Der Schweizer Jean Ziegler klagt seit Jahrzehnten eine Weltordnung an, die er als kannibalisch bezeichnete. Nun feiert er seinen 90. Geburtstag.
Eine Hommage an einem Menschen, der sich nie den Verhältnissen der Herrschenden gebeugt hat.
Ich erinnere mich noch sehr genau an eine Szene, die Jean Ziegler mehrfach beschrieb: Er war in Genf, als dort 1964 die erste Unctad-Weltzuckerkonferenz der UNO stattfand, bei der auch Che Guevara als kubanischer Industrieminister eine Rede hielt, einige Tage dessen Chauffeur. Dem revolutionären Kuba fehlte es an Botschaftspersonal und Dienstwagen. Ziegler meldete sich. Dass er genommen wurde, erklärt sich damit, dass er 1959, als er als Student der Soziologie auf dem Rückflug von New York nach Genf in Kuba Zwischenstation machte, Che Guevara schon einmal getroffen hatte.
Damals war die spätere Kultfigur mit dem Barett, die jeder durch das legendäre Bild des berühmten Schweizer Fotografen René Burri kannte und noch heute Zieglers Büro schmückt,
ein unbekannter Kämpfer für soziale Gerechtigkeit. Der noch jugendliche Ziegler stellte sich ihm als Journalist vor, der – was stimmte – für Schweizer Zeitungen eine Reportage über die kubanische Revolution schreiben wolle.
Jetzt traf er Che Guevara, der inzwischen Industrieminister der Revolutionsregierung war, wieder und war von dieser Persönlichkeit, dem revolutionären Elan und dessen Aura völlig begeistert. Am Abend vor der Abreise der kubanischen Delegation, die im achten Stock des Genfer Intercontinental-Hotels unterbracht war, fasste Ziegler allen Mut zusammen und bat ihn, mit nach Kuba kommen zu dürfen. Da trat Che ans Fenster, von dem aus man das nächtliche, stark erleuchte Genf liegen sah und antwortete:
„Dein Platz ist hier. Hier ist das Gehirn des Monsters, hier musst du kämpfen.“
Ich kann sagen, dass er genau das getan hat, nicht als Lebensabschnittsepisode, sondern ein Leben lang. Das ist es, was diesen Menschen ausmacht.
Die kannibalische Weltordnung
Das sonntägliche ARD-Kulturmagazin „Titel, Thesen, Temperamente“ (ttt) vom 20.3.2017 brachte anlässlich seines neuen Buches „Die kannibalische Weltordnung“ ein Feature über Jean Ziegler. Es war nicht lang, dafür ausgesprochen gehässig und spürbar verächtlich, gerade weil man zwischendurch immer wieder betonte, dass es sich eigentlich um einen „liebenswerten Menschen“ handele, um dann seine Naivität und Blauäugigkeit umso kontrastreicher hervorzuheben.
Man nimmt Ziegler bis heute übel, dass er die erfolgreiche Revolution auf Kuba 1959 begrüßte und sie auch dann noch verteidigte, als die Revolutionsregierung die „freie Presse“ zensierte. Dass die sich mit Macht und noch mehr Geld über die gelungene Revolution hermachte und die enteigneten Grundherrn als Opfer eines Verbrechens darstellte, hielt das Magazin für richtig. Diese Presse hatte jedoch Jahrzehnte lang auf Kuba nicht bemerkt, dass dort die von den USA gestützte mafiöse und mörderische Battista-Diktatur ihr Unwesen trieb.
Nun, nachdem diese regierende Verbrecherbande besiegt und gestürzt war, beklagte die „freie“ Presse die heraufziehende Diktatur. Ja, es war eine Diktatur, aber eine sozialistische, die mit einer Landreform die Massenarmut der Bauern beendete, mit der Enteignung von US-Vermögen, der Verstaatlichung ausländischer Ölraffinerien, die Souveränität der Inselregierung herzustellen versuchte. Dass sich Castro, der bekanntlich ein bürgerlicher, kein kommunistischer Revolutionär war, in die Abhängigkeit der Sowjetunion begeben musste, am Ende auch Kommunist wurde, war vor allem der menschenfeindlichen Embargo-Politik der USA zu verdanken. Aber selbst unter diesen Repressalien gelang es in Kuba, den Aufbau eines kostenlosen Gesundheitssystems zu realisieren und, wie Ziegler betont, die Kindersterblichkeit auf Schweizer Niveau zu reduzieren, ja, auch Tausende Ärzte in ärmere Länder zu entsenden, um dort Hilfe zu leisten.
Muss man die Redaktion der Kultursendung „Titel, Thesen, Temperamente“ nicht fragen, was daran naiv und blauäugig ist? Warum darf man angesichts solcher Fortschritte nicht das Ende einer vom Westen hofierten Diktatur begrüßen? Mir ist das schleierhaft. Vor allem dann, wenn man sich vergegenwärtigt, dass es der Mehrheit der Menschen in Kuba nach der Revolution deutlich besserging.
Dass auch Revolutionäre Fehler machen, spricht nicht gegen sie, sondern für die Erkenntnis, dass eine Revolution kein Aggregatzustand, sondern ein schwieriger Transformations- und Lernprozess ist, bei dem gleichzeitig noch gegen den nach wie vor wütenden Feind gekämpft und eine Gefahr abgewehrt werden muss, die dadurch entsteht, dass auch mit der Revolution verschiedene politische Kräfte um den möglichst besten Weg ringen. Dass diese notwendigen inneren Prozesse (mit meist fehlender Regierungs- und Staatserfahrung) erfahrungsgemäß als Einfallstor für Konterrevolutionäre genutzt werden, ist auch nichts Neues.
Die „freie“ Presse hätte die persönliche Meinung von Jean Ziegler zu diesen Problemen selbst erfragen können, als er am 16.3.2017 im Frankfurter Literaturhaus sein Buch vorstellte. Sie war aber so frei, nicht zu erscheinen. Ich war dort der einzige Journalist. Wo waren an diesem Abend die vielen anderen? Vermutlich haben sie sich mal „frei“ genommen. Wenn ich mir diese Veranstaltung mit über 150 Zuhörerinnen, fair moderiert von Rupert von Plottnitz, noch einmal Revue passieren lasse, wundere ich mich heute noch mehr als damals, woher diese Ablehnung rührt.
Denn Ziegler war nie ein bewaffneter Untergrundkämpfer, war nie ein aktiver Revolutionär. Mit einer gewissen Form von Selbstironie lässt er stattdessen seinen Sohn urteilen, der ihn als „spießigen Kleinbürger“ bezeichnet hat. Man könnte auch sagen, er sei ein „Gutmensch“. Aber auch dieser Begriff ist in dieser kannibalischen Ordnung längst zum Schimpfwort geworden.
„Entweder hast du keinen Arm oder schmutzige Hände.“ (Bertold Brecht)
Woher also diese Gehässigkeit? Vieles hängt wohl damit zusammen, dass Ziegler eigentlich „einer von ihnen ist“, aber einer, der – im Gegensatz zu ihnen – den mörderischen Zweiten Weltkrieg und das Wüten der Kolonialherrn und Faschismen bis heute vor Augen hat, der auch die allseits postulierten Lehren aus diesem Horror tatsächlich ernst nimmt, den notwendigen Widerstand täglich lebt, an vielem zweifelt, aber nie verzweifelt, die Hoffnung auf eine bessere Welt nicht aufgibt, bis heute.
Diese Haltung ist nicht naiv, sondern berührend, ergreifend, ansteckend. Ein Lichtblick, ein Hoffnungsschimmer für all jene, die sich noch nicht in dieser kannibalischen Weltordnung, wie Ziegler die Verhältnisse beschreibt, gemütlich eingerichtet haben und sie fröhlich genießen.
„Nie wieder auf der Seite der Henker stehen“, schwor Ziegler sich, als er als Assistent des UNO-Sonderbeauftragten Brian Uquhaert im komfortablen kongolesischen Hotel Royal in Leopoldville untergebracht war. Nach der Ermordung des kongolesischen Präsidenten Patrice Lumumba, in die nachweislich auch die CIA verstrickt war, wurde der Kongo vorübergehend von der UNO verwaltet. Das Hotel war von einem Stacheldrahtzaun umgeben, über den in der Abenddämmerung Küchenhelfer Essenreste warfen, vorgeblich, um damit Tiere zu füttern. Doch dort warteten die Hungernden Einheimischen. Ziegler musste mit ansehen, wie diese von den Wachleuten mit Schlagstöcken davon vertrieben wurden.
Wie lächerlich und selbstverräterisch der Vorwurf der Naivität ist, dem man Ziegler immer wieder macht, zeigt auch ein anderes Beispiel. Sehr eindrücklich beschreibt er seine Zerrissenheit, als langjähriger UN-Sonderbeauftragter einer Institution zu dienen, die immer wieder ihren eigenen Auftrag, ihren eigene Bestimmung hintergeht, nämlich Hunger und Kriege aus dieser Welt zu verbannen. Ziegler kritisiert dies scharf und exzellent. Er besteht bis heute darauf, in dieser Institution weiter zu wirken – mit dem Ziel, die Macht dieser Institution zu nutzen, um deren Möglichkeiten denen zugutekommen zu lassen, die diese Unterstützung zum (Über-)Leben brauchen.
Das ist ganz sicher kein einfacher, vielmehr ein dorniger und steiniger Weg, der mit Brecht schlicht bedeutet: „Entweder hast du keinen Arm oder schmutzige Hände.“
„Ändere die Welt! Warum wir die kannibalische Weltordnung stürzen müssen“ (Jean Ziegler)
Dieser Buchtitel aus dem Jahr 2015 hört sich heute und jetzt wie eine prophetische Vorankündigung dessen an, was wir zurzeit erleben: Eine kannibalische Weltordnung, die gerade dabei ist unterzugehen, setzt sich zur Wehr. Sie ist dabei – wie alle hegemonialen Herrschaftsgebilde zuvor – nicht bereit, sang- und klanglos abzutreten. Das hat Gorbatschow ungewollt verursacht, aber Putin holt die Gewaltorgie nun nach.
Die ihren unaufhaltsamen Niedergang spüren, müssen ihren kannibalischen Charakter zum letzten Mal zeigen, sich gegen dieses drohende Ende ihrer Herrschaft aufbäumen: Millionen, Abermillionen von Menschen sind in der bisherigen Geschichte aufgrund dieser finalen Selbstrettungsmethoden verhungert, ermordet und getötet worden. Noch viel mehr haben ohne ein eigenes Leben überlebt.
Aber der Kosmopolit, Internationalist und mit reichlich Welterfahrung ausgestattete Jean Ziegler weiß, dass Wissen nicht alles ist, sondern nur die Voraussetzung, das zu tun, was nicht alleine der blinden Wut gehorcht.
„Die Bemühungen der Intellektuellen nützen heute nichts, wenn sie den Feind nur bekannt machen und nicht auch dazu beitragen, die Menschen in die Lage zu versetzen, ihn zu bekämpfen und zu besiegen.“ (S. 278)
Quellen und Hinweise
Der schmale Grat der Hoffnung. Meine gewonnenen und verlorenen Kämpfe und die, die wir gemeinsam gewinnen werden“, Jean Ziegler, C. Bertelsmann, 2017
Ändere die Welt! Warum wir die kannibalische Weltordnung stürzen müssen, Jean Ziegler, 2015, C. Bertelsmann Verlag, München
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Zitat: “Dass auch Revolutionäre Fehler machen, spricht nicht gegen sie, sondern für die Erkenntnis, dass eine Revolution kein Aggregatzustand, sondern ein schwieriger Transformations- und Lernprozess ist, bei dem gleichzeitig noch gegen den nach wie vor wütenden Feind gekämpft und eine Gefahr abgewehrt werden muss, die dadurch entsteht, dass auch mit der Revolution verschiedene politische Kräfte um den möglichst besten Weg ringen. Dass diese notwendigen inneren Prozesse (mit meist fehlender Regierungs und Staatserfahrung) erfahrungsgemäß als Einfallstor für Konterrevolutionäre genutzt werden, ist auch nichts Neues”!
.Pas mal…;-)
Muchas gracias!
Der Satz ist tatsächlich sehr zentral, denn es gibt so viele, die von irgendwelchen Revolutionen enttäuscht sind (Kuba, Nicaragua etc.) und damit ihre Resignation begründen. Nur halbwegs zu verstehen, was es bedeuten würde, nur etwas von dem zu schaffen – hier in Deutschland – was in Kuba gelungen ist, wäre doch Ansporn genug , es besser zu machen. Es gäbe genug Gründe dafür.
Wilhelm Tell, Jean-Jacques Rousseau und Jean Ziegler – das helvetische Dreamteam im Kampf um Selbstermächtigung und Selbstbestimmung! Aber der Exportschlager sind Uhren, Käse und Schokolade. Immerhin.
Vom Exportumfang wohl eher Wasser (Nestle), allerdings nicht das Schweizer.
Herrlich, wie unter dem Brandzeichen “Schweizer” im Freiheitheitsstall eingepferchtes Humankapital den Käse, den es schreibt, auch noch selbst bestimmt!
So selbstermächtigend wie ein Gesslerhut mit Schokolade und Kuckucksuhr!
Ein
PFarrer Nolte – wieder mal mit den üblichen Latrinenparolen und Wahlkampftiraden unterwegs. Solchen semi-eloquenten Kanzelpredigern haben die alten Eidgenossen die Löcher im Emmentaler gewidmet.
Wahlkampfzirkus und dazugehörige Tiraden liegen dem Pfarrer wirklich absolut fern. Bezeichnend, dass Ihnen das trotz mannigfachen Zaunpfählen bisher ebenso entgangen ist wie die Funktionsweise von Geschäft und Gewalt.
Und Latrinenparolen? Pecunia non olet ist doch die olfaktorisch-marktkonforme Parole insbesondere der Schweiz.
Pfarrer Nolte hatte vielmehr die vom Wendehals gedichtete eidgenössische Nationalhymne zur Kenntnis gebracht:
Hier fliegen gleich die Löcher aus dem Käse,
Denn nun geht sie los uns’re Polonäse,
Von Bellinzona direkt ins Emmental.
Wir ziehen los mit ganz großen Schritten
Prosecco fasst dem Rüdi von hinten an die Schulter,
Das hebt die Stimmung, ja, da kommt Freude auf
Nicht schlecht. Latrinenparolen müssen sich ja auch nicht unbedingt reimen.
Die Hohlräume im Pfarrer Nolte reimen sich ja auch nicht auf Emmentaler, auch wenn Pfarrer Nolte sie in fast jedem Kommentar zum Fliegen bringt.
Ein echt unermüdlicher Streiter.
Die kannibalische Weltordnung ist aktueller denn je und wird dem 21 JH wohl etliche Kriege bescheren, evtl auch den letzten,
Immerhin hätten wir uns diesen letzten Krieg redlich verdient.
Guter Mann! Und man soll über den Bertelsmann-Verlag nicht nur schlechtes sagen. Immerhin verlegen sie seine Bücher und verschaffen Zieglers Gedanken Reichweite.
Unsere “tragenden” Medien ähneln immer mehr dem Blick durch ein winziges Schlüsselloch, das 80% der Weltbevölkerung ebenso ausschließt wie die Sicht auf divergierende Meinungen im Nahbereich.
Aus diesem sich immer mehr verengenden Blickwinkel wird dann ein Standpunkt konstruiert, mit Vehemenz, Moralinsauer und erheblichem finanziellen Einsatz aufs Volk geworfen.
Dass die Ausrichtung stimmt, dafür sorgen AmerikaBrücke, CFR und ähnliche Organisationen
https://swprs.org/die-propaganda-matrix/
Ich hoffe ja noch immer, dass Normalität und Verstand die unsägliche Kriegstreiberei ablösen werden und die Kriegstreiber und Gewinnler, die Schreibtischtäter der verdienten gesellschaftichen Verachtung teilhaftig werden.
Ich bleib auch mit mehr als 80 ein “Naiver” – also alles Gute zum 90, so von naiv zu naiv 😎
„Dein Platz ist hier. Hier ist das Gehirn des Monsters, hier musst du kämpfen.“
Kluger Mann dieser Che Guevara gewesen
als er aus einen Zimmer in Genf guckte.
Wahrscheinlich hat er auch Frankenstein gelesen.
Und nein Hr. Wetzel Che Guevara war nie ein bürgerlicher Revolutionär gewesen.
Bürgerliche Revolutionäre gab es seit 1789 nie wieder und wird es auch nie wieder geben.
Bürgerlich und Revolutionär schließt sich gegenseitig aus.
Desweiteren Hr. Wetzel sind sie eh nur Staatsangehörig.
“Che Guevara war nie ein bürgerlicher Revolutionär”
Stimmig aufgeschrieben steht im Beitrag Castro, nicht Guevara.
Castro war auch kein bürgerlicher Revolutionär.
Fidel wusste einfach nicht, dass man als bürgerlicher Revolutionär keine Bodenreformen durchführt, Ölraffinerien verstaatlicht und US-Vermögen enteignet.
Ein Missverständnis.
Sozusagen
😉
Und dann gibt’s noch den Unterschied zwischen revolutionär und Revolution machend.
” Die Sozialdemokratie ist eine revolutionäre, nicht aber Revolution machendePartei ”
– Karl Kautsky –
https://vorwaerts.de/geschichte/der-marx-erklarer-wie-karl-kautsky-die-spd-gepragt-hat
Den Spruch soll’s auch von Kurt Tucholsky auf die SPD gemünzt geben.
Nein es gibt keine bürgerlichen Revolutionäre in Deutschland die sich Hr. Wetzel herbeiphantasiert.
Es gibt nur immer mehr bürgerliche Parteien die Leute anbetteln gewählt zu werden.
https://www.google.com/amp/s/www.mdr.de/nachrichten/deutschland/politik/werteunion-partei-gruendung-maassen-100~amp.html
Diese Aussage hat der SPD-Vorwärts aber wirklich seines Kontextes beraubt und damit verkürzt. Liest man im Kautskyschen Original nach, so ging es darum, dass eine gesellschaftliche Umwälzung Kautsky zufolge gesellschaftlich heranreift und die Partei diese Bedingungen für die Revolution nicht (alleine) “herstellen” kann.
https://www.marxists.org/deutsch/archiv/kautsky/1909/macht/5-weder.htm
Spätestens als die Hyperinflation kam war die gesellschaftliche Umwälzung gesellschaftlich herangereift.
Hat die deutsche Sozialdemokratie zur der Zeit eine Revolution durchgeführt die den Bürgertum nicht geschmeckt hätte ?
Eher nicht.
Mein Fazit ist:
Die deutsche Sozialdemokratie hat sich nie für die Durchführung einer Revolution interessiert
Sie war immer nur interessiert an revolutionärer Technik.
Auch wenn Kautsky sich was anderes gewünscht hat.
Die deutsche Sozialdemokratie ist letztendlich eine bürgerliche Partei
die sich mit der roten Farbe schmückt.
Sie hat nicht den 1 und auch nicht den 2 Weltkrieg durch eine Revolution verhindert und sie würde oder wird auch nicht den 3 Weltkrieg verhindern.
Der Scholz macht ab und zu schon das richtige aber nur zur Hälfte und davon die Hälfte aus den falschen Gründen.
” In Gefahr und höchster Not bringt der Mittelweg den Tod ”
– Friedrich von Logau –
Klar. Zum Zeitpunkt der Hyperinflation (1923) war aus der SPD natürlich bereits eine ganz andere Partei geworden, als sie es 30 Jahre vorher war, als Kautsky noch zu Lebzeiten von Engels und drei Jahre nach Aufhebung des Sozialistengesetzes den von Ihnen zitierten Satz niederschrieb. Aus der oppositionellen Arbeiterpartei war eine Staatspartei geworden, deren Führung den Krieg mitgetragen hatte und die anschließende Revolution so gut es ging abgewürgt hatte.
Wenn man sich die letzten Überlegungen von Engels durchliest stellt man erstaunt fest, dass “die beiden Alten” zwar eine ganze Menge vorausahnten, aber merkwürdigerweise nicht die Integration der damals noch unaufhörlich wachsenden Arbeiterparteien in den bürgerlichen Politikbetrieb.
Nun Lenins hat’s vorausgesehen.
Aber der hatte auch eine
” Out-of-the-box des Deutschseins ”
Sicht.
Glückwunsch, lieber Jean! Noch viele produktive und gesunde Jahre!
Und Dank an Wolf Wetzel für die Erinnerung an sein Schaffen!
aber Putin holt die Gewaltorgie nun nach. – geht’s noch ?? achso, ich vergas: der Massenmord in Gaza, der C-Genozid, die Millionen Toten in Irak, Lybien, Syrien, Afghanistan, .. , alles Putin seine Schuld.
Sorry, dieser Satz hängt tatsächlich völlig in der Luft und ist bei Überarbeitungen reingerutscht. Es bräuchte deutlich längere Ausführungen, um zu erklären, dass der vom Westen gewollte und mit allen Mitteln erwirkte Zusammenbruch der Sowjetunion einen Gorbatschow, dann einen Jelzin und nun einen Putin hervorgebracht hat, also eine kapitalistische Entwicklung, die nicht im Gegensatz zum Westen steht, sondern seine expansionistische Dead-Line gefunden hat.
Das habe ich mir fast gedacht. Ich hatte es so verstanden, dass Putin nun die Gewaltorgie einholt.
“Damals war die spätere Kultfigur mit dem Barett, die jeder durch das legendäre Bild des berühmten Schweizer Fotografen René Burri kannte und noch heute Zieglers Büro schmückt, ein unbekannter Kämpfer für soziale Gerechtigkeit.”
Eine kleine Korrektur:
das Bild mit dem Barett oder der Baskenmütze hat Alberto Corda gemacht, ohne dafür später großartig Tantiemen bekommen zu haben. Es ist das wohl meist raubkopierte Bild aller Zeiten. Das Bild Burris zeigt Che mit einer Havanna und ohne Barett.
Vielen Dank. Ich habe diese Beschreibung von einem Freund von Jean Ziegler bekommen, der fast genauso alt ist … also verzeihlich.
Da las ich, aber guckte nicht, den Artikel von Herr Roberto mit Herr Baab, Journalisten müssen ‘bissig’ sein.
Der Herr Wolf überrascht mich doch immer wieder, wie seine bissigen Artikel daherkommen. So aus dem nichts kreiert er etwas aus den Begebenheiten und trifft dort, wo es bitter nötig ist.
Ich bezeichne mich als ‘Ideologiefrei’, da Ideologien irgendwie mal plus oder minus sind.
Aber in Anbetracht der Tatsache hatte die wirkliche Linke, die richtigen Instinkte. Mein alter im Verhältnis zu Jean Ziegler ist, das ich sehr jung bin, aber mein jüngliches Dasein ist bei den alten. Nicht wegen der Ideologie sondern vielmehr, wegen deren Bodenständigkeit zu ihrem Leben.
Danke, einfach nur dankeschön für diesen Artikel.
Ganz herzlichen Dank. Das berührt mich, denn das sollte unsere Aufgabe sein, gerade wenn man nicht mehr ganz jung ist: Wir sollten reflektieren können, über unser Tun nachdenken, verschüttetes Wissen zugänglich machen und beweisen, dass wir vieles nicht neu erfinden müssen, auch wir in den 1970er Jahren nicht! Wir konnten auf das Wissen anderer aufbauen und wir haben damals auch tatsächlich alles verschlungen, was man irgendwie bekommen konnte. Und Jean Ziegler ist mir nicht in diesen 1970/1980er Jahren “über den Weg gelaufen”, sondern gerade in letzter Zeit, wo man Ideen braucht und einen Pragmatismus (also ein Tun), das die Ideen nicht mit Füssen tritt, sondern mit viel List ins Leben einschleust.
Gut, zu verstehn ist scho´, son mutmach-Porträt fürn Schweizer´ Nationalratssozi, der ausweislich seines Bertelsmannbuchs (2017) redlich geblieben ist und sich nicht hat korrumpieren lassen. Das dürfte`s denn auch gewesen sein zur Frage: Was bleibt – jenseits aller blumigen Worte zum 90. des Ausgelobten.
Wer damals für Che und Fidel war, oder später für die Sandinista, und sich heute von Kuba und Nicaragua abgewandt hat, ist wertloser als ein Hundehaufen.
Naja wir sind ja nicht in der Kirche, wo Gottes Wort immer gleich bleibt. Ziegler ist auch kein Gott oder sowas, sondern einfach ein Mensch. Wie bezeichnet ihn sein Sohn, kleinbürgerlicher Spiesser. Und er kommt damit noch klar, was schon eine Leistung ist, die viele nie im Leben erbringen.
Menschen, ok nur manche, zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine Meinung haben und diese auch anpassen können, je nach dem was man erlebt, also das sie lernfähig sind. Ob man jedesmal das Richtige lernt, steht auf einem anderen Blatt. Aber man lernt und verändert sich. Ich kenne aus meinem Umfeld nur genau eine Person, die noch nicht gegen ihre eigene Moral verstossen hat. Nein, ich bin es nicht. Insofern eben auch nur menschlich.
Und wenn in einer Verpackung nicht mehr das drin ist, was suggeriert wird, man nehme nur das was heute landläufig als links bezeichnet wird, dann gibt es auch keinen Grund mehr, die Ware zu kaufen.
So mal als Gedankenspiel … oder kurz gesagt, wer ohne Schuld sei, werfe den ersten Stein.
Lieber Gruss
P.S.: Ich habe nicht nur positive Erinnerungen an Ziegler und seine Laufbahn, da ist mir durchaus auch einiges aufgestossen. Schmälert aber in keinster Weise seinen unermüdlichen Kampf um mehr Menschlichkeit.
Die regierungstreuen Schreiberlinge und anderen Fernsehfuzzis ignorieren Jean Ziegler ganz bewußt, weil er die untragbaren Zustände nicht nur bejammert, sondern dieses perfide kapitalistische System ganz offen angreift. Im Gegensatz zu den Pseudolinken, welche die Ursachen des Zusammenbruchs der ehemaligen sozialistischen Länder weder aufgearbeitet und schon gar nicht begriffen haben, bekräftigt Ziegler, dass das kapitalistische System nicht nur durch eine Revolution beseitigt werden muß, sondern das sozialistische System muß jeden Tag erneut gegen kapitalistische Einflüsse verteidigt werden. Das wurde weder in der Sowjetunion, noch in China oder in der DDR beherzigt, wo sich eine Mafia von Parteibonzen schadlos am Volksvermögen bereichert haben.
Demnach war Mao’s Kulturrevoution in den 60’ern immerhin ein Versuch, kapitalistische Einflüsse zurückzudrängen, vor allem hätte man Deng Xiaoping rechtzeitig entmachten müssen. So steht das ehemals sozialistische Land heute vor den gleichen Problemen wie andere kapitalitische Länder, weil es eben auch kapitalistisch und imperialistisch geworden ist.
Gut dass Jean Ziegler wenigstens hier eine angemessene Würdigung erhält. Weder der Deutschlandfunk noch die anderen Medien hatten ihn aufmerksam gemacht. Ziegler ist einer der letzten noch lebenden ehrlichen und aufrechten Marxisten!
Ich kann mich noch gut an eine Konferenz in Genf erinnern, wo es um Demokratieentwicklungen, Revolutionen und Aufstände in der Welt ging. Die US-Botschafterin fand es richtig, Kuba vom Internet zu isolieren, dabei alle möglichen Gegenbewegungen in Kuba zu unterstützen. Von Teilnehmern hörte ich, wie sie abfällig über eine gewisse unverbesseliche Person in der Schweiz geredet haben. Es waren im übrigen fast nur die üblichen Verdächtigen auf dem Schirm, Nicaragua, Kuba, Vietnam, Kasachstan … Und die Yuppies Posten mit stolzer Brust, an was ganz Wichtigem teilzunehmen, ihre Beiträge im Netz. Sie merkten nicht, dass sie manipuliert wurden. Jean Ziegler hat in der UNO sicher keinen einfachen Stand gehabt.
Jean Ziegler ist einer der wenigen, der sich zeitlebens für die Menschen einsetzt. Egal, ob er verschmäht und angefeindet worden ist. Ein Humanist durch und durch, der sich für die Schwachen einsetzte und dem ‘Raubtier- und Casinokapitalismus’ den Kampf angesagt hat.
Er lässt sich nicht verbiegen, weshalb er von mir die höchste Hochachtung hat. Und trotzdem war er immer auch Diplomat und konnte mit allen sprechen und wurde auch deshalb von Gegnern hochgeschätzt.
Nun wird er von den selbsternannten freien Medien gemieden, welche Ihre Zeit oft damit vergeuden, sich auf das Gegenteil des ‘Mainstreams’ zu beschränken und die immergleichen Schuldigen (USA, UK, der Westen) gebetsmühlenartig zu wiederholen und sich somit von der Wirklichkeit immer weiter entfernen.
Und wieso meiden ihn die ‘freien’ Medien nun? Weil er auch im Syrien- und Ukrainekrieg auf der Seite der Unterdrückten war und ist. Für ihn gibt es nicht immer nur die einfache Erklärung: Der Westen ist an allem Schuld,. Nur der Westen ist Kriegstreiber. Er macht da keine Unterschiede und blendet die anderen Tyrannen aus, nur um sich vom ‘Mainstream’ abzugrenzen.
Jean Ziegler:
‘… Viele Zehntausende junge russische und ukrainische Soldaten, viele Hunderttausende ukrainische Frauen, Kinder und Männer sind ermordet, verletzt, gefoltert, in die Flucht vertrieben worden, seit Wladimir Putin am 24. Februar 2022 seine Horden gegen den souveränen Uno-Mitgliedstaat Ukraine losgeschickt hat.
Das Putin plötzlich zur Vernunft käme und sinnvollen Waffenstillstandsverhandlungen zustimmen würde, ist unwahrscheinlich. Im zweiten Tschetschenienkrieg 1999-2009 hat er fast die Hälfte der tschetschenischen Bevölkerung töten lassen und die Hauptstadt Grosny dem Erdboden gleichgemacht. Das syrische Volk erhob sich 2011 gegen den blutrünstigen Tyrannen Baschar al-Asad. Die Bombardements der russischen Luftwaffe auf Spitäler, Schulen, wohnquartiere sicherten Asad das vorläufige Überleben…’
Das Overton-Magazin zeigt zum Glück nicht nur das Gegenteil des ‘Mainstreams’, sondern versucht auch Meinungen und Tatsachen zu zeigen, welche mit der Wirklichkeit einhergehen, nicht nur das ‘alternative’ Publikum zu beglücken und zu bewirtschaften wie andere ‘freien’ Medien (z.B. apolut und Konsorten). Kein reiner Empörungsjournalismus. Dafür setzt es regelmässig Schelte vom Publikum ab wie in den Kommentarspalten ersichtlich.
Weiter so. Schwarz-Weiss-Denken, immer die ewiggleichen Schuldigen (Deutsche Regierung, egal welche. USA, UNO, WHO) zu wiederholen streichelt zwar das Gemüt der Leser, spiegelt jedoch nicht die Wirklichkeit. Rumzuheulen wie unterdrückt man doch ist und sich dabei in der ewigen Opferrolle zu gefallen, bringt nun wirklich niemanden weiter.
Respekt für Jean Ziegler. Respekt für die Menschen.
@Bruno Gamser:
Ich teile Ihre Würdigung weitgehend, würde aber nicht so weit gehen, Ziegler für sein Urteil über Putin zu loben.
Putin ist Präsident eines Landes, das vom Westen schon ewig lange als Feind betrachtet wird. Die NATO-Osterweiterung war nach dem Zerfall der UdSSR überflüssig und diente allein dem Zweck, Russland einzudämmen. Der Westen erhebt Anspruch auf Weltherrschaft und will keine Konkurrenten und Rivalen, die seinen Machtanspruch in Frage stellen. Putin hat die NATO-Politik oft genug kritisiert und vor einer Eskalation gewarnt. Die Ukraine könnte heute ein souveräner Staat sein, in dem Frieden herrscht. Sie hätte sich nur zur Neutralität verpflichten müssen. Das wollte sie aber nicht. Sie wollte in die NATO und sich entrussifizieren. Der Westen und die Ukraine haben diesen Krieg jahrelang provoziert. Wenn man Russland dieselben Macht- und Sicherheitsansprüche zugestehen würde wie den USA und Europa, würde es diesen Krieg heute nicht geben. Man legt hier zweierlei Maßstäbe an. Und das geht nicht. Aus diesem Grund hat sich Putin entschieden, die Ukraine so sehr zu schwächen, dass sie für Russland keine Bedrohung mehr darstellt. Dasselbe – wenn nicht noch Schlimmeres – würden die USA tun, wenn sie in der Lage Russlands wären.
Ich würde die Rolle Russlands auch anders bewerten bzw. einordnen. Aber Jean Ziegler ist eben auch kein Heiliger, sondern ein Mensch, der beeindruckt, weil er so lange unbeugsam geblieben ist und nicht, weil er keine Fehler macht.