Offener Brief an Markus Lanz

Hellerhoff, CC0, via Wikimedia Commons

Es ist die hohe Kunst dieses Markus Lanz, sich in einem Debattenraum zu bewegen, der ständig Diversität zu einem Credo erhebt, gleichzeitig aber die Vielfalt nicht erträgt, die in seinem Studio als Gast anderer Meinung eingeladen ist, meint Wolf Wetzel.

Herr Lanz,

warum müssen Sie als Moderator mit ihren öffentlich-rechtlichen Eiern spielen, vor einem Millionenpublikum, in ihrer »eigenen« Sendung? Was treibt Sie zu dieser Entblößung?

Was befriedigt Sie dabei?

Warum verlieren Sie die BeHerrSchung, wenn Sie Argumente hören, die nicht Ihre eigenen sind?

Warum blamieren Sie öffentlich-rechtlich den Grundgedanken einer Kontroverse?

Warum verlieren Sie die Kontrolle, die telegen Nonchalance, wenn Sie argumentativ nicht mehr weiterkommen, wenn Sie einer Widerrede nicht gewachsen sind und folglich einer Frau ständig ins Wort fallen, auf eine penetrante Art und Weise, dass man sich fragt, wie lange hält es eine oder diese Frau bei Ihnen, in Ihrer Nähe aus?

Die Talk-»Show« von Markus Lanz vom 2. Juni 2022

Im Mittelpunkt stand der Ukraine Krieg, also der ab dem 24. Februar 2022, als russische Truppen in die Ukraine einmarschierten. Die Gäste waren alle halb bis voll dafür, »Solidarität«, also Waffenbrüderschaft mit der ukrainischen Armee zu üben, nur die eingeladene Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot war das ausgesuchte, rot markierte schwarze Schaf. Sie widersprach den tapferen Heimkriegerbefürwortern und der Plan ging auf: Die braven, weißen Schafe samt Hirten machten sich über sie her.

Dennoch und gerade deshalb ist diese Talk-Show ein Lehrbeispiel dafür, wie man Vielfalt und Diversität hochhält und als ganz große Errungenschaft abfeiert, wenn diese im ideologischen Niemandsland stattfindet, um damit ganz binäre Herrschaftsverhältnisse zum Verschwinden zu bringen:

Herr und/oder Knecht*in

Man muss es für Schulungszwecke aufbewahren und ich bin mir sicher, dass es auch anderen Herrschaftsformen viel Anregung bietet.

»Markus Lanz« ist ein lebendes und sehr agiles Beispiel dafür, wie divers und genderversiert ein Mann, eine Sendung, ein Moderator sein kann, wenn man seine Meinung teilt, wenn man ihm zur Illustration dient, aber nicht einmal eine moderate Widerrede aushält, wenn sie Herr-schaftsverhältnisse befragt, hinterfragt.

Nein, diese Frau hat nicht zum bewaffneten Kampf aufgerufen, sie hat auch nicht zum Sturz dieser Herrschaftsordnung aufgerufen. Sie hat nur den politischen Monotheismus in Frage gestellt, indem sie Krieg nicht zwingend für richtig hält, indem sie komplexe Machtverhältnisse sichtbar macht, also die Errungenschaft der Aufklärung nutzte und zur Anwendung bringt.

Markus Lanz ist zweifellos ein Mann (mit allen möglichen *****). Aber er ist eben auch ein Mann, der – auf hohem Niveau –widerspiegelt, dass er am Ende seiner »Kunst« ist, dass er die intellektuelle Deckung verliert, wenn er wie ein Dorfschullehrer dreimal einer Frau ins Wort fällt, mit der dümmsten und billigsten Variante aus dem Rhetorik-Schule:

»Es war der 24. Februar, der 24. Februar, der 24. Februar …«

Bringe sie aus dem Konzept, zerreiße ihren Gedankenfaden, indem du ständig etwas Belangloses dazwischenrufst, also ginge es mit diesem Zwischenruf um Sein oder Nicht-Sein.

Genau das tat Herr Lanz auf geradezu peinliche Weise gegenüber Ulrike Guérot:

»Es war der 24. Februar … nicht der xx Februar …es war der 24. Februar, nicht …« als die russische Armee in die Ukraine einmarschiert ist.

Jede und jeder weiß, dass diese Korrektur von entscheidender, von kriegsentscheidender Bedeutung ist. Ganz im Gegensatz zu dem Gedanken von Ulrike Guérot, der schlimmer ist als die Stalin-Orgel:

Mit Blick auf den am 24. Februar 2022 stattgefundenen Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine stellt Ulrike Guérot nämlich fest, dass dabei vier Kriege zu berücksichtigen seien:

Ein Bürgerkrieg (vor Beginn der russischen Invasion) – ein russischer Angriffskrieg – ein Stellvertreterkrieg – und ein Informationskrieg.

Und das war Lanz und Co. dann genau dreimal zu viel.

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15 Kommentare

  1. Und warum muss der erste Satz dieses Offenen Briefes gleich unter die Gürtellinie greifen?
    Helfen Verbalinjurien in der Debatte?

    1. Ja. Ich meine, es ist zu wenig. Wenn der erste Satz darauf hinweist, dass es „auch“ patriarchalische Ansätze hat.
      Es wäre schon verständlicher gewesen, wenn gesagt worden wäre, wie der Brief insgesamt zu bewerten ist.
      Bei allem wie ich es sehe, was falsch sein kann, wird Lanz das aushalten müssen/können. Bei dem Gebrauch von Verbalinjurien ist er bewandert.

      1. Danke für die Kommentare und Anregungen.
        Zu Peters Frage, was ich/wir damit bezwecken, so teile ich seine Sorge. Ich schreibe, weil ich es sonst nicht aushalte und wenn ich das Gefühl habe, wir verändern etwas damit, also tragen dazu spürbar etwas bei, dann fängt für mich Glück an.
        Was die „Verbalinjurien“ mit Blick auf die öffentlich-rechtliche „Eier“ angeht, so ist damit ein wichtiger Punkt angesprochen. Ich glaube, es gibt immer einen sichtbaren Text und einen Subtext. Ich wollte damit direkt und sehr klar den Subtext sichtbar machen, sein sehr widerliches Machtgebaren, das nichts mit einer anderen Meinung zu tun hat, die Markus Lanz zur Genüge darstellt. Ich würde also sehr dafür sein, dass wir beides (auch bei uns) wahrnehmen: Das, was wir in Worte fassen und was sich unterhalb der Worte bewegt.

      2. Lanz mag das aushalten müssen. Ich nicht. Ich steige bei solcher Sprache einfach aus. Das Netz ist voll damit und ich bin satt davon.

  2. Mehr als merkwürdig, wenn mein Kommentar zu dieser Kolumne doch voll des Lobes war….und dennoch nicht veröffentlicht wurde/wird.
    Man will dies offenbar nicht lesen hier.
    „Phantastisch“! Damit hatte ich diesen Beitrag tituliert!
    Die Markus Lanz-Folge hatte ich selbst angeschaut und war zutiefst entsetzt, wie Herr Lanz mit einer Meinung, die moderat und vorsichtig vorgetragen wurde, umgeht, weil sie nicht der längst kriegstreibenden Mainstreamrichtung folgt, der Herr Lanz leider selbst inzwischen komplett verfallen ist…….
    Frau Ulrike Guerot wurde hier regelrecht vorgeführt, man hat sie fertig gemacht und versucht, sie in allem zu diskreditieren, was sie äußert und hat sich dabei aller denkbaren, vorhandenen Klischees bedient……

    1. Keineswegs, es geht nicht um Lanz als Person, sondern wie „wir“ ganz öffentlich mit Meinung umgehen. Lanz zu „feuern“ würde nur Lanz mit anderem Namen aus der Asche erstehen lassen.

  3. Sie durfte ja etwas sagen. Weil – wir haben ja keine Zensur. Dieser Eindruck darf nicht entstehen.
    Immerhin waren sie 4:1 Das sollte in einer Demokratie genügen.
    Dass die Frau so penetrant ist, hat er wohl nicht gewusst.

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