Suchmaschinenoptimierung in Zeiten des Krieges

Frau am Rechner, 1980er Jahre.
University of Texas at Arlington Photograph Collection, CC BY 4.0, via Wikimedia Commons

Wie man Krieg verhindert: Danach suchen wohl nur wenig Menschen im deutschsprachigen Internet. Das ist bezeichnend, denn vielleicht zeigt das auch, dass wir einfach weiter so machen. Dass ein großer Krieg vor der Tür steht, tangiert die Gesellschaft offenbar nicht sonderlich.

Suchmaschinenoptimierung ist eine lästige, manchmal recht zähe und zeitraubende Angelegenheit. Wer es aber sein lässt, geht in dieser Aufmerksamkeitsökonomie kläglich unter. Einen Text mit einem Fokus-Keyword auszustatten, damit es bei Google gefunden wird, ist zuweilen fast schon eine Form von Kleinkunst. Entscheidet man sich für ein oberflächliches Wort oder eine Wortkombination ohne Tiefgang, zeigt Google natürlich zunächst die Quantitätsmedien an – der eigene Artikel, der dort gefunden werden soll, kann sich gegen diese Konkurrenz kaum durchsetzen.

Wird man hingegen zu detailliert oder zu kleinteilig, sinken die Chancen, dass je ein Mensch danach suchen wird. Je spezieller das Keyword, desto rarer das allgemeine Interesse. Man muss also ein aussagenkräftiges Schlüsselwort finden, dass aber nicht zu aussagekräftig sein darf.

Kein Eintrag zu »Krieg verhindern«

Zuweilen legt die Suchmaschinenoptimierung aber auch dar, woran es ganz offensichtlich mangelt. Nehmen wir nur einen Text von dieser Woche, jenen von Wolf Wetzel nämlich. Es ging – wie könnte es in diesen Zeiten anders sein – um Krieg. »Krieg« eignet sich aber nicht als Keyword, sucht man bei Google nach diesem Wort, landet man bei Spiegel, FAZ, Tagesschau und anderen Mainstream-Angeboten. Bei »Krieg Ukraine« ist es nicht viel anders. In meiner Not gab ich »Krieg verhindern« ein – und siehe da: Einige Blogs wurden angezeigt, aber kaum großen Medienanstalten.

Ein kurzer Check bei Google Trends zeigte mir jedoch, dass »Krieg verhindern« gar nicht erst gesucht wird. Bei Google Trends erhält man Statistiken über das Suchverhalten deutscher Nutzer – wenn die etwas nicht suchen, erteilt der Dienst einem eine Abfuhr. Somit eignete sich »Krieg verhindern« auch nicht als Keyword, wohl aber für eine Erkenntnis: Wir leben offenbar in Zeiten, wo nur noch Vereinzelte diese Suchworteingabe in ihre Suchmaschine tippen. Oder aber alle Friedensbeflissenen nutzen nicht Google als Suchmaschine – könnte ja sein, Hoffnung sollte man sich bewahren.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) wertet laut Berichten Suchanfragen in Suchmaschinen aus, um sich ein Bild über das Infektionsgeschehen diverser Infektionserkrankungen zu machen. Im Grunde ist das wie die hin und wieder gemachten Klärwasseruntersuchungen deutscher Gesundheitsämter. Nur eben vor dem Toilettengang. Wenn Leute nach Symptomen suchen – Ärzte wissen genervt zu berichten, dass Patienten sich immer häufiger vorab von »Doktor Google« aufklären lassen –, so lässt sich ein Bild der Lage machen. Wenn in einer Weltgegend viele Menschen nach ähnlichen Symptomen recherchieren, hat man offenbar eine endemische Situation.

Aber wie im Falle der Suchmaschinenoptimierung weiß die WHO natürlich, dass sie alleine diese Parameter nicht verwenden kann, um einen Notstand auszurufen. Man muss auch mal die niedergelassenen Ärzte konsultieren oder jemanden hinschicken. Böse Zungen behaupten allerdings, dass es genau so sei, die WHO rufe Notstände aus, weil sie es im Internet gelesen habe.

Darüber spricht man nicht

Natürlich ist klar, dass »Krieg verhindern« als erfolgloses Keyword nicht bedeutet, dass die Menschen im deutschsprachigen Raum gar nicht bestrebt sind, einen solchen zu verhindern – und es heißt auch nicht, dass nicht dennoch irgendwo im Archiv von SPONFAZZDFtaz ein Artikel schlummert, der sich der Kriegsverhinderung widmet. Aber erfolgreich »vermarktet« wurde der dann jedenfalls nicht, denn auf den ersten Google-Seiten findet man nichts davon.

Dennoch macht sich natürlich ein Gefühl breit. Die SEO-Erkenntnis unterstreicht ja etwas, was eigentlich auch analog zu fassen ist. Über einen Krieg sprechen wir nicht. Dass er zwar drohen könnte, vielleicht mehr denn je in den letzten Monaten: Klar, hier und da wird das erwähnt. Es schwebt gewissermaßen über uns. Aber konkret behandelt das keiner. Dabei sieht sich Russland durchaus schon in einem großen Krieg verwickelt – gegen den Westen. Unsere osteuropäischen Nachbarn – darf man noch so nachbarschaftlich sprechen? – reden bereits von einem dritten Weltenbrand.

Was so ein Krieg etwa bedeutet, das wäre doch gerade jetzt eine angemessene Frage. Wie er sich äußern könnte zum Beispiel, was genauer gesagt heißt: Wie er um uns herum für Not, Armut und Tod sorgen wird. Geht es schnell? Welche Ziele in Deutschland sind bedroht? Das Ruhrgebiet? Frankfurt? Berlin? Helgoland sicher nicht. Kann ich während des Krieges in den Urlaub fahren? Deckt meine Hausratversicherung Kriegsschäden ab? Was ist, wenn ich wegen Bombenkratern den längeren Weg zur Arbeit auf mich nehmen muss: Wird das bei Berechnung der Pendlerpauschale berücksichtigt?

Weiter so: Diese Parole sind wir ja gewöhnt. Was haben wir weitergewurstelt in den letzten Jahren. Und dabei allerlei verschlafen. Haben wir diese Wurstelei als Gesellschaft wirklich so verinnerlicht, dass sie derart zur Mentalität wurde, uns selbst im Angesicht des Krieges nicht aus der Ruhe bringen zu lassen?

Stell dir vor es ist Krieg und keiner geht – darauf ein

Klar, Krieg gab es immer – die längste Friedenszeit der menschlichen Geschichte, auf die wir Mitteleuropäer stolz verwiesen haben in den Jahren zuvor, betraf ja nur uns hier. Andere Regionen erlebten in dieser Friedenszeitspanne verheerende Kriege. Aber bei uns im schönen Mitteleuropa, gab es keinen. Dieser unserer Gesellschaft wird doch wohl klar sein, dass Deutschland im Kriegsfalle involviert sein wird.

Oder eben nicht. Denn Suchanfragen um jenes Szenario zu verhindern, sind ja eher rar. Aber genau so wird es kommen, wenn der Krieg kommt. Deutschland wird nicht einfach nur ein Land sein, dass in der kriegsgeplagten Ukraine operiert, dorthin Waffen versendet, vielleicht dann auch ein Kontingent an Soldaten: Es wird Kriegsschauplatz sein. Und ob dann »Kontingent an Soldaten« nicht lieber gegendert werden soll, wird bloß noch eines dieser First-World-Problems sein, das niemanden kümmert, wenn er nichts zum Fressen hat. Zu dieser Ersten Welt kann ein Deutschland im Krieg voraussichtlich dann nicht mehr gezählt werden.

Natürlich können wir auch dann mitten im Kriege mal schauen, was bei Google Trends so gesucht wurde, um zu verstehen, was die Leute dann umtreibt. Man darf davon ausgehen, dass nach Überlebensstrategien gesucht wird. Vielleicht gibt es ja ein Tutorial oder irgendwelche Lifehacks. Irgendwann dann, in etlichen Jahren, werden die Leute dann bei Google »Deutschland wann Ende« oder »Was war eigentlich Deutschland?« eintippen, weil sie verstehen wollen, wie das geschehen konnte. Echt, hier war mal Zivilisation?, werden sie fragen und dabei Bilder einer Wüste betrachten.

Sie werden dann vielleicht lesen, dass keiner den Krieg kommen sah. Niemand erkannte die Gefahr. Mancher schrieb sogar Texte über Suchmaschinenoptimierung im Angesicht der Apokalypse. Nerven hatten diese Dummköpfe damals! Und sie, die nach Antworten Suchenden jener Zukunft werden staunen und sagen: Nie wieder!

Ähnliche Beiträge:

4 Kommentare

  1. Solange die Folgen des Krieges einen noch nicht erreicht haben, wird die Frage danach, wie man das Ganze durch rechtzeitiges Gegensteuern hätte verhindern können, als unzulässige Frage erklärt und auch so behandelt.

    Der Einzelne schließt sich bei komplexen Themen gerne der Masse an, als selber zu denken und betäubt seine evtl. innere Unzufriedenheit indem er auch noch sein Resthirn einfach ausschaltet, und in den Chore des Dirigenten der Obrigkeit mit einstimmt. – Pappschild mit der angesagte Parole beschriften und schon geht man in der Masse unbefleckt unter.

    Selber denken ist bekanntlich Schwerstarbeit, und davor scheuen leider viele zurück.

  2. Die Russische Armee schafft es bisher nicht die Ukraine zu erobern aber in Deutschland und am besten gleich den Rest von Europa könnten sie einmarschieren ?
    Dieses Bedrohungs- Potential ist nicht vorhanden.
    Das der Krieg zu einem Atomkrieg eskaliert ist möglich aber ich vertraue da der Russischen Regierung das es von Russischer Seite keinen Ersteinsatz von Atomwaffen geben wird. China und Indien sind wichtige Verbündete für Russland und würden das scharf verurteilten. Das kann sich Russland nicht leisten.
    Wenn in Amerika der Ukraine Krieg keine Unterstützung mehr hat werden wir als Amerikanischer Vasallenstaat auch aus dem Kriegs Karussell aussteigen können.
    Bis dahin gilt was Baerbock bereits offen angekündigt hat : “Es ist egal was die Deutschen Wähler sagen.“
    Es wird in Deutschland erstmal darum gehen seine Souveränität zurück zu bekommen. Vorher werden wir aus diesem Krieg nicht herauskommen.

  3. „Nie wieder!“
    Vielleicht eher resigniert singen (The Green Fields of France):
    Did you believe that this war would end wars
    […]
    And again, and again, and again, and again
    (Ich habe mal eine Punk-Version gehört, bei der das again, and again mehrere Minuten lang wiederholt wurde, unterbrochen von Brech-Lauten – Aber das wird auch nichts nützen)

  4. Hallo Roberto De Lapuente,
    ich weiß, ich kann haarspalterisch sein. Kann sogar sein, dass es hier gar nicht hingehört, dennoch hatte ich die Gedanken beim Lesen des Texts. Die längste Zeit des Friedens auf der ganzen Welt war, als die Produktionsstufe so niedrig war, dass alle den ganzen Tag arbeiten mussten, um nicht zu verhungern. Es gab keine Zeit um andere zu Überfallen, vor allem wäre es Sinnlos gewesen, dass es keine Lagerhaltung gab und nichts da war, was es zu stehlen gab.
    Wieso ist es heute, in der Moderne zivilisierte Gesellschaft immer noch so das die Eltern beide den ganzen Tag arbeiten müssen und es dennoch nicht reicht? Was es heute allerdings gibt, ist das Eigentum, das aus Arbeit anderer Leute gewonnen wird. Hier liegt der Trieb zum Krieg, es geht immer um das Eigentum, damit das nicht abgeschafft wird (es wäre so einfach alles bleibt wie es ist, nur die Profite an den Staat abführen (als Idee)) werden Unmenge von Fetische aufgetischt, die das verschleiern soll.
    Hierbei ist Krieg nicht definiert, soll es der Krieg Arm gegen Reich sein oder Russland gegen Ukraine, in jedem Fall wird Frieden dazu bei Google nichts eingetragen und bei Wikipedia immer wieder gelöscht. Wie sind denn die ganzen Oligarchen, ob Russisch oder Ukrainisch zu ihrem Reichtum gekommen? Sollte der Reichtum nicht dem ganzen Volk gehören? Aber dass es den Oligarchen gehört, ist das Stück Freiheit, wo die Demokratie für kämpft.
    Nix für ungut.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert