
Caren Miosga hat fertig. Sie verlässt die tagesthemen. Und die zeigt online ihre schönsten Momente. Es menschelt – und darin spiegelt sich das Problem des Qualitätsjournalismus wider.
16 Jahre moderierte Caren Miosga die tagesthemen. Gestern trat sie ab. Sie wird die neue Anne Will – jemand muss die Stichwortkarten ja festhalten. Bei tagesschau.de wurde Abschied genommen. Eine Ära gehe zu Ende, las man ganz so, als sei jemand, der Nachrichten präsentiert, stilprägend für eine ganze Epoche. Dazu ein Interview: Warum sie sich einst kaputtgelacht hat – und wie ihr Reich-Ranicki einen Einlauf verpasste. Schrecklich spannend.
Außerdem im Sortiment eine Bildergalerie: Die besten Momente der Caren Miosga. Ja, auch Vorleser haben offenbar Momente. Manchmal sogar bessere. Gleich der zweite Schnappschuss: Miosga steht auf dem Pult, »Oh Captain, mein Captain!« – 2014 war das; Robin Williams war gestorben und Fans in aller Welt stiegen auf Tische und gedachten ihm in Erinnerung an seine Rolle als John Keating im »Club der toten Dichter«. Miosga schloss sich diesem Abschiedsritual an.
Füße aufm Tisch
Wieso denn auch nicht? Jeder mochte Robin Williams. Wie konnte man den Schauspieler nicht mögen? Er hat uns Freude gebracht, zu Tränen gerührt – kaum einer war witziger. Und wäre Miosga auf ihren privaten Küchentisch gestiegen, hätte sich so ablichten lassen und das Foto bei Twitter hochgeladen, das damals nicht X hieß, sondern halt Twitter, dann wäre das auch nicht der Rede wert gewesen. Aber in den tagesthemen? In den Nachrichten?
Wir reden ja hier nicht von den Nachrichten bei RTL2, wo es eine Meldung ist, wenn ein Busenwunder eine neue BH-Kollektion aus veganem Schweindarm vorstellt. Aber im Ersten, im vermeintlichen Hochamt der Nachrichtenübermittlung? Die tagesthemen sind ja immerhin die Spätausgabe der tagesschau – zumindest gingen sie in den Siebzigern aus der Spätausgabe jenes wichtigsten deutschen Nachrichtenformates hervor. Dort hielt man traditionell die Füße unter dem Tisch und stellte sich nicht drauf. Warum? Weil das als seriös galt. Der Star war die Nachricht – und nicht der, der sie überbrachte.
An der Verabschiedung von Miosga via tagesschau.de erkennt man ja die ganze Misere. Der Qualitätsjournalismus legt seine Schwerpunkte auf sich selbst: Auf seine »Macher« – in Anführungszeichen, denn sie machen ja gar nichts, im Gegenteil, sie unterlassen viel. Als Dagmar Berghoff in den Ruhestand ging, da gab es natürlich auch einen Blumenstrauß zum Abschluss der tagesschau – in der Abblende wohlgemerkt. Mehr war da nicht.
Anchormen sollten blass sein
Sicherlich, es wurde darüber berichtet. Aber das überließ die tagesschau in jenen Jahren dem Boulevard. Selbst ließ man die Finger davon. Es gehörte nicht zum Aufgabenfeld derer, die über die Welt berichten sollten. Namen sind da, so hart das auch klingen mag, zunächst mal Schall und Rauch. Fakten interessieren. Wer die in die Kamera spricht, bleibt dabei mindestens zweitrangig.
2016 trat Dagmar Berghoff nochmal in den tagesthemen auf. Sie durfte nochmal Nachrichten verlesen. Anlass war, dass sie 40 Jahre zuvor erstmals in der tagesschau auftrat. Schon 2016 war das kritikwürdig. Nichts gegen Frau Berghoff, sie hat ihren Job über viele Jahre gut gemacht – trat nie in den Vordergrund, wirkte bescheiden und drängte sich nicht auf. Jener berühmte Lachanfall, als sie von einem WTC-Tennisturnier berichten sollte und sich verhaspelte, war ihr mordspeinlich: Und das sprach für sie. Aber 2016 vermittelte man den Rezipienten dann, dass es einen Unterschied macht, wer die Nachrichten verklickert. Während mancher Zuschauer in Nostalgie schwebte, vernahm er das Verlesene gar nicht. Und genau das ist das Problem.
Ein Anchorman kann gar nicht blass genug sein. Sicher, er ist auch ein Mensch, soll sich nicht verstecken müssen. Nur soll er bitte nicht als zentrale Botschaft stattfinden. Und wenn den Köpfen der tagesschau danach ist, auch mal ein bisschen zu menscheln, sollen sie doch die Glückspost, Die Neue Frau oder andere Heftchen anfunken. Das kostet dann auch den Beitragszahler nichts. Und lenkt auch nicht übermäßig ab.
»Oh Kapitänin, meine Kapitänin!«
Das sind spießige Vorstellungen davon, wie die gebührenfinanzierte Berichterstattung stattfinden sollte? Kann gut sein. Aber der Rundfunkstaatsvertrag ist andererseits kein Kasperletheater. Man könnte das zuweilen annehmen, wenn man betrachtet, wie die Öffentlich-Rechtlichen mit ihrem Bildungsauftrag umgehen. Der dient immerhin der »freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung« – und ob der geholfen ist, wenn Miosga auf dem Tisch steht oder mit Ernie und Bert in der Sendung schäkert, darf man doch wohl bezweifeln, ohne gleich den Staat zu delegitimieren?
Alles was dazu dient, wichtige Informationen in den Hintergrund rücken zu lassen, gehört sich in diesem Geschäft nicht. Idealistisch betrachtet. Realistisch gesehen ist es freilich doch so, dass man genau aus diesen Gründen Show macht: Damit die bitteren Wahrheiten versüßt werden.
Als Frau Miosga auf dem Tisch stand, wurden manchem schlagartig klar, dass die Vermischung von News und Bekenntnis gar keine Unmöglichkeit mehr ist. Sicher, es tat keinem weh, dass sie damals erhöht stand. Aber darin schwebte eine Botschaft mit: Wir Journalisten sind auch Aktivisten – und Menschen mit einer Meinung. Das ist erstmal nicht schlimm, natürlich haben auch Journalisten Vorstellungen. Sie aber ins Studio mitzubringen und auszuleben, das widerspricht dem Berufsethos – jedenfalls in Formaten wie der tagesschau oder den tagesthemen, die ja gezielt keine meinungsjournalistischen Sendungen sein sollten und auch nicht sein dürften.
Gut war am Abschied Miosgas allerdings, dass ihre Kollegen nicht auf die Tische stiegen und »Oh Kapitän*in, mein*e Kapitän*in!« gendergerecht postulierten. Immerhin, es gibt Hoffnung …
Ähnliche Beiträge:
- »Die Tagesschau hat sich zu einem Herrschaftsinstrument umfunktionieren lassen«
- Die Tagesschau: Ihr Psychodauerdienst
- Das Berliner Kriegskabinett: auf Beutezug
- Ein, zwei, viele Krisen?
- Spanischer Richter nutzt die Tagesschau, um die Regierung zu stürzen
Wie kommt man auf die Idee einen Artikel über die Trulla zu schreiben?
War die nicht eine „Anchorwomen“?
Sollten bei solchen Amerikanisierungen nicht die Alarmglocken klingeln?
Warum brauchen wir so Pappnasen (dt. Übersetzung von Anchorman)?
Warum soll eine Nachrichten-Sendung wichtig sein?
Wie werden die Nachrichten gemacht und von wem?
Warum wird die Chance verpasst, über die Fehler von Nachrichten-Sendungen zu schreiben? Dekontextualisierung, Fragmentierung, Weglassen, Zusammensetzen eines falschen Bildes etc. (Mausfeld könnte helfen)
Ist es überhaupt möglich wahrheitsgetreu (möglichst unvoreingenommen) über ein beliebiges Ereignis zu berichten?
Wann sollte man voreingenommen (objektiv/subjektiv) sein und wann nicht?
Warum wurde wieder verpasst über die überzogene Gage der Dame zu berichten?
Wenn schon Tratsch wie bei Burda, warum nicht auch über ihr Privatleben wie sie da das viele Geld ausgibt und was für Geschäfte sie noch betreibt?
Wer profitiert noch?
Was kann man dagegen tun? (außer sie möglichst zu ignorieren und keine ihrer Sendungen zu schauen)
@Georg
👍👍👍👍👍
außer sie möglichst zu ignorieren und keine ihrer Sendungen zu schauen…
das mache ich seit 20 Jahren mit allem diesem Schrott,
weil mir meine (geistige) Gesundheit wichtiger ist
Wer ist diese Frau? Wenigstens ein Bild hätte in den Artikel gehört.
Nee, glaub mir, du solltest froh sein, dass da kein Bild ist. Also das kreide ich ihm wirklich nicht an! Stell dir einfach vor, die ist aus der gleichen Klonfabrik wie die Angie und kriegt ihre Hosenanzüge beim gleichen Schneider, gerne auch in Pink. Soviel habe ich leider mitbekommen, auch bei sofortigem Wegklicken der Tagesschau und anderer Nachrichtensendungen.
Zum dem Bild könnte man allerdings auch einen Artikel machen, nämlich wie diese Propaganda-Sendungen funktionieren, was da für ein gigantischer Aufwand betrieben wird und wie viele Millionen das alles kostet. Das könnte man sogar ausweiten auf die PR-Industrie als Serie, wie Politiker sich inszenieren, in Berlin und anderswo usw.
…irgend so ein Z-Prommi, angeblich Journalistin,
aber mit medienwirksamer Betroffenheitsvisage.
Der Anteil der Menschen die sich das gar nicht mehr ansehen wird immer größer. Ich selbst gehöre mittlerweile auch dazu. Ich bin eigentlich ein Fan der Idee öffentlich-rechtlicher Medien. Wer sonst könnte einem die Welt vermitteln und sich dabei wenigstens halbwegs an der Wahrheit orientieren und bei Meinungen wenigstens ungefähr die Vielschichtigkeit der Gesellschaft abbilden. Das funktioniert nur leider immer schlechter. Der Personenkult um die Moderatoren ist da nur ein zusätzlicher peinlicher Faktor. Ich muss gar nicht mehr abschalten. Ich schalte erst gar nicht mehr ein.
Roger Whittaker ist gestorben. Das war bedeutender.
@ Monty Allerdings:
Nicht vergleichbar. Roger Whittaker konnte etwas, hat etwas geschaffen und als Engländer auch Brücken gebaut und sehr vielen Menschen Freude geschenkt.
Was den Rundfunk angeht, die Zwangsgebühr gehört abgeschafft, dann erledigt sich das Problem ÖR von alleine.
Welche Brücke oder welche Brücken hat er denn gebaut?
Lass uns über Fußball reden. Und doch, es hat was mit dem Text zu tun. Dereinst, vor vielen Jahrzehnten, liefen die Spieler der Mannschaft, die ein Tor erzielten, zum Schützen, gratulierten ihm und jubelten gemeinsam. Heute läuft der Schütze von seinen MannschaftsKameraden weg, gern gezielt in Richtung einer Kamera. Oft wehrt er die Versuche, ihn zu stellen und zu gratulieren, direkt ab, wehrt sich gegen Umarmungen und unternimmt alles, um im Mittelpunkt das gesendeten Bildes zu stehen und alberne Posen aufzuführen : Ich, ich, ich.
Siehst du heute eine Dokumentation, irgendwas über Natur, Tiere, Vulkane oder Tiermarkt in Kalkutta, bekommst du beständig den Moderator als Star der Doku präsentiert. Ich im Auto auf der Fahrt zum zum Drehort. Ich will rausbekommen wie und was, Ich, ich ich. Großaufnahme meines Gesichtes im Profil und frontal. Sehr gekonnt, und nicht mal so unsympathisch, macht das Dirk Steffens, einstmals bei TerraX, aber alle machen das, meist sehr viel widerlicher als er.
Der einsame Naturfilmer in der wilden Bergwelt unterzieht sich unglaublichen Strapazen und liefert uns großartige Bilder, wie er das alles bewältigt. Wie macht er das bloß, sich permanent unter diesen Bedingungen selbst zu filmen? Großartige Leistung des Mannes. Im Abspann dann die Namen von zwei Kameramannern. Wie jetzt? Nun, das tut nichts zur Sache. Hier geht es um mich. Ich, ich, ich.
Alles wird zur Personalshow. Der Wetterbericht wie die Nachrichten, Comedy sowieso. Dazu gehört auch eine zunehmend infantile und affektierte Sprache. Man kann das eigentlich nicht sehen, ohne psychische Schäden zu erleiden.
Schätze, das ist der Zeitgeist und ich bin aus der Zeit gefallen. Ich ertrage das nicht. Mein Magen rebelliert.
Deshalb werde ich wohl auch das weitere Schaffen von Frau Miaudingsbums – dass ist doch die mit dem gekonnt betroffenem Hundeblick? – nicht weiter verfolgen. So wenig, wie ich dereinst das ND las.
Stimmt, deshalb kann man sich noch nicht mal mehr solche Dokus aus welchem Bereich auch immer anschauen.
Ist subjektiv auch meine Meinung, scheint aber die Masse nicht zu stören.
Viel schlimmer als diese kleine Personality-Show, die da um Miosga (oder auch von ihr selbst) gemacht wird, ist die Tatsache, dass schon seit 30 Jahren immer voreingestellt ist, dass die scheidende Tagesthemen-Ancorwoman auch die neue Moderatorin der Sonntag-Nach-Tatort-Polit-Talkshow wird (mit der kurzen Unterbrechung von Günter Jauch).
Die können das in ihrer Karriere schon immer fest einplanen.
Das ist so ähnlich wie bei der CSU die Verkehrsminister, das sind auch immer die abgelegten Generalsekretäre.
Daß ist Föjetong >
Und für die, die es nicht mehr kennen oder vergessen haben, die kurze Erklärungen. https://de.m.wikipedia.org/wiki/Feuilleton
Unwissenheit ist Stärke 🚨
Da fällt in die Miosga-Zeit ein bedeutender Umbruch. Bis 2014 hielt sich der ÖR mit Wertungen zu politischen Ereignissen auffallend zurück. Wertungen nur im Kommentar, aber sonst war auch der übelste Diktator immer noch „Regierungschef“. Ab 2014, mit dem Beginn des Ukrainekonflikts, war damit Schluss: der gewählte Präsident Janukowitsch war mit absoluter Selbstverständlichkeit „Diktator“ und „korrupt“. Die Demonstranten waren „friedlich“, obwohl schon damals unzählige Videos kursierten, wie sie mit Eisenstangen auf die Polizei losgingen und in einem Fall einen Polizisten mit Benzin übergossen und anzündeten. Im Fernsehen war die Polizei „brutal“, was angesichts der Gewalttätigkeit auf der Gegenseite nicht zu sehen war.
Die ARD hat zu dieser Zeit eine Lügenstimme generiert, eine Frau, die vor Empörung kaum sprechen konnte. Mit fast erstickter Stimme kommentierte sie Filmaufnahmen. Immer wenn die kam, wusste ich, jetzt kommt eine faustdicke Lüge.
Gibt’s die noch? Ich habe inzwischen keinen Fernseher mehr.
Ich denke, dass du den von dir wahrgenommenen Einschnitt nicht wirklich belegen kannst. Ich denke er, dass es schleichend vor sich ging, eventuell mit ein paar Schüben.
Ich denke eher, dass das Ende der 1980er Jahre ein wichtiger Markstein war. Man wähnte sich als endgültiger Sieger der Geschichte.
Die Miosga soll in den Farben der Ukraine gekleidet, in den Nachrichten aufgetreten sein, erzählt das Internet mit Bildbeweis.
Das Hirn scheint die Olle selten zu gebrauchen.
Hat sie nicht ukrainische Wurzeln?
Laut Wikipedia ist sie in Peine geboren. Das liegt in Niedersachsen und gehörte bislang noch nicht zur Ukraine.
Ihr Vater soll aus Oberschlesien stammen. Auch das hat noch nie zum ukrainischen Staatsgebiet gehört.
Es ist nicht so, dass neuerdings jeder Mensch, der einem nicht passt, ukrainische Wurzeln hat. Es gibt immer noch auch in anderen Regionen der Welt Knalltüten. Sogar im Overton-Forum.
Gemach, gemach, umbhaki, es war doch nur eine Frage. Manche Quellen im Netz sprechen davon, dass Miosgas Vater zwar aus Oberschlesien stammte, aber russischer Herkunft war.
Ich hätte doch lieber selbst recherchieren und keine „doofe“ Frage stellen sollen, als hier im Forum jemandem den Puls raufzujagen…🤣
Ich kenne Hans-Joachim-Friedrichs und Ullrich Wickert. Das wars.
Werner Veigel wäre noch ein bekanntes Gesicht aus besseren Zeiten!
Miosga? Reisende soll man nicht aufhalten aber ist die einen Artikel wert?
Für medialen Tamtam hat doch schon der ÖRR gesorgt.
In einem anderem Land, das längst untergegangen ist, war die gesamte Tagesschau einst ein wirklicher und oft sehr guter Journalismus.
@ „Wer ist diese Frau? Wenigstens ein Bild hätte in den Artikel gehört.“ (andreas h)
Ich habe dieselbe Frage. Aber will ich deswegen ein Foto von ihr?
@ „Ich kenne Hans-Joachim-Friedrichs und Ullrich Wickert. Das wars.“ (Herr Korf)
Mehr als 16 Jahre habe ich keine Tagesschau geguckt, stelle ich gerade fest.
Darüber staune ich, weil ich einst mit diesem allabendlichen Elektro-Lagerfeuer im Familienkreis großgeworden bin.
Ist bei mir ähnlich. Miosga? Das ist doch die Neue bei den Tagesthemen? Dachte ich mir.
Ich schaue auch seit fünfzehn Jahren etwa kein Fernsehen mehr. Mit der Umstellung auf DVB-T2 haben sie mich entgültig entwöhnt, weil ich sowieso schon so wenig geguckt habe, daß eine neue Settopbox oder neuer Fernseher sich nicht gelohnt haben. Der alte DVB-T fähige Fernseher ist seitdem mein tertiärer Monitor am Computer. Tja. ¯\_(ツ)_/¯
Overton – der Schrottplatz, wo alteVwhikel m0it Ehrfurcht abgewrackt werden.
Anchormen? Rein funktional betrachtet erfüllen Anker ihre Aufgabe dann, wenn sie sich am Meeresgrund befinden.