Der in den Schuhen schläft

Hell’s Kitchen, NYC, CC BY-SA 2.5, via Wikimedia Commons

US-Präsident Biden verliert massiv an Zuspruch. Sleepy Joe wird selbst den Demokraten lästig. Ob am Ende ein agilerer nachfolgt, etwa der noch betagtere Bernie Sanders?

Unser Haus liegt in Manhattan, zwischen dem Broadway und einem früheren irischen Stadtteil, der Hell’s Kitchen heißt und heute voll von der Gentrifizierung erfasst wurde. Die Leute, die im Haus wohnen, sind entweder hart links, irgendwie links – oder »Politik ist mir egal, die da oben hauen uns sowieso übers Ohr«.

Ungefähr die Hälfte ist schwarz und viele sind arm. In unserem Wahldistrikt wohnen nur wenige, weil es in diesen sechs Blocks fast nur Hotels, Theater, Kinos, Restaurants, Parkgaragen und Büroetagen gibt. 449 Menschen haben aber tatsächlich ihre Stimme abgegeben. Ich vermute mal, mehr als die Hälfte aus unserem Gebäude, denn das ist das einzige größere Wohnhaus. Davon stimmten 78 Prozent für Joe Biden und 20 Prozent für Donald Trump. Die fehlenden zwei Prozent gingen wahrscheinlich an Bernie Sanders und wurden nicht gezählt.

It’s the economy, stupid!

Damals, als George W. Bush wiedergewählt wurde, brach im Aufzug eine hitzige Debatte darüber aus, ob irgendwer in unserem Haus Bush gewählt habe, und wenn ja: Den sollte man rauswerfen. Was beschreibt also meine Überraschung, als ich neulich mit einer nicht mehr ganz jungen, schwarzen Frau im Aufzug fuhr und sie mir anvertraute, sie hoffe, dass Biden weg vom Fenster sei, und Trump wiederkomme. 92 Prozent der schwarzen Frauen in den USA haben Biden gewählt, und bei den ärmeren ein noch größerer Anteil.

Warum? It’s the economy, stupid! Die Inflation, die hohen Benzinpreise: Fünf Dollar pro Gallone kostet das Benzin nun, das ist ein bisschen mehr als ein Euro pro Liter und für amerikanische Verhältnisse recht hoch. Nicht, dass die Frau ein Auto gehabt hätte, und im New Yorker Altbau ist die Heizung in der Miete mit drin, unabhängig von den Ölpreisen, deshalb kühlen wir die Wohnung im Winter, indem wir das Fenster aufmachen.

Aber die Leute da draußen, die leiden, meinte sie. Und tatsächlich sind alle Preise gestiegen; bei Aldi in der Bronx kostet nun die Gallone Milch fast genauso viel wie die Gallone Benzin. Letztes Jahr waren es unter drei Dollar. Und dann noch die Mieten; 4.000 Dollar kostete eine neu vermietete Wohnung in Manhattan inzwischen im Durchschnitt.

Amerikaner wollen nicht frieren und bremsen

Kann Biden etwas für die Inflation und die Benzinpreise? Ja und nein: Denn natürlich werden die Benzinpreise nicht vom Federal Government, der Bundesregierung, festgelegt – die (geringen) Steuern darauf werden von den Bundesstaaten erhoben. Aber es ist nicht so, dass Biden gar keine Handhabe hätte. Er könnte den Ölimport aus dem Iran zulassen, den aus Russland und dem Irak hochfahren — alles nicht die idealen Staaten, um Handel zu treiben, aber wir bekommen ja auch viel Öl aus Saudi-Arabien – oder, ganz neue Idee, kartellrechtlich oder gewinnabschöpfungsmäßig gegen die Rekordgewinne der Ölkonzerne vorgehen.

Würde Trump die Mieten und die Benzinpreise senken und Öl aus dem Iran importieren? Selbstverständlich nicht, aber eines ist klar; Amerikaner wollen weder frieren noch bremsen für die Ukraine. Deswegen steht Biden schwer unter Beschuss. Derzeit finden ihn 56 Prozent der Amerikaner nicht gut, nur noch 39 Prozent stehen hinter ihm. Es ist normal, dass ein Präsident an Zustimmung verliert, aber nicht in derartigen Umfang. Und dass der fast 80-jährige Biden bei seinen nicht allzu häufigen öffentlichen Auftritten aussieht, als schlafe er in seinen Schuhen und sich auch noch oft verplappert, hilft auch nicht unbedingt.

Demokraten verlieren ihre Kernstaaten

Newsweek listet seine innenpolitischen Erfolge auf: Geld für Infrastruktur, Covid19-Hilfen, die Ernennung von mehr Bundesrichtern, der Stopp der Todesstrafe auf Bundesebene, die Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens, niedrigere Arbeitslosigkeit und mehr Rechte für Transgender-Soldaten. Aber das meiste davon interessiert Otto Normalamerikaner nicht oder – soweit es die Infrastruktur oder die Covid19-Hilfe betrifft -, ist bei noch niemanden angekommen oder bereits verpufft.

Die Arbeitslosigkeit war in den USA nie hoch, das Problem ist hier eher, dass die Löhne so gering sind. Die große Debatte in den liberalen Medien dreht sich um die Anhörungen zur Stürmung des Kapitols am 6. Januar 2020. Das interessiert nur die ohnehin Superüberzeugten. Was die großen Aufreger angeht – Abtreibung, Massenschießereien -, da macht Biden wenig.

Demnächst stehen die Midterms an, die Wahlen zum Repräsentantenhaus und für Teile des Senats, und da sieht es böse aus: Demokraten verlieren selbst in Kernstaaten in den Umfragen. Nun sind die USA keine parlamentarische Demokratie; der Präsident kann nicht abgewählt werden, solange er keine silbernen Löffel klaut, und selbst da bin ich mir nicht sicher. Und selbst wenn, Kamela Harris, die Vizepräsidentin, ist ähnlich unbeliebt wie der Präsident selbst.

Sanders: Älter – aber offenbar lebendiger

Deshalb gibt es bei den Demokraten, die über eine mögliche Wiederkehr von Donald Trump ähnlich denken wie die Star-Wars-Rebellen über eine Wiederkehr von Darth Vader, eine Flüsterkampagne, Biden 2024 durch ein jüngeres »Modell« zu ersetzen. Gehandelt werden Amy Klobuchar, Senatorin für Minnesota, die eher linke Elizabeth Warren, die für Massachusetts in Senat sitzt, der Texaner Beto O’Rourke und Cory Booker aus New Jersey. Sogar über Bernie Sanders wird wieder geredet, der ein Jahr älter ist als Biden, aber nie wirkt, als sei er scheintot.

Sollte Biden wieder antreten, braucht er die Nominierung der Partei. Die kann sie ihm verweigern, aber das wäre sehr ungewöhnlich – sowas ist seit fast 150 Jahren nicht mehr passiert – und ein öffentlicher Zank darüber auch nicht hilfreich. Am liebsten wäre es vielen Demokraten, wenn Biden von sich aus in Frührente geht. Und mit ihm Harris. Was den Krieg in der Ukraine angeht, sollte Biden auf die Idee kommen, amerikanische GIs dort zu verheizen, dann bräuchte er gar nicht erst wieder anzutreten.

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2 Kommentare

  1. Die selbstgemachte Zwickmühle der Demokraten ist tatsächlich nicht nur für die U.S.A. problematisch, sie beeinträchtigt auch alle NATO-Mitglieder, also den Teil des Weltmarkts der nach wie vor ausschliesslich über das sterbende „SWIFT“-System abgewickelt wird.
    Die laufende Demontage des Petrodollar könnte nicht nur die U.S.A. an den Bettelstab bringen sondern den gesamten „Wertewesten“ im Schlepptau, weil ein wesentlicher Teil der Petrodollar-Durchsetzung inzwischen -neben dem klassisch-angriffslustigen Kriegsgeheul der USA und dem braven mitgegangen-mitgehangen-Procedere der NATO-Mitglieder bei jedem egal wie völkerrechtswidrigem Geballer auch immer- von der Wirtschaftskraft und dem Willen der NATO-Mitgliedsstaaten abhängt, nicht in der sich seit Jahren formierenden alternativen Wirtschaft mit anderen Währungen und anderen Transfer- und Abrechnunssystemen zu handeln, sondern ausschliesslich im schwächelnden Dollar über das für den Welthandel inzwischen unsichere SWIFT.
    Im Falle Deutschland ist es inzwischen sogar soweit gekommen dass wir die traditionell von Brandt und Bahr begonnene Freundschaft mit Russland wider besseres Wissen und entgegen jedem Interesse des Deutschen Volkes dem Kadavergehorsam gegenüber einer gewissenlosen Riege von Kriegsgewinnlern preisgegeben haben.
    Es gibt eine funktionsfähige North Stream 2 Pipeline, die die Probleme mit der rein aus dummen, propagandagetriebenen Sanktionsgründen teilweise unbrauchbar gemachten North Stream 1 Röhre zu kompensieren ohne Probleme in der Lage wäre – die horrenden Gas-Energie- und Rohöl-Preise wären handstreichartig reduzierbar, wenn das derzeit gültige Regime in Deutschland seine Amtseide ernst nähme und Schaden vom Deutschen Volke abwendete, indem sie sich den dummen, unhaltbaren und extrem schädlichen Sanktionen entgegenstellten und stattdessen eigenständig und im Sinne der von Ihnen regierten Bürger handelten.
    Dazu gehört natürlich die seit 2014 überfällige Implementierung des Minsker Abkommens zu forcieren statt wertvolle und für die heimischen Haushalte wichtige deutsche Steuergelder in der Ukraine zu verballern, dazu gehört ein sofortiges Ende des überbordenden Rüstungswahns und der dazugehörigen Propagandistenmasche wie sie von den meisten Koalitionsteilnehmern derzeit verbrochen wird, und dazu gehört stattdessen selbstverständlich eine Rückkehr zu zivilisiertem Umgang unter guten Nachbarn miteinander, dazu gehört, die Interessen unserer Nachbarn ernster zu nehmen als die Interessen eines tollwüten militärindustriellen Komplexes in Übersee, und dazu gehört eine eigenständige, Europäische und zukunftstaugliche Aussen- und Sicherheitspolitik die sich endlich von den schlimmsten Drohnenterroristen und der rücksichtslosesten Hegemonialmacht frei macht, die die Welt im beginnenden einundzwanzigsten Jahrhundert erdulden und erleiden muss.
    Für Nordamerika resp. die U.S.A. und deren Demokraten gibt es, sofern man Biden-Harris als systemisch und nicht als Ausrutscher betrachtet, vermutlich wenig Rettung.
    Für die systemische Betrachtung gibt es eine Reihe von Anhaltspunkten, beginnend natürlich bei Billy Boy BJ Clinton, der durch die Zerstörung von Glass-Steagall Ende des letzten Jahrtausends eigenhändig die Banksterkrise 2007 ff erst ermöglicht hat, fortgesetzt mit dem schlimmsten Drohnenterroristen der je unter dem Schutz eines etwas voreilig erteilten Friedensnobelpreises „gearbeitet“ hat (alle zwanzig Minuten eine Bombe, für zwei Terms, also 8 Jahre in Reihe …. mehr nobelpreiswürdiger Friede geht kaum 😉 bis runter zur Kandidatin 2016, die die einzige aller möglichen Kandidaten war gegen welche „the Donald“ gewinnen konnte ….. und gewann, worauf hin er sich als der erste Präsident seit langem, also seit sehr langem, herausgestellt hat, der KEINEN NEUEN KRIEG begonnen hat ….. kein Fanboy hier, wahrlich nicht, aber man muss die Fakten ansehen.
    Und dann Sleepy Resident Houseplant und seine Versicherungspolice Kamala ….. jeder der auch nur einen Rest funktionstüchtiger Gehirnzellen zum selberdenken übrig hat weiß, dass Kamala ausschliesslich Biden’s Vice geworden ist, damit niemand auch nur auf die Idee kommt Sleepy „You know …. the thing!“ Joe zu entfernen.
    Wer immer Joe Biden installiert hat ist der wahre Feind der U.S.A.
    Es mag sich um die selben Personengruppen handeln, die 2000 dafür gesorgt haben dass hinter dem Marionetten-Präsidenten Baby-Bush ein echter Machthaber und Strippenzieher in der Person von Dick „the Prick“ Cheney stand.
    Den Sumpf zu trocknen wird weder „the Donald“ gelingen noch sonst irgend einer Person, dafür werden „we the people“ in den U.S.A. zu sorgen haben, möglicherweise unter Zuhilfenahme ihres zweiten Amendments, das ja vor allem dafür in der Verfassung steht, damit durch die Zerstörung der im ersten Amendment stehenden Rechte nicht bereits alles verloren ist.
    Das erste Amendment wird gerade von einer woken „thought-police“-Hölle ersetzt, verhackstückt und beseitigt von allerlei Dumpfbacken im Regenbogengewand, sei das durch „Journalismus“ wie den, der Glenn Greenwald von „The Intercept“ vertrieben hat, sei das durch widerwärtige weltöffentliche Angriffe auf den Journalismus wie denjenigen gegen Julian Assange, sei das durch Zensur, Denkverbote, Sprechverbote und winselwoken Klienetlismus auf Kosten des gesunden Menschenverstandes, durch Gender-Despotie in zwänglerischer Sprache und der Gleichen, in aberhunderten Beispielen leicht belegbar.
    Sleepy Joe „You know …. the thing!“ Biden und the li’l brownish girl in der grottenschlecht besetzen Rolle von „The Vice“ sind dafür nur ein Symptom.
    Mark Felt, „Deep Throat“ für Bernstein und Woodward, die sich später als „Watergate“-Journalisten und Rücktrittsgrund für Dickie the Crook in die Geschichte des 20 Jahrhunderts geschrieben haben, hat schon in den frühen siebzigern hinter seiner Tiefgaragensäule kurz und knackig zusammengefasst wie man der Geschichte auf die Schliche kommt: „Follow the Money!“.
    Leider haben wir heute Transatlantiker wie Josef Joffe und Stefan Kornelius anstatt echter Journalisten in der Bundzreplik zu erdulden, um nur zwei zu nennen, derer es bei Weitem viel zu viele gibt, und nirgends ein Bernstein, ein Woodward oder auch nur ein Greenwald, ein Maté oder ein Blumental in Sicht.
    Selbst in den U.S.A. wo immerhin Maté und Blumental neben anderen echten Journalisten zu Werke gehen und in Substack, wohin sich Greenwald verzogen hat, gibt es keinerlei Aussichten auf Veröffentlichungen im Woodward-und Bernstein-Format
    Bernstein und Woodward würden heute vermutlich in zwei unterschiedlichen Hochsicherheitsgefängnissen sitzen und sich, jeder in seiner „überwachten“ Einzelzelle, vor dem vorübergehenden Ausfall der Überwachung und dem „Epsteining“ fürchten müssen.
    Wer sich diese Facette des ganzen betrachtet braucht eigentlich nur noch einen Platz vor dem Fernseher, etwas Popcorn und je nach persönlicher Vorliebe ein Soda, einen Whiskey oder drei sixpack Strong Lager ….

  2. Was mir auffällt: Es ist zwar löblich, diese ganzen leidigen Probleme, in allen Fasern aufzudröseln. Aber was hinterher am Tisch liegt, bringt uns nicht weiter.

    Manche Probleme, ließen sich einfacher und pragmatischer lösen: Dazu bedürfte es aber charismatischer, eigenständig denkender, VERNÜNFTIGER Politiker, die nicht nach dem nächsten Wahlergebnis einer populistisch gesteuerten „Demokratie-Kultur“ schielen, sondern ganz einfach: SCHADEN VON IHREM WAHLVOLK abzuwenden., gewillt sind.

    Das alle Politiker korrupte Kretins sind, hört man ja recht oft – und wenn man sich die ebenso gegen – wie widerwärtigen Handlungen ansieht, nun, dann könnte man sogar ein gewisses Verständnis für dies „Volksmeinung“ aufbringen.

    Das absurde darin ist ja: Der Großteil der aufgeklärten Leserschaft, weiß sehr wohl, wer und was das Problem ist. Und trotzdem beharren wir nach dem Kaninchen/Schlange-Modus immer noch darauf, die USA hätten uns vom Nazi-Joch, befreit – und wir bedanken uns IMMER noch, mit unentwegter „Dankbarkeit“. Hö hö hö: Russland, respektive damals die Sowjetunion, wird aber nicht berücksichtigt.

    Aber es geht ja nicht um „Dank“, es geht um „Interessen“. Um Interessen, der USA. Wir haben uns bei „Nordstream II“ anal pentrieren lassen, wir haben bei allen Sanktionen mitgemacht, die andernfalls UNS Sanktionen eingebracht hätten.

    Ich ereinere mich noch sehr gut, an meine sehr kritische Haltung, der EU gegenüber: „Das wird bewusst, eine Filiale der Amerikaner!“

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