Bücher und Politiker

Robert Francis Kennedy Jr.
Gage Skidmore from Peoria, AZ, United States of America, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons

Während sich die Buchbranche in New York schwertut, blüht ein neuer Stern am Himmel des politischen Amerika auf: RFK Jr.

Dies ist das Jahr der Bücher. Erst die wiedererweckte Leipziger Buchmesse, dann das PEN World Voices Festival in New York City – und nächste Woche die U.S. Bookshow, auch in New York. Das ist die abgespeckte Version der langjährigen Buchmesse BEA, die es seit Corona nicht mehr gibt. Die Bookshow findet auch nicht im riesigen, riesigen Javits Center am Hudson River statt, obwohl die Stadt New York dorthin eigens eine neue U-Bahn für schlappe 1,4 Milliarden Dollar gebaut hat, sondern unter dem Dach der New York University im kuscheligen Greenwich Village

Flüchtlingslager auf der Eighth Avenue

Als die Buchmesse noch im Javits Center war, wurden die Fachbesucher mit Bussen von den Hotels am Times Square dorthin gefahren. Heute sind in vielen der großen Times Square-Hotels Flüchtlinge aus Venezuela und anderen lateinamerikanischen Ländern untergebracht. Die Eighth Avenue vor dem Row Hotel, das frühere Milford Plaza, sieht aus wie ein Flüchtlingslager. Spanisch sprechend Frauen sitzen in Gruppen auf der Busspur, auf Pappkartons, kleine Kinder toben zwischen parkenden Autos, Säuglinge werden auf Decken gewickelt, die auf dem Straßenpflaster liegen. Das Essen wird geteilt. Alle warten darauf, dass sie woanders hinkommen.

Die heimischen Obdachlosen wurden verdrängt, sie hängen nun offenbar weiter im Westen ab, näher am Hudson River. Es wirkt, als sei die Welt da draußen über Manhattan hereingebrochen. In der New York Times stand, dass sich an der südlichen Grenze in Mexiko ganze Zeltdörfer gebildet haben, mit Flüchtlingen aus Nicaragua, Kolumbien, Venezuela natürlich, auch der Ukraine, aber auch der Türkei und Afghanistan oder China. Wie sind die nach Mexiko gekommen? Sie haben tribale Führer ausgeguckt, die täglich mit den Anwälten der Hilfsorganisationen und den Essenslieferanten verhandeln. Sie warten geduldig, bis Amerika sie einlässt.

Auch PEN World Voices war sehr multinational und multikulturell; aber anders, gepflegter und wohlhabender. Das Festival bringt Autoren aus alle Welt nach New York, oder eigentlich eher, Autorinnen und es ist sehr divers. Viele Frauen, vielleicht die Hälfte of Color. Das Verlagswesen ist ja sowieso zu drei Vierteln weiblich bis hinauf in die höchsten Ränge, beinahe. Nur in den allerhöchsten Managerspitzen der fünf großen Verlage der USA – Penguin/Random House, Hachette, Harper Collins, Simon and Schuster und Macmillan – regieren noch Männer.

Leerer Saal trotz Freikarten

Viele gefühlige Debattenrunden gab es bei Pen World Voices, Memoiren, Kriegserinnerungen, Traumata, Familie, Liebe, Kinder und Frauen, Poesie und Märchen. Alles sehr entfernt von den Hunderten von Südamerikanern, die auf dem Pflaster kampieren und sich bemühen, guter Dinge zu sein.

Zwischendurch bin ich bei einer Debatte gelandet, wo ein mittelalter weißer Mann – Robert Costa, der für CBS in Washington arbeitet – in nüchternen Worten erklärte, was beim Aufstand vom 6. Januar 2021 hinter den Kulissen abgelaufen ist. Das war, als würde man nach einer Nacht am Dessertbuffet endlich ein Steak kriegen.

Die Schlussveranstaltung fand im großen Saal der Cooper Union statt, wie immer. Normalerweise sitzen dann auf dem Podium literarische Schwergewichte – Salman Rushdie, Colm Toibin, Margaret Atwood, Siri Hustvedt –, diesmal aber waren es allesamt schwarze Frauen, die gute Street Creds in der New York Times und anderswo haben und die persönliche, fiktionalisierte Familiengeschichten geschrieben haben. Ich hatte von keiner einzigen jemals zuvor gehört, aber vielleicht liegt das an mir.

Was soll ich sagen, der Saal war zu drei Viertel leer, obwohl massenweise Freikarten unters Volk geworfen wurden. Ich gehe eigentlich zu PEN World Voices, seit das existiert, aber so eine leere Abschlussveranstaltung habe ich noch nie erlebt.

RJK Jr.

Aber zurück zur Washingtoner Politik, die in diesen Tagen und Wochen heftig oszilliert zwischen Flüchtlingskrise, Finanzkrise und politischen Krisen vornehmlich innerhalb der großen Parteien. Über welche Geschichte, möchte ein Zuhörer von Bob Costa aus dem Podium wissen, schreiben die meisten Zeitungen zu wenig?

Überraschende Antwort: Über die Kandidatur von Robert F. Kennedy – Jr. RFK Jr., wie er meist genannt wird -, ein Sprössling der Kennedy-Familie, Sohn des gleichnamigen Justizministers, der 1968 in Kalifornien erschossen wurde, Neffe von JFK, tritt gegen Joe Biden an. Der linke Demokrat und Umweltanwalt – er hat dafür gesorgt, dass der Hudson River entgiftet wurde – ist skeptisch, was Impfungen angeht. Nicht nur Corona, gegen alle Impfungen, die, sagt er, Autismus verursachen können.

Der harte Gegner des Big Business ist auch dafür, dass Konzerne, die den Klimawandel leugnen, dichtgemacht werden. Als Anwalt hat er arme und schwarze Nachbarschaften und indigene Dörfer gegen umweltverschmutzende Firmen, städtische Kläranlagen oder geplante Dammbauten verteidigt; es sei nicht gerecht, dass die Armen bei solchen Vorhaben die Hauptlast trügen, sagt er. Er hat die US-Interventionspolitik und insbesondere George Bushs Kriege kritisiert. Dass er glaubt, die CIA habe seinen Onkel umgebracht, versteht sich von selbst.

Die Leiche im Hudson River: Der Deep State und die Ermordung des letzten Kennedy

RFK Jr. ist, wie Biden, und auch Ron DeSantis, der trumpgegnernde Gouverneur von Florida, katholisch. Aber links. Chancen hat er keine, denn er gehört nicht zum Partei-Establishment. Trotzdem, in Umfragen hat er aus dem Stand erst 14, dann 19 und nun vielleicht gar 21 Prozent der potentiellen Wählerstimmen eingefahren. Klar, sagt Costa, der Name Kennedy mache viel aus. Aber das sei auch ein Anzeichen dafür, dass große Teile der Partei und der Bevölkerung mit Biden unzufrieden seien.

Biden liegt in Umfragen bei 44 Prozent, das ist sehr wenig für einen Amtsinhaber, aber immer noch mehr als Donald Trump, der landesweit 38 Prozent hat. Alle anderen sind im einstelligen Bereich. Also RFK? Rechnerisch könnte er noch aufholen, aber das hatten so manche politisch Naive auch von Bernie Sanders geglaubt.

Könnte sich RJK mit Sanders zusammentun? Nein, sagt Costa, Sanders stehe loyal hinter Biden. Das werde nicht passieren. Und RFK Jr. als Präsident, wirklich, können wir uns das vorstellen? Andererseits konnte ich mir vor einigen Jahren auch nicht vorstellen, dass Trump Präsident wird oder dass sich die Eighth Avenue mitten in Manhattan in ein Flüchtlingslager verwandelt. Und auch sonst keiner.

Klar ist nur, wir leben in aufregenden Zeiten, über die später noch einmal viele Bücher geschrieben werden, die dann auf Podien und Buchfestivals debattiert werden. Ich habe schon mal Titelschutz für „Die Leiche im Hudson River: Der Deep State und die Ermordung des letzten Kennedy“ in Anspruch genommen. Sicher ist sicher.

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6 Kommentare

  1. Bücher und Politiker ‚und Geheimdienste‘, wäre eine bessere Wahl für die Überschrift.
    Die Durham Untersuchung kam final zum Schluss, das diese nichts gegen Trump gefunden hatte. Damit sind diese für das Wahlverhalten ‚mit verantwortlich‘.
    Und wenn nächstes Jahr wieder gewählt wird, wer weiß schon heute welche Schweinereien aufgekocht werden. Die glänzende US Demokratie hat sich mit diesem Befund ‚Durham Untersuchung‘ selbst offenbart.
    Und in Japan hatte das g7 Grüppchen wieder ihre angebliche Geschlossenheit mit einem sehr fragwürdigen Forderungskstalog abgeschlossen.
    Das lässt eher vermuten das die Strassen voller werden mit Menschen ohne Heimat.

  2. Die Leute stimmen eben mit den Füßen ab.

    Stay at home! ^^ Vermutlich haben potentielle Besucher solcher Veranstaltungen auch große Schnittmenge mit Virusparanoikern und Impfzwänglern.

    Ein „linker“ Katholik, ein Kennedy gar?! Jessasmarandjosef, Sachen giebt’s…

  3. der typ wird die leut noch übler abrippen als obama und biden zusammen. und wieder werden herden von wählern auf die netten griffigen sprüche reinfallen…

    1. Was bringt Sie zu dieser Einschätzung eines hypothetischen POTUS RFK jr.? Ehrliches Interesse meinerseits etwas über Robert Kennedy zu erfahren und was er so bisher getrieben hat. Außer dem wenigen im Artikel weiss ich eher nichts über ihn.

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