Bittere Freedom Fries

Amerikanische Panzer in Bagdad, Irakkrieg, 2003
Shockabrah, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Es ging um Massenvernichtungswaffen, die dann gar nicht zu finden waren: Vor zwanzig Jahren begann der Irakkrieg.

Vor zwanzig Jahren marschierten die USA und ihre Verbündeten in den Irak ein; Großbritannien natürlich, Australien, Polen und andere Osteuropäer, darunter die Ukraine, dazu zwei Dutzend Staaten, die nicht wirklich kämpften.

Es gab kein UN-Mandat, aber Amerika war der Anschein einer multinationalen Eingreiftruppe sehr wichtig, obwohl es tatsächlich ein illegaler Angriffskrieg der USA und Großbritannien war – unter Tony Blair, dem Labor-Kanzler –, die zusammen fast 200.000 Soldaten schickten. Island schickte zwei Soldaten.

Franzosenhass 2003

Die Osteuropäer haben mitgemacht, damit die USA sie im Kriegsfall verteidigen würden. Heute schicken die USA tatsächlich Waffen in die Ukraine, aber das hätten sie sowieso getan. Übrigens sind viele Republikaner gegen diese Waffenhilfe, die Partei also, deren Präsident George W. Bush den Krieg angefangen hat. Aber das war ohnehin kein republikanischer Krieg. Über die Hälfte der demokratischen Senatoren haben dafür gestimmt, darunter auch Joe Biden. Nicht allerdings Bernie Sanders.

Auch Donald Trump hat sich damals gegen den Irakkrieg ausgesprochen, nicht so früh wie Sanders, aber doch früher als das Editorial Board der New York Times. Dass Trump Präsident wurde, dass die Republikanische Partei zerfiel, dass sich die USA gegen Flüchtlinge abschottete wie der Teufel gegen das Weihwasser ist letztlich eine Folge des Krieges, aber irgendwie scheint das niemand hier zu erkennen.

Frankreich und Deutschland machten damals nicht mit, übrigens auch nicht Kanada. Das blieb unter dem Radar, aber gegen Frankreich wurde in US-Medien, vor allem bei Fox News, monatelang gehetzt. Franzosen wurden als Feiglinge dargestellt, als “cheese eating surrender monkeys”. Französische Austauschschülerinnen wurden auf der Straße mit Steinen beworfen, und französische Frauen, die jahrzehntelang mit Amerikanern verheiratet waren, überlegten sich, zurückzugehen.

New Yorker Restaurants kippten französischen Wein in den Gully. Fiktive Charaktere in TV-Serien mochten keine Franzosen. Die bizarre Kampagne wirkte, als sei sie in einem Propaganda-Ministerium entwickelt und in jede Comedy-Show auf der hinterletzten Bühne jedes Dorfes durchgestellt worden. Sogar die Witze über ungewaschene Froschfresser waren alle gleich. Und die Freedom Fries; Freiheits-Fritten, wie die belgische Nationalspeise in der Cafeteria des Kongresses nun hieß.

Die amerikanische Erwartungshaltung

Also, wenn mir jemand viel Geld in Hand drücken würde, um eine antiamerikanische Kampagne zu entwickeln, mir würde bei bestem Willen nichts Besseres einfallen, als “Amerika” und “Freedom Fries” zu einer gedanklichen Einheit zu verschmelzen, damit wirklich jeder weltweit, der “Amerikaner” hört, “Fette Fritten” denkt.

Bill Kristol rief damals dazu auf, Franzosenwitze an den Weekly Standard zu senden. Der Weekly Standard, der dem rechten australischen Medienmogul Rupert Murdoch gehörte, war das Hausblatt der Neokonservativen, die uns den Irakkrieg eingebrockt haben. Heute ist das Blatt pleite, aber natürlich sind alle weich gefallen.

Bill ist der Sohn von Irving Kristol, ein früherer Trotzkist und Ziehvater der Neocons, der mit Ronald Reagan zum Imperialisten wurde. Der Filius war Mitgründer des Project for the New American Century, ein Verein, der für ein starkes Amerika eintrat und sich ein neues Pearl Harbor wünschte, um den Amerikanern diesbezüglich Beine zu machen. Wenn Irving Kristol heute noch leben würde, stünde er mit Zelinsky.

Nicht nur die Franzosen, auch die Deutschen bekamen ihr Fett weg. Da Amerikaner aber davon überzeugt sind, dass alle Deutsche waffenstarrende Militaristen sind, stets bereit, in SS-Uniform und Wehrmachtstiefeln irgendwo einzumarschieren, wurden sie davon kalt erwischt. Wir wurden eher dafür gescholten, nicht der amerikanischen Erwartungshaltung entsprochen zu haben. Na gut, da holen wir gerade auf.

Die Story von den Massenvernichtungswaffen

Gerhard Schröder allerdings stand schwer im Kreuzfeuer. Nach der Weigerung, im Irakkrieg mitzumachen, stellte William Safire in der New York Times Schröders Verteidigungsminister Rudolf Scharping als Antisemiten dar und schaffte es sogar, Justizministerin Herta Däubler-Gmelin zu stürzen, weil die Bush mit Hitler verglich. Damals stand die SPD noch hinter Schröder; ja, die Zeiten ändern sich.

An der Spitze der neokonservativen Kriegstreibe standen Paul Wolfowitz, Donald Rumsfelds Vize im Pentagon sowie dessen Unterstaatssekretär Douglas Feith. Feith und Wolfowitz haben das Office of Strategic Influence gegründet, das dem Psychological Operations Command der U.S. Army unterstellt war und zusammen mit einem PR-Büro Propaganda in der ausländischen Presse pflanzte.

Der Journalist Seymour Hersh, bekannt durch die Pentagon Papers und die Aufdeckung des Massakers von My Lay hatte das damals herausgefunden. Es ist schade, dass die Faktenfinder von der Tagesschau in dieser Zeit noch nicht ihren segensrechen Dienst taten; andererseits, die können ja kein Englisch.

Zu den Verschwörungstheorien, die von den Neocons in die Welt gesetzt wurden, um den Irakkrieg anzuzetteln, gehörten die angeblichen Massenvernichtungswaffen. Und außerdem, dass Saddam Hussein hinter dem Anschlag das World Trade Center steckte. Der Anschlag war allerdings auch der eigentliche Grund für den Irakkrieg: Rache für 9-11, an irgendwem, der irgendwie arabisch aussah.

Die Story von den Massenvernichtungswaffen wurde von Judith Miller in der New York Times veröffentlicht, die ihrerseits Informationen von Scooter Libby bekam, Dick Cheneys Bürochef. Aber viele haben an den Lügen mitgestrickt.

Die Verantwortlichen für den Irakkrieg kassieren dicke Honorare

Heute waren (fast) alle immer gegen den Irakkrieg gewesen. Der Krieg wird als “Fehler” gesehen, nicht als Verbrechen. Tatsächlich war es nur eine Handvoll. Amerika hat den Irakkrieg mehr oder weniger verdrängt. Im Mittleren Osten wurden Frauen entrechtet, Christen flüchteten, die Islamisten sind erstarkt. 150.000, vielleicht eine Million Iraker sind tot. Genau weiß es niemand, weil es keinen interessiert. George Floyd, das Gesicht von Black Lives Matter bekam in den USA mehr Presse als sämtliche Ziviltote des Irakkrieges zusammengenommen.

Die New York Times schrieb zum Jahrestag des Krieges über die psychischen Probleme von US-Armeeveteranen. Fox News schwankt zwischen Trump- und Trans-Kriegen. Die Washington Post hatte eine Story über US-Kriegswaisen und beklagt sich überdies, dass der Irakkrieg die Beziehungen der USA zu Saudi-Arabien beschädigt habe (das Land aus dem, wir erinnern uns, die Attentäter von 9-11 kamen).

George Bush Jr. malt kitschige Bilder und ist quasi rehabilitiert. Michelle Obama ist seine beste Freundin. Dick Cheneys Tochter Liz ist nun das Gesicht des Widerstands. Judith Miller schreibt für Murdochs Wall Street Journal. Die Verantwortlichen für den Krieg kassieren dicke Honorare und sind sich keine Schuld bewusst.

Amerika ist nun mit einem neuen Krieg beschäftigt, einer, wo es weniger opfert und ein bisschen besser aussieht und wo sich, hoffentlich, Deutschland und Frankreich mehr anstrengen, denn die USA fangen auch hier schon wieder an, das Interesse an diesen Ausländern zu verlieren, die sich so schwer zählen lassen, wenn sie sterben.

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5 Kommentare

  1. “Die Osteuropäer haben mitgemacht, damit die USA sie im Kriegsfall verteidigen würden. Heute schicken die USA tatsächlich Waffen in die Ukraine, aber das hätten sie sowieso getan.”
    Wohin wird dieser Wahnsinn führen?
    Ab jetzt könnte man schon langsam eine Liste der Willigen für den Krieg in der Ukraine aufmachen.
    Wieviele sind es jetzt?

  2. “USA fangen auch hier schon wieder an, das Interesse an diesen Ausländern zu verlieren, die sich so schwer zählen lassen, wenn sie sterben.”

    Dieser beißende aber der Sache gerecht werdende Sarkasmus gefällt mir…

  3. In der Tendenz ok., aber wie meistens zu locker flockig.
    “Vor zwanzig Jahren marschierten die USA und ihre Verbündeten in den Irak ein.”
    Eine verharmlosende Standardformulierung, als hätte sich der Irak nicht gewehrt, ja vielleicht Spalier gestanden.

    “Frankreich und Deutschland machten damals nicht mit, übrigens auch nicht Kanada.”
    Deutschland machte durchaus mit: “…in der Praxis unterstützte Deutschland den Feldzug der USA auf vielfältige Weise. So erhielten sie ungehinderte Überflugs- und Transitrechte und konnten ihre Militärstützpunkte hier für ihre Logistik nutzen. 7.000 Bundeswehrsoldaten standen vor den US-Kasernen Wache, um US-Soldaten für den Irakeinsatz freizumachen. Und deutsche Besatzungsmitglieder flogen weiterhin auch in den AWACS-Aufklärungsflugzeugen der NATO mit, die von der Türkei aus, den irakischen Luftraum ausspähten.” (J. Guilliard, Telepolis 230320)

    “Der Krieg wird als „Fehler“ gesehen, nicht als Verbrechen.”
    Das stimmt und ist ein sehr beliebter Euphemismus, wenn es sich um die usa dreht. Um ein etwas harmloseres, aber bezeichnendes Beispiel zu nennen – der Highway-gewordene Rassismus in vielen u.s.-amerikanischen Städten gerinnt zumindest in deutschen Features übers Thema ebenfalls zum ‘Fehler’, obwohl die Absichtlichkeit unbestreitbar ist.

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