Die Auserwählten – ein Volk ohne Grenzen

Bild: MathKnight und Zachi Evenor/CC BY-3.0

 

Was für eine Bewandtnis hat es damit auf sich, dass es in Israel nicht zur Trennung von Staat und Religion gekommen ist? Welche Auswirkungen hat dies auf das Selbstverständnis des zionistischen Staates?

 

Was das Judentum sei – eine Religion, ein Volk, eine Nation –, ist bis zum heutigen Tag unter Juden so strittig, dabei aber auch offenbar von solch formaler Relevanz, daß die Unentschiedenheit darüber, wer Jude sei (mihu jehudi), Grund genug zu sein scheint, von der Verabschiedung einer bindenden Verfassung für den Staat Israel vorläufig abzusehen. Was sich dabei für den demokratischen Republikaner der westlichen Hemisphäre merkwürdig, um nicht zu sagen anachronistisch anhört, ist für den jüdischen Israeli zumindest dahingehend von essenzieller Bedeutung, als sich über die Beantwortung dieser Frage bestimmen würde, welchen politischen Charakter der Staat Israel, mithin die gesamte israelische Gesellschaft anzunehmen hätte. Denn im Gegensatz zu den allermeisten Ländern des Westens (und am Westen messen sich nun einmal der israelische Staat und die ihn tragende zionistische Ideologie) ist die rigide Trennung von Staat und Religion in Israel nie recht vollzogen worden. Zwar verstand sich der klassische Zionismus sowohl in seiner sozialistischen als auch in seiner liberalen Ausrichtung als wesentlich säkular und sah seine historische Mission gerade in der Loslösung vom religiös-orthodoxen Judentum der Diaspora, mithin von den in ihr über Jahrhunderte etablierten Lebenswelten und -weisen; da er sich aber in seinen Anfängen vor der geschichtlichen Realität gestellt sah, daß keine der für die europäischen Nationalstaatsbildungen erforderlichen Bedingungen – Einheit des Territoriums, Einheit eines das Territorium bevölkernden Kollektivs und Einheit der nationalen Kultur in der Form einer bindenden Nationalsprache – auf ihn zutraf, ließ er die Religion gleichsam durch die Hintertür wieder in das Koordinatensystem seines Selbstverständnisses herein. Was hätte er auch einem über alle Erdteile und Länder versprengten Volk, dem kein Territorium für seine nationale Selbstsimmung zur Verfügung stand, und dessen späterhin zur nationalen erkorene Sprache seit vielen Jahrhunderten nur in der Liturgie und im religiös-gelehrten Schrifttum praktiziert wurde (mithin keine lebendig Alltagssprache abgab), anderes denn die Religion als kollektives Bindemittel anbieten können?

Nicht von ungefähr bestimmte daher der frühe Zionismus das biblisch-historische Eretz Israel als das Territorium, auf dem der moderne Staat Israel künftig errichtet werden sollte, und die hebräische Bibelsprache (allerdings erst nach bestandenem Sprachstreit mit dem unter aschkenasischen Juden verbreiteten und lebensweltlich gebrauchten Jiddisch) als die – freilich erst zu erneuernde – Nationalsprache.

Religion und Staatsangehörigkeit

Mehr noch: Jüdische Religionszugehörigkeit wurde zum Kriterium für den Anspruch auf die israelische Staatsbürgerschaft erhoben, und zwar unabhängig davon, ob der/die Jude/Jüdin seinen/ihren Glauben praktiziert oder an diesem überhaupt festhält. Das Judesein kann sich verschieden begründen – etwa fremdbestimmt durch die Erfahrung der Ausgrenzung oder Verfolgung als Jude; lebensgeschichtlich durch die schiere Geburt in ein jüdisches Kollektiv; kulturell durch bewußte Berufung auf jüdische Geschichte und Tradition, mithin auf den Anspruch, sich national und kulturell zu konsolidieren. All diese Momente flossen durchaus in die Ideologie des Zionismus ein; als formales Kriterium für den legitimen Anspruch auf nationale Zugehörigkeit zu dem sich als solchen verstehenden Judenstaat wurde gleichwohl die religiöse Definition des Juden bestimmt, und zwar gerade in seiner orthodoxen Version: Jude ist nach jüdisch-orthodoxem Glauben, wer von einer jüdischen Mutter geboren wurde oder als Nichtjude eine streng beobachtete orthodoxe Konversion zum Judentum vollzogen hat.

Das muss im hier erörterten Zusammenhang nicht nur deshalb hervorgehoben werden, weil das Konversionsmonopol des israelischen orthodoxen Establishments im Jahre 2010 per Gesetz erneut ratifiziert wurde (was sogleich den Aufschrei des Reformjudentums in den USA, welches sich durch diesen Gesetzesbeschluss von Israel abgestoßen sieht, zeitigte), sondern weil sich darin auch der instrumentelle Charakter des Umgangs mit der Religion in Israel – in diesem Fall primär macht- und parteipolitisch motiviert – darstellt: Obgleich gewichtige Teile des (halb)religiösen Judentums in der Welt sich dem reformistischen bzw. konservativen Glauben verpflichtet wissen, gelten gerade sie der in Israel herrschenden Religionsorthodoxie als schlimmster Feind, der rigoros bekämpft werden muss.

Dabei darf die Einstellung der jüdischen Orthodoxie (besonders ihrer ultraorthodoxen Strömungen) zum zionistischen Staat im besten Fall für gespalten erachtet werden. Aus Gründen, die mit rigiden Glaubenssätzen messianischer Erlösungsverheißung zusammenhängen, deutete (und deutet) die Orthodoxie das gesamte historische Projekt des politischen Zionismus als ein Vergehen gegen den wahren jüdischen Gottesglauben.

Teile dieser Orthodoxie leben zwar im Staate Israel, erkennen aber diesen in seinem zionistischen Selbstverständnis nicht an; die radikalsten unter ihnen sind ihm gar dezidiert feindlich gesonnen. Der israelische Staat seinerseits erkannte bezeichnenderweise die Einstellung der Orthodoxie ihm gegenüber insofern an, als er ihren Forderungen in bezug auf die Gestaltung ihrer eigenen Lebenswelten und Wahrung ihrer strengen Glaubenskultur durch das Zugeständnis ihrer Autonomie im Bereich der Schulerziehung und der weitgehenden Befreiung vom obligatorischen Militärdienst nachkam.

Warum er so handelt bzw. schon zur Zeit der Staatsgründung handeln musste, liegt auf der Hand: Wenn der Zionismus die Versammlung des gesamten jüdischen Volkes in einem Judenstaat postulierte, konnte kein Teil des Volkes davon ausgenommen werden – schon gar nicht nach der Shoah, als sich die Ausgrenzung oder gar Verfolgung von Juden durch Juden wie von selbst verbieten musste. Das Zusammenleben der zionismusfeindlichen Orthodoxie und des säkularen, religionsabstinenten Zionismus war, so besehen, dem aus der jüdischen Katastrophe hervorgegangenen Nationalstaat der Juden ideologisch wie strukturell von Anbeginn eingeschrieben.

Die Nationalreligiösen

Den Versuch einer Quadratur des Kreises unternahm in diesem Zusammenhang die bereits in der prästaatlichen Ära wirkmächtitig gewordene nationalreligiöse Bewegung. Im Gegensatz zur traditionellen Orthodoxie, die die Kluft zwischen dem modernen politischen Zionismus und ihren Glaubensdoktrinen für unüberbrückbar hielt, redete diese einer Synthese von Zionismus und Orthodoxie das Wort: Sie wendete die Abgrenzungslogik der Orthodoxie, indem sie die schiere Gründung der jüdisch-nationalen Befreiungsbewegung und die späterhin erfolgte Errichtung des Staates Israel als einen manifesten historischen Schritt auf dem Weg zur nahenden messianischen Erlösung des jüdischen Volkes deutete, womit sie den Keim für das, was im Laufe der Zeit zu ihrer prononcierten politischen Theologie gerinnen sollte, säte.

Beide rivalisierenden Richtungen des religiösen Judentums in Israel nehmen sich bis zum heutigen Tag gegenseitig mit steigendem Argwohn, ja mit feindseligem Abscheu wahr. Fügt man noch das (freilich in Israel kaum je wirklich zum Zuge gekommene) Reforjudentum hinzu, welches sowohl von der religiösen Orthodoxie als auch vom nationalreligiösen Establishment mehr oder minder missachtet bzw. abgewiesen wird, so ergibt sich das Bild einer in der Staatsräson sich zwar als säkular begreifenden Kollektivität, welche aber in ihrer sozialen Realität von gewichtigen, wenn auch untereinander schwer verfeindeten religiösen Bestandteilen durchzogen und mitgeprägt ist.

Wie immer vage sich das Verhältnis zwischen jüdischer Religion und Zionismus an sich gestalten mochte, darf mit Bestimmtheit behauptet werden, dass der „Moment der Wahrheit“ dieses ambivalenten Verhältnisses erst dann zutage trat, als die Religion aufhörte, sich als lippenbekennendes Epiphänomen des hegemonialen zionistischen Staatsgeschehens zu gerieren, und begann, einen realen dominanten Faktor bei der Gestaltung des politischen wie kulturellen Lebens Israels zu bilden.

Dies geschah erst infolge des Junikrieges von 1967: Erst mit diesem Krieg materialisierte sich die biblische Parole vom „Land der Urväter“ und verwandelte sich in ein handfestes Kapital, welches sich solch dichotomen Deutungsparadigmen wie „Land der Urväter“ einerseits und „besetzte Gebiete“ andererseits unterwerfen lässt. Erst nach dem 1967er Krieg konnte sich also die religiös-jüdische Sicht zum legitimen Bestandteil des herrschenden politischen Diskurses, mithin zum akzeptierten religiösen Element innerhalb der weitgehend säkularen Legitimationspraxis der israelischen politischen Kultur wandeln.

Man mag diese Entwicklung begrüßen oder verdammen. Man mag in ihr aber auch ein authentisches Erbe des Zionismus insgesamt erkennen. Denn wenn man bedenkt, wie gravierend sich das in den besetzten palästinensischen Gebieten errichtete jüdische Siedlungswerk auf die innere wie äußere Politik Israels in den letzten Jahrzehnten ausgewirkt hat, muss man sowohl die religiöse Motivationslogik dieser Expansionspraxis als auch die Funktion, die sie über das eigene Selbstverständnis hinaus erfüllt, ins Auge fassen.

Religiöse Siedlingsemphase

Die religiöse Siedlungsemphase basiert auf den festen Glaubenspostulaten, dass das jüdische Volk das von Gott erwählte und daß das Heilige Land ihm als solchem von Gott verheißt worden sei. Auf dieser Grundlage ließ sich auch die Zionisierung des messianischen Erlösungsgedankens vollziehen: Wenn die Errichtung des israelischen Staates als historische Station auf dem Weg zur erlösenden Ankunft des Messias gewertet werden konnte, ließ sich die Eroberung des Westjordanlandes im 1967er Krieg als die Endphase dieses Prozesses, mithin als endgültiger Abschluss der jüdisch-diasporischen Geschichte deuten.

In der Tat bildete genau dies die Voraussetzung für die sehr bald nach dem Krieg ausgebrochene Euphorie, vor allem aber für den von dieser Euphorie angetriebenen Aktionismus der „Rückkehr in das Land der Urväter“, womit sowohl die religiöse Ekstase als auch die „historische“ Legitimation des ihr inhärierenden territorialen Anspruchs ineinsgebracht werden konnten. Daß der dem harten Kern der Siedler eignende Fanatismus sich nicht nur aus der Gewaltlogik des Konflikts mit den in den besetzten Gebieten lebenden Palästinensern speist, lässt sich daraus ersehen, daß sich dieser Kern der Ultras mittlerweile durchaus mit der israelischen Staatsräson anzulegen bereit ist, wenn eine israelische Regierung sich einfallen ließe, sich im Rahmen eines Friedensabkommens mit den Palästinensern aus den besetzten Gebieten zurückzuziehen – und zwar mit der schlichten Begründung, dass das religiöse Recht (d.h., das von den zuständigen Rabbinern so ausgelegte Gottesrecht) über das säkulare Recht des zionistischen Staates stehe.

Für den wahrhaft gläubigen nationalreligiösen Siedler ist das von Juden okkupierte Westjordanland deshalb nicht verhandelbar, weil der Rückzug aus dem Land, zu dem man im Rahmen der Gottesverheißung „zurückgekehrt“ war, nichts anderes als ein Sakrileg sein kann. Der Erwähltheitsgedanke versteht sich für ihn, so besehen, als Auszeichnung und Verpflichtung zugleich, mithin als politisch aktive Verpflichtung, sich der göttlichen Auszeichnung als würdig zu erweisen.

Dieses Moment der Glaubensimmanenz steht aber, wie gesagt, im Widerspruch zur politischen und kulturellen Realität des sich zivilgesellschaftlich ausrichtenden israelischen Kollektivs (wie widersprüchlich sich dieser Anspruch freilich allein schon durch die Okkupationspraxis gestalten mag). Unter allen Konfliktkoordinaten, die die israelische Gesellschaft durchwirken – die ethnische Spannung innerhalb der jüdischen Bevölkerung, die sich stets vertiefende sozial-ökonomische Kluft, der Riss zwischen Juden und Arabern oder etwa die unüberbrückten Diskrepanzen zwischen Neueinwanderern und Alteingesessenen –, darf der Konflikt zwischen religiösen und säkular lebenden Juden als der geladenste gelten.

Das hat seinen Grund nicht zuletzt darin, dass sich die intergrative Funktion der zionistischen Ideologie in den letzten Jahren zunehmend abgeschwächt hat, weshalb sich das identitäre Selbstverständnis des Staates als akutes Problem ausnimmt. Denn wenn sich der Gegensatz zwischen einem „Judenstaat“ und einem „Staat all seiner Bürger“ als Matrix der Alternativen abzeichnet, unter denen man zu wählen hätte (wobei davon ausgegangen werden darf, dass nahezu alle jüdischen Bürger Israels einer wie immer gearteten Version von „Judenstaat“ anhängen), erweist sich die Klärung der Frage, wer Jude sei, als dringender denn je. Klar ist dabei, was die orthodoxen Juden wollen. Einigermaßen umreißbar auch, was der wohl größte Teil der nationalreligiösen Juden anstrebt. Gar nicht klar ist hingegen, was die säkularen Juden Israels in diesem Zusammenhang im Blick haben (außer die Möglichkeit, den Kuchen aufzuessen und ihn doch ganz zu behalten).

Säkulare Juden

Diese Konstellation hat mit historischen Strukturbedingungen und daraus abgeleiteten Vorstellungen vom Notwendigen zu tun. Sie verdankt sich jedoch nicht minder einer lange eingeübten Positionsschwäche säkularer jüdischer Israelis, welche freilich ihrerseits von Grundsätzlichem herrührt. Denn zwar weiß der rationale Diskurs, dass er nichts Definitives über die Existenz bzw. Nichtexistenz Gottes zu sagen hat, aber genau dazu muss er sich hergeben, wenn er etwas Relevantes über die zwischen religiösen Gläubigen und (atheistischen) Säkularen herrschende Diskrepanz aussagen möchte. Dies schon deshalb, weil nun einmal eine unüberbrückbare Kluft zwischen der Grundannnahme, dass Gott den Menschen erschaffen habe, und der, dass Gott ein Erzeugnis des Menschen sei, besteht.

Für den Gläubigen Juden ist der (jüdische) Atheist denn ein „irrgeleitetes Kind“ im noch versöhnlichen Fall und ein Verleugner des Allerheiligsten im Regelfall. Für den atheistischen Säkularen ist Religion, mithin der Gottesglaube, das Produkt menschgemachter Geschichte und gesellschaftlich-kultureller Entwicklung im noch neutralen Fall und eine „Zivilisationsneurose“ bzw. ein bewußtseinstrübender ideologischer Faktor und Grundlage aller fetischistischer Weltwahrnehmung des Menschen im (eher raren) Extremfall.

Der moderne Nationalstaat, revolutionär darauf bedacht, seine Legitimationsquelle auf den Menschen bzw. den Bürger zu verlagern, „löste“ das Problem besagter Kluft durch Einführung des Prinzips der Trennung von Staat und Religion. Das zentrale Aktionsfeld der Religion wurde weitgehend in die Sphäre privater Lebenswelten verwiesen. Ihre Institutionen existierten zwar weiterhin öffentlich und fungierten als einflussreiche Sozialisationsagenten, wurden aber zugleich der Oberhoheit des Staates unterstellt, welcher somit das ihm von der Moderne beigemessene Primat wahrte. Man ging dabei von der Grundannahme aus, dass der moderne Bürgerstaat die Religion in sich aufzuheben vermag, ohne ihr Wesen zu gefährden, während die Religion als politische Herrschaftsinstanz die bürgerlich-säkularen Grundlagen des modernen Staates nicht „verdauen“ kann, ohne diese von Grund auf zu unterwandern.

Judenstaat?

In diesem Sinne birgt die Dichotomie von „Judenstaat“ und Israel als „Staat all seiner Bürger“, der den israelischen Diskurs in den letzten zwei Jahrzehnten umtreibt, einen zweifachen Widerspruch in sich: Nicht nur reduziert das Judentum (als Kriterium staatsbürgerlicher Zugehörigkeit) die Kategorie der Staatsbürgerschaft bis hin zur Entleerung ihrer demokratischen Wesensinhalte, sondern als ideologische Basis des Existenzrechts des „Judenstaates“ zwingt sie dem atheistischen israelischen Säkularismus ein heteronomes Moment auf.

Dies ist vermutllich der eigentliche Grund dafür, dass so wenige jüdische Israelis ihre Säkularität über die gängige Wut auf „die Religiösen“ (besonders auf „die Orthodoxen“) hinaus zu überschreiten vermögen: Kraft ihres religiösen Glaubens halten jene das Monopol über das, wovon diese sich letztlich nie wirklich zu verabschieden vermochten, ohne sich dies freilich selbst einzugestehen. So erklärt sich denn, dass das leere Gerede vom „vollen Wagen“ der religiösen Geistigkeit es in der Tat schafft, die der säkularen „israelischen Identität“ eignende Unsicherheit der Religion gegenüber zu provozieren und an ihren Grundfesten zu erschüttern. In der Tat mag man sich fragen, was von jenem für die jüdisch-israelische Existenz unabdingbaren Judentum übrigbliebe, wenn die Religion als rituelle „Tradition“, vor allem aber als kulturelle Institution des Glaubens an den „Gott der Juden“, abgezogen würde. Hitler?

Nun, es kommt darauf an, was man legitimieren möchte. Wenn es darum geht, die Notwendigkeit der Existenz eines zionistischen Staates Israel als historische Antwort auf ein das jüdische Volk durch die gesamte diasporische Zeit begleitetendes Amalek-Prinzip zu begründen, ist „Hitler“ tatsächlich die ideologische Basis dafür. Wenn es hingegen um die innenbestimmte Persistenz des gesamten jüdischen Volkes in der Welt geht, ist die Religion in der Tat ein unabdingbarer Faktor bei der Herstellung eines (solidarische „Einheit“ garantierenden) gemeinsamen Nenners zwischen den in aller Welt versprengten Teilen des Volkes.

Man kann freilich in ganz anderen Kategorien denken – Kategorien einer Identität, die aus realen, gemeinsam erfahrenen sozialen und kulturellen Lebenspraktiken erwachsen ist und im Vertrauen auf diese Existenzlogik einer dynamisch ausgerichteten Heterogenität, welche sich abstrakten Vorbestimmungen und ideologischen Beherrschungsmechanismen zu entziehen trachtet, das Wort redet. Aber das würde die elementare Infragestellung anderer gewichtiger Grundpostulate der jüdisch-israelischen Identität erfordern. Und so wird wohl die „Trennung von Staat und Religion“ den allermeisten säkularen Israelis weiterhin als ein beliebiges Lippenebkenntnis dienen, welches ihnen auch in Zukunft ermöglichen wird, ihren sich „demokratisch“ dünkenden Staatsbürgerbegriff in den Koordinaten des ihn letztlich bestimmenden religiösen Paradigmas zu belassen.

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