Bücher, Frauen und der Panikbutton

New Yorker Metro
Quelle: Pixabay

Amerika scheint im Griff der Wokeness zu sein: Einen Panikbutton gibt es dagegen nicht – und das, obwohl manche Unisex-Toilette mit einem ausgestattet ist.

Es war eine aufregende Woche. Tina Turner ist gestorben, Henry Kissinger wird hundert Jahre alt, Ron DeMeatball will Präsident werden und ich bin dabei, umzuziehen, mithilfe der New Yorker U-Bahn, die ich hier mal ausdrücklich loben will. Sogar mein Bat’leth haben sie transportiert, klaglos. Naja nicht völlig klaglos, aber klagearm.

Außerdem fand die U.S. Bookshow statt. Das ist leider keine richtige Buchmesse, die richtige Messe war die Book Expo America, die abwechselnd in New York, Chicago und Washington stattfand und die der Corona-Krise zum Opfer gefallen ist. Es ist erstaunlich, dass das reichste Land der Welt mit den größten Verlagen des Planeten keine Buchmesse mehr hinbekommt, aber so ist es.

Panikbutton auf dem Klo

Stattdessen haben wir nun die U.S. Bookshow, organisiert vom Fachblatt Publisher’s Weekly in der New York University, mit Sponsoren aus der Industrie. Immerhin. Die Buchwelt ist hier in den Sälen, das ist klar zu erkennen, weiblich. Frauen, soweit das Auge reicht. Frauen jedes Alters, meist weiß, manche auch asiatisch. Offenbar hat der industrieweite Outreach zu schwarzen Autorinnen doch nicht so gezündet, wie alle dachten.

Ein paar Männer, alle gereift und wie übriggeblieben aus der alten Zeit. Und ein paar Männer in Frauenkleidern. Die Toiletten sind natürlich transgender. In den inneruniversitären Ausführungsvorschriften steht, man dürfe die Toilette nicht „policen“, was vermutlich heißt, sich als Frau über einen offen pinkelnden Mann beschweren. Es gibt nun aber einen „Panikbutton“ auf jeder Toilette. Darf man den drücken? Ich habe das kurz überlegt, aber mehr so aus Neugier.

Mehrere Debatten beschäftigen sich mit Zensur, vor allem mit dem Bannen von Büchern. Bannen heißt nicht, dass das Buch verboten ist, das wäre in Amerika auch rechtlich kaum möglich, aber dass Bibliotheken und vor alle Schulbüchereien das Buch nicht mehr führen. Das liegt an erzkonservativen Elterninitiativen, die Druck machen, damit Bibliotheken Bücher aus den Regalen entfernen, aus denen Kinder von der Sklaverei in Amerika lernen oder über Homosexualität erfahren.

Frau und Mansplainer

Wobei, so unmöglich ist das Bannen von Büchern für den kommerziellen Markt auch wieder nicht. Skyhorse Publishing, ein unabhängiger Verlag, hat The Real AIDS Epidemic: How the Tragic HIV Mistake Threatens Us All herausgebracht. Das Buch setzt sich kritisch mit AIDS-Medikamenten auseinander. Das passte einigen Schwulenverbänden nicht, die sich aber nicht beim Verlag oder der Autorin beschwerten, sondern Druck auf den Vertrieb ausübten. Den macht der Branchenriese Simon & Schuster, der Paramount Global gehört, eine Tochter von ViacomCBS Inc. Die knickten nicht ein, aber man kann es ja mal versuchen.

In Amerika, lernen wir, gibt es harmloses Bannen von Büchern und böses Bannen. Böse ist es, wenn Bücher wegen zu viel Schwulsein gebannt werden, dagegen hilft nur eine Klage vor einem Gericht, meint Cheryl Davis vom Fachverband Actor’s Guild. Gutes Bannen hingegen richtet sich gegen Bücher, die ethnische Klischees darstellen, selbst wenn das freundlich gemeint ist. Das bekannteste Beispiel ist Kinderbuchautor Theodor Geisel alias Dr. Seuss, der eine chinesische Figur mit Zöpfen und Schlitzaugen gezeichnet hat. Das Buch darf heute nicht mehr erscheinen. Es war umstritten, aber das war eine „Nonsense-Debatte“, meinte Charlotte Clymer, der auf dem Podium sitzt.

Clymer identifiziert als Frau und trägt Schuhe mit Absatz sowie lange Haare, aber keine Frauenfrisur. Er sieht eher aus wie Langly von den Lone Gunmen. Er ist der geborene Mansplainer, der keine Gelegenheit auslässt, das Wort an sich zu reißen. Seine Kommunikationsstrategie ist, Menschen, die ihn auf Social Media attackieren, sarkastisch zu betexten in dem Glauben, dass die irgendwann ihre Meinung ändern.

Was tun, wenn sich ein Autor im Zentrum eines Twitter-Tsunami befindet, weil er sich auf Social Media ungeschickt ausgedrückt hat und das Canceln droht? Sei bescheiden und demütig, meint Clymer, entschuldige dich. Ähnlich die Verlegerin Lisa Sharkey, die meint, Autoren seien verpflichtet, sich nicht nur zu entschuldigen. sondern auch zu lernen, öffentlich natürlich. Davon werde man sogar zum besseren Menschen. „Educate yourself,“ erziehe dich, das ist das Buzzwort; ach, die gute alte Selbstkritik! Eduard von Schnitzler hätte an dem Panel seine helle Freude gehabt.

Sensitivity Readers

Offenbar hat die Verlagsbranche aber kein Notfall-Szenario für den Fall, dass nicht etwa ein guter Mensch ein aus der Zeit gefallenes Wort aus Versehen getwittert hat, sondern ein Provokateur mit voller Absicht das Publikum vors Schienbein tritt. Das wichtigste dann ist; hier mein bescheidener Rat, immer das Mikrofon behalten!

Das Canceln schon im Vorfeld vermeiden sollen Sensitivity Readers, Sensibilitätsleser, die ein Buch vor Erscheinen auf ethnisch Ungehöriges abklopfen. Das finden alle gut. Noch besser aber sei es, meint Sharkey, wenn der Autor, der ethnische Themen auf Papier bringt, den gleichen ethnischen Hintergrund hat wie seine Romanfiguren.

Die gute Nachricht ist. Das lässt sich heutzutage einfach per Test feststellen. Firmen wie 23andme können anhand einer Gen-Probe aus zwei Haaren und ein bisschen Spucke analysieren, dass man 35 Prozent skandinavisch ist, 13 Prozent Inuit, 2 Prozent kenianisch und der Rest romulanisch. Demnächst werden die einen wahrscheinlich für einen kleinen Aufpreis auch klonen.

Solche tribalen Umtriebe sind im Buchbetrieb aber nicht selten. Bei PEN World Voices vor einer Woche gab es einen kleinen Zwischenfall hinter den Kulissen: Zwei ukrainische Autoren, die eingeladen waren, bei dem Festival zu lesen, weigerten sich, aufzutreten, wenn auch russische Autoren bei einer (anderen) Veranstaltung reden dürften.

Notbremse gezogen?

Die beiden russischen Autoren wurden von Masha Gessen eingeladen, einer putinkritischen doppelten Staatsbürgerin und Autorin des New Yorker, die im Vorstand von PEN ist. PEN World Voices bat Gessen, die russischen Autoren zu canceln. Die aber trat lieber beim PEN-Verwaltungsrat aus. PEN ruderte zurück. Noch ist die raue Wirklichkeit nicht ganz eingebrochen. Aber es gibt Risse.

Am Abend nach der U.S. Bookshow fuhr ich zu Home Depot, unser örtlicher Baumarkt, um ein zwei Meter langes Brett zu erwerben, das meine provisorische Möbelsammlung trefflich ergänzte. Ich schaffte das Ding in die U-Bahn, die dann leider im Tunnel steckenblieb. Der Dispatcher informierte uns, das die Notbremse betätigt worden sein, das müsse untersucht werden. Irgendwann kröche der Zug in die nächste Station und wir müssten alle im vordersten Wagen aussteigen.

Es brach eine lebhafte Diskussion aus, welcher Idiot dafür verantwortlich sei. Wie so eine Notbremse wohl aussieht, dachte ich? Ich blickte nach oben; und da war sie, nur einen Zentimeter neben meinem Brett, das direkt vor dem kleinen Metallkasten hin- und herschwankte. Die werde ich doch nicht selber ausgelöst haben, oder?

Gerade war ich noch in Sorge gewesen, länger festzusitzen, nun versuchte ich in stiller Verzweiflung, das Brett vor meine erbosten Mit-U-Bahnfahrer zu verstecken und wechsele, unauffällig zwei Meter Holz an die Brust drückend, auf die andere Seite der U-Bahn. Wo ist der Panikbutton, wenn man ihn braucht?

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14 Kommentare

  1. Wozu zum Teufel braucht die Autorin ein Bat’leth? Vielleicht um ethnisch, politisch, sexuell oder ästhetisch unpassende Individuen final zu canceln? Oder nur, um sich gegen wütende Mitfahrer zu schützen, die doch rausbekamen, warum die Metro zum stehen kam?

    Lustiger Text zu einer Lage, die gar nicht mehr komisch ist.

    https://m.youtube.com/watch?v=on-y9Pv-CJA

    1. Meine Fresse. Was ist bloß los mit uns? Müssen wir das wirklich auf so einem Level diskutieren? Würdest du das Roberto am Kaffeetisch auch so ins Gesicht schleudern:“ Du pseudointellektueller Schmierfink ! “ Und wenn ja, warum? Und wäre es für dich ok, wenn er dir mit einer ähnlichen Beschimpfung antwortet : „Du ….. ,….. e “
      Und wenn nicht, warum?

      Die beiden Rebellen – Tom und Roberto – schreiben beide sehr gescheit und bedenke bitte , dass die Möglichkeit besteht, dass es nicht an ihnen liegen muss, wenn dich die Texte nicht erreichen.

      1. Hast du noch immer nicht verstanden, dass das Internet weder ein privates Wohnzimmer noch ein Kaffeetisch ist ?
        Der Lapuente zensiert und löscht konstruktive Kritik.
        Deshalb bekommt er ab und zu einen reingetreten und Offlineprobleme beschert.
        Da muss er sich mit abfinden, wenn er anders nicht zu erreichen ist.

  2. Diew war ein Beitrag aus dem braunen Herz der Finsternis. Wenn es nicht so traurig wäre, dann könnte man über den liberalen Faschismus herzlich lachen. So bleibt nur zu hoffen, dass zusammen mit dem Ende der US Hegemonie der liberale Dreck auf die westlichen Staaten beschränkt bleibt. Diese können daran gerne zugrunde gehen, sich gegenseitig die Genitalien amputieren und anschließend chanceln. Hauptsache der Rest der Welt bleibt davon verschont. Und ganz ehrlich – ich gönne das der westlichen Bevölkerung auch, nicht nur den Brandstiftern, sondern auch den Biedermännern die das mitgemacht haben.

    1. Auf jeden Fall nicht der 2 m Holzbalken den die Autorin gekauft haben will. Der ist und bleibt ein Holzbalken und sieht einem Bat’hlet, also einer großen „klingonischen“ Schwert-Waffe in Star Trek nicht mal ähnlich.
      hhttps://en.wikipedia.org/wiki/Bat%27leth#/media/File:Bat’leths.jpg

  3. „aus denen Kinder … über Homosexualität erfahren.“
    Ist nachvollziehbar.
    Wir erläutern den Kindern ja auch nicht gleich jede Krankheit, welche auf der Welt grassiert, und Homosexualität ist, im Sinne der Natur gesehen, wo alles auf das Fortpflanzen und Überleben der Art gerichtet ist, nichts als eine Krankheit.
    Nicht weiter schlimm, es gibt viele chronische Krankheiten, wer daran leidet, leidet, aber man kann mit vielen chronischen Krankheiten leben – jedoch sollte man aufhören, Homosexualität als eine Evolution darstelellen zu wollen – Homosexualität, würde sie sich durchsetzen, wäre das Ende der menschlichen Rasse.
    Ich fürchte, diese klaren Worte werden viele schmerzen, aber Klarheit ist wichtig, wenn es um Wichtiges geht.

  4. Netter Artikel, abgesehen von der obligatorischen antikommunistischen Hasstirade. Frau Schweitzer scheint das Treten der am Boden Liegenden zu lieben, egal ob es sich um den toten Journalisten Duranty oder den toten Journalisten von Schnitzler handelt, der sich meiner Kenntnis nach nie über Selbstkritik verbreitet hat. Und ich bin ziemlich sicher, dass Frau Schweitzer das nicht einmal geprüft hat.

    1. Mal ein paar Worte zu Schnitzler. Der Mann war auf jeden Fall viel interessanter, als er beschrieben wird.
      Wir haben heute Politiker, die vor laufender Kamera verkünden, sie wären, wegen Auschwitz in die Politik gegangen. Schaut man sich Biografien dieser tapferen antifaschistischen Kämpfer an, was ich eher selten tue, wird man sehr sicher waghalsiges Eintreten für die gute Sache, jede Menge Zivilcourage und beständiges Riskieren der eigenen Karriere finden. Bestimmt ist das so.
      Hingegen Schnitzler, der feige Hund, der kriminelle, der für den Versuch, die Wehrkraft der Deutschen zu zersetzen, zum Dienst im Strafbattalion verurteilt wurde, entzog sich dieser Strafe, desertierte und ließ seine Kameraden im Stich. Nicht nur das, er schloss sich dem französischen Widerstand an und arbeitete später bei der BBC gegen die Wehrmacht, die Europa gegen die anstürmenden russischen Horden verteidigten.
      Welches Urteil hätte Marinerichter Filbinger gesprochen, wenn er Schnitzler bekommen hätte?
      Hat er aber nicht. Trotzdem, wie gut, das zuletzt die Guten , die Filbingers, Globkes, Oberländers, die Gehlens, Heusingers, die Kiesinger, eben die Demokraten und nicht Sudelede gewonnen haben.
      In den wilden Wendezeiten entdeckten auch DDR-Journalisten ihre Zivilcourage. Die brauchte es zwar nicht mehr, um sich an Schnitzler abzuarbeiten. Aber dieser stinkende Opportunismus war auch nicht übler als das, was wir heute von den Presstituierten bekommen. Evidenzfreier Haltungsjournalismus, wobei die Haltung bei Bedarf angepasst wird und in jedem Fall kompatibel mit den politischen Anforderungen des Tages ist. Aber bleiben wir bei Schnitzler. Das letzte was ich von ihm las war ein kurzer Leserbrief im ND. Eine Reaktion auf irgendeinen Artikel : “ Ich habe nicht gesagt, dass ich nie gelogen habe. Ich habe gesagt, dass nie auch nur nur versucht wurde, mir Lügen nachzuweisen.“ Was auf den ersten Blick aussieht, als würde er er triumphieren , da man ihn nie als Lügner überführte, war in Wirklichkeit die Charakterisierung einer medialen Welt, die heute allgegenwärtig ist. Sie versuchen nicht mal, etwas zu beweisen. Sie behaupten, denunzieren beschimpfen.. Was eigentlich der Wachhund der Demokratie sein sollte, agiert wie der Kampfhund eines Zuhälters.

  5. Also: In New York könnte Mann Weiber kennenlernen, deren Geschlecht aber unklar ist, indem man ihnen auf dem Transgenderklo den Pimmel zeigt, aber Gefahr läuft auf dem Rückweg im U-Bahn-Tunnel von Weibern mit einer Klingonischen Klinge beschnitten zu werden.
    – Das ist wirklich guter Stoff für die nächste Folge von „Crocodil Dundee“ in New York.

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