Neugier und Politik

Starrendes Kind.
Quelle: Pixabay

Als Europäer in China wird man häufig angestarrt. Sind die Chinesen etwa rassistisch? Oder steckt etwas anderes hinter dieser Lust am Schauen?

Nein, über einen Mangel an öffentlicher Aufmerksamkeit können wir uns in China nicht beklagen. Bei jedem Besuch der Innenstadt bleiben Kinder unvermittelt stehen, schauen uns gebannt an, als ob sie einfach nicht glauben können, was sie sehen. Manche hüpfen aufgeregt hin und her, andere verfallen in Panik und fangen an, hysterisch zu schreien. Jugendliche in Parks bitten um gemeinsame Fotos oder ein Händeschütteln. Alte Menschen geraten richtiggehend außer sich und zeigen minutenlang mit dem Daumen nach oben.

Vor allem Bernhard ist ein wahrer Publikumsmagnet. Denn zum einen trägt im Unterschied zu ihm fast niemand hier graue Haare. Weder Frauen noch Männer. Denn Alter öffentlich zur Schau zu tragen, mit all seinen zugehörigen Facetten, findet man hier nicht wirklich gut. Und zum anderen sind Bärte offenbar vollkommen aus der Mode geraten. In unserem halben Jahr in China sind wir bislang zwei Männern mit einem Ansatz von Bart begegnet, und wir haben wirklich viele Menschen gesehen. Relativ groß gewachsene ältere Männer mit grauen Haaren, Bart und westlichem Aussehen sind also der absolute Pop-Out, sowas hat man hier noch nicht gesehen.

Orientierungsreflex und Habituation

Bernhard Hommel in China.
Quelle: Lorenza Colzato, Bernhard Hommel

Großes Aufsehen zu erregen und minutenlang angestarrt zu werden kommt einem nicht immer gelegen, aber man gewöhnt sich an alles. Und es ist doch auch schön, dass sich wenigstens irgendjemand für einen interessiert – warum auch immer. Wir haben das Aufsehen und das Angestarrtwerden also mittlerweile in unseren Alltag integriert.

Aus psychologischer Sicht sind derartige Phänomene natürlich zu erwarten. Seit den 1960er Jahren hat sich die Forschung zunehmend mit dem sogenannten Orientierungsreflex befasst. Er tritt immer dann auf, wenn etwas hinreichend Unerwartetes passiert. Das kann ein völlig neues Ereignis sein, wenn etwa ein unbekanntes Flugobjekt am Himmel auftaucht oder eben ein Mensch, der so ganz anders aussieht, als man das tagein tagaus gewöhnt ist. Oder etwas, was normalerweise immer da ist, jetzt aber plötzlich fehlt. Wie zum Beispiel ein Haus am Wegrand, das über Nacht abgerissen wurde. Oder der Wasserhahn, der plötzlich aufhört zu tropfen.

Der dadurch angeregte Orientierungsreflex lässt uns unmittelbar aufhören, das zu tun, womit wir momentan beschäftigt sind. Um uns dem neuen Ereignis zuzuwenden. Dadurch lernen wir es besser kennen und wir können ein internes Modell bauen, das unsere Erwartungen beim nächsten Zusammentreffen besser steuert. Wir sind dadurch bei jedem weiteren Zusammentreffen immer weniger überrascht, bis das Modell irgendwann so genau geraten ist, dass das Ereignis zur Normalität wird. Im Fachjargon nennt sich dieser Prozess Habituation.

Anstarren: Ist das Rassismus?

Diesen Prozess kennen wir natürlich alle, denn er hat uns von Kindheit an begleitet. Kurz nach der Geburt ist ja praktisch alles extrem ungewöhnlich und überraschend, und so haben wir uns mühsam unsere physische und soziale Umwelt zu eigen gemacht. Und zur Normalität werden lassen. Solange die Normalität noch nicht besteht, sind wir eben überrascht und starren. Bis wir das angestarrte besser kennen. Irgendwann kräht also in Jinan kein Hahn mehr nach uns, und die Leute werden uns ganz normal finden.

Warum uns das in diesem Zusammenhang so interessiert? Weil der eigentlich ganz natürliche Prozess, mit dem wir uns fremdes zunehmend durch Aufmerksamkeitszuteilungen zu eigen machen, sowohl bei identitätspolitischen Aktivisten als auch bei Rassismus-Forschern völlig unbekannt zu sein scheint. Aber auch bei in Deutschland bzw. Europa lebenden Personen mit Migrationshintergrund. Vor allem das Starren wird dort als Inbegriff rassistischer Diskriminierung gesehen.

So erläutert die Antidiskriminierungsstelle des Bundes auf ihrer Website, dass es sich beim Anstarren um eine Form der Diskriminierung handelt, die gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verstößt. Bei ihrem Berlin-Aufenthalt fand Akwugo Emejulu, eine dunkelhäutige Soziologieprofessorin aus England, dass sie angestarrt würde, um sie dadurch systematisch zu verunsichern. „Das Anstarren hat eine Bedeutung“, schreibt sie in einem taz-Gastkommentar, „Es ist auch eine Art Kollision – ein politischer Akt, der durch das Visuelle und das Imaginäre in Gang gesetzt wird“.

Im Schweizer Blick findet der aus Bombay stammende Sajan Fabian Binz, „für mich fängt Diskriminierung an, wenn mich Leute anstarren, als ob sie noch nie einen dunkelhäutigen Menschen gesehen hätten“. Das geht offenbar im Kindergarten schon los. Das Niedersächsische Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung erklärt auf seiner Website, dass es ein Privileg weißer Kinder ist, „unsichtbar“ zu sein, während nicht-weiße Kinder angestarrt werden. Es handele sich, so weiter, um eine Form der Ausgrenzung und gibt das deutliche Signal, „du bist anders“.

Wir starren, um kennenzulernen

Auch von Wissenschaftlern hört man diese Narrative. In einer großen, im Auftrag der Europäischen Union ausgeführten Studie galt „unangemessenes Starren“ als Form der Beleidigung und der Bedrohung, und wurde als hinreichendes Kriterium für aktiven Rassismus aufgefasst. Selbsternannte Opfer „unangemessenen Starrens“ sollten zudem einschätzen, ob sie wegen ihres kulturellen Hintergrundes, ihrer Hautfarbe, ihrer religiösen Überzeugung oder ihres Alters angestarrt wurden.

Die Forscher haben also offenbar unterstellt, man könne aus der Art und Weise, in der man angestarrt wird, auf das konkrete Motiv des Starrenden schließen. Und ausschließen, dass man aus Sympathie oder wegen eines Flecks auf der Kleidung angestarrt wurde. Uns ist das allerdings bislang noch nicht gelungen: ob die Chinesen uns anstarren, weil wir nicht chinesisch aussehen, einen anderen Glauben haben, weil Bernhard graue Haare hat oder einen Bart, weil wir andere Kleidung tragen oder uns anders bewegen, oder vielleicht auch nur spitze aussehen, haben wir immer noch nicht herausgefunden.

Wie dem auch sei: wir glauben, einen Beitrag zur allgemeinen Entspannung liefern zu können. Starren ist ein automatischer Prozess, den wir auch mit anderen Tieren teilen. Er ist die Grundlage unserer visuellen Wahrnehmung. Alles, was uns mittlerweile ganz normal vorkommt, haben wir irgendwann einmal angestarrt. Nicht weil wir es beleidigen wollten. Nicht weil wir dem Ereignis signalisieren wollten, dass es nicht dazugehört. Wir wollten es in keiner Weise „othern“. Wir meinen es tatsächlich überhaupt nicht böse. Sondern wir starren das an, was wir nicht kennen. Und dies aus einem ganz wichtigen Grund: weil wir es kennenlernen wollen.

Wenn Sie sich also wundern, dass Sie angestarrt werden, dann braucht das nicht damit zu tun zu haben, dass die anderen Sie ablehnen. Sondern damit, dass Sie vielleicht wirklich anders sind als die meisten anderen. Das ist weder gut noch schlecht, ob Sie das Starren nun angenehm finden oder nicht. Das Starren gehört zu unserer wahrnehmungsmäßigen Grundausstattung. So funktionieren Menschen. Aber es gibt auch Hoffnung: die Menschen werden sich daran gewöhnen. Die Menschen werden sich an Sie gewöhnen, warum auch immer Sie angestarrt werden. Die Chinesen werden sich an uns gewöhnen, und wir uns an sie. Alles wird gut!

 

In seinem Buch »Gut gemeint ist nicht gerecht« beleuchtet Bernhard Hommel die psychologische Ebene der Identitätspolitik.

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23 Kommentare

  1. Anstarren ist Rassismus. Währenddessen schwadroniert der Präsidentenberater von Selenski etwas von ethnischen Säuberungen, die auf der Krim stattfinden sollen, sollten die Ukrainer sie einnehmen und keinen Politiker oder Journalisten juckts.
    Schon ein paar „Spezial“journalisten, die hier schreiben. Da passt Sahra Wagenknechts Buch „Die Selbstgerechten“ wie Arsch auf Eimer.

    1. Man geht in eine Ausstellung (Thema und Sujet x-beliebig) und schaut die Exponate gründlich an. Darf aber bitte nicht starren! Auf keinen Fall!!! 😜
      Die Ausstellungsleitung wird Dich anderenfalls…

      Was die imaginierten Aktionen des Präsidentenberaters auf der Krim und anderswo betrifft, bin ich ganz auf Deiner Seite.
      Deren fehlende Besprechung in den hiesigen Medien ist doch Doppelmoral vom Feinsten.

      1. Doppelmoral? Da sind wir schon längst drüber hinweg. Das, was aus manchen Journalistenhirnen schwappt, ist in etwa das, was aus verstopften Toiletten auf einem Punk-Festival schwappt.
        Ich würde den Schwachsinn ja ignorieren, aber wenn man nicht aufpasst, dann wird „starren“ zur Straftat erklärt, wie dies in Großbritannien inzwischen der Fall ist.
        Inzwischen habe ich den Eindruck, dass 1984 eher eine Utopie war und, dass die wahre Dystopie noch viel schlimmer wird als das ein Orwell sich überhaupt hätte ausdenken können.

        1. „…1984 eher eine Utopie war…“
          Die Entwicklungen schreiten voran. Jede Perversion kann noch perverser werden.
          „starren“ zur Straftat – echt jetzt? Oder personen/situationsbezogen? Im Mobbing- oder Stalking-Kontext könnte ich das nachvollziehen.

      2. Jetzt ganz ehrlich: Der Begriff „Diskriminierung“, stünde bei mir mehrtausendfach gedruckt – auf einer kuschelweichen, saugfähigen Klopapier-Rolle!

        Hach, wie müssen wir doch „echt traurig und betroffen“ sein, wenn wir nicht gleich einen „Trigger“ finden, um das Gefühl des „Diskriminierten“ zu evozieren.

        Wie mir überhaupt diese verschwuchtelten – ja, ich sage das so – Bobo-Memmen, gehörig auf den weißen, alten Sack gehen. Wer sich ständig „diskriminiert und ausgegrenzt“ fühlt, ständig auf der hysterischen Suche, härtere Äußerungen, sofort bei einer „Beobachtungsstelle“ zu melden, ist und bleibt eine völlig verweichlichte Glashaupflanze, die den Stürmen im Freiland, nicht gewachsen sind.

    2. Sehr geehrte Dame, sehr geehrter Herr PfefferundSalz,
      meine Ehefrau kommt aus Sri Lanka. Dort sieht der Großteil der Bevölkerung anders aus als der Durchschnittseuropäer. Meine Schwiegermutter ist auf einer Farbskala eher so mit Capucchino-braun einzuordnen, mein Schwiegervater mehr so mokkamäßig. Wenn ich als Weißer mit meiner Frau in dem kleinen srilankischen Dschungeldorf zum Einkaufen gehe, werde ich angestarrt wie ein Zebra in einem Supermarkt in Dschörmanie. Kleine Kinder verstecken sich hinter ihrer Mutter und die ganz Kleinen fangen auch schon mal an zu weinen. Das ist natürlich kein Rassismus, sondern nur dem Umstand geschuldet, daß einem das von der Üblichkeit Abweichende eben auffällt. In einer Kiste mit Bananen fällt die Kokosnuß auf und umgekehrt genauso. Etwas zu bemerken heißt nicht, etwas schlechtzufinden. Insofern ist Ihre Bemerkung, daß Starren rassistisch wäre, als Fehlinterpretation hoffentlich hinreichend erklärt. Übrigens: So, wie es hier in jeder Drogerie Cremes zum Braunwerden gibt, gibt es in Sri Lanka Cremes zum Hellwerden. Wahrscheinlich liegt das daran, daß der Mensch oft dazu neigt, die andere Straßenseite als begehrenswerter zu halten. Ein alter Witz von Otto dazu: „Können Sie mir sagen, wo die andere Straßenseite ist?“ „Ja, da drüben.“ „Komisch, die schicken mich immer hierher.“ Und auch die Frage, die mir andauernd gestellt, nämlich wo ich herkomme, ist zwar lästig, aber doch leicht zu verstehen. Die Leute wollen einfach gerne mit einem ins Gespräch kommen, das ist alles. Wer das als diskriminierend empfindet, ist vielleicht einfach überempfindlich. Hinter dieser überall auftretenden Attitude, andere vermeintlich in Schutz zu nehmen, steckt meines Erachtens etwas ganz anderes. Ganz im Gegenteil: Das nannyhafte Beschützen und Bemuttern entwertet das erwachsene Gegenüber ja so, als ob es unmündig oder zu dumm wäre. In Kiel gibt es einen Schwarzen dessen Restaurant „zum Mohren“ heißt. Eine Gruppe von „guten Menschen“ suchte das Lokal auf, um den Besitzer wegen der Namenswahl zu stellen. Im Lokal frugen sie ihn, wer denn der Besitzer sei und als er sagte, daß er selber sei, glaubten sie ihm nicht und frugen nach dem wirklichen Besitzer. Wer ist denn hier derjenige, der einem Schwarzen nichts zutraut?

      1. Vielleicht sollten sie doch mal mehr als nur den ersten Satz lesen. Ich finde dieses „Anstarren ist Rassismus“ Schwachsinn, was mein Text auch aussagen sollte. Offenbar muss ich das aber wohl direkter schreiben.

  2. Nun, China ist ein großes Land und es kommt auch darauf an, WO man angestarrt wird. In Shenzhen gibt es dies weitgehend nicht mehr, aber Shenzhen ist eigentlich eine internationale Stadt, die den chinesischen Traum auslebt. Sicheres Nachtleben für Frauen, obwohl weit weniger Überwachungskameras als in London.
    Angestarrt wird man auch in Deutschland. Ich habe erlebt, wie auf den Nürnberger Christkindlmarkt-Markt eine französische Schulklasse angeekelt die Lebkuchen öffentlich ausspuckte. In China gab es vor einigen Jahren noch die sog Schnellfeuerhosen, die man im Schritt öffnen konnte um seine Notdurft zu verrichten. Auch das verhindern die Überwachungskameras und chinesische Bahnhöfe sind jetzt blitzsauber. Da könnte sich Berlin mit seinen vergammelten Öffis ein Beispiel daran nehmen.
    Wir sehen, das Leben ist bunt und es ist doch schön, wenn es etwas zu lachen gibt!
    Das Anstarren schon Rassismus ist, ist einfach spätrömisch-westliche Dekadenz. In de USA ist die Wokeculture in, aber trotzdem werden Menschen, vor allen Schwarze, täglich auf den Straßen erstochen.
    Ist das eure westliche Kultur, auf die ihr so stolz seit?

  3. Ich habe vor drei Jahren eine Rundreise durch V.R.China gemacht,mit einer Yangtse Flußkreuzfahrt.Die Chinesen begegneten einen freundlich
    mit einer gewissen Neugier.Die Reise war sehr interessant gewesen
    und man konnte vor Ort seine Meinung bilden.Wenn man mal angeschaut wurde,war es für mich nicht unangenehm gewesen.

  4. Musteranwendung und Musterdefiziterkennung sind EIN effizienter – „statistischer“ und deshalb „automatischer“ – Weg/Prozess der Welterkennung und -aneignung. Danke für diese neutrale Darstellung. Starren sollte auch nicht mit der Frage: „Wo kommen Sie (eigentlich) her?“ auf eine Stufe gestellt werden.

    1. Also auch das finde ich maßlos dumm: Wenn ich einen Akzent nicht zuordnen kann, dann FRAGE ich, woher. Und wurde noch nie blöd „angemacht“, wenn man Interesse zeigt.

  5. So ist das eben laut dem Shannon’schen Gesetz: der Informationswert einer Nachricht ist umgekehrt proportional zu ihrer Erwartetheit. Wir sind hier zwar nicht bei Heise, aber es stimmt trotzdem.

    Und was macht man als Linker, wenn einem so viel unerwartete Aufmerksamkeit zuteil wird? Man nutzt das, um einen herrschaftsfreien Diskurs in Gang zu bringen.

  6. Schade, nach den beiden ersten Absätzen wird’s wieder ideologisch und stinklangweilig. Ich war zwar noch nicht in China, aber zur Zeit des „Eisernen Vorhangs“ mehrmals in Osteuropa. Da wurde man als Westler auch interessiert angeschaut, schon wegen der Kleidung. Sobald man dann den Leuten freundlich zunickte, reagierten sie ebenso und es kam schnell ein Prozess des Kennenlernens in Gang.
    Nur ganz wenige negative Erfahrungen, und alle anderen „Anhänge“ sind überflüssig.

  7. Als ich und mein Mann in China waren hat uns niemand angestarrt. Wer englisch konnte, kam auf uns zu und hat uns angesprochen. Neugierig sind sie ja. Andere Leute habe sich hinter den uns Fragenden gestellt und er hat ihnen immer übersetzt worüber gerade geredet wurde. War lustig und schön.
    Wir hatten uns, im dummen Gedanken wir könnten etwas chinesich lernen, ein Buch gekauft. Das ergab auch eine schöne Situation. Im Park, eine Schulklasse mit Lehrer kam an, mein Mann winkte, sie kamen zu uns. Irgendwann habe ich meinen Mann nicht mehr gesehen. War umringt von Kindern, die ihm im Buch vorgelesen haben. Wir haben natürlich nichts verstanden.
    Wir hatten aber sehr schöne Erlebnisse.
    Wir waren auch nur in Peking und Shanghai, evtl. ist es auf dem Land anders.

    1. Danke für diesen netten Erfahrungsbericht. So in etwa hatte ich mir den ganzen Artikel vorgestellt. Und seltsam, der letzte Satz brachte mich zum Nachdenken: Großgeworden in einer westdeutschen Metropole, lebe ich inzwischen seit vielen Jahren auf dem platten Land. Hier habe ich die Blicke erstmals als unangenehm empfunden. Und festgestellt, dass eine nette, zwanglose Unterhaltung mühselig war. Die Leute (Erwachsene) versuchen einen auszuforschen und reden viel lieber ÜBER einen als MIT einem.
      Ob das in China genauso oder gar ein weltweites Phänomen ist, weiß ich nicht. Und bezweifle es.

    2. Ich habe China vor über dreißig Jahren, 1990, mehrere Monate alleine bereist. Damals wurde ich überall, ob gleich bei der Ankunft des Zuges (Transsib aus Moskau) im Hauptbahnhof oder später bei der Stadterkundung, intensiv angeschaut, oft angesprochen und umringt. Natürlich nicht von allen Menschen, aber halt von so vielen, daß es mir auffiel. Fröhliche Zurufe „Mei Goa Ren“ oder „Wei Goa Ren“ schallten mir oft entgegen. Im Laufe meiner Reise lernte ich, was sie bedeuten: Amerikaner (mei goa ren) oder Ausländer (wei goa ren). In kleinen lokalen Garküchen sah man mir beim Essen zu, kommentierte mit erhobenem Daumen meine Handhabung der Esstäbchen. Unangenehm war das nicht, nur vollkommen ungewohnt. Direkte, offene Neugierde, die sich eben auch in intensiven Blicken zeigt, stört mich selten. Anders ist es mit dem verstohlenen, aber gleichermaßen intensiven Blick, mit der nur gespielten Weltläufigkeit und Toleranz. Wie intolerant das Juste Millieu ist, weiß jeder, der gegen eine oder mehrere der vielen ungeschriebenen Verhaltensnormen verstösst. Daß die tonangebenden Leute dieses Milieus ihre Intoleranz jetzt im Namen der Toleranz allen aufzwingen wollen, ist inakzeptabel.
      Die unglaubliche Entwicklung und die damit verbundene große Öffnung Chinas in den letzten dreißig Jahren hat in den großen Städten wahrscheinlich inzwischen eine Gewöhnung an Besucher aus den verschiedensten Ländern erzeugt. Der „wei goa ren“ fällt nicht mehr so auf.

  8. How to spot an…
    Vor Jahrzehnten war ich über einige Zeit gerne Gast in einem der westweltweit beliebten und zahlreichen als „Irish“ firmierenden Pubs, Treffpunkt des örtlich internationalen Fanclubs für dunkles Bier und lange gelagerten irischen Whiskey mit gefährlichen Dart-Pfeilen und Live-Musik. Ein Spiel im Lokal in der Nähe des Bahnhofs und des seinerzeit noch existierenden amerikanischen Militärhotels und der ebensolchen Standortverwaltung: Herkunftsraten an Hand von Kleidungsstil, Akzent beim Gebrauch der englischen Sprache, eingeleitet von „I bet she/he is …. “ gekrönt von der abschließenden höflichen Nachfrage „Where do you com from? Are you…? “ zur Entscheidung über die Richtigkeit der Wette. Musste sein, entscheiden zu können, wer die nächste Runde bezahlt, die logischerweise durch das Nachfragen immer größer wurde. Weder Schwarze, Weiße, Braune noch Gelbe Leidtragende des Britischen Imperiums fühlten sich diskriminiert. Das war zu Zeiten, wo jeder feststellen konnte und durfte, dass ein amerikanischer Außenminister noch Jahrzehnte nach seiner Ankunft in Gottes eigenem Land mit dem Akzent seiner Heimatstadt Fürth/Bayern sprach. Und dieses sogar auf internationaler Ebene und im Fernsehen. Nicht zu vergleichen mit der gegenwärtigen deutschen Außenministerin, deren Ausdrucksmöglichkeiten in ihrer Herkunftssprache doch eher beschränkt sind.
    Neugierige Menschen sind in aller Regel friedlich. Weltweit. Gefährlich sind diejenigen, diejenigen, die nur in ihrer eigenen Suppe kochen.

  9. Es dauert bis das neuronale Netz im Sehzentrum geschärft ist.
    Nach 6 Wochen in Sri Lanka konnt ich Tamils und Singhalesen auseinander halten, vorher nicht.

  10. Als ich klein war, sind wir am Sonntag oft mit der Bahn zur Kirche gefahren. Und da konnte es passieren, sehr, sehr selten passieren, dass ein Schwarzer – also ein Neger – unter den Fahrgästen sass. und wenn man so einen Schwarzen sah, übrigens alles Männer, dann ist einem der Unterkiefer heruntergefallen und man hat das Siebte Weltwunder fassungslos bestaunt.
    Eventuell hat man auch in ehrfürchtigem Erstarrung: „Oh ein Neger!“ gesagt. Dieses Verhalten führte dann zu einem erzieherischen Gezische, worauf man eben Gesagtes wiederholte, was eine weiteren verbalen Rüffel nach sich zog und am Ende musste man seinen Beobachtungsplatz verlassen.

    Und was lernen wir heute daraus? Kinder sind halt alle Rassisten und Nazis und starren alle ungewöhnlichen Leute an. Darum müssen sie erzogen werden und das gilt heute auch für uns Erwachsene.

    PS. Einige Erwachsene nutzen das Anstarren aber tatsächlich in der im Text beschriebenen Weise.

  11. Guter und lobenswerter Artikel, weil: menschlich verständlich und nicht ideologisch i. S. des heutzutage vorherrschenden (woken, queeren, rechtsextremen und durch mediale Heuchelei gekennzeichneten) Totalitarismus.

    Der Totalitarismus deutscher Gartenzwerge besteht wesentlich in Verhaltens- und Benimmvorschriften, die, bei Nicht-Einhaltung, unweigerlich von Denunziation gefolgt sind und gerne auch medial mit Empörtheit (nicht: Empörung, also Aufstand) oder „moralischer Entrüstung“ (im Unterschied zur geforderten Aufrüstung aufgrund von Empörtheit) begleitet werden.

    Interessant ist doch, mit welcher Nachhaltigkeit die „deutsche Gesellschaft“ in den vergangenen drei Jahren Kinder gefoltert hat – mit Entzug von Atemluft, mit Entzug von Bewegung, mit Entzug von sozialen Kontakten, mit Entzug von Bildung. Bei gleichzeitiger Behauptung, sie würde „Kinderschutz“ anstreben. Nebbich.
    Weshalb wurden Kinder gefoltert (und zusätzlich noch mit ungeprüftem Genzeuch gespritzt)? Weil Kinder von Natur aus weder Rassisten, noch Faschisten, noch Imperialisten, noch Kapitalisten sind. Sondern naturzugewandte wissenschaftlich vorgehende Anarchisten, die unseren Planeten und die darauf vorfindlichen Lebensformen erkunden. Von Beginn erst einmal vollkommen vorurteilsfrei und neugierig.

    Unter Erwachsenen kann man die Bezeichnung „Anstarren“ verwenden und dies als unhöflich empfinden. (Manchmal hört das Anstarren auf, wenn man den zuvor offenstehenden Hosenstall schließt, ist ja auch eine Option.) Kinder schauen sich alles an, bei Interesse auch länger, das würde ich nicht als „Anstarren“ bezeichnen. Sie glotzen halt.

    Wenn etwas oder jemand neu, ungewöhnlich, abgehoben vom gewohnten Umfeld erscheint, wird halt geguckt. Auf der Neuköllner Karl-Marx-Straße passiert das sehr selten, wenn man da auffallen will, muss man sich schon sehr anstrengen (Liz Taylor als Kleopatra beim Städteumzug vielleicht – ach nein, eher auch nicht).
    Im Bundestag wäre es einfacher aufzufallen, da hocken nur vollkommen gleich aussehende Figuren, die Visagistinnen mit bis zu 140.000 € pro Jahr (aus Steuergeldern) bezahlen. Und Pressevertreter (oder wie die Außenministerin gerne sagt: „Fressevertreter“) die genauso aussehen.

    Im Unterschied zu transwoken Benimm-Klimazwergen, die von Corona und einem prinzipiellen Dachschaden geprägt sind, spielen Kinder mit allen, die mit ihnen spielen wollen, seien sie inklusiv oder exklusiv, von irgendwas „betroffen“ oder kariert, punktiert oder was auch immer. Und im Unterschied zu Spießern, Piefkes und anderem Gesocks, das durch Politik, Medien und als Blockwart durch das Umfeld tobt, haben Kinder kein Problem mit Toleranz und Akzeptanz. „Der, die ist halt so“. Das mit dem „das“ (divers) haben Kinder seltsamerweise noch nicht so auf dem Schirm. Damit hätten sie bestimmt aber auch kein Problem. Dann sagen sie halt: „Das da.“

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