Der Zusammenhang zwischen Staatsterrorismus und medialen Cleanern in Action

Graffiti an einem Tor in Barcelona.
Victor Grigas, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Faktenchecker, die lang und breit ein nicht ganz korrektes Zitat aus der Dystopie »1984« erläutern: Zeigen die nicht selbst schon an, dass wir uns in eine Dystopie bewegen?

Im Rahmen einer Pressekonferenz am 7. Februar 2022 im Weißen Haus kam es zwischen dem US-Präsidenten Joe Biden und ausgesuchten Reportern zu folgendem Dialog:

Biden: »Wenn Russland einmarschiert … dann wird es kein Nord Stream II mehr geben. Wir werden dem ein Ende setzen.«

Reporter: »Aber wie wollen Sie das genau machen, da… das Projekt unter deutscher Kontrolle ist?«

Biden: »Ich verspreche Ihnen, dass wir in der Lage sein werden, das zu tun

»We will I promise you we will be able to do it«

Anfang Februar 2022 klang das noch saustark, wie ein Cowboy eben, der dabei nicht einmal vom Pferd steigt. Niemand in den Laufstall-Medien in Deutschland fragte nach:

»Wie meinen Sie das?«

»Würden Sie dem Pipeline-Projekt auch dann ein Ende setzen, wenn Deutschland als Miteigentümer dagegen wäre?«

»Mischen Sie sich damit nicht in Angelegenheiten ein, die Sie nichts angehen und sind dabei bereit, internationales Recht zu brechen?«

Nichts von alledem war zu hören oder zu lesen.

Acht Monate später wurde perfekt und professionell genau das umgesetzt, was in aller Öffentlichkeit angekündigt wurde.

Jetzt müsste der Cowboy doch noch vom Pferd steigen und allen erklären, wie man diesen Zusammenhang erklären kann.

Anstatt das zu tun, anstatt als Presse genau diese Nachfragen zu stellen, werden jetzt die Abdeckplanen ausgerollt, von alle den vielen (recht gut bezahlten) Balljungen, die nun losgeschickt werden. Dabei kommt das ganze Arsenal der »Tatortreiniger« zum Einsatz.

Auf den NachDenkSeiten (NDS) wurde diese Passage mit Joe Biden ebenfalls erwähnt und sogleich von Facebook als »Falschmeldung« markiert:

Screenshot: Faktenchecker-Info durch Delfi
Screenshot, Wolf Wetzel

Dabei betätigt sich einzig und alleine die von Facebook eingesetzte Cleanerfirma »Delfi« der Falschmeldung und offensichtlichen Manipulation: Die NDS haben das betreffende Zitat richtig wiedergegeben. Was andere in der Übersetzung damit machen, ist nicht ihr Problem. Das wissen natürlich auch die Cleaner.

Dass »Delfi« als Gedankenpolizei aus dem Roman »1984« stammen könnte, ist eine Extra-Zugabe. Was es mit »Delfi« auf sich hat, konstatieren die NDS wie folgt:

»Das litauische Medium Delfi tauchte bereits 2018 im Kontext mit dem »Expose Network« auf, einem Konsortiums, das im Umfeld der umtriebigen »Integrity Initiative« in Zusammenarbeit mit dem britischen Geheimdienst ins Leben gerufen wurde

Man kann das auch wütend positiv sehen: Der Zusammenhang zwischen dem Sabotageakt an Nord Stream und der wahrscheinlichen US-Urheberschaft drängt sich so auf, dass die ganze Palette der Zensurmaschinerie im Einsatz ist, um diese Spur zu löschen.

Jagd auf Orwell

Nicht erst mit dem kindlichen »Doppel-Wumms« eines alternden Olaf Scholz, der geradezu orwellschen Ankündigung, man verteidige die Freiheit in der Ukraine, die vor 20 Jahren Afghanistan hieß (»Wir verteidigen die Freiheit auch am Hindukusch«), dem »Krieg gegen das Virus« (Macron), der nun in einem »Krieg gegen Putin« (Gesundheitsminister Karl Lauterbach) überführt wird, scheint man der Dystopie »1984« von George Orwell Schritt für Schritt, Wort für Wort zu folgen.

Wann hat »1984« angefangen?

Bereits ein Jahr nach Ende des Zweiten Weltkrieges hatte Georg Orwell damit begonnen, diese wohl berühmteste Dystopie zu schreiben – eine schreckliche Vision von einem Frieden. Ganz offensichtlich traute Georg Orwell diesem Frieden nicht, auch nicht den »Siegermächten«.

In Orwells Roman hat der Krieg nicht aufgehört. Die Welt ist in drei Machtblöcke aufgeteilt und was sich in einem dieser Machtblöcke, in Ozeanien, abspielt, ist Gegenstand seines Romans. Im Gegensatz zum allgegenwärtigen, omnipräsenten Faschismus ist die politische Klasse in Ozeanien kaum sichtbar. Man erahnt sie, in Gestalt des »Großen Bruders« (Big Brother). Ähnlich diffus ist die Zustimmung zu dieser Herrschaftsordnung. Eindeutig und allgegenwärtig ist nur die Angst. Eine gut begründete Angst, denn es gibt eine »Gedankenpolizei«, die alles zu überwachen versucht, selbst die Mitglieder der »Partei«. Dabei wird diese nicht nur aktiv, wenn sich jemand mit Handlungen strafbar macht. In Ozeanien sind auch Gedanken strafbar, die sich in dem Wunsch ausdrücken, gegen das Regime zu opponieren. Dazu gehört auch die als Straftat verfolgte Absicht, sich der allgegenwärtigen Überwachung entziehen zu wollen.

Das Regime bedient sich modernster Technik. Überall, im öffentlichen Raum, in jeder Wohnung befinden sich Teleschirme, offene und verdeckte Überwachungskameras, die jedes noch so intime Ereignis festhalten und auswerten. Der Schutz der Privatsphäre ist vollkommen aufgehoben, das Leben in Ozeanien hat sich in ein lückenloses Panoptikum verwandelt. Daraus machen die Herrschenden auch keinen Hehl: Überall prangern große Plakate, die jeden und jede wissen lassen: »Big Brother is watching you«. Während im Inneren die Angst regiert, wird außerhalb Ozeaniens unentwegt Krieg geführt. Ein Krieg jedoch, der nicht mehr als Krieg propagiert wird, sondern als enduring Friedensmission: »Krieg ist Frieden«. Dabei bleibt offen, ob die Kriege auf eine reale Bedrohung antworten oder vor allem dem inneren Zusammenhalt der Ordnung dienen, einen permanenten Ausnahmezustand generieren und rechtfertigen sollen.

In »1984« kommen auch Menschen vor, die sich gegen dieses totalitäre Regime auflehnen. Es sind nicht viele und die meisten müssen im Untergrund leben. Doch dieser Widerstand ist erfolglos. Am Beispiel der Hauptfigur Winston Smith wird das Scheitern in all seinen Etappen beschrieben: Er ist Mitglied der »Partei« und bekommt im Laufe dieser Kollaboration immer mehr Zweifel an seinem Tun. Er nimmt Kontakt zum Untergrund auf, gerät dabei an einen Spitzel des Systems und wird wenig später festgenommen und gefoltert. Am Ende zahlreicher Torturen gibt er noch das Letzte preis, woran er sich klammerte, seine Liebe zu einer Frau namens Julia. »Brainwashed«, also geheilt wird er entlassen und trifft zufällig Julia in einem Café. Selbst körperlich und seelisch gebrochen offenbart sie ihm, dass auch sie ein Glied in der Kette des Verrats und des Sich-selbst-verratens ist. Seine Verhaftung erfolgte aufgrund ihrer Denunziation.

Viel düsterer und aussichtsloser kann man sich die Parole dieses Regimes »Widerstand ist zwecklos« nicht ausmalen.

Orwell in besten Händen

Ich hatte folgenden Post auf meiner Facebook-Seite geteilt:

»Wir müssen Energie sparen, für den Krieg, der dem Frieden dient. Der Strom wird jetzt abgeschaltet.« (George Orwell, 1984)

Orwell-Zitat, aus dem Roman 1984 - oder auch nicht.
Screenshot, Wolf Wetzel

Das Zitat wurde von Facebook verdeckt und mit dem Hinweis versehen:

Informationsbildschirm über eine etwaige Fehlinformation.
Screenshot, Wolf Wetzel

Und als Begründung bekommt man dann von den dpa-Cleanern folgende Antwort:

»George Orwell wird oft zitiert, um vor dem Totalitarismus zu warnen. Teils werden dem britischen Schriftsteller aber auch Aussprüche mit aktuellem Bezug untergeschoben.

In vielen EU-Staaten wird der Wetterumschwung und baldige Herbstbeginn von einer gewissen Unsicherheit hinsichtlich der Energieversorgung begleitet. Eine Besorgnis ist in sozialen Netzwerken zu spüren. Ein Sharepic mit einem angeblichen Zitat des englischen Schriftstellers George Orwell soll die aktuellen Ereignisse widerspiegeln. Auf der Grafik steht: »Wir müssen Energie sparen, für den Krieg, der dem Frieden dient. Der Strom wird jetzt abgeschaltet. « Handelt es sich um ein authentisches Zitat?

Bewertung

Das Zitat ist nicht belegt und kann Orwell nicht zugeschrieben werden. Zwar stammt es aus der deutschen Synchronisation des Films »1984«, allerdings ist es nicht in der Romanvorlage zu finden.

Fakten

Ab und an wird gemeinsam mit dem Zitat ein Filmausschnitt geteilt. Dabei handelt es sich um eine Verfilmung von Orwells Roman »1984« aus dem Jahr 1956.

Dort heißt es in der englischen Version:

»It is now 22:30 hours. Power must be conserved for our victory effort. All lights will be extinguished. Good night comrade, tomorrow your work for the party must be better than today. Remember, even in your sleep, big brother is watching you. Big brother is watching you.«

In der deutschen Version wurde es etwas abgeändert und entspricht dem Zitat auf dem Sharepic.

In Orwells Roman geht es darum, dass die Menschheit in der Zukunft von totalitären Überwachungsstaaten beherrscht und kontrolliert wird. Darin findet sich das Zitat jedoch nicht. Suchmaschinen finden weder in Deutsch noch in Englisch passende Treffer. Im »Orwell Archive« sind ebenfalls keine derartigen Textstellen dokumentiert.

Auch in der Originalfassung von »1984« kommen die Sätze nicht vor, sie sind also ein Produkt der Verfilmung. Der Film von Regisseur Michael Anderson weicht in einigen Aspekten von der Textvorlage ab.«
(Stand: 21.9.2022)

Das dpa-Cleanerteam versteht auf jeden Fall etwas von Orwell, vom wording, das bei Orwell ja in »Krieg ist Frieden« gipfelt. Leben wir in Vor/Kriegszeiten? Wie weit sind wir von einem Weltkrieg noch entfernt?

Das dpa-Cleanerteam führt uns in ihre Welt:

»In vielen EU-Staaten wird der Wetterumschwung und baldige Herbstbeginn von einer gewissen Unsicherheit hinsichtlich der Energieversorgung begleitet. Eine Besorgnis ist in sozialen Netzwerken zu spüren.«

Ehrlich? Echt? Ach so, es geht seit Wochen um einen »Wetterumschwung«, um einen »baldigen Herbstbeginn«, der von einer »gewissen Unsicherheit … begleitet« wird. Geht’s noch entstellter?

Dieselben tippen sich die Finger wund, um uns darüber aufzuklären, dass die Filmversion von »1984« von der Romanvorlage abweicht. Habt ihr sie noch alle?

Und was fällt den dpa-Cleanern ein, die sich im »International Fact-Checking Network« eingecheckt haben, wenn sie folgendes lesen und hören:

»Und ich unterscheide da nicht zwischen Uiguren in China, ich unterscheide da nicht zwischen Ukrainerinnen oder verfolgten russischen Journalisten und Menschenrechtsverteidigern, zwischen Jesiden oder Kurden. Das ist doch die Stärke der Menschenrechte. Unteilbarkeit – egal an welchem Fleckchen der Welt man lebt.«
(Annalena Baerbock, Bundesaußenministerin, B90/Grüne 01.06.2022)

»Wenn wir es zulassen, dass ein großes Land ein kleineres Land tyrannisiert, dann gibt es kein Halten mehr, dann kommt es zur Freiwildjagd. Nicht nur in Europa, sondern in der ganzen Welt. Und die Auswirkungen werden auch hier und weltweit zu spüren sein.«
 (Annalena Bearbock, 2022)

Und zu guter Letzt ein bemerkenswertes Zitat

»Die Journalisten waren gleichsam Soldaten in dem Sinne, dass sie der Öffentlichkeit erklären mussten, warum dieser Krieg wichtig ist. Es gehörte zu meinen Aufgaben, sie zu munitionieren, die Lauterkeit unserer Kriegsmotive und unserer Aktionen zu zeigen.«

Nun meine Frage an die dpa-Cleaner:

Stammt dieses Zitat aus der Filmversion, aus der Roman von »1984« oder vom ehemaligen NATO-Sprecher Jamie Shea?

Ein Quantum Trost

Am Ende seines Romans »1984« spendet Orwell seinen Leserinnen und Lesern noch ein ganz wenig Trost:

»Wenn du fühlst, daß es sich lohnt, Mensch zu bleiben, auch wenn damit absolut nichts zu erreichen ist, dann hast du sie besiegt.«

 

Quellen und Hinweise:

Diese Russen schneiden sich selbst zwei Finger ab, Wolf Wetzel: https://overton-magazin.de/kolumnen/kohlhaas-unchained/diese-russen-schneiden-sich-selbst-zwei-finger-ab/

Wer sich genau diese Passage anschauen möchte, der hat bislang noch diese Chance: Friedrich Küpperbusch hat in seinem TV-Portal dies zum Thema gemacht:

Wer hat an meinem Rohr gesägt? Küppersbusch TV: https://www.youtube.com/watch?v=8dyGfmEnfnU

Oder hier:

No Nord Stream 2 if Russia invades Ukraine, President Joe Biden says: https://www.youtube.com/watch?v=oSPfXLPUJHM

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4 Kommentare

  1. >> Unter der Kastanie sicherlich Verriet Ich dich, und Du auch Mich;
    Dort ruhn Sie, hier Du und Ich unter der Kastanie sicherlich! <<

    In jedem Krieg stirbt als erstes die Wahrheit. Die Desinformation feiert den Endsieg bis zum Bitteren Ende.

  2. Bevor ich zum Artikel einen Kommentar schreibe, werde ich erst warten, bis die vorgebrachten Argumente von Faktencheckern geprüft wurden. 😉

  3. Am Ende seines Romans »1984« spendet Orwell seinen Leserinnen und Lesern noch ein ganz wenig Trost:

    »Wenn du fühlst, daß es sich lohnt, Mensch zu bleiben, auch wenn damit absolut nichts zu erreichen ist, dann hast du sie besiegt.«

    Also, obiges Zitat fand ich bislang nicht. Diese Art Trostpreis des moralischen Sieges war der Hauptfigur des Roman »1984«, Winston, nicht vergönnt. Die letzten drei Sätze klingen jedoch als wäre der sich darüber bewusst:
    „Two gin-scented tears tickled down the sides of his nose. But it was all right, everything was all right, the struggle was finished. He had won the victory over himself. He loved Big Brother.“

    In meiner Ausgabe von »1984« steht ein Nachwort von Erich Fromm, daraus dessen in dieselbe „tröstende“ Richtung führende Interpretation der Orwell’schen Warnung zu Beginn der Neunzehnsechziger:
    „the warning is that unless the course of history changes, men all over the world will lose their most human qualitites, will become soulless automatons, and will not even be aware of it.“

    Full text: Afterword to George Orwell’s 1984 by Erich Fromm

    1. Folgendes überschrieb ich vor zwei Jahren mit „Was täten wir alten Knacker ohne „Big Brother“ – sterben gehen?“
      https://www.youtube.com/watch?v=Tnjaqk2AQHc&t=10s

      Focus your eye on the filthy sky
      Just as far as you can see
      Everybody’s getting kinda tired of waiting
      Cause nobody wants to cry
      And nobody wants to die
      Hey big brother, as soon as you arrive
      You better, get in touch with the people, big brother
      And get them on your side, big brother
      And keep them satisfied
      Now that you’ve got the picture
      What you going to do?
      Now that you’ve got the picture
      What you going to do?
      Hey big brother, I know you’re out there somewhere
      If we don’t get our thing together, big brother will be watching us
      He ain’t gonna get me, are you gonna let him get you?
      He’ll never get me, he’ll never get me, no
      Big brother’s coming
      No he’ll never get me, no no no no
      (1971)

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