Demnächst brauche ich als Demonstrationsobjekt mal wieder einen Apfel. Nicht für die Geschichte von Eva und Adam, aber für etwas Ähnliches. Kleine Demonstration vor Publikum.
Nun ist bekanntlich gerade so gar keine Apfelzeit in unseren Breiten. Und so frage ich mich: Kann man als umwelt- und vor allem klimabewusster Konsument im frühen Frühjahr mit gutem Gewissen einen Apfel kaufen? Wie ist wohl die Energie- und damit auch Klima-Bilanz eines Frühjahrsapfels – entweder aus Südafrika, Neuseeland oder aus dem Kühlhaus in Europa? Wo steht der Baum der Erkenntnis?
Gibt es derzeit überhaupt hiesige Äpfel im Supermarkt? Ja, gibt es, auch im Bioladen, in großer Menge und gleich mehrere Sorten zur Auswahl. Sowohl deutsche, als auch italienische, als auch Äpfel aus Übersee. Sie sehen überaus knackig aus, wie eben frisch geerntet. Und sie riechen auch noch gut. Wie schaffen die Obstbauern das? Und ist es wirklich sinnvoll, diese „verbotene“ Frucht im Frühjahr aus regionalem Anbau, oder besser aus regionaler Lagerung zu kaufen?
Die Reisefrucht
Der Apfel aus Neuseeland kommt mit dem Schiff. Seine Reise dauert fast einen Monat und führt über den Pazifik, durch den Panamakanal und über den Atlantik bis nach Rotterdam oder Antwerpen – und dann weiter im Kühllaster bis zu unserem Supermarkt oder Bioladen. Das sind rund 23.000 Kilometer auf See und dann noch einmal ein paar hundert Kilometer auf der Straße. Was das bedeutet, hat die Redaktion der WDR-Wissenschaftsendung Quarks vor mehr als zehn Jahren schon von der Universität Bonn ausrechnen lassen: An einem Kilo Äpfel aus Neuseeland hängen 3,06 Megajoule Energie für den Transport.
Das hört sich viel an. Wenn ich allerdings nachschlage, dass die Heizleistung einer Kilowattstunde Strom schon 3,6 Megajoule ist und bei der Verbrennung einer Öleinheit, also eines Kilogramms Rohöl, 41,9 Megajoule Energie frei werden, dann klingt es doch nicht mehr so viel.
Der damalige Umweltbeauftragte von Tchibo hatte mir schon vor gut zwanzig Jahren mal vorgerechnet, dass der Transport des Kaffees keineswegs der größte Treibhausgas-Emittent dieser Bohne ist. Und dass man sehr viel Energie beim Transport einsparen könne, wenn man die Schiffe nicht mit Termindruck über den Ozean hetzt, sondern ihnen Zeit lässt. Ein paar Knoten langsamer fahren sie deutlich energieeffizienter. Nun weiß ich nicht, ob die Schiffe mit den Äpfeln aus Neuseeland unter Termindruck fahren, da sie höchstwahrscheinlich nicht nur Äpfel geladen haben, aber so oder so keimt der Verdacht, dass die monatelange Lagerung im deutschen Kühlhaus vielleicht sogar mehr Energie frisst.
Die Kühlfrucht
In Deutschland gibt es für alles bekanntlich einen Professor oder eine Professorin, oder wenigstens ein Institut mit wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. So ist das auch bei der Kühlung von Äpfeln. Das Institut ist das für Sicherheit und Qualität bei Obst und Gemüse. Es ist angesiedelt unter dem Dach des MRI, des Max-Rubner-Instituts in Karlsruhe. Das wiederum ist das Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel und untersteht dem Landwirtschaftsministerium.
Im Institut für Sicherheit und Qualität bei Obst und Gemüse wird stetig an der Verbesserung der Apfellagerung geforscht. Dort erfährt man, dass der Apfel der Deutschen liebstes Obst ist. Rund 23 Kilogramm Äpfel pro Kopf verzehren wir im Jahr. Da wir nicht in den zwei Apfelerntemonaten im Herbst Tag und Nacht Früchte kauen, ergibt sich aus der schieren Menge, dass Äpfel gelagert werden müssen oder reisen.
Gelagert wird in speziellen CA-Kühlhäusern. CA steht für Controlled Atmosphere und meint im Falle der Äpfel nicht nur die Kühlung, sondern auch die Reduktion von Sauerstoff und die Erhöhung des Kohlendioxidanteils in der Kühlhausluft. In den CA-Kühlhäusern wird die Temperatur je nach Apfelsorte auf knapp Null Grad bis drei Grad plus reduziert, der Gehalt an Sauerstoff in der Luft von über zwanzig Prozent auf eines, und der Gehalt von Kohlenstoffdioxid wird erhöht von rund 0,05 Prozent auf bis zu drei. Dazu wird die Luftfeuchtigkeit in den Kühlräumen stark erhöht, auf durchschnittlich neunzig Prozent, also kurz vor dem Abregnen.
Eine für normales Erdenleben eher unfreundliche Luftzusammensetzung. So soll das auch sein, denn die geernteten Früchte sind keineswegs tote Substanz, die man einfach konservieren kann. Auch geerntete Früchte haben noch einen Stoffwechsel. Ihr Reifeprozess funktioniert allerdings genau andersherum wie die Atmung des Apfelbaums: Er verbraucht Sauerstoff und setzt Kohlendioxid frei. Es entstehen aromatische Gasverbindungen und es entsteht Wasserdampf. Um das alles einzuschränken und die Reifung des Apfels in extreme Zeitlupe zu versetzen, reduziert man in der Kühlhausluft alles, was der Reifeprozess braucht und hindert ihn durch Übersättigung der Umgebungsluft mit den eigenen Zersetzungsgasen daran, diese loszuwerden. Wird der Sauerstoffanteil in der Kühlhausluft unter ein Prozent gedrückt und die Luftfeuchtigkeit über die neunzig Prozent erhöht, lassen sich manche Apfelsorten über ein Jahr lang lagern. Dabei steigt allerdings der Energiebedarf deutlich.
Und um die Energie ging es ja eigentlich. Wie groß ist der Rucksack an Treibhausgasen, den der Apfel im Frühjahr mit sich herumträgt? Was ist klimafreundlicher – wenn es denn Apfel sein muss -, der Reiseapfel oder der Kühlhausapfel?
Die Untersuchung für Quarks durch die Bonner Uni ergab, dass der deutsche Kühlhausapfel deutlich klimafreundlicher ist als der verglichene Reiseapfel aus Neuseeland. Das Kilo Kühlapfel hat bis zum Frühjahr nur 0,97 Megajoule an Energie verbraucht.
Und weiter?
Dann greifen wir doch zum regionalen Apfel? Leider steckt der Teufel wie immer so auch hier im Detail und ich fühle mich an den damaligen Umweltmanager von Tchibo erinnert: Der Transport allein ist nicht das Problem. Die Produktion und Ernte von Äpfeln ist in Deutschland nämlich energieaufwendiger als in Neuseeland. Für das angenommene Kilogramm Äpfel werden hierzulande 2,8 Megajoule gebraucht, in Neuseeland nur 2,1 Megajoule. Das liegt vor allem daran, dass die Bäume Downunder größer werden und viel mehr Äpfel tragen.
Am Ende ist der Vorsprung des deutschen Kühlhausapfels vor dem neuseeländischen Reiseapfel so gering, dass man ihn zunichtemacht, wenn man auch nur anderthalb Kilometer weit mit dem Verbrennerauto zum Einkaufen fährt.
Also was tun? Ist ziemlich einfach: Keine Äpfel mehr essen im Frühjahr und vor allem nicht im Sommer. Nehmen wir doch einfach den im vergangenen Herbst eingemachten Apfelkompott. Obwohl? Wieviel Energie braucht es, um den einzukochen? Diese Frage müssen wir uns jetzt aber nicht mehr ernsthaft stellen, oder? Wir arbeiten doch mit Ökostrom in der Küche, na klar! Oder vielleicht Orangen essen aus Südeuropa. Die wären jetzt die saisonale Frucht. Könnten wir direkt ab Hof bei Crowdfarming bestellen. Dann wären sie reif gepflückt, ohne Klimabehandlung, ungewaschen und nicht gewachst. Und der Klima-Rucksack wäre deutlich kleiner als der der Äpfel.
Guten Appetit!
Dank 1-MCP (1-Methylcyclopropen) kann man Äpfel auch locker 2 Jahre lagern.
Das blockiert den Ethylen Stoffwechsel und stoppt den Reifeprozess.
Auch Birnen, Bananen und vor allem Kiwis halten sich damit sehr viel länger.
(Eigentlich alles außer Erdbeeren.)
Na gut, Vitamine gehen verloren und mikrobiologisch ist der Zustand der Früchte auch nicht mehr immer so toll, aber verkaufen lassen sie sich noch.
Man sieht das dem Apfel außen ja auch nicht an wenn er innen schon fault.
Besonders schlimm ist das bei Birnen. Hier ist bekannt das 1-MCP häufig nicht bis innen wirkt. Außen grün, innen brauner Matsch.
Vor allem aber kommt es häufig vor das das Obst gar nicht mehr nachreift.
Dann bleibt die Birne hart und grün und schmeckt nicht, oder die Banane wird nur grau statt gelb und die Kiwi bleibt hart und wird bitter.
Das ist aber das Problem des Verbrauchers. Verkauft ist verkauft.
Ausgewiesen werden muss 1-MCP übrigens nicht und es ist auch EU-Bio kompatibel.
Wenn der nächste Apfel innen braune trockene Stellen hat (Trockenfäule), dann hat man mit hoher Wahrscheinlichkeit so einen Vorvorjahresapfel erwischt.
Guten Appetit!
Das, ist daß sogenannte Tafelobst für die Untertanen. Bekannt aus Kindergarten, Altenheim, Kantine, Gefängnis und Mietskasernen. Und der Bildungsbürger fragt sich warum essen die Bildungsfernen keine frischen Lebensmittel?
Joe, danke dir für die Richtigstellung!
Gruß Prepperoni
Danke, viel gelernt.
Ich kaufe sowohl Kühlhausäpfel, die als Bio gelten, als auch von einem Bauer mit Streuobstwiese. Der lagert seine Äpfel in der Garage oder Keller und die sind auch bis ins Frühjahr gut. Es geht also auch ohne Kühlhaus. So ging das früher auch. Dazu meine ich einen Unterschied zwischen Kühlhaus- und Streuobstwiesen-Äpfel zu schmecken. Die Streuobst-Äpfel werden reifer geerntet, nicht mit Pestiziden behandelt und der Bauer hat auch viele Sorten. So schmecken die deutlich besser. Äpfel reifen bei der Lagerung auch nach, was ich für sehr wichtig halte. Seither bin ich zum Apfel-Fan geworden. Im Herbst kaufe ich auch Birnen, aber viele Sorten sind wegen dem vielen Zucker schneller verderblich.
Früher mochte ich Äpfel überhaupt nicht und die Supermarkt-Äpfel sind wirklich teils ungenießbar.
Wer einen Italiener auf dem Bauernmarkt hat, sollte wirklich mal Orangen- und Zitrusfrüchte probieren. Auch da ist frische, sauber angebaute Ware absolut nicht vergleichbar mit dem Monsterfraß aus vielen Supermärkten.
Infidel Schtonk’s
Die Äppel haben ne Klimarucksack, daß ist ein großer Umweltschuh! Der Schamane empfiehlt in diesem Fall Schlauchschellen für die Aluminiummütze und ist auch nachhaltiger als Sekundenkleber.
Nuclear Winter is Coming!
“Nuclear Winter is Coming!”
All hail the Bomb!
Vermutlich werden sich die ‘glücklichen’ Überlebenden für ein Glas Apfelmus mit stark gewölbtem Deckel hingebungsvoll tot schlagen; Etwaige Gewissenbisse werden dann im gleichen Gehirnareal entsorgt, das jetzt für den ‘Ökologischen Fußabdruck’ zuständig ist.
Hi Cetzer,
da bleiben einem ja die Gewissens-Bissen im Halse stecken!
(Vermutlich werden sich die ‚glücklichen‘ Überlebenden für eine Portion Soylent Green genüsslich tot schlagen 😉
Vermutlich wurden schon die Neandertaler, einfach alle von den früheren Homo-Sapiens aufgegessen.
Oder wie sagte es der Bertolt Brecht:
wovon lebt der Mensch? Vom Fressen und nicht von Moral!
Mein örtlicher Apfelbauer hat seine Scheunendächer komplett mit Solarpaneelen vollgepflastert, inklusive Batterie in der Scheune, wo die Kühllagerung stattfindet. Da kommt kein “Reiseapfel” aus Neuseeland mit.
Merke: Nicht der Energieverbrauch per se ist die relevante Maßeinheit sondern das zur Energiegewinnung freigesetzte CO2.
Das Grundproblem scheint mir zu sein, dass unsere Vorfahren aus dem tropischen immergrünen Afrika kamen und dass wir hier kaum die Pflanzen anbauen können, die für eine gesunde Ernährung zu allen Jahreszeiten notwendig sind. Glücklicherweise hat sich der Gesundheitszustand der Hiesigen sehr verbessert, seit wir Autos gegen Südfrüchte tauschen.
Und glaubt jetzt jemand ernsthaft, solche individuellen Überlegungen hätten auch nur den geringsten Einfluss auf den Lauf der ökologischen Dinge?