Ein Papst wider die Hochrüstung zur Welt-Kriegstüchtigkeit

Pabst Franziskus in Kolumbien 2017. Bild: Juantenaphoto/CC BY-SA-4.0

Bischof Franziskus von Rom hat am Osterfest seinen Lebenskreis als Erdbewohner geschlossen. Er ließ die Stimme des Leute-Rabbis Jesus aus Galiläa wieder hörbar werden, doch das militäraffine Großkirchentum in Deutschland blieb taub.

Als der Argentinier Jorge Mario Bergoglio am 13. März 2013 Papst geworden war, verliebte sich auch ein leidenschaftlicher Atheist aus meinem Freundeskreis spontan in ihn und freute sich mit mir. Meine hoffnungsvollen Erwartungen hatte ich schon in der Nacht des letzten Konklave-Tages in einem Beitrag für Telepolis zum Ausdruck gebracht (der Text ist trotz der autoritären Totalzensur des Telepolis-Archivs z.B. noch hier nachlesbar – oder hier sogar mit unversehrten Umlauten). Der Papst der Armen, der sich nach dem subversivsten Heiligen des Abendlandes Franziskus nannte, würde sie alle weit übertreffen.

In seinen ersten Jahren als Primus der Weltkirche setzte er förmlich eine Revolution der Zärtlichkeit und einen Aufstand gegen die globalen Totmach-Komplexe in Bewegung. Er ließ sich von führenden Wissenschaftlern des Erdkreises beraten und schrieb – Jahre vor den „Fridays for Future“ – seine bahnbrechende Enzyklika „Laudato Si“, die eine globale Zusammenarbeit einforderte, um den nach uns Kommenden unvorstellbare Leiden aufgrund der absehbaren ökologischen Katastrophe auf dem Planeten vielleicht doch noch zu ersparen.

Den überall herrschenden Kapitalismus nannte er „eine Wirtschaft, die tötet“. In Lampedusa entlarvte er die „Globalisierung der Gleichgültigkeit“ und ein heuchlerisches Europa, das sich als Hüter der Weltmoral dünkt, während es tatenlos zuschaut, wie viele tausende Menschengeschwister auf der Flucht aufgrund verweigerter Hilfe bzw. tödlicher „Grenzsicherungen“ im Mittelmeer umkommen. – Solches beeindruckte in meinem Stadtteil selbst die linken Autonomen, die allesamt ganz antikirchlich eingestellt sind.

Der Friedenspapst: „Es gibt keine gerechten Kriege“

Die mit den Besitzenden eng verbandelten Klerikal-Komplexe der Macht und Priesterselbstanbetung waren aber alsbald alarmiert. Sie versuchten Franziskus zu demontieren und hoben Fallgruben für ihn aus, wo sie nur konnten. Vor diesem Hintergrund ist es mehr als erstaunlich, wie unbeirrt der Papst aus Argentinien förmlich bis hin zum letzten Atemzug seine Friedensbotschaft über den ganzen Erdkreis geschickt hat.

2016 kamen katholische Friedensarbeiterinnen und Friedensarbeiter aus der ganzen Welt in Rom zu einer Konferenz „Nonviolence and Just Peace“ zusammen. (Ich durfte als deutscher Sektionsvertreter teilnehmen und u.a. einen Impuls „Wie die Menschheit eins ist“ einbringen.) Danach warb der Papst zum Weltfriedenstag 2017 für eine globale politische Kultur der Gewaltfreiheit. (Seine interreligiösen und ökumenischen Friedensinitiativen gipfelten u.a. 2019 in einer christlich-islamischen Erklärung „Über die Brüderlichkeit aller Menschen für ein friedliches Zusammenleben in der Welt“.)

Die Mächtigen auf allen Seiten trieben stattdessen unverdrossen die Militarisierung des ganzen Erdkreises voran, so dass die Entstehung eines weltweiten Verbundnetzes des Austausches und der Zusammenarbeit im Dienste der Zukunft des Lebens auf dem Planeten heute geradezu utopisch erscheint.

Schon seit Jahren hat Papst Franziskus im Klartext von einem „Weltkrieg auf Raten“ gesprochen. In der Ukraine werden seit Anfang 2022 hundertausende junge Ukrainer und Russen für die Interessen der Mächtigen und Reichen aufgeopfert, verheizt. Angesichts dieses völlig sinnlosen Massensterbens, mitfühlend mit den Weinenden in der Ukraine und angesichts einer realen Gefahr der Weltkriegseskalation, sprach Franziskus davon, es gebe auch einen „Mut zur weißen Fahne“. Da brach ein Sturm der Entrüstung über ihn herein seitens der deutschen Meinungsfabriken (Politik & Medien), die in dem Wahn leben, ihre politische Agenda sei so wahr und wertvoll, dass ruhig auch noch einmal hundert- oder zweihunderttausend Menschen eines anderen Landes dafür der Vernichtung preisgegeben werden könnten (eiskalt all das vorgetragen, aber mit „gutbürgerlichem Gewissen“).

Solches ließe sich indessen nicht einmal mit der traditionellen (überholten) Kirchenlehre vom sog. gerechten Verteidigungskrieg rechtfertigen, denn diese schaut mit ihren Kriterien auf die Erfolgsaussichten jeder bewaffneten Gegenwehr und noch stärker auf die Höhe des Blutzolls (Verhältnismäßigkeit der Mittel; ein Übel darf nie mit noch größerem Übel beantwortet werden). Franziskus aber hat im Zuge seiner Friedenstheologie wiederholt vorgetragen, es gebe überhaupt keine „gerechten Kriege“, sondern einzig der Friede könne gerecht sein.

Schon der Besitz von Atombomben ist eine Verlästerung Gottes

Über die Umwälzung der kirchlichen Positionierung zur Atombombe habe ich schon 2023 in einem Overton-Text wie folgt geschrieben: In der römisch-katholischen Weltkirche nahm das II. Vatikanische Konzil 1962-1965 Bezug auf die Verdammung aller Massenvernichtungsmittel durch den in der Kubakrise als Friedenspapst hervorgetretenen Johannes XXIII. Eine dem Militärkirchenwesen verbundene Clique – unter Einschluss des militaristischen US-Armeebischofs und Kardinals Francis Spellman – wollte das Friedenszeugnis abschwächen, was ihr nur bedingt gelang.

Erst der aus Argentinien kommende gegenwärtige Papst hat dem skandalösen Hin- und Her-Lavieren des „Lehramtes“ ein Ende bereitet. Vor den Teilnehmern eines Internationalen Symposiums zum Thema Abrüstung sagte Franziskus am 10.11.2017: „Daher ist auch unter Berücksichtigung der Gefahr einer unbeabsichtigten Explosion solcher Waffen – aus welchem Irrtum auch immer dies geschehen mag – die Androhung ihres Einsatzes sowie ihr Besitz entschieden zu verurteilen, gerade weil deren Vorhandensein in Funktion einer Logik der Angst steht, die nicht nur die Konfliktparteien betrifft, sondern das gesamte Menschengeschlecht.“ Ein Versehen, ein technischer Fehler – so betont es wiederholt auch der UNO-Generalsekretär – genügt und die globale Katastrophe ist da. Allein dies macht die Existenz der Nuklearwaffen schon zum ultimativen Verbrechen (von der Modernisierung aller Arsenale und dem ausbleibenden verbindlichen Verzicht auf alle Erstschlag-Optionen ganz zu schweigen).

Dass der Vatikan nicht nur der UN-Initiative zum Verbot von Atomwaffen auf ganzer Linie beisprang, sondern in höchster – päpstlicher – Instanz schon die bloße Bereitstellung nuklearer Massenvernichtung ächtete, wirkte wie ein Paukenschlag. Zuletzt stellte Papst Franziskus in einem unabgesprochenen Zusatz zu seiner Hiroshima-Rede vom November 2019 klar: „Schon der Besitz von Atomwaffen ist unmoralisch.“

Wenn dem so ist, darf sich natürlich kein Christ in irgendeiner Weise daran beteiligen, dass die Bomben nebst allem Zubehör hergestellt, angeschafft, aufgestellt, erprobt und gerechtfertigt werden.

Über unsere diesbezügliche Ökumenische Ächtungserklärung gegen die Bombe hat 2023 – anders als in der Schweiz – hierzulande kein einziges Kirchenmedium berichtet. Aber in Deutschland wird den Christenmenschen auch nicht vermittelt, was der Bischof von Rom zu Atombombenbesitz und sogenannter „nukleare Teilhabe“ gesagt hat (es herrscht ein kollektives Verschweigekartell). Die staatstreuen Christdemokraten des „Westen“ vertreten in dieser Frage wie alle bürgerlichen Parteien das extreme Gegenteil der päpstlichen Doktrin, zumal heute in Deutschland. Konsequent wäre, dass wenigsten die Katholiken unter ihnen die Kirche wechseln.

Gegen die Rüstungsindustrien des Todes und Kriegsprofite

Mit zunehmendem Alter wurden prophetische Reden bei Franziskus rarer, auch angesichts der reaktionär-klerikalen Feindesfront in der Kirchenzentrale selbst. Doch nie hat er aufgehört, seine Stimme gegen Aufrüstung und Waffenproduktion zu erheben, gegen jene Industrien also, die von der Kirche schon unter Papst Paul VI. (1897-1978) als ein organisierter Diebstahl an den Armen entlarvt worden sind.

Noch in seiner Weihnachtsbotschaft vom 25. Dezember 2023 hat Franziskus erneut den Aufrüstungspolitikern und Kriegskonzernen, die „Kanonen statt Butter“ propagieren, ins Stammbuch geschrieben:

„Um aber ‚Nein‘ zum Krieg zu sagen, muss man ‚Nein‘ zu den Waffen sagen. Denn wenn der Mensch … Werkzeuge des Todes in Händen hält, wird er sie früher oder später einsetzen. Und wie kann man von Frieden sprechen, wenn Produktion, Verkauf und Handel von Waffen zunehmen? […] Die Menschen, die keine Waffen, sondern Brot haben wollen, die sich abmühen, um über die Runden zu kommen und um Frieden bitten, wissen nicht, wie viel öffentliches Geld für Rüstung ausgegeben wird. Doch sie sollten es wissen! Darüber soll man sprechen, darüber soll man schreiben, damit die Interessen und Gewinne bekannt werden, die die Drahtzieher der Kriege sind.“

Selbstredend, die Lobby der Rüstungsindustrie sowie die von ihr beeinflusste Meinungsindustrie der Rüstungsprediger werden hier als Drahtzieher einer Kriegspolitik, die endlose Todesopfer fordert, mit benannt. – Am Vortag seines Todes hat der Papst jetzt zu seinem letzten Ostersegen für den ganzen Erdkreis die Anklage des neuen Wettrüstens wie ein Vermächtnis wiederholt:

„Es kann keinen Frieden geben ohne echte Abrüstung! Der Anspruch eines jeden Volkes, für seine eigene Verteidigung zu sorgen, darf nicht zu einem allgemeinen Wettrüsten führen. Das Osterlicht spornt uns an, die Schranken zu überwinden, die Spaltungen hervorrufen und eine Vielzahl an politischen und wirtschaftlichen Konsequenzen nach sich ziehen. Es spornt uns an, füreinander zu sorgen, die gegenseitige Solidarität zu stärken und uns für eine ganzheitliche Entwicklung aller Menschen einzusetzen. […] Ich appelliere an alle, die in der Welt politische Verantwortung tragen, nicht der Logik der Angst nachzugeben, die verschlossen macht, sondern die verfügbaren Ressourcen zu nutzen, um den Bedürftigen zu helfen, den Hunger zu bekämpfen und Initiativen zu fördern, die die Entwicklung vorantreiben. Die ‚Waffen‘ des Friedens sind diejenigen, die Zukunft schaffen, anstatt Tod zu säen!“

Die bürgerlich-militäraffine Kirche der Reichen liebte ihn nicht – und zeigte große Undankbarkeit

In zwei Weltkriegen haben die staatlich privilegierten – also mittels Geld korrumpierten – Großkirchen hierzulande den Mächtigen in Deutschland ihre Kanzeln zur Befeuerung des Kampfgeistes zur Verfügung gestellt. Bei ihrem gegenwärtigen geistigen wie ökonomischen Zustand ist es absehbar, dass sie auch vor einem dritten Weltkrieg gehorsam zur Kriegsertüchtigung rufen werden.

Die deutschen Kirchenkomplexe, als deren Spiegel ich u.a. täglich ein von den Bischöfen finanziertes Portal aufrufe, haben insbesondere die Friedensbotschaft des Franziskus von Rom bei uns allenfalls einmal am Rande zitiert. Sie hören bei den Themen ‚Atombombe‘, ‚Auslandseinsätze‘, ‚Aufrüstung‘ und ‚Waffenlieferungen‘ lieber auf den besonders staatsnahen Militärbischof, dessen Mitarbeiter eine Bundeswehr-Emailadresse haben. Der Militärbischof weiß es eben besser als der Papst und besser auch als der gewaltfreie Rabbi Jesus von Nazareth im brutal-imperial besetzten Palästina vor zwei Jahrtausenden.

Wie die so reiche deutsche Kirche zuvor schon die Möglichkeit verspielt hat, die Ökologie-Enzyklika des Papstes (2014) in ihren Vollzügen überall aufzugreifen und umzusetzen, macht sprachlos. In Deutschland begehrte man eine bürgerliche Wohlfühlreform der Kirchenlandschaft, keine fundamentale Zivilisationskritik wie in „Laudato Si“.

Hinsichtlich der Kapitalismus-Kritik standen die zumeist dem CDU-Milieu entstammenden Oberhirten in der Regel jenen großbürgerlichen Zeitungsverrissen näher, die den klassenbewussten Papst der Armen z.T. förmlich verspotteten. Keiner kam auf die Idee, mit Franziskus einen Pakt der folgenden Art zu schließen: „Du kommst uns bei der bürgerlich-liberalen Kirchenreform (auch bei der Lockerung der ohnehin nie zwingenden Zölibats-Bestimmungen) entgegen – und wir werden deine treuesten, regsamsten Mitstreiter beim Einsatz für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung.“

Eine regelrechte Schmierenkomödie ist auf dem Feld der liberalen Papstschelte im letzten Jahrzehnt in Deutschland aufgeführt worden. Unter dem autoritären Regime der beiden letzten Päpste aus Polen und Deutschland hatten die meisten Akteure nie ernsthaft den Aufstand gewagt. Doch jetzt saß ein Leutepriester aus Lateinamerika auf dem Stuhl Petri. Er führte das freie Wort wieder in der römisch-katholischen Kirche ein, beschnitt die Repressionsapparate der zunächst noch „Ratzinger-deutsch“ geführten Theologenpolizei, erlaubte – bildlich gesprochen – das freie Schwenken der queeren Regenbogenfahne in allen kirchlichen Räumen, umarmte in der Öffentlichkeit demonstrativ schwule Freunde, bekämpfte wie kein Papst vor ihm den Klerikalismus und versetzte erstmalig Frauen in allerhöchste (!) Spitzenämter der Weltkirche.

Doch die bürgerlichen Medien- und Kirchenkomplexe in Deutschland hörten nicht auf, „mutig“ zu jammern. Sie fixierten sich ganz auf das Frauenpriestertum, das Franziskus angesichts seines vorgerückten Alters und der akuten Spaltungsgefahren wohl kaum angehen konnte. Keines seiner großen prophetischen Anliegen hat die ewig-deutschkatholische Kirche, in der durchweg die Wohlversorgten und Nicht-Pazifisten den Ton angeben, wirklich berührt.

Ein gescheitertes Pontifikat oder ein Aufbruch der Weltkirche?

Die Zukunft der Kirche in deutschen Landen sieht düster aus. Noch mehr neoliberale Marketing- und Wirtschaftsprofis werden in den Bistümern die Federführung übernehmen, während man die letzten frommen Oberpriester Bücher für ein überschaubares Publikum schreiben lässt. Der Staat wird die Privilegien vor dem Ruin noch lange nicht antasten, denn er weiß, dass eine arme Kirche nicht mehr so gefügig wäre wie die jetzige.

Eine immer kleinere Kleriker-Riege wird in der Übergangsphase vor der Pulverisierung über riesige Vermögen verfügen, was sie für bestimmte Personenkreise besonders attraktiv machen dürfte. Die letzten Geschmacksgrenzen beim Entertainment von „Citykirchen“ werden fallen – in nicht so ferner Zukunft auch mit Hilfe von KI-gestützter „Theologie“ und „Pastoral“.

In anderen Kontinenten aber wird das Wachstum der Weltkirche vielleicht fortdauern: Der verstorbene Papst war ein Revolutionär, allerdings einer mit alsbald gestutzten Flügeln. Wenn seine Wegweisungen hin zu Frieden, gerechter Ökonomie und Erhalt der planetarischen Lebensgrundlagen weiterwirken, könnte – freilich unter dem Vorzeichen einer vollen Gleichberechtigung der Frauen – die römisch-katholische Weltkirche mit weit über einer Milliarden Mitglieder als einer der bedeutsamsten global vernetzten Anwälte der Menschenrechte – im Kampf wider die kommenden Barbareien – in Erscheinung treten …

Doch dass der Franziskus-Kurs beibehalten wird, wollen finanzstarke Netzwerker verhindern: Seit dem 4. Jahrhundert entwickelten die Staatskirchen die gotteslästerliche Lehre, die Todesstrafe könne im Einklang mit dem Christentum stehen. Erst Franziskus hat die entsprechenden Passagen radikal aus dem Katechismus herausgeschnitten. Das werden ihm die Rechtskatholiken in den USA, zu deren unantastbaren Bekenntnisartikeln das vermeintlich befugte Totmachen von Menschen durch Militär oder Hinrichtungskammer gehört, nie verzeihen.

Einen Papst, der so rücksichtslos stört und sich obendrein gezielt als normalsterblicher Rollstuhlfahrer im Poncho zeigt, muss man aus dem Gedächtnis der Menschen auslöschen. Die Seilschaften der betuchten Rechtskatholiken in Nordamerika wünschen sich jetzt einen neuen Pontifex, der am besten aus dem Militärkirchenwesen stammt und – als Retter der Traditionsfetische – wieder meterlange rote Seidenschleppen für die Kardinäle einführt. Die Liberalen setzen derweil wohl auf einen Mittler, der alles brav zusammenhält, sich aber von jeglichen sozialistischen oder pazifistischen Anwandlungen freihält. – Ich gebe diesmal keine Prognose.

Bitte keine Heiligsprechung, lieber eine „Messe des Lebens“ für das Dritte Jahrtausend

Aber Wünsche ließen sich schon vorbringen. Könnte nicht ein neuer Bischof von Rom, da die Liturgie doch zu den bedeutsamsten Vollzügen seiner Konfession gehört, eine „Messe für das Leben“ im Dritten Jahrtausend auf den Weg bringen, die unsere Augen den endlichen Gaben auf dem Altar dieses Planeten und dem Geschick zukünftiger Generationen zuwendet? Wäre es nicht folgerichtig, im Anschluss an das Papstrundschreiben „Fratelli tutti“ (Universale Geschwisterlichkeit, 2020) mit allen Weltreligionen in Rom ein Fest zu feiern und dabei den schon immer anerkannten Glaubenssatz von der „Einheit des Menschengeschlechtes“ als gemeinsames – kraftgebendes und unfehlbares – Dogma zu verkünden? (Es wären dadurch übrigens ohne eigene Verdammungsartikel die ökonomischen wie militärischen Massenmörder auf dem ganzen Erdkreis – nebst den Rassisten – ausnahmslos exkommuniziert.)

Als die Medienmeute vor der Intensivstation ausharrte und stündlichen Unsinn telegrafierte, tat ihnen Franziskus nicht den Gefallen zu sterben. Dem Tod gerade von der Schüppe gesprungen, gönnte er sich (und uns) die Freude, den Wächtern der Allerheiligsten Klerikerwürde im Vatikan noch so manches Schnippchen zu schlagen. Einen letzten Ostersegen für den ganzen Erdkreis konnte er sprechen, um dann das Zeitliche überhaupt zu segnen … Die Ästhetik seiner Gewänder war – gewollt – weitaus weniger stilsicher gewesen als bei den letzten Vorgängern seit Paul VI. (Joseph Ratzinger sei hier nur mit großen Einschränkungen gelobt). Aber die „Choreographie“ seiner Sterbetage ist wohl einzigartig in der gesamten Papstgeschichte.

Ich für meinen Teil heuchle keine Tränenflüsse, sondern freue mich mit Papa Francesco über solch einen Abschied von dieser wundersamen – schönen wie abgründigen – Erde. Sein Bild soll an meinem Schreibtisch hängen bleiben und die Liebe zu ihm wachhalten, ganz gleich wer Nachfolger wird. Ich hoffe aber – wohl in seinem Sinne –, dass Franziskus niemals heiliggesprochen – das heißt: gezähmt – wird.

 

 

Literaturhinweis zur Friedensagenda von Franziskus:

Stefanie A. Wahl / Stefan Silber / Thomas Nauerth (Hg.): Papst Franziskus – Mensch des Friedens. Zum friedenstheologischen Profil des aktuellen Pontifikats. Freiburg – Basel – Wien: Herder 2022.

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9 Kommentare

  1. Vielen Dank für diesen Artikel.
    Mir war überhaupt nicht bewußt gewesen, wie sehr sich dieser Papst für all diese wichtigen Themen eingesetzt hatte.
    Nur in den letzten 2 Jahren habe ich seine Friedensforderungen mitbekommen, allerdings nur über die mediale Empörung.

  2. Auf der Karikatur des Tages in der Berliner Zeitung kommentiert der Papst seine von Posaunen- und sonstigen Chören der Engel gefeierte Ankunft im Himmel so:

    „Leute, Leute, nicht so ein Aufwand. ich bin’s doch nur…“

    Paßt.

    PS Zu den Gegnern des Papstes gehörten auch diese Herrschaften hier, deren Projekt allerdings gestoppt wurde:

    https://www.watson.ch/wirtschaft/donald-trump/529114247-warum-steve-bannon-ein-italienisches-kloster-gepachtet-hat

    https://www.domradio.de/artikel/steve-bannons-festung-vor-dem-fall-italien-entzieht-der-populisten-akademie-trisulti-die

  3. Der Papst ist tot. Wer hat ihn getötet? War es das Alter; die Kurie,
    der Schmerz über diese Welt?
    Jetzt springen die von ihm Kritisierten erleichtert aus den Büschen und preisen ihn.
    Über die Toten nichts Schlechtes, eine Devise im römischen Staat. Denn nach dem Tod des nur mühsam Ertragenen breitet sich Erleichterung aus und die fetten Katzen fangen wieder an, gemütlich zu schnurren.
    Aber der Papst hat etwas in die Welt gesetzt, was mit ihm nicht wieder verschwindet: die Freiheit unabhängig zu denken.Von Herzen frei zu sprechen.
    Der Kapitalismus tötet. Selbstsucht zerstört die Welt. Mitleid und Zuwendung sind das Brot der Erde.Eine Kirche, die die nicht mehr die Liebe lebt, ist leer geworden Sie ist nicht mehr das Salz der Erde. Die Kirchenfürsten leiden an spirituellem Alzheimer.
    Diese lässigen Sätze der Klarheit werden sie ihm nicht verzeihen.
    Aber sie sind hiergeblieben, nicht mit hm gegangen. Sie schweben weiter durch die Welt. Die morphogenetischen Felder sind aufgealden mit ihnen.

    Die Lobschleimer in den Konformitätskartellen sondern wie die Nacktschnecken nun ihre klebrigen Wichtigtuer Sätze ab. Im TV gings los. Kritik an seinen kecken Worten über Schwuchteleien. An seiner mangelnden Konsequenz in Sachen Aufklärung der sexuellen Missbräuche. An seinem Festhalten der Männerpriesterschaft.
    Alles in sich bedenkenswerte Einwürfe.
    Aber niicht von diesen Maschinenmenschen, die entehren wollen, um von seinen starken Herzquellen der Liebe abzulenken. Liebe können sie nicht ertragen.
    Denn Liebe bedroht das Eigentum, die Ungleichheit, die Hierarchie, die Verfügbarkeit.
    Moralisch blasen sie sich auf wie Knallfrösche der Moral.
    Einem Menschen zu vergeben, dass er auch falsche Sätze sprach, dass er auch Irrwege im Denken einschlug,das ist ihnen nicht möglich.
    Jetzt ist die Stunde derer, die die Uhren zurückdrehen wollen. Das ist diese dunkle Bruderschaft, die die rechten Fahnen überall hochziehen. Das wird jetzt auch die Kirche treffen.
    Dieses Trauerspiel der Herrschaften, die gerne an den Fäden der Marionetten ziehen Der Herde ihrer Schafe
    Aber der Tote lacht sich ins Fäustchen: er wird wieder auferstehen.
    Die Erde kann sich freuen.
    Denn irgendwann werden die Knallfrössche platzen. Mit einem lauten Knall.
    Und aus is.
    Danke du Mann mit wahrer Menschenliebe. Danke du Verletzlicher, du Provokateur, du Querdenker.

    Ich finde die Kriche mit ihrer antiquierten Art im Amt zu sterben und der Welt zuvor das Gesicht des Leiden und des Verfalls zuzumuten, eine bewunderswerte Provokation.
    Im Rollstuhl der Welt ein Gesicht zu zeigen.
    Die Kraft der weißen Fahne, überall, in allen Beziehungen.
    Da kann man durchatmen.

    Ein lautes MERCI für diesen Artikel.

  4. Mein Gott ist das ein kranker, abergläubischer Artikel. Die Römer haben die Kunstfigur „Jesus“ als Aufhänger für ihre offizielle Sklavenreligion erschaffen, für die lese- und schreibunkundigen, Ärmsten der Armen die nach mehreren Aufständen ruhig gehalten werden sollten.

    Es ist unglaublich deprimierend zu sehen dass der Blödsinn bei gewissen Schwachsinnigen und -willigen immer noch funktioniert. Aber dafür war ja die Hauptaufgabe dieses Pontifex das „Menschenfischen“ in den Entwicklungsländern, um die Zustände dort im Sinn der Oligarchie weiterhin an einer progressiven Entwicklung zu hindern.

  5. Vielleicht hätte man in diesem würdigen Nachruf noch die Einstellung des Papstes zur Corona-Impfung unter dem Aspekt der Nächstenliebe erwähnen können. Hier hat die Kirche gezeigt, wie sie mit Zweiflern und von der Gesellschaft Ausgeschlossenen verfährt. Das würde das Bild abrunden.

  6. in der Tat, ein außergewöhnlicher Papst, wäre da doch bloß nicht der ‚blinde coronale Fleck‘! Und jetzt, Tod durch Hirnblutung nach lebensbedrohlicher Atemwegserkrankung? Nachtigal, ick hör dir trappsen! Den Vielen, denen per ‚Dekret‘ paar Jahre zuvor ein sinnbefreites unmenschliches ‚Isolationssterben‘ verordnet worden war, nutzt die späte Erkenntnis, so es sie denn überhaupt gibt, nun auch nichts mehr!

  7. Sehr eigenartig, dass sich einer als christlichen Sozialisten bezeichnet, über ein abgeschlossenes Hochschulstudium der katholischen Theologie verfügt, aber als Atheist ein Hohelied auf einen Papst singt. Aber es gibt halt Dinge zwischen Himmel und Erde.. 🤷🏼‍♂️.

    Ein Papst (!Stellvertreter! Jesu) wurde/wird stets (in Abwesenheit und Unkenntnis des Chefs) untereinander ausgeklüngelt, wenn man angepasst hierarchisch die Leiter innerhalb der „Firma“ erklommen hat, die einzig dem Machterhalt sowie der Mehrung weltlichen Besitzes dient/e.

    Ist übrigens DAS seit fast zwei Jahrtausenden funktionierende Erfolgsmodell und dient/e als Blaupause für jedwede Art von „Geschäften“ Weniger gegen Viele, die man zur Sicherung der eigenen Sphäre missioniert, indoktriniert.

    „„Um aber ‚Nein‘ zum Krieg zu sagen, muss man ‚Nein‘ zu den Waffen sagen. Denn wenn der Mensch … Werkzeuge des Todes in Händen hält, wird er sie früher oder später einsetzen. Und wie kann man von Frieden sprechen, wenn Produktion, Verkauf und Handel von Waffen zunehmen? […] Die Menschen, die keine Waffen, sondern Brot haben wollen, die sich abmühen, um über die Runden zu kommen und um Frieden bitten, wissen nicht, wie viel öffentliches Geld für Rüstung ausgegeben wird. Doch sie sollten es wissen! Darüber soll man sprechen, darüber soll man schreiben, damit die Interessen und Gewinne bekannt werden, die die Drahtzieher der Kriege sind.“
    Ähm…na Gott sei Dank kam endlich mal einer auf diese Idee. 😳👍

    Zolle nunmehr den nötigen Respekt, indem ich – wie auch z.B. bei Verhinderung eines Absturzes durch Inkompetenz (was zum Jobprofil des Piloten zählt) – frenetisch applaudiere!
    (Ist gelogen – bin ein Spielverderber)🤣

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