Neue linke Helden

Boucher, Jack E.Related names:Post, Marjorie MerriweatherWyeth, Marion SimsUrban, JosephBarwig, FranzLewis and ValentineLightbrown, Cooper C, gemeinfrei, via Wikimedia Commons

Das progressive Amerika feiert die Durchsuchung von Donald Trumps Villa. Endlich gehe es dem Ex-Präsidenten an den Kragen. Dabei feiert man das FBI als Volksheldenbundespolizei.

Mar-a-Lago ist eine Villa in West Palm Beach, Florida, einer der reichsten Orte Amerikas. Erbaut wurde das Haus 1924 von dem Wiener Theaterarchitekten Joseph Urban, Auftraggeberin war Marjorie Merriweather Post, die reichste Frau Amerikas. Noch heute steht ihr Steinwegflügel hier, auch Teile ihrer Kunstsammlung, die sie und ihr dritter Mann, Joseph Davies, aus Russland mitgebracht hatten. Davies war in den vierziger Jahren Franklin Roosevelts Botschafter in Moskau und ein glühender Stalin-Verehrer.

Trump in Sportkleidung

Heute wohnen in West Palm Beach eher Verehrer des Kapitalismus. David Koch, der konservative Ölmilliardär, der viele republikanische Kandidaten finanziert hat, besitzt hier ein Landhaus, auch Steven Schwarzmann, einer der erfolgreichsten Private Equity Investoren und der Kosmetikerbe Leonard Lauder. Auch die Kennedys hatten in West Palm Beach einen Feriensitz, damals, als JFK noch Präsident war und J. Edgar Hoover FBI-Direktor. Seinerzeit wurde eine Insel im Atlantik als atombombensicherer Bunker für den Präsidenten ausgebaut, falls die Russen die Bombe geworfen hätten.

Seit 1985 gehört die Villa der Trump Organization. Trump, damals noch ein bescheidener New Yorker Immobilienentwickler, der gelegentlich in Filmen und TV-Serien auftrat, wenn ein großspuriger Milliardär gebraucht wurde, hat sie für zehn Millionen Dollar erworben und luxuriös renovieren lassen, vom Marmortisch über die offenen Kamine bis zum Ballsaal und dem Pool. Seitdem ist es ein privater Club, die Mitgliedschaft kostet 250.000 Dollar. Im Clubraum hängt Trumps Portrait an der Wand, in Sportkleidung. Trump ist hier eine große Nummer. Als er in West Palm Beach seine dritte Frau Melania heiratete, in der Kirche Bethesda-by-the Sea, kamen Promis von nah und fern. Auch Bill und Hillary Clinton zählten zu den Gästen, aber daran erinnern sich beide Paare ungerne.

Dokumente für das National Archive

Das »Winter White House« nannte Trump die Villa, wo er sich lieber aufhielt als im eigentlich auch recht warmen Washington, DC. Atombombensicher ist Mar-a-Lago allerdings nicht, und das findet Trump wohl schade, denn am Wochenanfang hat das FBI hier eine Durchsuchung veranstaltet und kistenweise Papier beschlagnahmt, das Trump aus dem richtigen Weißen Haus hat mitgehen lassen. Sogar ein Safe wurde aufgebrochen.

Es handele sich um zwölf Boxen mit Dokumenten, die eigentlich im National Archive hätten aufbewahrt werden sollen, hieß es (inoffiziell). Laut Washington Post ging es um Telefonlisten, Kalender, Memos, Karten und Briefe, darunter einer von dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong Un, einer von Barack Obama, eine Cocktail-Serviette und eine für Trumps Geburtstag gedruckte Speisekarte.

Verantwortlich für die Razzia ist Merrick Garland, der Generalstaatsanwalt. Das ist der Demokrat, der — wir erinnern uns — unter Obama nicht Verfassungsrichter werden durfte, weil die republikanische Mehrheit im Senat das verhindert hat. Ich denke mal, der fühlt sich in diesen Tagen ausreichend entschädigt.

Trump hatte in seiner kurzen, aber aufregenden Präsidentschaft ein eher unorthodoxes Verhältnis zu Dokumenten; mal riss er ein Foto von sich heraus, um es aufzuheben, mal sendete er ein Geheimdienstfoto von iranischen Raketen über Twitter an die Welt, mal spülte er Papier die Toilette herunter und mal aß er es auf. Das ist alles verboten, aber doch trotzdem so wie bei Al Capone, der wegen Steuerhinterziehung verfolgt wurde.

Jetzt kriegt Trump endlich Ärger, oder?

Es versteht sich von selbst, dass diejenigen Republikaner, die hoffen, Trump werde ihrer Karriere nützen, die Durchsuchung für einen linken FBI-Plot halten, der ihren Liebling aus politischen Gründen beschädigen soll. Die meisten Demokraten hingegen halten sich bedeckt; Sleepy Joe will nicht gewusst haben, dass die Razzia bevorstand; in der New York Times hieß es, er sei überrascht gewesen. Das mag stimmen.

Anders die demokratischen Fußsoldaten; vor dem Trump Tower in New York — wo sich der Donald gerade aufhält, wir haben ja nicht Winter — sammelten sich die üblichen Verdächtigen und forderten, ihn zu verhaften. So feiern wir in New York Volksfeste. Auch meine linken Freunde sind von einem Gefühl ergriffen, das mit »Schadenfreude« noch viel zu unzureichend beschrieben ist, vielleicht Totalschadensuperjubelfreude? Ja, die deutsche Sprache hat ihre Vorteile, nicht nur beim Gendern.

Aber andererseits: Wie oft haben meine linken Freunde schon geglaubt, jetzt aber sei es endlich, endlich soweit, und Trump werde verhaftet? Und er werde den Rest seines Lebens in orangefarbener Sträflingskleidung in Riker’s Island verbringen. Es ist wie Linus von den Peanuts und der Große Kürbis oder auch Charlie Brown und der Football — irgendwann wird der Kürbis schon des Nachts am Himmel erscheinen, oder Lucy wird den Ball nicht wegziehen, bevor Charlie zutreten kann. Ich kann mich noch an den mit Sehnsucht erwarteten Mueller-Report erinnern; das russische Pee-Tape, die Ermittlungen gegen Roger Stone und Paul Manafort, Rudy Giulianis Ausfälle und die Hearings zum Bierputsch am 6. Januar, haben die bei Trump eigentlich jemals einen Kratzer produziert?

FBI und George W. Bush: Volkshelden unter sich

Trumps Anhänger sehen die Razzia natürlich als neuerlichen Beweis, dass der böse Deep State heimtückisch dabei ist, ihrem Märtyrer etwas anzuhängen. FBI-Direktor Christopher Wray, der übrigens von Trump selber berufen wurde, wurde von empörten Breitbart-Nutzern mit Lawrenti Beria verglichen, Stalins Geheimdienstchef. Ja, Uncle Joe wirft lange Schatten, nicht nur im Winter White House.

Das war zu erwarten; erstaunlicher aber ist die Reaktion der Linken und Demokraten. Dort ist das FBI inzwischen zu einer Versammlung von Volkshelden mutiert, die nun hoffentlich Recht und Ordnung schaffen. Als bestehe das ganze Bureau nur noch aus Scully und Mulder. Das alles ist Teil einer Bewegung unter Demokraten, selbst am linken Rand, die auch George W. Bush heute, verglichen mit Trump, gut finden und seine Kriege vergessen haben. Niedriger kann man die Bar nicht hängen.

Trump, derweil, ist weniger zufrieden mit dem militärisch-industriellen Komplex in Amerika. In einem (noch nicht erschienenen) Buch von Susan B. Glasser und Peter Baker wird berichtet, Trump habe sich 2017 bei seinem damaligen Stabschef John Kelly über seine »verfluchten« Generäle beschwert: Warum seien die nicht mehr wie die deutschen Generäle im Zweiten Weltkrieg? So loyal? Kelly daraufhin, trocken: »Sie wissen, dass die dreimal versucht haben, Hitler umzubringen, und es fast geschafft hätten?« Vielleicht, wer weiß, ist Christopher Wray in Wirklichkeit Jon Snow und Trump ist die Khaleesi.

Ähnliche Beiträge:

2 Kommentare

  1. Natürlich ist Trump ein ganz große Ar……h. Und natürlich gehört er ins Gefängnis. Aber wer von den jetzigen obersten Politikern und Präsidenten der USA der letzten 25 Jahre gehört nicht in den Knast? Die Liste wird nicht all zu lang sein.

    Trump ist kein Engel, innepolitisch eine absolute Katastrophe, aber außenpolitisch hat er Afghanistan beendet und keinen weiteren Krieg zum Leidwesen des techn.-milit. Komplexes angefangen (hat aber auch nicht den tmK verhungern lassen, denn das wäre (politischer) Selbstmord in der USA). Anmerken möchte ich noch, dass die Linie von Trump, welche er gegen Europa fuhr, zur Abnabelung der europäischen Staaten hätte führen können. Als Biden an die Macht kam, hat sich Europa (um in diesem bildsprachlichen Bereich der Perinatologie zu bleiben) sofort wieder an die Brust Amerikas geworfen, auf Grund des Entzugs einen doppelt so großen Schluck als bekömmlich genommen und bekommt jetzt die toxische Wirkung ( https://www.nachdenkseiten.de/?p=86817 ) zu spüren.

  2. Nunja, mal ein bisschen „whatabouten“. Wie war das mit privaten Mailservern im Keller von Aussenministerinnen, oder privatem SMS-Austausch zwischen EU-Spitzen und Pfizer-Spitze? Naja, und den Familienunternehmungen des amtierenden Präsidenten in der Ukraine?

    Und zurück nach Hause: Wie war das mit den Akten von Kohl, die in privaten Familienarchiven verrotten? Mit den Akten über den Reichstagsbrand?

    So sehr man Trump alles Schlechte wünschen mag, die Heuchelei verschärft die Spaltung der Gesellschaften. Danke für diesen Artikel.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert