Die Transkriege und die Times

Indiana Humanities, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons

Dämmert es wenigstens der New York Times langsam, dass sie es mit ihrer Sympathie für die »Transkrieger« übertrieben hat? Oder schwimmen den Demokraten nur die Wählerstimmen der »Körper mit Vaginen« davon?

Vor einer Woche geschah etwas Unerhörtes: Die New York Times veröffentlichte einen Artikel, in dem die Frauenfeindlichkeit der woken Linken kritisiert wurde. Rechte und Linke in Amerika hätten eines gemeinsam: »Frauen zählten nicht«, schrieb Pamela Paul, langjährige Literaturredakteurin, die inzwischen für die Meinungsseite schreibt. Dass die US-Rechte frauenfeindlich sei, sei hinlänglich bekannt – das Urteil des Supreme Court zur Abtreibung, das in vielen Staaten zu einem völligen Verbot der Abtreibung führen wird, auch wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist, empört immer noch viele.

Körper mit Vaginen

Viel schockierender aber sei, so Paul, die frauenfeindliche Agenda der extremen Linken. Früher hätten Aktivisten, vor allem in den Universitäten für Frauen und Frauenrechte gekämpft. Heute seien Akademiker, Über-Progressive, Transaktivisten, Bürgerrechtsorganisationen und sogar Ärzte dabei, Frauen ihre Menschlichkeit zu nehmen und sie zu Geschlechtsstereotypen zu reduzieren. Um einer winzigen Zahl von Transmännern Raum zu geben, würden Frauen zur Seite geschubst. Frauen würden beleidigt und mit Gewalt bedroht, wenn sie dafür einträten, dass Beratungsstellen für Vergewaltigungsopfer, für Opfer von häuslicher Gewalt oder Frauenleistungssport für Frauen reserviert seien.

Und: Statt Frauen sei heute von »schwangeren Personen« die Rede, von »Menstruatoren« und »Körpern mit Vaginen« oder »gebärende Personen«. Planned Parenthood, einst verlässliche Verteidiger von Frauenrechten, habe das Wort »Frauen« von der Homepage gestrichen. Und die ACLU, früher eine wichtige Bürgerrechtsorganisation, warnt heute davor, dass das Abtreibungsurteil des Supreme Court vor allem Schwarze, Indigene, People of Color und L.G.B.T.Q.-Personen (Schwule, Lesben, Transpersonen) bedrohe, auch Immigranten und junge Menschen. Frauen erwähnte die ACLU nicht.

»Transphobie heute das wichtigste Eingangstor für Faschismus«

Schwule und Transfrauen sind besonders von Abtreibung betroffen? Das wäre mir neu. Die Schauspielerin Bette Midler sprang Paul zur Seite und retweetete die Times-Story. Unterstützt wurde sie vom Sänger Macy Gray und Star-Wars-Darsteller und Slavoj-Zizek-Imitator Mark Hamill. Wenig überraschend, verfiel die Transszene auf Twitter – ein Medium, das Paul inzwischen verlassen hat – in katatonische Hysterie. Tweetende Penisnutzer nannten Paul eine transphobische TERF (TERFS sind Feministinnen, die Eierbesitzer ausschließen), und der weiße, ballverfügende Medienkritiker Dan Froomkin bezeichnete sie als »Werkzeug des weißen Patriarchats«. Julia Carrie Wong vom Guardian – eine früherer Obama-Beraterin unklarer Herkunft – twitterte, dass »Transphobie heute das wichtigste Eingangstor für Faschismus« sei. Karen Attiah von der Washington Post, die sich als schwarz selbst identifiziert, empörte sich, dass weiße cis-Frauen lieber ihre Privilegien behalten wollten, statt solidarisch mit anderen zu arbeiten. Und Atthias Kollegin von der Post, Jennifer Rubin, eine stramme Neokonservative und Unterstützerin des Irakkriegs, die erst mit Trump von den Republikanern abwich, unterstützte Atthia auf Twitter: Pamela Pauls Artikel sei »schrecklich«.

Und auch Midler bekam auf Twitter eins übergebraten, wobei eine britische TV-Persönlichkeit namens India Willoughby auch vor Antisemitismus nicht zurückschreckte: Die faschistische Demagogin und Verräterin Bette Midler, schrieb er, verbreite faschistische Propaganda, angeheizt von den ausländischen Geheimdiensten Russlands, Chinas und vom Mossad, die aus dem Regelbuch von Goebbels, Stalin, Roy Cohn – die rechte Hand von Senator Joe McCarthy – und Jian Quing, die Witwe Maos stammte.

Die Kritiker der Elche

Stalins Chefpropagandist hieß Ilja Ehrenburg. Nicht alles machte Uncle Joe selber, das sollte man selbst als Engländer wissen. Und India, wirklich, ist das ein angemessener Künstlername für einen Erben des britischen Imperiums? Das Bemerkenswerteste an der Debatte ist allerdings, dass hier die Kritiker der Elche vergessen, dass sie früher selber welche waren. Dass ausgerechnet die Times davor warnt, Frauen unsichtbar zu machen, ist so ähnlich wie Hjalmar Schacht, der 1939 fand, der Führer gehe nun zu weit.

Auch die New York Times nennt Frauen oft genug »schwangere Personen«, während Männer nie als Penis-Haber, Prostata-Besitzer oder Eierschwenker bezeichnet werden. (Der linke Verlag Verso verstieg sich in einem – nunmehr gelöschten – Tweet sogar zu der Formulierung »Gebärmutterträger« – ausgerechnet für schwangere Indianerinnen.) Die Times hatte sich schon vor Jahren an die Spitze der Bewegung gestellt und gefordert, Mädchentoiletten für Jungen zu öffnen. Als ein 15-jähriger Junge im Kleid ein Mädchen in einer Toilette in Loudoun, Virginia vergewaltigte, fand die Times, diese Geschichte sei zu kompliziert, als dass man darüber im Wahlkampf reden sollte. Die Wähler sahen das anders; sie machten den republikanischen Kandidaten Glenn Youngkin zum Gouverneur.

Und nun, nachdem sich ein formidabler Backlash für die Demokraten im Herbst abzeichnet – und das ausgerechnet zwischen Ukrainekrieg und drohender Rezession -, rasseln der Zeitung die Geister, die sie rief, wohl ein bisschen zu laut mit den Ketten.

Ähnliche Beiträge:

8 Kommentare

  1. Selbst im (deutschen) Spektrum der Wissenschaft war in einem Artikel ganz ernsthaft und unironisch die Rede von „Personen, die menstruieren“, wogegen ich mich umgehend als Frau verwahrte.

    1. Die wissenschaftlichen Definition von Frau und Mann lauten aber nun mal: Menschen deren Körper Eizellen produzieren, und Menschen der Körper Samenzellen produzieren, zumindest wenn sie körperlich gesund sind.
      Man muss in seinem Kopf beim „Denken“ schon mehrfach falsch abgebogen sein, um damit nicht einverstanden zu sein.
      Das heisst NICHT, Frau oder Mann deshalb daran gehindert werden dürfen, so zu leben wie sie das wollen.
      Irgendwelche besonderen Rechte stehn ihnen deshalb aber keineswegs zu.

  2. Was weiss denn Frau Schweitzer von Ilja Ehrenburg? Hat sie je den Julio Jurenito gelesen, oder Liudi, Godi, Shisn? Oder kennt sie den nur aus der Goebbels-Propaganda, wie es scheint? „Chefpropagandist“ stammt eher aus dieser Küche, offenbar hat Frau Schweitzer das „jüdischer“ dann besser weggelassen ..

    1. Ich habe mich auch gefragt, weshalb Schweitzer denn ausgerechnet Ehrenburg, der bekanntlich von 1921 bis 1940 außerhalb der Sowjetunion lebte, den Titel „Stalins Chefpropagandist“ verleiht. Weshalb sie die Leiter der seit 1939 bestehenden Abteilung Agitation und Propaganda des ZK (Shdanow und Alexandrow) bei ihrer Wahl ebenso übergeht wie die sechs Chefredakteure der Parteizeitung „Prawda“ zur Stalinzeit. Oder, sollte nur ein Schriftsteller für den Schweitzerschen Titel in Frage kommen, warum die Schriftsteller Alexej Tolstoi und Alexander Fadejew außer acht gelassen werden, die während der Stalinzeit den 1936 gegründeten sowjetischen Schriftstellerverband leiteten.
      Dabei ist die Antwort ganz einfach. Die einzig relevante Zielgruppe – also letztlich die Propagandaopfer – stellen im Schweitzerschen Universum „die Intellektuellen des Westens“ dar und also war die Kandidatur für den Titel daran gebunden, dass der „Chefpropagandist Stalins“ bei dieser Zielgruppe über ein gewisses Renomee verfügte und den Sowjetstaat nicht grundsätzlich ablehnte.
      Und wenn er sogar von Joseph Goebbels erwähnt wurde …

      1. Goebbels hat Ehrenburg, als Juden und international bekannten Schriftsteller, von Beginn an im Visier gehabt. Sicher hatten auch Ehrenburgs Frontreportagen und Artikel im Radio, in der Krasnaja Svesda und anderen populären Medien der UdSSR während des Krieges damit zu tun.

        Die schmutzigste und gleichzeitig unausrottbare Fälschung Goebbels‘ war der angebliche Aufruf Ehrenburgs, deutsche Frauen zu vergewaltigen. Die antikommunistische Propaganda des Kalten Kriegs hat diese Legende aufrechterhalten, nicht nur im rechtsextremen Lager.

  3. Wenn eine Bewegung einmal ins Sektiererische abgeglitten ist, verästelt sich schliesslich immer mehr in einzelne Grüppchen, die jede für sich die Wahrheit gepachtet zu haben glaubt. Berechtigte Anliegen haben sich selbständig gemacht, sind in gleichsam fremde Dienste getreten, fressen sozusagen alle anderen auf – durch die Brille der Monomanie sieht man fast nur Feinde.

    Diese Entwicklung ist in einem Land wie der usa, in dem die Residuen des Sozialen, des genuin Menschlichen lange schon knapp geworden sind, nicht überraschend und fast zwangsläufig. Bürgerkriegsstimmung verbreitet sich. Nach dem Töten mit Worten folgt das ganz und gar Unmetaphorische.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert