Literaten zwischen Panik und PR

Foto von Eva Schweitzer
Foto von Eva Schweitzer

Amerikanische Intellektuelle wähnen sich im Faschismus und geben sich auf der Bühne als Antifaschisten zu erkennen. Dabei steigern sie sich in einen Wahn.

Einmal im Jahr kommen die Literaten der Welt auf New York City nieder. Das geschieht im Mai beim PEN World Voices Festival, eine Zusammenkunft internationaler Schriftsteller, meistenteils im West Village, wo Friends spielt und Timothy Chalamets Bob Dylan-Film. Es geht um Texte, aber auch um Politik.

Letztes Jahr, im Gaza-Feldzug, fiel das Festival aus, weil sich die israelkritischen jüdischen Schriftsteller und die zionistischen allzu heftig in den Haaren hatten. Der Gazakrieg ist inzwischen noch weiter eskaliert, aber irgendwie ist er in Vergessenheit geraten. In diesem Jahr kümmern wir uns in Amerika um unsere eigenen Probleme, um die mit dem orangefarbenen Semi-Faschisten im Weißen Haus.

Und so reden wir über postapokalyptische Novellen, kunstvolle Albträume, Zensur im Theater und den langsamen Tod der Demokratie. Krise überall. Nur ein Häuflein tapferer antifaschistischer Schriftsteller und Journalisten hält das Fähnlein hoch.

Das F-Wort?

Der Widerstand kumulierte am Donnerstag in der New School. Hier lehrten in den Vierzigerjahren viele Intellektuelle, die vor den Nazis geflüchtet waren: Siegfried Krakauer, Erich Fromm, Hannah Arendt. Eingangs verteilt der Moderator drei Paddel an alle. Darauf steht „Absolutely Yes“, „Unentschieden“, und „Absolutely Not“. „Ist es bereits Zeit, das F-Wort zu benutzen“, fragt der Moderator, was nicht „Fuck“ heißt, sondern Faschismus, und alle zücken das grüne „Absolutely Yes“-Paddel.

Auf dem Podium sprechen Jason Stanley, Professor in Yale und Autor (Wie Faschismus funktioniert); der Belletristiker Gary Shteyngart, Ruth Ben-Ghiat, Professorin der New York University, Francine Prose, Buchautorin, und der türkische Schriftsteller Burhan Sönmez, der wenig sagt.

Umso mehr reden die Amerikaner. Amerika sei immer ein rassistischer Polizeistaat gewesen, erläutert Stanley, mit einer rassistischen gewalttätigen Polizei. „Was sie früher den Schwarzen getan haben, machen sie nun auch mit den Weißen.“ Mit den armen Weißen haben sie das immer gemacht, aber gut.

Trumps Sprache kreiere ein Klima der Angst, fügt Stanley hinzu. Etwa, dass er von DEI, Diversity, Equity and Inclusion, rede, aber was er eigentlich meine sei Wellfare, Sozialhilfe, was mit Afro-Amerikanern assoziiert sei. Noch schlimmer als die Schwarzen aber, sagt Stanley, seien die Transmenschen betroffen, die bekämen nun nicht einmal mehr Reisepässe. „Die müssen demnächst auswandern.“ Natürlich bekommen die noch Reisepässe, allerdings nur noch auf ihren eigentlichen Namen.

Noch panischer als Stanley ist Ben-Ghiat. Niemals zuvor in der Geschichte sei es passiert, dass sich mit derartiger Geschwindigkeit so viele Dinge geändert hätten. Es fühle sich an wie ein Coup. „Wir haben nun zwei Führer, einen gewählten und einen ungewählten“. Nämlich Elon Musk. Auch sowas habe es niemals zuvor gegeben. Dabei seien die USA ein „Leuchtfeuer der Freiheit“ gewesen, das von Trump ruiniert werde. Vielleicht werde er auch das Militär gegen die eigenen Leute einsetzen.

Auschwitz und Gulags?

Also, mir fielen da durchaus noch ein paar geschichtliche Beispiele von sehr raschen Veränderungen ein. Und Präsidenten-Berater, die mit der Kettensäge herumfuchteln, sind auch nicht selten. Und ein Coup; das war es eben nicht. Trump ist gewählt worden. Man kann sich fest einbilden, es war anders, klar. Aber wozu?

Prose legt nun noch einen drauf: „Als ich die Bilder von Kristi Noem — Anmerkung: die Ministerin für Heimatschutz — vor den Käfigen in El Salvador mit den Gefangenen gesehen habe, fühlte ich mich an die wohlbekannten Bilder aus Auschwitz und den Gulags erinnert.“ Auch die Sprache Trumps erinnere sie an die Nazis, da Trump Menschen „Ungeziefer“ nenne und von „vergifteten Blut“ spreche.

Es gibt keine Bilder von Menschen in Auschwitz vor der Befreiung – oder von den Gulags, da wurde schon drauf geachtet, aber das ist nicht der Punkt. Natürlich ist es rechtlich und moralisch extrem fragwürdig, Immigranten en gros abzuschieben und einzusperren. Wie Trump über sie redet, ist hässlich. Aber Auschwitz? Die Gulags? Geht’s nicht eine Nummer kleiner?

Nun kommt die Rede auf den Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Den erkenne Trump nicht an, seit das Gericht hinter Bibi Netanyahu her sei. Nur Trump? Kein einziger amerikanischer Präsident hat den anerkannt, auch nicht Bill Clinton oder Barack Obama. George Bush wollte dessen Richter sogar verhaften lassen. Joe Biden würde sich schützend von Netanyahu stellen. Weiß das nicht jeder hier?

Eigentlich habe ich ja Sympathie für die Linke, und vieles von dem, was Trump abzieht, ist erschreckend, wenngleich es oft nur Getrolle ist. Anderes finde ich gar nicht so schlecht. Brauchen amerikanische Kinder wirklich dutzende Plastikpuppen aus China? Für die Umwelt wäre es besser, wenn nicht tonnenweise Konsumschrott importiert würde und das iPhone nicht jedes Jahr ausgewechselt. Klar, so hat Trump das nicht gemeint, aber manchmal gibt es halt doch Richtiges im Falschem.

Ist die Linke schuld? Absolutely Not!

Und je länger ich zuhöre, desto mehr verdichtet sich in mir das Gefühl, dass diese Salonrevoluzzer mit ihren Buchverträgen, ihren Professorenstellen und ihren Auslandsurlauben sofort kapitulieren würden, wenn man ihnen das iPhone wegnähme. Was die am meisten wurmt, ist der Verlust der moralischen Oberhoheit über den internationalen Diskurs. Das Phänomen, dem sie nachtrauern, heißt „America First“.

Nun wird Shteyngart zum Reden aufgefordert, der einzige, der sich in der Salonrevoluzzerpose sichtlich unwohl fühlt. Er sei in einer echten Diktatur aufgewachsen, unter Putin, und so ein Leben will er seinem Kind nicht antun, sagt er. Und wo würde er hingehen, im Zweifel, wird er gefragt? „Nach Canada!“ Dies wollen alle. Ob die Kanadier davon so begeistert wären? Und fragt die überhaupt wer?

Zuletzt ruft Stanley zu Massenprotesten auf. Aber das müsse von der allgemeinen Bevölkerung kommen, nicht von den Linken. Die allgemeine Bevölkerung hat die Linke allerdings gerade abgestraft. Ben-Ghiat fordert einen Generalstreik, und ein Mann im Publikum fragt, wie man die ungebildeten Massen erziehen könne. Es ist wie früher im Proseminar mit der KPD/ANull, bloß ist keiner mehr jung.

Dabei gäbs für eine echte Linke doch noch so viel zu tun! Luigi Mangione, der Rächer der Krankenkassengeschädigten ist noch im Knast, der Krieg im Jemen geht schon unter dem dritten Präsidenten weiter und Guantanamo ist immer noch offen. Derweil beschimpften die Demokraten die Arbeiter, die falsch gewählt haben.

Zuletzt werden alle auf dem Podium gefragt, ob die Linke an dem derzeitigen Zustand von Amerika Schuld ist, und spontan heben alle ihre „Absolutely Not“-Paddel hoch. Nein, natürlich nicht. Das wäre ja auch noch schöner. Und nun lasst uns wieder nach vorne. Wir wollen dafür sorgen, dass Amerika wieder ein Leuchtfeuer wird!

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30 Kommentare

        1. Warum nicht, es ist doch so?

          Ich bin aus verschiedenen Gründen kein großer Bibelfan, aber ein Treffer ist ein Treffer.

    1. So ist es. Ist in DE aber auch nicht besser. Hier inzwischen keiner mehr was links und was rechts ist und das ist auch so gewollt. Eine Horde Verwirrter kann man leichter auf den gewollten Pfad bringen.

  1. Der erste Artikel der Autorin, dem ich etwas abgewinnen kann.
    Erschreckend, was sich da für ein- und ungebildete Intelektuelle als Linke ausgeben.
    Ist ja fast wie auf dieser Seite des Atlantiks. 🙂

    1. Bei mir ist das fast umgekehrt, aber ich nur erstmal quergelesen hab, bin im Bus.
      Bisher schätzte ich ihre Artikel Aber wenn ich mir die Zeit nehme den Artikel gründlich zu lesen kann es sein das ich ihn mehr wertschätze als jetzt.

  2. Ein Schlüsselsatz zu den intellektuellen ‚Eliten‘, auch hierzulande, an dem man noch ein wenig entlang denken könnte oder sollte: „Was die am meisten wurmt, ist der Verlust der moralischen Oberhoheit über den internationalen Diskurs.“
    Die Basis ist natürlich, dass die „Salonrevoluzzer mit ihren Buchverträgen, ihren Professorenstellen und ihren Auslandsurlauben“ und ebenso die Stipendiaten, Fellows und Talkshowsitzer sehr gut wissen (und niemals zugeben würden!), dass Sie bei Erlangung ihrer Karrieren und Privilegien mit einem polit-moralischen Ticket auf dem linksliberalen Trend gesegelt sind. Das würde auch eine Umschau in der deutschen Hochschullandschaft mit ihren Gender-Drittmittelprojekten und Diversity-Professuren bestätigen.
    Aber der gutsituierte westliche Metropolen-Mensch lebt nicht nur vom üppigen Brot allein – als opportunistischer Pfründner möchte man sich ja auch sittlich wohl und legitimiert fühlen. Und da haben die Spindoctors der ‚Democrats‘ – und mit ihnen die Grünen hierzulande – Phantastisches geleistet: Erstmals in der Weltgeschichte konnte man sich als libertärer Idealist mit seinen herrlichen Menschheitsideen als ideeller Teilhaber an der gerechtesten Weltherrschaft aller Zeiten fühlen. Wenn die Regenbogen-Fahne von den US-Botschaften in missliebigen Ländern weht(e), dann stimmt(e) man mit dem besten NATO-Gewissen überein mit dem größten Gewaltapparat aller Zeiten – und badet weiter gerne in dem Irrtum, dass all die Kriege nur der Verwirklichung der eigenen Ideale (und ganz hinten im Oberstübchen weiß man auch: der eigenen Privilegien) dienen. Wie plump und direkt war dagegen die ‚Denke‘ im Nationalsozialismus und jetzt bei Trump.
    Verlustängste bleiben derzeit nicht aus. Aber vorerst kann man sich ja noch in der ewigen Kultur-Hauptstadt des Kapitalismus bei bester Laune, und sicher mit Kostenerstattung, im selbstbezüglichen moralischen Messianismus gefallen – ungestört in einem grausamen Zensur-Gulag-Faschismus-Szenario. Soweit trägt die bewährte Bewusstseinsspaltung schon noch…

  3. So schwierig sind die Vorgänge eigentlich gar nicht zu verstehen.

    Man mag von ihm halten, was man will, aber mindestens eine Analyse von Carl Schmitt ist m.E. sehr treffgenau:

    Schmitt unterscheidet dabei folgende Formen der Feindschaft: konventionelle Feindschaft, wirkliche Feindschaft und absolute Feindschaft. Zur absoluten Feindschaft komme es paradoxerweise etwa dann, wenn sich eine Partei den Kampf für den Humanismus auf ihre Fahne geschrieben habe. Denn wer zum Wohle oder gar zur Rettung der gesamten Menschheit kämpfe, müsse seinen Gegner als „Feind der gesamten Menschheit“ betrachten und damit zum „Unmenschen“ deklarieren. In Anlehnung an Pierre-Joseph Proudhon heißt es bei Schmitt: „Wer Menschheit sagt, will betrügen“.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Schmitt

    Und genau das ist es, was die westliche Welt spaltet! Die linksliberalen Globalisten, mit tatkräftiger Unterstützung der Linken und Grünen, glauben, dass sie die absolute Wahrheit kennen, die ideale und einzig menschliche Ideologie gefunden haben (siehe Mausfelds „universalistischer Humanismus“) und halten sich selbst für deren Vertreter und die einzigen guten Menschen mit ausreichend Durchblick.

    Das ist natürlich hanebüchener, arroganter Unsinn, menschliche Modelle sind immer fehlerhaft, auf beiden Seiten und Linke haben nicht selten ein ausgesprochen unrealistisches (meist viel zu positives) Menschenbild und neigen u.a. deshalb zur Gesinnungsethik und allerlei kontraproduktiven Gesetzen. Die Verteufelung des Gegners ist i.d.R. auch nicht gerechtfertigt, denn der will auch nur „das Gute“ (so gut wie jeder politisch interessierte, nicht korrupte Mensch will das, sogar die Nazis glaubten das anzustreben), denkt aber einen anderen Weg dahin beschreiten zu müssen.

    Weil sie ihre Gegner aber zum absolut Bösen erklärt haben (Dämonisierung kommt vollkommen ohne tieferes Verständnis der anderen Position aus), führt das zwangsweise zu Cancel-Kultur, Sprachverboten, Zensur und in der Folge (weil Fehlentwicklungen nicht mehr benannt und diskutiert werden können) zu massenweise Übertreibungen…

    Weil man „absolut Böse“ nicht fair behandeln muss, ja ihnen eigentlich nichtmal Grundrechte zugestehen sollte, wird eine unglaubliche Doppelmoral etabliert und eine „der Zweck heiligt die Mittel“-Politik triumphiert und hebelt wichtige rechtliche und politische Ausbalancierungsinstrumente aus (sieht man gut daran, wie die AfD behandelt wird).

    Aus Sicht des Gegners bricht hingegen die Welt zusammen. Er darf nicht mehr mitreden (obwohl überall von Demokratie, Inklusion, Nicht-Ausgrenzung, Offenheit usw. geschwafelt wird, wie nie zuvor). Spricht er kritische Themen an, die seiner Meinung nach dringend zu lösen wären, ja verwendet er auch nur die „falschen“ Worte oder tabuisierte Argumente, die in der Weltbeglückungsideologie nicht vorgesehen sind, erklärt man ihn zur „persona non grata“, sperrt ihn, nennt ihn einen Faschisten, schießt ihm Konto und Job weg usw. bis hin zu offenem Rassismus („alte weiße Männer“ die angeblich an allem schuld sind).

    Durch die immer extremer werdende Ideologie (jeder will sich beim virtue signalling übertrumpfen, vor allem Dank „social media“) wird die Gruppe der derart Ausgestoßenen immer größer und größer. An diesem Punkt sind wir jetzt, irgendwann wird der Backslash zwingend, die Dämonisierungsprediger, d.h. die verbliebenen, noch nicht geerdeten Ideologen schieben Panik, weil ihnen die Felle davonschwimmen und sie nicht verstehen warum („wir sind doch die Guten, weshalb ist die ganze Welt plötzlich böse?“). Weil das in ihrem Weltbild nur durch teuflisch-böse Demagogen passieren kann, vergrößern sie ihre Anstrengungen noch und beschleunigen damit die Entwicklung doch nur.

    Es ist (leider) zu erwarten, dass die Gegenseite aus reiner Rachelust auch wieder über die Stränge schlägt und übertreibt. Das gute alte Pendel, das hin- und herschwingt, ich hoffe allerdings, dass sie sich darauf beschränkt, bestimmte Übertreibungen und Fehlentwicklungen zu korrigieren. Andererseits ist das schon aufgrund der geschaffenen Situation alles andere als einfach (z.B. Massenmigration rückabzuwickeln ist in jedem Fall ein hochkompliziertes und extrem sensibles Thema, menschlich, wirtschaftlich, finanziell und auch politisch),

    1. Äußerst gute Darlegung, der ich nur zustimmen kann.
      Alfred Adler hat es sehr vergleichbar in dem Konzept der Intergroup und (die bösen) Outergroup erklärt.
      Das ist Narzissmus der Beteiligten in der Intergroup.
      Eine Sache des Charakters, untherapierbar (erst Recht von Therapeuten, die selbst Narzissten sind) und KEINE FOLGE VON ERLEBNISSEN, also Opfer.

  4. Die US-Amerikaner werden ihren Exzeptionalismus nicht so schnell los, sie sind ja damit aufgewachsen, darin sozialisiert.
    Die „Demokraten“ meinen nun, Trump hätte ihre Außergewöhnlichkeit beschmutzt (dabei hängen alle doch nur am großen Geld).
    Und die Europäer meinen in ihrem Hochmut sie wären die würdigen Nachfolger der untergegangenen US-amerikanischen Demokratie. Obwohl sie weder das Geld noch die Macht dazu haben.

    1. Obwohl sie weder das Geld noch die Macht dazu haben.

      Den „Europäern“ fehlt so gut wie alles dazu, vor allem Einigkeit, glaubhafte Werte, Leistungsorientierung (mit Quotenstellen wird man nicht Weltmacht, die USA werben seit Jahrzehnten Talente im In- und Ausland an, erst mit den Woken hat dort die Erosion eingesetzt), Patriotismus, ja sogar eine gemeinsame Sprache und Kultur fehlt.

      Und last but not least, fehlt der Wille, das Selbst- und Sendungsbewusstsein eine globale Supermacht werden zu wollen, zumal all die Transatlantiker in Politik und Medien noch weinend am Rockzipfel der Amis klammern. Die normalen Leute haben auch keinen Bock auf den Quatsch, wollen schon gar nicht ihr Geld dafür hergeben.

      Und ich finde das gut. Die Kriegstreiberei wird sich zu Tode laufen, bevor sie richtig Fahrt aufgenommen hat, zumindest fände ich es sehr schräg, wenn nicht (möglich wäre eine bewusst herbeigeführte Eskalation der zunehmend in die Defensive gedrängten alten Eliten).

  5. In schweren Zeiten, in Zeiten der Unsicherheit und der Gefahr bedarf es der progressiven Intellektuellen, die moralische Orientierung geben und sich selbst an die Spitze der gesellschaftlichen Bewegung stellen. Wie ich mit Freude lese, sind linke amerikanische Intellektuelle bereit, sich dieser Verantwortung zu stellen und den antifaschistischen Widerstand zu formieren und zu führen. Jedenfalls -um es mit Woody Allan zu formulieren – solange man ihnen nicht die Kundenkarte für den Großeinkauf abnimmt. Oder eben das iphone, wie es die Autorin als eine Maßnahme aus dem Katalog repressiven Maßnahmen des Schweinesystems nennt, mit denen der antifaschistische Widerstand rechnen und angesicht derer man auch die Niederlage kalkulieren muss.
    Aber noch ist es nicht soweit und warum sollte die amerikanische Arbeiterklasse nicht den glühenden Aufrufen folgen und mit einem Generalstreik die akademische Freiheit der Universitäten verteidigen, an denen gelehrt wird, dass noch der obdachlose Weiße privilegiert gegenüber dem schwarzen Millionär ist?

    Ist ein richtig guter Text, den die Autorin vorlegt. Klar, er bestätigt meine Vorurteile gegen die die sich als „links“ phantasierenden Wokeschisten ziemlich vollständig und es ist immer besser sich selbst zu misstrauen, wenn man die eigenen Auffassungen so bestätigt sieht. Aber im letzten Abschnitt , wenn sie beschreibt, dass sie entschieden jeglichen Gedanken daran zurückweisen , etwas mit dem Sieg Trumps zu tun zu haben, kapituliere ich dann endgültig. Ich will mit denen, auch nicht mit ihren europäischen Brüdern und Schwestern, sowenig zu tun haben wie mit dem, was sie bekämpfen.

    Und die haben wirklich diese infantilen Spielerein mit diesen Abstimmkarten gemacht? Im ernst?

  6. Es gibt keine Bilder von Menschen in Auschwitz vor der Befreiung – oder von den Gulags, da wurde schon drauf geachtet, aber das ist nicht der Punkt.

    Falsch, jedenfalls Letzteres. Filmaufnahmen vom GULAG wurden sogar in sowjetischen Kinos gezeigt.
    Zwischen 1931 und 1933 baute man den Weißmeer-Ostsee-Kanal und der weit überwiegende Teil der Bauarbeiten wurde von Häftlingen des BelBaltLag ausgeführt. Der Film, der den Bau des Kanals dokumentierte, macht daraus auch keinerlei Hehl.
    Hier: https://www.youtube.com/watch?v=viuDEDZXRTg

    1. Danke für den Link. Sind interessante Aufnahmen, die ich mir heute nur nebenbei anschauen konnte und auch in den kommenden Tagen werde ich wahrscheinlich nicht zu sehr viel mehr kommen. Sind da wirklich Aufnahmen aus dem Lager zu sehen? Was ich mitbekommen habe, war, dass man eine sozialistische Großbaustelle zeigt, auf der Kriminelle – man zeigt ja , so wie ich es verstanden habe, einen Täter und sein Einbrecherwerkzeug und sowas wie einen selbst gebauten Schlagring. Ich habe kein Lager gesehen, aber eine Vorstellung davon, was die Lagerinsassen, die ja mitnichten alle Kriminelle waren, geschunden wurden. was aber nicht das Ziel des Filmes gewesen sein wird. Da wird Musik gemacht, Agit-Prop-Theater gespielt. Natürlich nicht geprügelt, gehungert und so.
      Es gibt auch einen Dokumentarfilm über Theresienstadt: “ Der Führer schenkt den Juden eine Stadt “ Ein wertvolles Dokument. Aber nicht darüber, wie die Zustände in Theresienstadt waren.
      Was die Autorin zum Ausdruck bringen wollte, wenn sie den Bezug auf Ausschwitz oder die Gulags kritisiert, ist, dass die nicht wissen, wovon sie reden. Und das ist nun überhaupt nicht falsch.

  7. Trump stört. Vor allem die verlogene (Selbst-)Wahrnehmung von den USA als dem demokratischen „Leuchtfeuer“, wie es hier im Text heißt. Dass die anderen Präsidenten halt wenig anderes im Sinn hatten – die Klügeren wissen‘s oder ahnen‘s, die anderen wollen es partout nicht wahrhaben. Dann gibt es natürlich noch so absolut absurd-läppische Sprüche wie „Die freie Welt ist führungslos geworden“, angeblich drängen internationale Freiheitsfreunde Deutschland geradezu, doch bitte diese Rolle… usw., langsam ausblenden.

  8. Das „Die Linke trägt (Mit-)Schuld am Aufstieg der Rechtsradikalen“ wird durch ständige Wiederholung nicht richtiger. Weder gibt es da sonderlich viele Wechselwähler, die – von zu viel Solidarität, Wokism oder was auch immer enttäuscht – die Seiten wechseln. Ein anderer Erklärungsansatz ist ja oft, die linken Narrative seien so erdrückend, dass sich leider, leider viele Konservative radikalisierten und dann… also wenn unrealistisch nach „offenen Grenzen“ gerufen wird, ist die CDU plötzlich zu lasch? Ach ja, und manchmal gibt es auch noch die recht komische Idee, Linke müssten halt auch solche Themen wie den Patriotismus selbst (positiv) besetzen und nicht „den Rechten überlassen.“ Ich finde Nationalhuberei einfach ein verfehltes Konzept, in der DNA ist wohl kaum eine Nation zu finden, zudem kann man zumindest von progressiven Leuten nicht verlangen, sie sollten die Milliardäre des ‚eigenen‘ Staatsgebietes sympathischer finden als Leute in gleicher/ähnlicher Lage anderswo. Genau das aber versucht einem der Patriotismus zu suggerieren. Nationalstaaten gibt es noch nicht so lange und möglicherweise waren die Leute vor über 200 Jahren bis zurück zu den Anfängen in dem Punkt klarer im Kopf. Da wäre es niemandem in den Sinn gekommen, auch noch mit „Hurra!“ über ein Schlachtfeld zu rennen, Fahnen/Hymnen und sonstiges Zubehör anbetend, in sprachlichen Ähnlichkeiten eine Verwandtschaft halluzinierend.

    1. die linken Narrative seien so erdrückend, dass sich leider, leider viele Konservative radikalisierten

      Ich habe weiter oben ziemlich genau ausgeführt, was aus meiner Sicht das Problem mit Linken, Linksliberalen, Grünen und mittlerweile eigentlich allen Mainstreamparteien ist. Teilst du die Einschätzung oder nicht? Genau so stellt es sich nämlich aus meiner Perspektive heraus dar, genauso erlebe ich das seit gut einem Jahrzehnt.

      Nationalstaaten gibt es noch nicht so lange und möglicherweise waren die Leute vor über 200 Jahren bis zurück zu den Anfängen in dem Punkt klarer im Kopf. Da wäre es niemandem in den Sinn gekommen, auch noch mit „Hurra!“ über ein Schlachtfeld zu rennen

      Nationalstaaten waren ein Fortschritt, im Vergleich zu Monarchien. Und wer rennt heute freiwillig übers Schlachtfeld? Patrioten sind lediglich bereit, ihre Heimat zu verteidigen.

      ist die CDU plötzlich zu lasch

      Ernsthaft? Du kannst Merkel nicht schon vergessen haben?!

      Nationalhuberei einfach ein verfehltes Konzept

      Ohne Nation hast du keinen Ort mehr für Gesetze, Demokratie und Kultur, denn die internationalen Lösungen funktionieren offensichtlich nicht oder nicht gut, die EU z.B.

      1. Ähm… Passagen aus meinem Kommentar z.T. etwas aus dem Zh. gerissen und auch mal (mutwillig?) leicht verdreht, wenn auch nicht um 360° haha. Dass das Zusammenleben (gegenwärtig) nun mal in Nationalstaaten organisiert ist – klar, kann man machen. Mehr ist da aber nicht als eine Verwaltungseinheit. „Bevor die Völker wussten, dass sie welche sind“ ist ein lesenswertes Buch von Richard Schuberth. Und der erste italienische MP Massimo d’Azeglio meinte (1861): „Nachdem Italien geschaffen ist, muss man nun darangehen, die Italiener zu schaffen“. So herum wird ein Schuh daraus, klar, wenn ich Ministerpräsident eines Territoriums werden will, bin ich vielleicht auch eher an nationalem Denken der ‚eigenen’ Leute interessiert. Ich als Normalverbraucher bin aber nicht nur desinteressiert an sowas, ich kann es mir auch einfach nicht leisten. Mögen sich die Reichen in jedem Land, das sie ja offenbar sehr fürstlich nährt, patriotisch gebärden. Ach ja, da ich ein eher konservativer Mensch bin, bevorzuge ich zunächst mal das „Sie(zen)“, Helmut Markwort erkannte ja vor kurzem im allzu schnellen „Du“ schon den Beginn des Kommunismus – Gleichmacherei, fehlende Distanz.

        1. – Helmut Markwort erkannte ja vor kurzem im allzu schnellen „Du“ schon den Beginn des Kommunismus –
          Komisch ich sehe im „Sie“ die Wiedereinführung der monarchistischen Staatsform.

  9. Gerry Shteyngart ist im Alter von sieben Jahren mit seinen Eltern nach Queens (NY) emigriert. Das war 1979. Er kann unmöglich in seiner Kindheit unter Putin gelitten haben, der 1999 Präsident wurde. Ich mag auch gar nicht glauben, dass Shteyngart so etwas behauptet hat.

    1. Danke, so schlecht ist heute die Propaganda und so leicht sind Journalisten und ihre Zeugen zu entlarven. Er war zum besagten Zeitpunkt gar nicht in Russland.

      Aber vielleicht meint er ja die Zeit unter Ronald Reagan in den USA?

  10. „Eingangs verteilt der Moderator drei Paddel an alle. Darauf steht „Absolutely Yes“, „Unentschieden“, und „Absolutely Not“. „Ist es bereits Zeit, das F-Wort zu benutzen“, fragt der Moderator, was nicht „Fuck“ heißt, sondern Faschismus, und alle zücken das grüne „Absolutely Yes“-Paddel.“

    Das reicht schon aus, um zu wissen, auf welchem Niveau sich diese Veranstaltung bewegt.

    Mir wird bei dem Begriff „amerikanische Intellektuelle“ mittlerweile sowieso immer ganz anders, weil diese Leute meistens mit Intellektualismus nicht viel zu tun haben, dafür aber umso mehr mit Dauererregung, Dampfplauderei und Dummschwätzerei.

  11. Was seh ich da, vier Männer und zwei Frauen und alle weiß?

    Ist die woke diversity bei den Schriftstellern schon vorbei? Hat Trump sie dazu verdonnert und sie haben klein beigegeben? Sind Zuckerberg und Musk Vorbild des amerikanischen PEN?

    1. der internationale PEN-Klub ist tot bzw. hoffnungslos zerstritten, die Ideale gingen verloren, seltsame Schmalspurideologien haben gewonnen.

    2. Ich denke noch mit „Freuden“ an die künstliche Diskussion um die Frage, wer denn die Gedichte jener jungen schwarzen Dichterin, Amanda Gorman ins Deutsche übersetzen dürfe die bei Bidens Inthronisation auftrat:

      https://de.wikipedia.org/wiki/Amanda_Gorman

      Ergebnis: Dies dürfe natürlich nicht irgendwer, der amerikanisches Englisch und Deutsch beherrsche, sondern natürlich nur eine schwarze Frau….

      Das sind so die Probleme der „woken“ Eliten.

  12. Insgesamt gefällt mir der Artikel ja recht gut, aber das ist zumindest mißverständlich:

    „Das Phänomen, dem sie nachtrauern, heißt „America First“.“

    Schließlich ist das die Leitlinie für Trumps Politik, die ihre Wurzeln in der Zwischenphase von WK1 und 2 hat, schon damals mit faschistoiden Tendenzen. Insofern sind die Klagen der dort Intellektuierenden durchaus nicht ganz unberechtigt. Was sie aber tatsächlich vermissen, sind die Märchen vom universal Guten, mit denen die USA ihren Weltmachtanspruch übertüncht haben. Trump beansprucht tatsächlich nur einen (möglichst großen) Teil der Welt.
    Der Rest und die Märchen sind ihm egal.

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