
Dies ist nur ein Manuskript, ein Entwurf – und ein Diskussionsbeitrag. Sinn ist es, dass die menschliche Gemeinschaft diesen Entwurf erbarmungslos analysiert, diskutiert, zerfleddert und, wenn möglich, verbessert.
Weder ist Demokratie die geeignetste Form der politischen Organisation von menschlichen Gemeinschaften, noch ist „parlamentarische Demokratie“ eine Demokratie. Siehe Hybris und Nemesis von Mausfeld.
Alle Versuche eine Ordnungsstruktur und verbindliche Regeln zu errichten, sind als das anzusehen, was sie sind: Die Errichtung von Machtstrukturen, die anderen vorschreiben, was richtig und was falsch ist. Und zwar ohne im Besitz einer allumfassenden Wahrheit und Kenntnis zu sein. Siehe Mobilität ohne Regeln.
Verantwortung ist weder teilbar noch delegierbar. Wenn Menschen in meinem Namen und Auftrag sprechen oder handeln, bin ich verantwortlich, für alles, was in meinem Namen geschieht. Wenn ich die Verantwortung für Menschen (z.B. Kinder) übernehme, ist alles was geschieht meine Verantwortung. Selbst wenn ich es nicht beabsichtigt habe, was ja nur bedeutet, ich habe die Sache nicht bis zum Ende gedacht. Siehe die Geschichte vom Baron und Oma/Tiffany Weh von Terry Pratchett (Hinweis: Man muss das Buch lesen, nicht die Zusammenfassungen).
Der Mensch verfügt über eine Tötungshemmung, die ihm im Militär abtrainiert werden muss, wie auch über einen inneren Kompass für etwas, dass man so leichtfertig „Gerechtigkeit“ nennt. Dazu sind weder Erziehung noch Bildung notwendig. Wie auch andere Lebewesen, die von geborgter Energie leben, besitzt der Mensch ein sehr feines Gespür dafür, wenn jemand sich mehr nimmt, als ihm zusteht. Viele Psychologen haben sich an der Bestimmung der Universalien versucht, siehe Donald E. Brown, wobei oft nicht klar wird, in wie weit bestimmte Eigenschaften nicht doch auf Ähnlichkeiten in Kultur und Glauben zurückzuführen sind. Insofern ist das „feine Gespür“ eine Annahme und Vermutung von mir, die ich auf meine Erfahrungen mit Säuglingen und Kleinkindern zurückführe. Dies schließt auch die Möglichkeit eines persönlichen Bias ein.
Der Mensch manipuliert und ist manipulierbar. Er unterscheidet sich in diesem Punkte nicht von anderen Lebewesen. Wer schon mal bewusst gesehen hat, wie Efeu einen Baum erwürgt, während Misteln ihn aussagen oder wie eine Pflanze anderen Pflanzen das Licht wegnimmt, der weiß was ich meine. Siehe auch Rupert Lay zu Manipulation (interessanterweise hat das Buch, das ich habe, noch den Titel Manipulation durch Wissenschaft und Sprache, Wissenschaft scheint mittlerweile entfernt worden zu sein).
Der Mensch ist ein soziales Wesen. Als Einzelwesen ist er schwach und verwundbar. Ohne Gemeinschaft ist der Mensch nicht überlebensfähig, auch wenn es Ausnahmen wie Eremiten gab. Und damit meine ich den Menschen nackt, so wie er geboren wurde, nicht den verwöhnten Menschen westlicher Prägung mit all den Spielzeugen, die nur eine Gemeinschaft erschaffen konnte.
Politik, abgeleitet vom griechischen polis (Stadt, also alles was die Stadt betrifft), ist Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Nicht mehr, nicht weniger.
Es gibt kein Anrecht auf Besitz
Der Mensch wird nackt geboren und nackt geht er wieder. Alles was über die Notwendigkeit des eigenen Lebens hinausgeht, kann nicht als Eigentum deklariert werden. Selbst die Kleidung kann ein Mensch nicht mitnehmen, wenn er vom Leben zum Tod wechselt. Es sind Leihgaben.
Aus diesem fehlenden Anrecht ergibt sich zwingend ein Friedensgebot, denn jede Gewaltanwendung ist nichts anderes als Machtausübung über eine andere Person und somit de facto eine nicht zulässige Inbesitznahme dieser Person.
Ebenso folgt daraus, dass es keine dauerhaften übergeordneten Organisationsstrukturen geben kann, da dies wieder eine Inbesitznahme der betroffenen Personen bedeutet. Menschen haben sich immer schon organisiert, auch ohne Herren. Kein Besitz bedeutet auch keine Herren. Temporär und extrem kurzfristig sind übergeordnete Strukturen vielleicht sinnvoll, auf Dauer immer schädlich für den Menschen, Gemeinschaften und ein friedliches Miteinander.
Weiterhin bedingt dies die Maxime Arbeit ist ein Gemeinschaftswert. Nebenbei löst es das Produktionsmittelproblem von Marx. Da niemand Produktionsmittel besitzen kann, kann niemand diese Produktionsmittel zur Knechtung anderer einsetzen oder „Mehrwert“ abschöpfen.
Auch die Eigenschaft von Geld ist davon betroffen: Geld ist kein Wert an sich. Da Geld nicht in Besitz genommen werden kann, hat es nur eine Tauschfunktion. Zins und Zinseszins machen nur Sinn, wenn das Geld als Besitz und Wert an sich betrachtet werden kann. Zwangsläufig muss Tauschwährung an Wert verlieren, ebenso wie eine Ware über die Zeit verdirbt oder funktionsuntüchtig wird.
Jede temporäre Aneignung wird dadurch zu einem Gemeinschaftsthema. Die Verfügungsgewalt über einen Acker oder ein Werkzeug ist ein temporäres Mandat der Gemeinschaft, die ihr Placet dazu gibt und bedingt einen entsprechenden verantwortungsvollen Umgang. Ebenso ist es im Interesse der Gemeinschaft jenen die entsprechende Verfügungsgewalt zu geben, die aktuell die beste Eignung und somit den größten Nutzen für die Gemeinschaft haben.
Individualität ist kein Besitz sondern eine Eigenschaft. In diesem Sinne begründet sie kein Vorrangrecht gegenüber anderen. Implizit ergibt sich daraus so etwas wie Toleranz.
Letztendlich, aber nicht abschließend, verbietet es sich damit auch im „Besitz“ der Wahrheit zu sein. Was durchaus der uns bekannten Realität entspricht. Wir machen mehr oder weniger solide Annahmen, aber wir kennen die Wahrheit nicht. Wir wissen noch nicht einmal ob unsere „Erinnerungen“ korrekt oder Konfabulation sind.
Mache die Dinge so einfach wie möglich – nicht einfacher
Besser als Einstein kann ich das nicht auf den Punkt bringen. Manches ist komplex, es zu vereinfachen wird dem nicht gerecht und stellt keine Lösung dar.
Daraus kann direkt abgeleitet werden, dass die jeweilige Gemeinschaftsgröße so klein wie möglich sein sollte. Jede größere Struktur führt zu zusätzlichen Verwaltungsaufwänden und unnötigem Energieverbrauch, sofern die Struktur permanent wird. Dinge werden unnötigerweise komplex gemacht, da sich Komplexität zwangsläufig aus zunehmender Größe und den damit einhergehenden exponentiellen Möglichkeiten entwickelt.
Weitergedacht ergibt sich daraus auch das Subsidaritätsprinzip, welches besagt, dass eine Aufgabe jeweils von der kleinstmöglichen Einheit zu erledigen ist, die dazu in der Lage ist. Ebenso wie der Punkt, dass größere Einheiten aufgelöst werden, sobald sie ihre Aufgabe erfüllt haben, da sie die Komplexität erhöhen, wenn sie permanent vorhanden sind. Zudem ist die Gefahr des Machtmissbrauchs höher zu bewerten als der zu erwartende Nutzen. Außerdem kollidiert es mit dem Grundsatz, dass es kein Anrecht auf Besitz gibt.
Was man vielleicht übersehen kann, ist der Umstand, dass damit bestimmte aktuelle „Berufe“ keine Rechtfertigung mehr haben. Wozu braucht es Juristen, wenn die Regeln für jeden verständlich sind? Wozu braucht es Politiker, die Geld kosten und die Komplexität erhöhen, heutzutage auch noch ohne Ahnung vom Thema, man kann ja einen „Spezialisten“ engagieren? Warum nicht gleich den Spezialisten nehmen? Warum überhaupt Spezialisten? Ist das Thema komplex genug?
Vielfalt statt Einfalt
Was so griffig daherkommt ist vielleicht der schwierigste Punkt von allen. Daraus ergibt sich unmittelbar das Recht auf Leben. Für jedes Lebewesen, auch den fiesesten Virus. Das Primatenerbe lässt sich nicht verdrängen, also werden wir eine Mücke die uns angreift vielleicht töten bevor uns bewusst wird, was wir tun. Und auch selbst dann. Das ist nicht der Punkt.
Der Punkt ist, statt Ausrottung als Strategie zu verwenden, werden wir gezwungen sein Möglichkeiten der Symbiose und getrennter Lebensräume zu testen oder andere Strategien zu finden.
Ebenso führt dies zu der Erkenntnis: Es gibt keine Sicherheit. Militär wird damit ebenso obsolet wie Versicherungen. Eine Gemeinschaft ist immer auch gleichzeitig die Wehrgemeinschaft, wenn es notwendig wird. Es gibt tausende von Möglichkeiten eine Gefahr abzuwehren, ohne zur Keule oder zur Waffe greifen zu müssen. Siehe auch Sunzi, Kosten des Krieges.
Weiterhin bedeutet es, dass jede Gemeinschaft unterschiedliche Regeln des konkreten Zusammenlebens haben kann. Wie auch Lebewesen jeweils unterschiedliche Regeln haben. Und diese auch anpassen. Das ist quasi schon ein Zwang zu einem Mindestmaß an Toleranz, weswegen ich diesen Punkt als schwierigsten betrachte.
Nachwort
Natürlich ist mir bewusst, dass dies alles im Moment Utopie ist. Und nicht möglich scheint. Orwell hätte es wahrscheinlich auch nicht für möglich gehalten, dass sich Menschen freiwillig der Überwachung ausliefern. Auch ist mir klar, dass diese drei Regeln sich nicht immer ergänzen, sondern auch widersprechen können. Aus diesem Grund habe ich sie bewusst so geordnet. Vielleicht sollte man diese Ordnung aber auch ignorieren, da jeder Punkt für sich eine Berechtigung hat und die Abwägung zwischen den Gemeinschaften getroffen werden muss, die mit einem konkreten Fall beschäftigt sind. Wo Licht ist, ist auch Schatten und manchmal sogar eine prismatische Erscheinung (Regenbogen ist zu sehr politisch instrumentalisiert).
Wichtig erscheint mir der Punkt es auf drei allgemeinverständliche Regeln zu beschränken. Wer, ausser jene die von Priestern gedrillt wurden, kann aus dem Stegreif die zehn Gebote aufsagen? Drei schafft jeder, zumindest jeder, der in einer Beziehung zum Christentum aufgewachsen ist.
Schwieriger wird es bei der Frage der Anpassung. Die Regeln sollten einfach und verständlich sein. Es sollte nicht notwendig sein, dass jemand studieren muss, um die Regeln zu verstehen. Außer die Weltbevölkerung ist insgesamt so gebildet, dass sie weiterhin die Regeln ohne fremde Hilfe versteht und anwenden kann. Ich halte nichts von Zusatzparagraphen, sind sie doch meist nur Einschränkungen im Sinne der Machtausübung. Selbst denken und handeln, statt nach Verkehrszeichen zu suchen und diese als Totem einzusetzen.
Es mag sein, dass es nach plakativen Sprüchen aussieht, die aus dem nächstbesten Bullshit-Bingo stammen. Vielleicht ist es auch so. Allerdings widerspricht jeder Punkt ganz gezielt dem gegenwärtigen Konsens darüber, wie die Welt zu sein hat. In jedem Punkt ist ein anarchistischer Teil enthalten, der es offen läßt, wie die jeweilige Gemeinschaft ihre Angelegenheiten regelt.
So mag eine Gemeinschaft Produktionsmittel verpachten, zuteilen, was auch immer. Kommunismus und Sozialismus sind auch nicht das Gelbe vom Ei, geschweige denn, dass ich wüsste, was jeweils richtig ist. Ich weiß nur, dass wir es seit ein paar tausend Jahren versuchen und bestimmte Konzepte weiterhin wiederholen, obwohl wir wissen könnten, dass es so nicht geht. Die „Indianer“ nannten das wohl ein totes Pferd reiten.
Insofern plädiere ich dafür neue Fehler zu machen und wenn möglich auch daraus zu lernen. Ebenso plädiere ich dafür, dass die Diskussionsteilnehmer kein gutes Haar an mir lassen und diese Utopie fachgerecht zerlegen und auf die Problemstellen aufmerksam machen. Mitlaufen und Hurra schreien halte ich nicht für eine Form der menschlichen Weiterentwicklung. Fehler machen, sie überleben und daraus lernen dagegen schon.
In diesem Sinne: Fröhliches Finger-in-die-Wunde-legen.
Die eigentliche Frage ist doch: Ist eine Zivilisation ohne Zwang überhaupt möglich. Denn Zivilisationen sind ja nur mit Zwang entstanden. Die Menschen mussten dazu gebracht werden mehr zu produzieren als für das eigene Leben notwendig war. Den Überschuss eignete sich der Machthaber an – für sein eigenes Leben, für zusätzlichen Luxus und natürlich zur Sicherung seiner Macht (das ist heute so wie vor tausenden von Jahren). Aber so konnten große und mächtige Zivilisationen entstehen, so wie heute das von den USA geführte (westliche) Imperium.
Es gibt nichtmal ein Leben ohne Zwang, was sich schon aus der Knappheit der Ressourcen ergibt. Eine stabile Gesellschaft muss ihren Bürgern ausreichend sichern Zugang gewährleisten und organisieren, weil diese sich sonst in ständigen Konflikten aufreiben.
Ja und trotzdem ist das noch zu simpel, es gäbe ohne landwirtschaftliche Überproduktion z.B. keine Städte. Ohne Städte gäbe es keine aufstrebende Kultur und Wissenschaft usw.
Expansive Kulturen, heutzutage, „Zivilisation“ zu nennen, sträubt sich alles in mir!
Vielen Dank für diese interessante Frage.
Wenn wir das Bedürfnis nach Nahrung als Zwang ansehen, dann ist Leben ohne Zwang gar nicht möglich. Allerdings können sich Gruppen von Menschen (Familien, Interessensgemeinschaften …) durchaus ohne Zwang organisieren und tun dies auch. Ich würde bezweifeln, dass Zivilisationen mit Zwang entstanden sind. Imperien sind Machtstrukturen die sich Errungenschaften der Zivilisation aneignen um damit Kriege zu führen und Macht auszuüben. Hollywood und Geschichten die die Sieger schrieben gaukeln uns ein Bild vor, dass den Machtstrukturen genehm ist, da es verhindert, dass bestimmte Annahmen in Frage gestellt werden.
Lieber Gruss
Ja, das ist aber ein rabulistischer Kniff in der Argumentation, weil das Problem damit einfach nach außerhalb verlagert wird, denn es bekämpfen sich dann halt die Clans, statt die einzelnen Menschen.
Familien sind übrigens auch hierarchisch und es gab lange Zeiten in der Geschichte, in der die Menschen (aufgrund niedriger Produktivität) schon im Kindesalter arbeiten mussten, selbst in Deutschland ist das noch nicht lange her (ich empfehle „Heimat – deine Sünder“ von Horst Lapp), oft unter erbärmlichen Umständen. Das ist ein existentieller Zwang, der auch gnadenlos durchgesetzt wurde, Leute, die auf der faulen Haut liegen, wollte nämlich noch nie jemand durchfüttern…
Tut mir leid, war nicht als rabulistischer Kniff gedacht, ich will auch gar nichts nach aussen verlagern, sage auch nicht, dass der Mensch mit diesen drei Regeln zum besseren Menschen wird, ich sage nur, dass es möglich ist. Ob es besser oder schlechter ist, wird man erst herausfinden, wenn man es probiert hat.
Und ja, Vielfalt statt Einfalt heisst halt auch, dass es Hierarchien geben kann, dass vielleicht manche Gemeinschaften weiterhin ihr Zusammenleben mit Gewalt strukturieren.
Es ist ein Gedankenexperiment zu was wäre wenn wir die anerzogenen „Regeln“ in Frage stellen. Welche Regeln wären sinnvoll um näher an den Punkt homo sapiens zu kommen? Sapiensis ist noch zu weit entfernt.
Lieber Gruss
Es wäre schön wenn das Leben ohne Zwang funktionieren könnte. Aber schon ein
knurrender Magen zwingt den Menschen wie auch das Tier, sich etwas zum Essen
zu besorgen. Einige Insekten wie Bienen, Ameisen ec. aber auch Säugetiere wie
z. B. der Nacktmull basieren quasi auf einer Monarchie. Die Königin sorgt nicht nur
für den Nachwuchs, sie gibt auch „Befehle“ weiter. Oft durch Gerüche. Was diesen
Monarchien zu Gute kommt ist, dass den Mitgliedern ein Selbsbewustsein fehlt.
Jeder und Jede arbeitet für das Gemeinwohl. Bei uns Menschen ist das unmöglich.
Sowie ein Mensch in die Position des „Befehlenden“ kommt, früher meistens der
Stärkste heute leider nicht die Hellsten, sorgt dieser Mensch sich hauptsächlich
nur um sein eigenen Vorteil, oder für den seiner Günstlinge. Ein gütiger Herrscher
überlebt meist nicht lange. Aber gerade wir hier in Deutschland sind wahrscheinlich
auf gutem Wege zum „Ameisenstaat“. Wenn die Deutschen in dieser Geschwindigkeit
weiter veblöden, wird auch das Selbstbewußtsein irgendwann zum erliegen kommen.
Die Konsumenten der „Bild“ und der Öffentlich Rechtlichen haben diesen Schritt schon
fast geschafft. Also: Positiv denken!
Michael Lindenau: „Ich würde bezweifeln, dass Zivilisationen mit Zwang entstanden sind.“
Eine ursprüngliche Gruppe von Menschen, die sich von dem bedient was die Natur bietet (ähnlich einer Horde wilder Tiere), kann man wohl kaum als Zivilisation bezeichnen. Erst mit der Sesshaftwerdung und dem Beginn des Ackerbaus folgt ein Bruch, denn der Acker (ursprünglich vermutlich im Gruppeneigentum) muss verteidigt werden. Territorien mit guten Jagd- und Sammelgründen mussten ja auch vorher schon verteidigt werden, das war nichts neues. Das eigentlich Neue war, wenn die Ackerbauern gezwungen wurden mehr zu produzieren als für die Eigenversorgung (inkl. Vorratshaltung) notwendig war. Und das geschah in der Regel durch äußeren Zwang, durch physische Machtausübung einer Herrschaft.
Durch den Zwang zur Arbeit für die Herrschaft entstand Reichtum für die Herrschaft, und so konnten sich Zivilisationen und Imperien entwickeln, auf der Basis von Zwang. Die Herrschenden müssen die Macht haben die Masse der Menschen zur Mehrarbeit zu bewegen. Der Zwang besteht heute in der liberalen Welt aufgrund der Eigentumsverhältnisse. Die ohne Eigentum sind gezwungen (um Leben zu können) für die mit Eigentum und deren Interessen zu arbeiten. Früher in vor-liberalen Zeiten erfolgte das oft mit simplen physischen Zwang (als Sklave oder Leibeigener).
M.L.: „Imperien sind Machtstrukturen die sich Errungenschaften der Zivilisation aneignen um damit Kriege zu führen und Macht auszuüben“
Und woher kommen die Zivilisationen? Oder sind nicht die Imperien mit ihren Machtstrukturen die Zivilisationen, eben nur ein anderes Wort? Mir scheint Ihre Unterscheidung hier rein moralisch-ideologischer Art: Imperien sind böse, Zivilisationen gut.
Ich stimme ihnen in den meisten Teilen ihrer Herleitung zu. Meine Unterscheidung zwischen Imperien und Zivilisation ist nicht gut-böse. Sie beschreiben den Unterschied ja selbst: „Das eigentlich Neue war, wenn die Ackerbauern gezwungen wurden mehr zu produzieren als für die Eigenversorgung (inkl. Vorratshaltung) notwendig war.“
Da genau grenze ich Zivilisation und Imperien ab. Aufsteigende Imperien kommen nur durch Raub und Aneignung zur Macht. Den Acker zu bestellen, besseres Werkzeug zu schaffen, sind aus meiner Sicht Zeichen von Zivilisation mit allen negativen Eigenschaften die damit auch einher gehen können. Zum nächsten Dorf zu reiten und sich die Ernte einverleiben, weil das einfacher ist als selbst anzubauen, halte ich für ein imperiales System.
Lieber Gruss
Ich denke, das ist zu idealistisch gedacht. In der Praxis verschwimmen Zivilisation und Imperium. Der Herrscher kann seine Untertanen bis aufs Blut ausbeuten damit seine Herrschaft glänzt oder er kann seinen Nachbar-Herrscher überfallen, ausrauben und so seine Herrschaft zum glänzen bringen. Im letzteren Fall geht es seinen Untertanen vermutlich etwas besser, der Herrscher kann seine Untertanen sogar an der Beute teilhaben lassen.
Korrekt, es ist eine Utopie.
Lieber Gruss
@garno
Für das entstehen von Zivilisation war kein Zwang von Nöten.
Ausschlaggebend war das menschliche Bedürfnis sich zu begegnen. Damit kleine Gruppen von Nomaden, Jäger und Sammler sich 2x im Jahr am verabredeten Orten treffen können und 3 Tage miteinander singen, tanzen, vögeln und quatschen können braucht es Vorräte an Essen und Trinken. Um das zu ermöglichen, entsteht dann allmählich die Landwirtschaft. Die Hüter der Vorräte erlangen damit Macht und die Unterhaltungsanimateure entwickeln sich allmählich zur Priesterschaft.
Oh mein Gott. Wieder der alte kommunistische Ansatz. Ok, ich versuche mal einen Konter:
Nein, sondern nur für das, wofür ich einen Auftrag erteilt habe. Problematisch wird es beim (pseudo-)demokratischen Legitimationsprinzip, weil es eigentlich grob sittenwidrig ist, jemandem eine Herrschaftspauschalvollmacht auszusprechen, sowas kann nur nach hinten losgehen. Entsprechend wurden wir auch nie gefragt, ob wir so ein blödsinniges Modell wollen und für richtig halten, man nötigt uns einfach, es zu benutzen, indem man uns Alternativen vorenthält.
Und genau das ist nötig, um Übergriffigkeiten zu vermeiden, weil Menschen eben nicht gleich sind und sich entsprechend nicht gleich verhalten.
Jein, manche nicht, sonst würden sie nicht von selbst Morde begehen, was ja immer mal wieder vorkommt, nicht selten aus niederen Beweggründen.
Ja, blöderweise jeder einen etwas anderen. Der Mensch hat vor allem eine ausgefeilte Begabung darin, etwas argumentativ zu begründen, was er unbedingt haben oder erreichen will. Er rechtfertigt die größten Verbrechen damit, dass etwas „gerecht“ sei oder halt „hart aber notwendig“ usw. die Geschichte ist reich an fatalen Beispielen.
Können Sie „Gerechtigkeit“ genauer definieren, und zwar ohne auf ein subjektives Gefühl abzuheben, Herr Lindenau? Damit steht und fällt nämlich das ganze Konzept!
Wäre es z.B. gerecht, wenn ich meinem Chef was klaue, weil ich mich von ihm „ausgebeutet“ fühle? Würde ich es an seiner Stelle auch noch gerecht finden, in dem Wissen, dass er mich für überbezahlt und faul hält? Welche der beiden Sichtweisen ist die richtige?
Kinder lernen das auf die harte Tour, sie nehmen jemandem was weg und keilen sich dann, bis ihnen jemand erklärt, dass man einem anderen nicht das Spielzeug aus der Hand reißen darf. Ich kenne die Studien, die ausgewogenere Ergebnissen zeigen, aber das betrifft meist die Bewertung einer Situation, die anderen passiert und ist nicht die subjektive Sicht in einem Konflikt des Kindes. Und es betrifft ausnahmslos sehr simple moralische Bewertungen. Kinder bevorzugen übrigens auch ihre eigenen Artgenossen und machen das durchaus am Aussehen fest, das ist dann der Teil, den Linke meist nicht so gern hören, Biologie ja, aber bitte nur wenn sie unsere Theorien stützt…
*SEUFZ*
Ja, Menschen haben sich immer schon organisiert und zwar immer hierarchisch. Im besten Fall sind es Kompetenzhierarchien, wer mehr weiß, sagt den anderen was zu tun ist, im schlechtesten Fall ist es eine Hackordnung, in der der Skrupelloseste und Stärkste ganz oben steht.
So ein Quatsch! Mindestens einen Körper besitzt jeder Mensch! Wenn ich mir einen Harem an schönen Frauen halte, bin ich dann kein „Herr“? Oder einen Sklaven, der für mich arbeiten muss? Wir haben das übrigens überwunden, dank Regeln die wir uns auferlegen. Mittlerweile finden wir es nicht mehr „gerecht“ wenn jemand, der schwächer ist als wir, uns zu Diensten sein muss.
Das ist übrigens eine Moral die nicht naturgegeben ist! Ich empfehle „Die seltsamsten Menschen der Welt – wie der Westen reichlich sonderbar und besonders reich wurde“, um diese linke Euro-Zentriertheit mal zu überwinden und sich hinsichtlich der menschlichen Natur und Entwicklung zu erden… für mich war das Buch ein Augenöffner. Die normale menschliche Organisationsform ist nämlich der Clan, in dem der Mensch in eine gewisse Funktion hineingeboren wird, die er ohne zu murren zu erfüllen hat. Tut er das nicht, wird es als „gerecht“ angesehen ihn zu bestrafen (man kann das an „Ehrenmorden“ noch heute sehen, bei primitiveren Kulturen). WIR sind die Komischen, die Ausnahme! Deshalb diskutieren wir auch so komische Themen, wie dieses hier…
Das Thema ist auch schon uralt und hat dazu geführt, dass man das Dilemma „Tragik der Allmende“ nennt. Was allen gehört, gehört niemandem! Was niemandem gehört, darum kümmert sich auch niemand wirklich… ein Problem der Spieltheorie vermutlich, sich darum zu kümmern, wenn es einem nicht selbst gehört, ist nämlich irrational, verursacht mehr Kosten für einen selbst, als Nutzen, also macht es niemand (oder nur in Ausnahmefällen mal)!
Um die Sache ein bisschen abzukürzen: die Gesellschaft, die Ihnen vorschwebt, wäre extrem kleinteilig, komplexere Entwicklungen (z.B. Medikamente, Technik usw.) wären nicht mehr möglich, weil dazu hoch qualifizierte, hoch arbeitsteilige Gesellschaften notwendig sind, die idR auch nur dann innovativ sind, wenn jemand sich davon Profit verspricht (eine Innovation ist nämlich immer mit jeder Menge lästiger Arbeit und Organisation verbunden)…
So, reicht erstmal.
Herzlichen Dank für den reichhaltigen Input.
Zum ersten Punkt, ja Kommunismus hat auch diesen Ansatz gehabt, Anarchismus auch und sehr wahrscheinlich war und ist Besitz in nomadischen Völker anders geregelt. Aneignung (Kleidung, Werkzeug etc.) ist eine Form von Besitz und dieser Besitz wird bei einem Nomadenleben zur Belastung, wenn es zu viel ist. Entweder braucht man Transportmittel, die wiederum Notwendigkeiten nach sich ziehen oder man muss den Besitz aufteilen, weil man nicht so viel tragen kann. Ich sage ja nicht, dass Besitz verboten ist, sondern dass es kein Anrecht (Gottgegeben, Erbe, Besitzurkunde) gibt. Dieser Ansatz ist daher nicht als kommunistisch zu sehen, auch wenn dies von Kommunisten gefordert wurde. Das wäre ja Kontaktschuld sozusagen.
Zum Punkt Verantwortung, nur für den erteilten Auftrag. Verständlich in unserem scheindemokratischen Machtapparat. Erstens meinte ich so etwas als zeitlich begrenztes Mandat mit einer ganz konkreten Aufgabe, also nicht ich sitze x-Jahre irgendwo rum und bekomme bessere Pensionen als jeder normale Bürger, sondern bei Notwendigkeit wird die Person bestimmt, die die konkrete Aufgabe diesmal verhandelt, was den Zeitraum auf Tage einschränkt. Wenn man jemanden auswählt (per Los, per Wahl, egal wie) dann ist man als Gemeinschaft für die Wahl verantwortlich. Wenn die Gemeinschaft die Person die verhandeln soll bestimmt, kann sie nicht alle Verantwortung auf diese Person abwälzen. Sie kann enge Leitplanken definieren, aber man hätte ja auch selbst gehen können. Denkbar wären auch Delegationen, die die jeweiligen unterschiedlichen Ansichten und Bedürfnisse repräsentieren.
Zu Ordnungsstrukturen und Übergriffigkeit. Hier müsste mal erst einmal Übergriffigkeit definieren. Vieles was heute als úbergriffig angesehen wird, basiert auf dem Recht auf Besitz. Polizei schützt Besitz und Besitzer, nicht Personen oder Bürger. Viele indigene Volksgruppen brauchen keine Polizei, die meisten Familien brauchen keine Polizei. Und die Gewalttätigkeit in Familien ist meist nur ein Echo der Gewalttätigkeit der aktuellen Herrschaftsform. Klar bilden sich in Familien Strukturen, bei denen manche mehr Einfluss haben oder zu haben scheinen, aber es ist nichts seltenens das eine Familie Front gegen das „Oberhaupt“ macht und zwar als Gruppe. Es gibt keine Notwendigkeit Posten und Institutionen zu schaffen, die sich verselbstständigen.
Zur Tötungshemmung. Korrekt, aber die Anzahl derjenigen, die diese Hemmung nicht haben ist üblicherweise sehr gering. Die Aggressivität der Umgebungsbedingungen hat hier sicher auch noch einen Einfluss. Aber nein, wir sind nicht perfekt und werden es nie sein. Tragische Vorfälle wird es immer wieder geben, siehe auch keine Sicherheit.
Zu: „Wäre es z.B. gerecht, wenn ich meinem Chef was klaue, weil ich mich von ihm „ausgebeutet“ fühle? Würde ich es an seiner Stelle auch noch gerecht finden, in dem Wissen, dass er mich für überbezahlt und faul hält? Welche der beiden Sichtweisen ist die richtige?“ (P.S.: Was muss ich da nehmen um so schön einzurücken, HTML a tag?)
Zum einen enthält dieses Bild nur Faktoren die um das Problem Besitz kreisen, einen Besitz den ein „Unternehmer“ nicht mehr als Recht deklarieren kann. Aber versuchen wir es mal. Wenn ich mit dem Chef eine Vereinbarung treffe, dass ich dies und dies für ihn zu diesen Konditionen mache und meine Entlohnung als angemessen akzeptiere, dann werde ich ihm nichts stehlen, weil ich damit mein Wort brechen würde. Warum sollte mir jemand noch eine Aufgabe geben, wenn bekannt ist, dass ich mein Wort nicht halte? Und was den Chef angeht, warum hat mit mir eine Vereinbarung getroffen, wenn sie für ihn nicht hilfreich wäre? Er kann dann über eigene Blödheit klagen, aber nicht über verletzte Gerechtigkeit -> Thema Verantwortung.
Zu „Kinder lernen das auf die harte Tour, sie nehmen jemandem was weg und keilen sich dann“, ja korrekt, passiert. Aber auch hier habe ich unterschiedliche Beobachtungen gemacht. Sowohl bei den eigenen Kindern wie auch bei anderen. Beste Methode bisher, die Ursachen für Besitzdenken wegnehmen. Allen Beteiligten. Somit sind sie einerseits eine Gruppe, die durch eine gemeinsame Erfahrung zusammengeschweisst wird und dann auch zusammenhält um das Spielzeug wieder zu bekommen falls sie sich nicht einfach neues Spielzeug aus Blättern, Ästen etc. machen und andererseits lernen sie Besitz nicht zu ernst zu nehmen.
Zu *SEUFZ*: *SEUFZ*
Ich kann den Mensch nicht besser machen als er ist. Ich will keinen Übermenschen schaffen. Wir sind so, fehlerhaft und schwierig und werden das wohl auch lange noch bleiben. Wir werden lernen müssen, damit zu leben. Wie in eine Familie, je grösser, desto besser (falls das noch jemand kennt). Pack schlägt sich, Pack verträgt sich. Nicht schön, oft anstrengend, aber man hat selbst noch Einfluss, abhängig vom Verhalten. Was in dieser durchorganisierten Herr-Sklave-Welt nicht mehr gesagt werden kann. Ich sage nicht, dass durch kleine Strukturen der Mensch vom Saulus zum Paulus (bildlich gesprochen, die Rolle von Saulus/Paulus ist mehr als dubios) wird. Sie ist nur ein Schritt zur Selbstermächtigung. Es ist nicht das Versprechen auf ein Paradies.
Zu Besitz und Herren: Eine Clanstruktur schliesst nicht automatisch ein, dass es einen Herren gibt. Es gibt jene, denen der Clan mehr vertraut als anderen. Ob richtig oder falsch, wer bin ich zu richten? Herr und Sklave sind Ausdruck von Besitz. Und der Rechtsauffassung es gäbe ein Recht auf Besitz. Zudem führt diese Recht auf Besitz imho zwangsläufig zu Gewalt als Option der Durchsetzung, basierend auf Besitz, auf das man meint ein Recht zu haben. Das Kinder gleich wirkendes und ungleich wirkendes identifizieren, ist eine wichtige Entwicklungsstufe und hat weder aus meiner Sicht wenig mit Rasse zu tun, sondern mit der Annahme, was mir gleicht tickt vielleicht auch ähnlich. In einer Gemeinschaft aus Kindern mit braunen Haaren wird das blonde oder rothaarige Kind sehr schnell zum „Ausländer“, zu dem Kind, dass anders ist. Ist einfach unser Mustererkennungsprogramm was da anspringt.
Zur „Tragik der Allmende“: Ich habe nicht gesagt es gibt kein Besitz, ich nannte das temporäre Aneignung, temporär, weil die Aneignung spätestens dann endet, wenn ich sterbe. D.h. ich kann diese Aneignung nicht vererben oder darüber allein verfügen, wer einen Nutzen daraus zieht.
Die Schlussfolgerung, das eine extrem kleinteilige komplexe Entwicklung nicht möglich wäre. Hmm, Open Source, war da was? Warum sollte das nicht möglich sein. Es müsste teilweise anders organisiert werden, aber nicht möglich halte ich für zu pessimistisch.
Vielen Dank für die vielen spannenden Punkte über die ich sicherlich noch länger nachdenken werde.
Lieber Gruss
In diesem Gespräch klingt auch so etwas an.
https://www.manova.news/artikel/unsere-postdemokratie
Lieber Herr Lindenau,
ich weiß nicht, ob Sie auch über die notwendige Praxiserfahrung verfügen!
Gehen Sie mal für eine Zeit lang in ein Gemeinschaftsprojekt, denn die Menschen in den Gemeinschaftsprojekten haben sich ganz bewusst genau aus diesen Beweggründen, die Sie hier als Utopie beschreiben, zusammengetan.
Ich habe das getan, und das Resultat ist: Es funktioniert nicht!
Auch die Menschen, die sich ganz bewusst in ein so kleines und überschaubares Projekt wie eine Gemeinschaft zusammengetan haben, um dieses Ideal zu leben, sind an ihren eigenen inneren Realitäten gescheitert. Konkret an ihren unterschiedlichen inneren Entwicklungsleveln, an ihrem unterschiedlichen Wissen und Können, an ihren unterschiedlichen Interessen und Motivationen sowie an den daraus entstandenen zwischenmenschlichen Problemen.
Das Resultat ist, dass alle Gemeinschaften übergeordnete „Organisationsstrukturen“ einführen mussten, die auch einen normativen Charakter ausüben, sowie, dass „Verhaltensregeln“ mit Sanktionsmechanismen eingeführt werden mussten, die zum Teil strenger ausfallen, als in einer gesamtgesellschaftlichen Größenordnung notwendig ist.
Dies alles ist nicht aus irgendeinem Machtstreben entstanden, sondern aus der reinen Notwendigkeit, damit das Gemeinschaftsprojekt überhaupt funktionsfähig sein kann und bleibt.
Zusammengefasst: Noch sind die Menschen weit davon entfernt, ein solches Ideal aus ihrem ganzen Inneren heraus leben und praktizieren zu können. Deswegen sollten wir erst einmal über gesellschaftliche Organisationsformen nachdenken, die diesen Realitäten Rechnung tragen. Eine Organisationsform, ein System, das zum einen allen Menschen die Möglichkeit gibt, die soziale Wirklichkeit auch tatsächlich mitgestalten zu können, und zum anderen, einen gesicherten Rahmen herstellt und garantiert, in dem sich die Menschen ausgehend von ihren unterschiedlichen, individuellen inneren Entwicklungsleveln auch tatsächlich weiterentwickeln können!
Für mich ist das einzige mir bekannte System, das diese Notwendigkeiten erfüllt, die Wertstufendemokratie. Dies ist mein diesbezüglicher Diskursbeitrag.
Noch einen schönen Sonntag
Georg
Lieber Georg,
vielen Dank für die Thematisierung alternativer Lebensentwürfe. Ja ich habe damit einige Erfahrung in verschiedenen Projekten gesammelt. Das „anarchistischte“ Projekt war vielleicht als ich eine zeitlang in einer Landkommune verbracht habe, die ein bisschen Bioanbau und den Vertreib der U-Comics organisierte um zu Überleben. Der selbsternannte Oberguru hat mir da nicht so gefallen, eine Zwangsläufigkeit wie ich meine, wenn man in einem kapitalistischen System lebt, greifen die Regeln mindestens mit einem Arm in eine Gemeinschaft hinein. Ich habe über 20 Jahre in WGs der verschiedensten Formen und Arten verbracht. Manchmal hat es recht gut funktioniert, manchmal gar nicht. Manchmal hat es lange gebraucht bis es einigermassen funktioniert hat.
Ist das Gleiche wie mit Familien, durch diverse Bekannte und Freunde habe ich auch Erfahrungen mit sehr grossen Familien. Und wie immer, funktioniert auch Familie nicht wirklich. Nicht in dem Sinne, wie Hollywood das einem vorgaukelt. Es ist ein Auf und Ab, ein Hin und Her, es wird gestritten, es wird versöhnt. Ich denke nicht, dass wir dadurch gleich zu besseren Menschen werden.
Es geht eher um die notwendigen Basisschritte, damit jeder sich wieder als ernstgenommenes Teil der Gemeinschaft ansehen kann, sich selbst ermächtigen kann, Teil einer Gemeinschaft zu sein, Einfluss auf sein Leben zu haben. Einfache Regeln mit offenem Ausgang. Denn ich sage nicht, dass dadurch alles besser wird. Ich sage, dass ist ein Ansatz, den wir so noch nicht probiert haben. Und ob er funktioniert, wissen wir erst, wenn wir es probiert haben.
Lieber Gruss
Zu „Dies alles ist nicht aus irgendeinem Machtstreben entstanden, sondern aus der reinen Notwendigkeit, damit das Gemeinschaftsprojekt überhaupt funktionsfähig sein kann und bleibt.“ und Wertstufendemokratie:
Woraus ergibt sich Notwendigkeit? Je nach gewähltem oder aktivem System sind die Notwendigkeiten andere. Und aus meiner Sicht sind viele Entwicklungen eben durch Machtstreben und Militär entstanden. Eine Armee von 10.000 Mann, damals im alten China oder in alten persischen bedeutet extreme Herausforderungen, die zu Notwendigkeiten werden, von der Versorgung bis zu den Latrinen und der Vermeidung von Krankheiten oder Behandlung von Verwundeten im industriellen Massstab. Ganz davon zu schweigen, die Soldaten bei Laune zu halten. Und wenn ich schnell mal ein Armee von 10.000 Soldaten brauche, ist es sinnvoll, Städte anzulegen. Dies ermöglicht schnellen Zugriff auf Kriegsressourcen. Wenn man erst alle Dörfer abklappern muss, wie es früher zwangsläufig geschah, dauert die Rekrutierung ewig.
Wertstufendemokratie kannte ich noch nicht, interessant. Aber aus meiner Sicht das gleich Dilemma mit Institutionen wie immer. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Institution zum Selbstzweck wird. Zudem wird damit die Komplexität unnötig erhöht. In einem System mit dem Recht auf Besitz vielleicht denkbar. Aber letztendlich keine Demokratie, zumindest soweit ich das mit Wahlen verstanden habe. Die sind zwar zugleich Abstimmungen, schon mal ein wichtiger Schritt. Aber offen bleibt, wer wie was kommuniziert. Da die Themen durchaus komplex sein können (sachbezogen) erfordert dies einerseits einen hohen Stand an Bildung und andererseits eine Möglichkeit zu Kommunikation und Information zu einem Thema, welche nicht durch einseitig beeinflusst werden kann.
Lieber Gruss und auch ihnen einen schönen Sonntag
So ist es! Danke für den Beitrag!
Es gibt da auch einiges an Dokumentationen, immer mal wieder. Kommunen, Kibbuze, Genossenschaften sind seit jeher Projektionen fürs Glück (da ich schon immer ein Eigenbrötler war, bin ich da allerdings nie drauf angesprungen), nur die besten davon überleben und das meist mit jeder Menge Regeln und mit ständigen Fluktuationen beim Personal…
Eine Utopie des Komunismus. In einer Zeit in der Sozialismus und alles soziale verteufelt wird, für eine Handvoll Dollar mehr.
Eine Utopie ja, aber die Frage von Besitz ist älter als der Kommunismus. Kommunismus ist nur relativ bekannt dafür.
Und ja, genau in einer solchen Zeit, meine ich, sollte man wieder mal über Utopien nachdenken. Kommunismus, so wie er bis jetzt praktiziert wurde, hat nie wirklich funktioniert. Bin da eher ein Anhänger der Stamokap Meinung die sagt, naja das ist staatsmonopolistischer Kapitalismus, was soll daran so toll sein? Also alter Wein in neuen Schläuchen.
Wenn man nichts hat für das es sich zu kämpfen lohnt, wird man halt im Sessel sitzen bleiben, statt Aufzustehen und sich zu Widersetzen.
Lieber Gruss
👍
Schon vor diesen Begriffen waren die Ideen da.
– Für jedes Lebewesen, auch den fiesesten Virus. –
Viren werden nicht als Lebewesen gezählt, da sie keinen Stoffwechsel haben ….
Da haben wir aber noch mal Glück gehabt, wie?
Viren haben Stoffwechsel. Aber nur manchmal und nur mit Wirtsorganismus. Geborgtes Leben oder so.
Bazillen sind netter,
Vielen Dank, korrekt bemerkt, dass es hier Schwankungen gibt, was als Leben gezählt wird und was nicht. Ich habe absichtlich das Virus genommen, da immer noch gestritten wird, ob man ein Virus als Leben ansehen kann.
Meine einfache aber nicht wissenschaftlich anerkannte Meinung ist, alles was der Entropie durch Reproduktion entgegenwirkt sollte man als mögliches Leben berücksichtigen.
Lieber Gruss
Ich habe den Eindruck, das „Produktionsmittelproblem bei Marx“ hat der Autor nicht mal im Ansatz verstanden, sonst hätt er diesen Artikel nicht so geschrieben. Warum also das Namedropping?
Er besitzt halt Produktionsmittel, darum versteht er es nicht.😉
Da ihnen ebenfalls so klar ist, was ich nicht verstehe, wäre ich auch ihnen dankbar, wenn sie den Punkt näher erläutern könnten. Vielleicht kann ich ja was lernen.
Ja, mein Laptop ist mein Produktionsmittel, dass mir nicht gehört, da viele Software mittlerweile davon abhängig ist, am Netz zu sein, sich ohne meine Zustimmung zu verändern und mich auch noch überwacht.
Lieber Gruss
„ Ja, mein Laptop ist mein Produktionsmittel,“
sie haben kein Land, sie haben keine Maschinen.
mein Laptop oder sonstiger Compi ist auch mein Produuktionsmitteldingsda. Eine Frage von Softwareentwickler zu Softwareentwickler: Entwickeln sie selbst und verkaufen erfolgreich eine App oder werden sie in einer modernen Fabrik verwurstet?
BYOD(bring you own Device) oder gar BYOS (bring you own Salary)
Verkaufen Sie sich nicht unter Wert…
Und wo kommt ihr Essen her? das Gebäude(Höhle) in dem Sie leben und die Möbel?
Haben Sie das alles selbst codiert?
So funktioniert das nicht. Eine Gesellschaft teilt sich die Aufgaben. Ist das ungerecht, zersplittern die Gesellen und gehen sich gegenseitig an den Hals
Dann wäre ich sehr dankbar um entsprechende Aufklärung.
Soweit ich Marx verstanden habe, beziehe mich auf das Kapital, sind Produktionsmittel und gesellschaftliche Entwicklung eng verknüpft. Das Eigentum an Produktionsmitteln, sichert den Mehrwert, der aber nicht durch das Produktionsmittel, sondern durch den Arbeiter und die Produktion unter Nutzung des Produktionsmittels geschaffen wird. Das Eigentum ist bestimmten Klassen vorbehalten.
Dies alles, wie auch alle Weiterungen, die sich daraus ergeben, erfordert das Recht auf Besitz. Ohne dieses Recht sind zwar Produktionsmittel denkbar, aber Ausbeutung wird schwieriger, ist nicht mehr der Normalfall.
Lieber Gruss
Nur um das etwas zu präzisieren, mit Produktionsmittelproblem meine ich im Wesentlichen das Eigentumsproblem in Bezug auf Produktionsmittel. Ich beziehe mich nicht auf Gebrauchswert und Tauschwert, dieses Dilemma kann ich damit nicht lösen. Ich beziehe mich damit auch nicht auf die sich daraus ergebende Produktion und Arbeitsteilung („Sie ist Existenzbedingung der Warenproduktion, obgleich Warenproduktion nicht umgekehrt die Existenzbedingung gesellschaftlicher Arbeitsteilung.“ Marx, Das Kapital, Ware und Geld).
Ich beziehe mich damit eher auf den Abschnitt in dem es heisst „Stellen wir uns endlich, zur Abwechslung, einen Verein freier Menschen vor, die mit gemeinschaftlichen Produktionsmitteln arbeiten und ihre
vielen individuellen Arbeitskräfte selbstbewußt als eine gesellschaftliche Arbeitskraft verausgaben. Alle Bestimmungen von Robinsons Arbeit wiederholen sich hier, nur gesellschaftlich statt individuell. Alle Produkte
Robinsons waren sein ausschließlich persönliches Produkt und daher unmittelbar Gebrauchsgegenstände für ihn. Das Gesamtprodukt des Vereins ist ein gesellschaftliches Produkt. Ein Teil dieses Produkts dient
wieder als Produktionsmittel. Er bleibt gesellschaftlich.“
Und natürlich thematisiert Marx auch das Eigentumsproblem: „Damit jemand von seiner Arbeitskraft unterschiedne Waren verkaufe, muß er natürlich Produktionsmittel besitzen, z.B. Rohstoffe, Arbeitsinstrumente usw. Er kann keine Stiefel machen ohne Leder. Er bedarf außerdem Lebensmittel. Niemand, selbst kein Zukunftsmusikant, kann von Produkten der Zukunft zehren, also auch nicht von Gebrauchswerten, deren Produktion noch unfertig, und wie am ersten Tage seiner Erscheinung auf der Erdbühne, muß der Mensch noch jeden Tag konsumieren, bevor und während er produziert.“
Weswegen ich ja nur das Recht auf Besitz verweigere, nicht Besitz, temporäre Aneignung (temporär da wir sterblich sind).
Lieber Gruss
„Politik, abgeleitet vom griechischen polis (Stadt, also alles was die Stadt betrifft), ist Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Nicht mehr, nicht weniger.“
Hier würde ich widersprechen, aber das ist nur meine Sicht: Politik ist für mich die Gestaltung der Zukunft, einer Gruppe, Gemeinschaft, Gesellschaft, Staatengemeinschaft etc. Die Teilnahme ihrer Mitglieder setzt das nicht voraus, eine Diktatur macht auch Politik.
ist nicht vollständig aber im grossen Ganzen schon.
Blöd halt nur das sich Minderheiten sich alles unter den Nagel gerissen haben und bestimmen seit Jahrtausenden. Klappt halt, weil sie die Mehrheit verblödet haben. Ansonsten wären die Asche.
Das ist korrekt, Politik setzt nicht unbedingt die Teilnahme aller Mitglieder voraus (es muss ja Militär, Polizei oder irgendwas geben, damit ein Diktator herrschen kann). Ich versuche hier den Begriff auf den Ursprung zurückzuführen. Und in den griechischen Demokratieversuchen war die Teilnahme ein wichtiges Kriterium.
Gestaltung der Zukunft ist aus meiner Sicht eine zwangsläufige Folge der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Man merkt wo es klemmt und sucht nach Abhilfe.
Lieber Gruss
1. Lohnt es denn, sich eine Utopie auszudenken, ohne die Frage der Realisierungsaussichten auch bloß ansatzweise in den Blick zu nehmen??
2. Was lehrt uns die Geschichte über die Utopien der Vergangenheit … ?!
Schon das Wort „Utopie“ geht zurück auf das altgriechische Wort „Nicht-Ort“ …
3. Die einzige Utopie die zumindest gewisse Realisierungsaussichten hat, besteht doch darin, das eigene(!) Bewusstsein, den eigenen(!) Geist so zu entwickeln, sodass man besser klarkommt mit dem, was ist.
4. Jede Utopie ist ein Ergebnis des Leidens an der Welt – an der Welt wie sie ist.
(Nein, ich will mich darüber keineswegs lustig machen.)
Gleich den Finger auf den wundesten Punkt legen, hervorragend, danke.
Nein, ich weiss nicht ob es sich lohnt. Allerdings weiss ich, dass Menschen immer wieder von Utopien befügelt wurden, diese Utopien zum realen Ort wurden, nur um festzustellen, nö, da gefällt es mir auch nicht so richtig.
Utopien sind ein Ziel das höher ist, als das eigene Leben lang ist. Da wir gerade eher in einer Dystopie leben, fehlt es meiner Meinung nach an Utopien. Sachen die es wert sein könnten, dafür einzutreten.
Sich selbst zu entwickeln und weiterentwickeln geht allerdings nicht allein. Wir brauchen in den allermeisten Fällen andere Menschen die uns spiegeln, damit wir uns selbst erkennen können. Erst von dort aus können wir uns auch weiterentwickeln. Ist jetzt meine Hypothese.
Lieber Gruss
Zivilisation war wohl der größte Entwicklungsfehler der Menschheit. In kleinen isolierten Gruppen die umherwandern, lässt sich wohl am ehesten auf unnötigen Besitz verzichten. Subsidiarität ist dort ohnehin verwirklicht und Herrschaftsstrukturen die der Gruppe insgesamt nichts nutzen sind dort auch kaum tragfähig.
Utopien macht Sinn, um sich gewahr zu werden wie aufgepfropft politische Systeme im Grunde genommen sind. Aber größere Gesellschaften bedürfen auch einer Organisationsstruktur und ohne den Entwurf wie die schöne Utopie denn verwirklicht werden soll, bleibt sie dann wohl auch eher eine Träumerei.
Das Manuskript ist denn auch kein Entwurf einer Utopie. Es hinterfragt recht oberflächlich ein paar Annahmen, bietet jedoch keinerlei Ansätze eines Ausblicks.
>>Der Mensch verfügt über eine Tötungshemmung, die ihm im Militär abtrainiert werden muss, wie auch über einen inneren Kompass für etwas, dass man so leichtfertig „Gerechtigkeit“ nennt.<<
Nicht alle Menschen verfuegen ueber eine „Toetungshemmung“, Menschen mit „Toetungsabsichten“ gab und gibt es abseits vom Militaer, zieht sich wie ein Faden durch die Geschichte. Von der Bibel bis in die Neuzeit.
Und der „innere Kompass“ ist heutzutage bei vielen Zeitgenossen nicht mehr vorhanden. Gerechtigkeit? JA aber …..!
Schöne Gedanken !
Die Drunbar-Zahl sollte als maximale größe einer lokalen Gemeinschaft genutzt werden und Effekte wie die aus dem „Peter-Prinzip“ müssen ins Bewusstsein der Menschen. Mehr Anarchismus wagen, die technokratische Sklaverei treibt den doestizierten Affen global zurück in die Stammesgesellschaft, mal gucken ob der Sapiens soweit denken, sich neu organisieren und überleben kann.
Was tun Sie im Fall eines Krieges – falls Sie den überleben?
Auf der Basis beantworten sich eine Menge Fragen und Seifenblasen platzen. Das Kriterium ist das Funktionieren und der Weg da hin.
Wenn „der Mensch“ eine Tötungshemmung hätte, müsste man davon in 300.000 Jahren schon was gemerkt haben… oh boy.