) Westen und verlorenen Osten lagen.
      F1 , der 1.König in Preußen, war ein Schöngeist und Verschwender nach dem Vorbild des frz Sonnenkönigs. Sein Sohn, der Soldatenkönig hatte ihn deshalb verachtet und sich gegensätzlich positioniert, sich mit seiner Armee aber in 1.Linie nur geschmückt. Wirklich benutzt hat sie erst sein Sohn F2, der seinen Vater hasste. Und er war ein Mann der Aufklärung, wenn er auch nicht soweit ging wie Voltaire. Er war jedenfalls der Meinung, dass nicht nur das Volk Pflichten und nur die Obrigkeit Rechte hatte, sondern beide Rechte und Pflichten. Leider waren seine ihm nachfolgenden Verwandten sehr viel konservativer und weniger weitblickend, so dass auch die Politik der preußischen Reformer nach dem Sieg über Napoleon im Sande verlief und auch die Revolution von 1848/49 keinen Erfolg hatte. Mit dem Sieg derEwiggestrigen war dann das Bild von Preußen als Inbegriff von Militarismus und Engstirnigkeit festgeschrieben, obwohl manches geistig Erreichte bestehen blieb und im 2.Reich noch ausgebaut werden konnte. Die Nazis haben das dann endgültig verspielt, hatten sie sich doch auf den reaktionärsten Geist Preußens berufen.
      Gefürchtet hatten die Potentaten Europas aber genau den anderen Geist, der einst F2 und seinem Preußen neuen Geist verlieh und den die Reformer (widerständig) weiterentwickelt hatten. Deshalb standen ihre Denkmäler bereits zu DDR-Zeiten wieder neben der Staatsoper und auch F2 kehrte etwas später aus seiner Potsdamer Verbannung zurück und reitet lange wieder ‘Unter den Linden’, schräg gegenüber.

  5. Wer seine Geschichte, nicht versteht, möchte sie einfach nur kaputtmachen. Das ist alles nicht nur kleinlich, sondern erbärmlich!Aber gut, in totalitären Regimen, ist das so: Trotzki, wurde aus Fotos wegretuschiert, Hoffmansthal, durfte als Libretist Richard Strauss´scher Opern, nicht genannt werden. Obwohl sich Strauss, dagegen gewehrt hatte. Das ist der Hass der primitiven Proleten, die dank einer (der einzigen) Partei, plötzlich hochgespült wurden – und nun ihre Minderwertigkeitskomplexe, “abarbeiten” konnten.

    Aber außer, dass Bismarck, ein “Kolonialist”, “Rassist” war, hat ja der Bilderstürmende Pöbel, keine Ahnung. Bildungsfern ist die beste Voraussetzung, um Bilderstürmer zu werden. Die Ganglien des autochthonen Troglodyten, verdauen nur den schleimig, nährwertlosen Bei, der ihnen vorgesetzt wird. Mich machte das schon immer sehr skeptisch – jene optischen Ähnlichkeiten zwischen Gehirn – und Gedärm,

  6. Als Frau (darf man das noch sagen ;-)?) fordere ich seit meiner ‘Emanzen-Zeit’ , dass nahezu neben jedem Denkmal ein 2. Denkmal stehen müsste!!
    In jedem Kleinklekkerdorf steht ein Kriegerdenkmal … warum nicht daneben ein Mütterdenkmal (o nein kommt mir nicht mit Hitler!! Mütter gibt es seit 100000 Jahren!!! Also VOR und NACH Hitler! )
    Warum gibt es sowenige Positiv-Denkmäler, so wenige Widerstandsdenkmäler? Warum in Stuttgart wird neben dem Stauffenberg (Adel und Spätmerker) nicht ein Elser Denke aufgestellt?
    Warum wurde Berliner Schloß (steht für Feudalismus, Ausbeutung, Kolonialisierung nach innen und außen, Krieg, Soziopathen und Psychopathem etc) schnell hochgezogen während 89er Wippe bis heute eher angedacht als realisiert wurde!!
    Warum gibt es unendlich viele positive Männerdenkmäler aber sowenig positive Frauen/Kinder/Alte/Schwache/Kranke/-denkmäler?

    Aus meiner langen Beobachtung würde ich schließen:
    Zeige mir deine Denktage/Denkmäler/Feiertage und ich sage dir welches Staatsgebilde du bist!!)

    1. Dann will ich aber neben jedem Mütterdenkmal ein Vaterdenkmal für all die Männer, die ein Leben lang malochen gingen und den größten Teil ihres Lebenseinkommen an Frau und Kinder abgegeben haben!

      1. Und an dieser Kummerstele (Armeswürstchen) treffen Sie sich, zum Vatertag und bereuen ihre freie Entscheidung auf ewigen Knechtschaft!

        1. da könnt frau sich glatt n daumen-zuwachs wünschen, also bei zwei händen wenigstens vier daumen hoch oder auch das ebenfalls gängige: ymmd! 🙂

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