
Wegen der Sanktionen gegen Russland, die jedoch der Westen und Deutschland ausbaden, sei unser Wohlstand in Gefahr. Dabei geht es hierzulande vielen gar nicht so richtig wohlständig.
Über unseren Wohlstand reden wir gerne. Wir: Das sind die Deutschen. Seit Jahr und Tag bekommen sie eingetrichtert, dass sie im Wohlstand leben, ihn ausbauen oder gar verteidigen müssen. Dieses Deutschland, »in dem wir alle gut und gerne leben«, definiert sich von jeher als eine wohlständige Nation, in dem der »Wohlstand für alle« blühe. In den Jahren, in denen der Wohlstand sukzessive abgetragen, der Sozialstaat geschleift, der Rechtsstaat »neu strukturiert« wurde, hat man dennoch weiterhin vom Wohlstand gesprochen, in dem wir alle – ja, wirklich alle – lebten.
Beliebt war es eine Zeitlang, den Wohlstand unserer Langzeitarbeitslosen mit dem Lebensstandard von Hirsebauern in Burundi zu vergleichen. Neben einem Afrikaner, der in einem Land lebt, in dem laut Welthunger-Index fast die Hälfte der Bevölkerung regelmäßig an Hunger leidet, sieht so ein Hartz-IV-Empfänger natürlich wie Onkel Krösus aus – gar keine Frage. Der Kniff, die absolute Armut anzuführen, um die relative Armut zu kaschieren, ist nicht originell, wirkt aber beizeiten noch immer.
Für Arme gibt es kein Selbstbestimmungsgesetz
Nun liest man bei Journalisten und in Netzwerken, dass unser aller Wohlstand gefährdet sei: Wegen der Sanktionen. Wieder werden die Armen in unserer Gesellschaft ausgeblendet. Und das in einer Zeit, in der jeder derart sprachsensibel ist, dass sogar Richter bemüht werden, um Gemütern, die nichts mehr aushalten und sich ständig auf die Füße getreten fühlen, einen gesellschaftlich finanzierten Safe Space zu ermöglichen. So eine Lobby haben Arbeitslose nicht. Mit ihnen geht man sprachlich nicht gerade rücksichtsvoll um.
Das ganze Land ist aus dem Häuschen, weil es jetzt möglich sein soll, sich Vornamen und Geschlecht frei auswählen zu dürfen. Der Liberalismus siegt auf ganzer Linie, erst durften wir Telefonanbieter frei wählen – jetzt das, was wir biologisch sein wollen: Die Welt als Wille und Vorstellung! Was hat man nicht alles über das Selbstbestimmungsgesetz gelesen. Wieder mal steht ein Jahrhundertgesetz ins Haus – wie immer, wenn Gesetze, die auf – sagen wir mal – nicht ganz nachvollziehbaren Prämissen gründen, das diesige Licht dieser Welt erblicken. Endlich würden Menschen, die noch unentschlossen seien, für welches Geschlecht und welchen Vornamen sie sich heute entscheiden, wahrgenommen und respektiert werden. Jetzt haben sie ein Recht darauf, beim Namen genannt zu werden.
Parallel dazu sorgen wir uns um unseren Wohlstand. Nicht zu unrecht. Aber eben in einer Art und Weise, die Menschen, die in Armut leben, gar nicht wahrnimmt. Deren Wohlstand ist nicht in Gefahr. Ich verrate Ihnen mal ein Geheimnis: Die haben nämlich gar keinen Wohlstand. Was nicht heißt, dass sie sich jetzt zurücklehnen können nach dem Motto: »Wir haben eh nichts mehr zu verlieren!« Doch, das haben sie!
Arme, die zu Ärmsten werden
Sogar der Hirsebauer aus Burundi hat noch immer etwas zu verlieren. Nicht viel zwar, sicher keine Reichtümer und schon gar keinen Wohlstand: Aber auch in der Armut gibt es Verlustgeschäfte. Und die tun mehr weh als jene Verluste, die man einfährt, wenn man ansonsten gutsituiert ist. Sicherlich werden auch manche, die ihr Häuschen im Vordertaunus oder in Blankenese stehen haben, ebenfalls ein klein wenig von den Entwicklungen mitbekommen. Ihr Wohlstand wird etwas geschmälert. Aber für die Gesamtgesellschaft stimmt es einfach nicht.
Der neueste Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes hat eine Armut erfasst, wie sie in dieser Größenordnung vorher noch nie herrschte. 13,8 Millionen Menschen müssen zu den Armen gezählt werden. 600.000 mehr Menschen als noch vor der Corona-Krise. Diese Leute werden in den nächsten Wochen und Monaten nicht um ihren Wohlstand gebracht: Sie laufen Gefahr, zu den Ärmsten der Armen zu werden – andere schieben von oben nach, rutschen aus der unteren Mittelschicht in die Armut.
Wir laufen Gefahr, von einer Gesellschaft der relativen Massenarmut, in eine Gesellschaft purer, ja geradezu mehrheitsfähiger Massenarmut abzugleiten. Wer sich nur um den Wohlstand kümmert, der jetzt in Gefahr sein soll, redet an der Wirklichkeit vorbei. Es droht eine Massenverelendung historischen Ausmaßes. Mit der Sorge um den Wohlstand kaschiert man das drohende Szenario nur, tut man genau das, was man stets gerne tut: Die Armut sprachlich verbrämen, sie kleinreden. Wegschauen.
Die Bauernopfer dieses Wahnsinns
Diese 13,8 Millionen Menschen haben sich in den letzten Jahren stets vor der Strom- und Gasabrechnung gefürchtet. Schon eine Nachzahlung von 100 Euro war für sie eine Katastrophe, ein tiefer Einschnitt in die Monatsplanung. Nun geistert seit Wochen eine potenzielle Nachzahlungshöhe durch die Lande, die ein Experte irgendwo als Hausnummer genannt hatte: 1.500 Euro sollte jeder auf die Seite bringen. Auf die Seite bringen von was? Der Rente? Dem Arbeitslosengeld? Oder dem aufgestockten Niedriglohn?
Die Armen sind die Opfer dieser Politik, die sich darauf versteift hat, Außenpolitik mit Moralismus zu verquicken und so die Moral vor dem Fressen zu positionieren. Ja, man kann mit Fug und Recht behaupten, dass diese Politik der Sanktionen eine endgültige Absage an eine Sozialpolitik ist, die schon seit Jahrzehnten in der Krise steckt.
Der Wohlstand im Lande ist vermutlich gar nicht in Gefahr. Er wird sicherlich hier und da reduziert, aber im nächsten Sommer wird man dennoch ein Grillfest am Pool feiern, wie jedes Jahr, wie seit Reichengedenken. Und etliche werden ihre Party sogar noch größer planen dürfen, denn das, was droht, macht etliche zu Gewinnern auf Kosten der Allgemeinheit. Nein, dem Wohlstand geht es gut, er wird diesen Wahnsinn überleben. Nur die, die heute schon nichts vom Wohlstand wissen, wird es treffen. Sie sind, wie immer, die Bauernopfer elitärer Starrsinnigkeit.
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Danke Roberto De Lapuente, dass Sie an die 20 bis 40% in der deutschen Gesellschaft erinnern.
Wolfgang Bittner bringt das gleiche Thema heute auf den NachDenkSeiten.de auf den Punkt. “Keiner soll hungern ohne zu frieren.”
Am 6. Juli 2022 wiederholte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck auf der Münchner Handwerksmesse das, was er schon mehrmals gesagte hat: „Es kommen noch enorme Preiserhöhungen auf uns zu.“ Der Herbst werde teuer, und auf etwa 50 Prozent der Bevölkerung komme eine Situation zu, „in der sie weniger verdienen als sie ausgeben“. Für die deutsche Wirtschaft bedeute der steile Anstieg der Energiepreise das dreifache Risiko von Kaufkraftverlust, drohender Kreditklemme und Investitionsschwäche. In den Unternehmen gebe es eine wachsende Investitionszurückhaltung, und bei den Banken eine wachsende Zurückhaltung, Kredite zu vergeben.
Das sagt nicht Putin – das sagt der deutsche Wirtschaftsminister. Das ist also weit weg von russischer Propaganda, obwohl man das, was sich aus Habeck`s aussagen ergibt bereits ab März/ April in russischen und anderen alternativen Medien lesen konnte. Damalige FakeNews oder feindliche Propaganda wird plötzlich Realität. Oder anderes gesagt, die damalige Sicht unserer MSM war FakeNews bzw. westliche Propaganda.
Übrigens wenn man die DDR-Elithen in Wandlitz mit den Quandt`s, Albrecht`s und Co der BRD vergleicht, da erzeugt man das gleiche Stimmungsbild wie bei dem “Hartzer” und dem Hirsebauern aus Burundi. Die richtige Wahl von Vergleichen ist oftmals vom Standpunkt abhängig. Und von wem westliche Medien abhängig sind, hat sich seid der berühmten “Anstalt” herum gesprochen, als die “Anstalt” noch nicht abhängig war.
Beruhte Deutschlands ganzer Stolz nicht immer darauf Weltmeister zu sein. Damit meine ich nicht den Frauenfußball.
Abgesehen von der Abwärtsspirale des Euros hat sich auch die Wirtschaftskraft der EU (ausgedrückt in der Handelsbilanz) um -187 Mrd Euro in 2022 extrem verschlechtert.
Hatte man noch, die schon recht schwachen Zahlen vom Frühjahr 2021 (Jan-April) (nur +61,1 Mrd = -25% im Vergleich zu 2016 mit +88 Mrd.) des EU-Handelsbilanz-Überschusses mit den Auswirkungen der Corona-Epidemie erklärt, erfolgt nun der Absturz ins Bodenlose -125,9 Mrd für die ersten 4 Monate 2022.**
Extrapoliert man die Zahlen auf ein Jahr werden die Volkswirtschaften der EU einen Leistungsabfall von rund einer halben BIllion Euro erleiden.
Obendrauf kommen da noch die zusätzlich beschlossenen NATO-Rüstungs-Kosten in Höhe von weiteren ca. 220 Milliarden.
Wir sehen schon nicht mehr in den (wirschaftlichen) Abgrund, nein wir befinden uns im freien Fall.
**EU: Handelsbilanz mit der Welt
Veröffentlicht am 10. Juli 2022 by Querschuesse
Mit den letzten verfügbaren Daten für April 2022 weist die EU im internationalen Warenverkehr ein Defizit in Höhe von -43,6 Mrd. EUR aus. In den ersten vier Monaten 2022 waren es -125,9 Mrd. Euro, nach einem Überschuss von +61,1 Mrd. Euro im Vergleichszeitraum des Vorjahres!
https://www.querschuesse.de/eu-handelsbilanz-mit-der-welt/
Deutschland rutscht im April zum ersten Mal seit 30 Jahren ins Minus bei seiner Handelsbilanz. Das haben wir der Politik von Rot-Gelb-OlivGrün zu verdanken. Wie werden sich die Arbeitslosenzahlen entwickeln? Ins Minus oder Plus? Plus ist doch immer positiv in den Köpfen der Deutschen hinterlegt.
“OlivGrün“ passt für diese Kriegsfreudige Partei recht gut…!
Soziale Verantwortung kann man von dieser Regierung sicher nicht erwarten.
Kompetenz ja sowieso nicht …
Tut mir leid wenn ich euch nerven musss… Aber wie immer fehlt das Wichtgste, oder?
Wer hat denn 16 Jahre Merkel gewählt und es anschliessend geschafft, sogar noch Schlimmeres zu wählen?
Bei allem sozialen Mitgefühl…. bitte schon bei der GANZEN Wahrheit bleiben…
Sogar die durch eine extreme Untertanen Konditionierung im Zaum gehaltenen Japaner, haben einen, der einen anderen als Feind identifiziert hat….
Die Deutschen sind die, die eine Bahnsteigkarte kaufen wenn sie auf dem Bahnhof Revolution machen. Tja… und sowas kann teuer werden und böse enden.
Fast hofft man, dass Putin die Pipeline #1 nach Einbau der gewarteten Pumpe nicht mit Gas füttert.
PS: Das “Fast” lasse ich im Nachhinein lieber weg.
Nach alledem was man über schulische und mediale Konditionierung weiss, einen solchen Beitrag zu verfassen, ist wohl das bildungsbürgerliche Äquivalent zu ” sollen sie halt Kuchen essen”.
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