Nackt am Strand

Heinrich Zille, Strandleben
Heinrich Zille, Public domain, via Wikimedia Commons

Einige jahreszeitliche Anmerkungen.

Ich lebe ja in Neuseeland, da herrscht jetzt, mitten im Hochsommer, der Winter. Wenn Jesus Christus hier geboren worden wäre, würden wir JETZT Weihnachten feiern, nicht erst im Dezember. In manchen Teilen Neuseelands schneit es auch schon so richtig volle Kanne und die Kinder laufen auf Schlittschuhen morgens in die Schule. Trotzdem war ich natürlich überrascht, als mir die Berliner (siehe nebenstehendes Bild) ein paar hübsche Strandszenen zuschickten.

Da saßen die Leute dicht an dicht, vielleicht am Wannsee, aber vollbekleidet. Verwunderung. Ist jetzt nicht Hochsommer bei euch? Aber man merkt dann doch, dass die heutige Gesamtrepublik nur eine erweiterte BRD ist. In der DDR, so hieß es ja immer, scharwenzelten im Sommer Männlein wie Weiblein total nackt am Strand umher. Man kann sagen, das ostdeutsche Strandverhalten ist im heutigen Total-Germany unterschlagen worden. Und offenbar auch die Erinnerung daran. (Denn das obige Strandbild stammt von Zille, aus der Kaiserzeit.)

An den Stränden dieser Welt

Nun habe ich Strände eher international erlebt. Das eine Foto hier zeigt den sonst zu Weihnachten gerne von deutschen Abiturienten und Abiturientinnen überlaufenen Strand von Raglan im Norden Neuseelands, ungefähr jetzt, im Monat Juli, aber in einem früheren Jahr. Immer noch Strandbesucher, aber weniger als sonst.

Das Charakteristische dieses Strandes ist es nun, dass man im knöcheltiefen Wasser mit dem Wellenreit-Surfbrett bis weit hinaus latschen kann, aber dann geht es auf einmal doch richtig los.  Der Fußboden bricht unter einem weg, und die Wellen schwappen über einen obendrüber. Kein Wunder, dass Strandbesucher alle Jahre wieder angeschwemmte Schädel finden, die von den Wellen leise an Land gespült werden. Meistens müssen dann die Anthropologen von der Uni Hamilton aus 40 Kilometern Entfernung anreisen, um festzustellen, ob es sich um rezente oder anthropologische Objekte handelt.

Fast identisch flach waren auch die Strände meiner Kindheit am Kaspischen Meer.

Zum Glück habe ich noch ein paar alte Fotos, Hochsommer im Juli, Männlein und Weiblein nebeneinander in Strandkleidung. Das sieht man heute nicht mehr, ein Zaun der weit ins Meer hinausführt, trennt das Badepublikum nach Geschlechtern. Wen es im lauwarmen Meer nach Intimität gelüstet, der müsste weit hinausschwimmen.

Aber das Strandpublikum ist zahlreicher geworden. Die Weiblichkeit vollbekleidet auch im Wasser. Bikinis sind quasi unbekannt. Für die Herren gelten weniger strenge Regeln.

Nackt unter viel Stoff

Quelle: Tom Appleton

In Hawaii war ich am Strand, und die Frauen trugen Bikinis, also ebenso die einheimischen Hawaiianerinnen wie die eingereisten USA-lerinnen, oder die Touristinnen aus Deutschland. Der Unterschied war dennoch deutlich erkennbar. Die deutschen Damen trugen die Brüste weitgehend entblößt, die Amerikanerinnen rundum eingefasst in größere Stoffmengen. Am Unterleib trugen die Europäerinnen eher nur einen dünnen Streifen Stoff, weit entfernt vom Nabel, kaum ausreichend um die Vaginalien zu bedecken. Die Amerikanerinnen wieder üppig Stoff, der Verdacht auf Erotik oder Nacktheit kam gar nicht erst auf.

Man kann sagen, die Lust auf Strand und Sonnenschein, auf Nacktheit und Nässe scheint allen Menschen auf der Welt gleichermaßen eigen zu sein —  aber ebenso auch der Drang, diese Lust zu unterdrücken. Wenigstens am Strand. Ein Trost aber, es bleibt noch die Sauna.

Tom Appleton

Tom Appleton ist gebürtiger Berliner. Seine Kindheit verbrachte er in Teheran. Abitur in Königstein. War lange in Wien, seit längerem wieder in Wellington, Neuseeland. Romanautor: „Hessabi“ (2016).
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4 Kommentare

    1. Außerdem war es auch schonmal wärmer. Mich stört das nicht, aber für die meisten anderen, felllosen Warmblüter ist es aktuell einfach zu kalt, um sich überhaupt leicht bekleidet, geschweige denn au naturel nach draußen zu begeben.

  1. Wer Titten sehen will, der soll zu den Pornoseiten gehen. Ich bin sehr zufrieden, dass man am FKK und in der Sauna die Erotik draußen hält. Beiträge wie dieser sexualisieren sowohl Sauna als auch Strand und sind eher dafür verantwortlich, dass die Leute sich verhüllen als, dass sie in Ruhe ihre Freiheit genießen können.

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