
Seit nun schon über drei Jahren begleite ich mit dieser Kolumne und dem zugehörigen Podcast einen Betrieb einer Bauerngemeinschaft beim Umbau der Landwirtschaft und vor allem der Tierhaltung.
Der Biolandhof ist der von Gönne und Johannes Tams und ihren Söhnen außerhalb des Dörfchens Ausacker auf der Halbinsel Angeln an der Ostsee. Sie sind Teil der Bauerngemeinschaft Hamfelder Hof, die im Süden Schleswig-Holsteins ihre eigene Meierei betreibt. Diese Bauerngemeinschaft hat sich 2020 aufgemacht, ihre ganz eigene Agrarwende umzusetzen und mein erster Blog und Podcast dazu hieß dann auch »Was tun!« Dieses Jahr ist Halbzeit des auf zehn Jahre angesetzten Großprojekts, das auf den gut dreißig beteiligten Bioland-Milchbetrieben fast alles verändert. Auch deshalb ist es Zeit, mal nachzuschauen und zu hören, wie es den Tams und ihren Tieren geht.
Es geht um Klimaschutz, Tierwohl, Biodiversität und faire, zukunftsfähige Arbeitsbedingungen auf dem Land. So hat sich die Bauerngemeinschaft Hamfelder Hof das auf die Fahne geschrieben. Einmal alles und das auch noch schnell und vor allem ohne auf die Politik zu warten, die in Sachen Agrarwende ohnehin längst wieder im Rückwärtsgang fährt.
Kuhgebundene Kälberaufzucht

Wenn es bei den Hamfeldern um den Umbau der Tierhaltung geht, also um das viel beschworene »Tierwohl«, dann geht es bei den Kühen vor allem um den Weidegang, und dann vor allem um die Kleinsten, um die Neugeborenen, den Nachwuchs. Es geht darum, wie die Kälber aufwachsen. Auf dem Hof der Familie Tams sind das die Kälber der roten und rotbunten Anglerkühe, und der Umgang mit ihnen ist ein bisschen wie ganz früher und gleichzeitig ganz modern. Deshalb habe ich diesen Blog auch so genannt: Neues altes Kälberglück!
Denn hier dürfen nun auch die Kälber der Milchkühe ein fast normales Kälberleben führen – sie dürfen am Euter der Kuh trinken. Für ein Säugetier eine völlig normale Angelegenheit. Außer wenn die Mutter eine Milchkuh ist. Dann wird dieser Mutter das Kalb direkt nach der Geburt genommen — und dem Kalb die Mutter.
Weil die sogenannte moderne Landwirtschaft, wenn es um die Produktion von Milch geht, die Kälber üblicherweise von den Müttern trennt, weil das seit Jahrzehnten das normale System der Milchviehhaltung ist, mussten sich die Betriebe, die das nicht mehr tun, einen ganz neuen Begriff dafür ausdenken. Der ist jetzt, je nachdem, wie es genau gemacht wird, »muttergebundene Kälberaufzucht« oder »kuhgebundene Kälberaufzucht«. Johannes Tams nennt das gerne auch mal »adulte Aufzucht«, wenn die erwachsenen Kühe sich um den Nachwuchs kümmern. Kümmern dürfen, muss man eigentlich sagen, denn genau das wird der Milchkuh und dem Kalb im Normalfall versagt.
Mütter und Ammen
Lange haben sie geplant, lange gebaut, viel selbst gemacht, damit das Ganze überhaupt bezahlbar bleibt, oder besser: damit die Schulden tragbar bleiben. Das habe ich beim letzten Bericht über das Projekt der Hamfelder und des Biolandhofs Tams breiter dargestellt.
Jetzt zeigt mir Johannes Tams den fertigen Kälberstall und erklärt seine Funktionsweise. Für den neuen Stall, der eigentlich ein Kuh-Kälber-Stall ist, wurde ein Seitenteil des alten Kuhstalls abgerissen, so dass eine neue Halle dazu gebaut werden konnte. Wobei die nicht geschlossen, sondern an der Stirnseite offen ist.
Wir stehen mit dem Rücken zum alten Kuhstall, der tagsüber leer ist, weil die Kühe auf der Weide sind. Aber die Kälber, die Mütter und die Ammenkühe, die die weitere Aufzucht übernehmen, sind noch nicht auf der Weide. Der Kälberstall ist zwar fertig und voll in Betrieb, aber der direkte Zugang zur anschließenden Weide ist noch Baustelle. »Kommt in den nächsten Wochen«, sagt Johannes Tams, und erklärt, was im neuen Stall bereits passiert.

Er deutet nach links, wo Kälber und Kühe im Stroh liegen. Dort beginnt das Leben der neuen Kälber – in der Abkalbe-Box. Dort bleiben die Mütter die ersten Tage mit ihren Kälbern zusammen, durchaus auch schon in kleinen Gruppen von mehreren Kühen und Kälbern. Und es kann da auch schon eine Amme dazu kommen, also eine Kuh, die aktuell kein Kalb hat, aber die Neugeborenen von den Müttern nach ein paar Tagen übernimmt.
»Wir haben uns für das Ammensystem entschieden«, sagt Johannes Tams. Eine Kuh zieht dabei drei oder vier Kälber groß, je nachdem, wieviel Milch sie hat und wie viele Kälber sie als Amme akzeptiert. »Und dann haben wir uns im zweiten Schritt entschieden, als Ammen immer Kühe zu nehmen, die 120 Tage gemolken wurden.« Vier Monate nach der letzten Geburt sind diese Kühe dann wieder trächtig, aber noch Monate vor dem eigenen nächsten Kalb. Bevor sie dann Amme werden können, wird ihre Milch auf Keime untersucht und ihr Euter auf Gesundheit.
Bei den Tams sind die Kälber jetzt in den ersten Tagen bei den leiblichen Müttern und werden dann von Ammen versorgt. In den ersten Tagen nach der Geburt bekommen die Kälber von ihren Müttern die sogenannte Biestmilch. Das ist die überlebenswichtige Milch, die das Kalb mit seinem künftigen Immunsystem versorgt. Diese Milch bekommen die Kälber – hoffentlich – auch da, wo Mutter und Kalb getrennt werden. Nur muss die Mutter dafür separat gemolken und das Kalb separat getränkt werden.
Nach den ersten Tagen mit dem Kalb gehen die Mütter dann zurück in die Herde, auch weil sie, gerade nach dem Kalben, viel zu viel Milch haben für ein einzelnes Kalb. Wenn sie aber vom Kalb weg immer noch einmal extra zum Melken müssen, ist das Stress für alle Beteiligten.
Ich habe das mit der kuhgebundenen Kälberaufzucht auch schon anders gesehen. Da gab es einen, allerdings sehr großen Rendezvous-Bereich für Mütterkühe und Kälber. Da trafen sich die beiden jeweils vor und nach dem täglichen Weidegang der Mütter. In der Zwischenzeit wurden die Kälber in einer Gruppe von einem Ochsen beaufsichtigt, was dem natürlichen Verhalten von Wildrindern sehr nahekommt. Deren Kälber werden meist von Bullen beaufsichtigt und beschützt, während die Mütter nur ein paar Mal am Tag zu ihrem Nachwuchs gehen.
Wenn man das allerdings in der Landwirtschaft nachahmen will, haben die Melker sehr oft das Problem, dass die Kühe keine Milch mehr geben, wenn zuvor das Kalb genuckelt hat. Dann ist nämlich das Hormon Oxytozin erstmal verbraucht, das für den Milchfluss zuständig ist. Und dann ist Warten angesagt, solange, bis die Kuh wieder genügend Hormone produziert hat.
Vom Nuckeleimer zum Euter
Probleme, die es bei der getrennten Aufzucht der Kälber mit dem Nuckeleimer nicht gegeben hat. Aber wie war das denn bis vor kurzem, als es noch keine kuhgebundene Kälberaufzucht auf dem Hof der Tams gab — und was ist der Unterschied zum neuen System? Das fragt man am besten die Bäuerin denn sie ist es, die traditionell die Kälber aufzieht.

»Ja«, sagt Gönne Tams, das sei traditionell die Arbeit von Frauen und vielleicht noch von Auszubildenden. Wobei sie, als ihre Kinder noch klein waren, es durchaus als Vorteil empfunden habe, nicht im Melkstand zu stehen, sondern eben draußen zu sein, die Kälber zu füttern und das Jungvieh. »Weil die Kinder da mitlaufen konnten. Die hätten ja keine Lust gehabt, die ganze Zeit im Melkstand zu stehen. Haben die auch mal mitgemacht. Aber dann war immer schnell wieder gut und die haben lieber geholfen, die Kälber zu füttern.« So verbanden sich die eigenen Kinder mit denen der Milchkühe.
Hinter dem alten Kuhstall der Tams stehen noch die weißen Iglus, rund geformte Plastikhütten, in denen bis vor kurzem noch die Kälber aufgezogen wurden. Auch mit dieser Form der Aufzucht haben die Tams schon einiges ausprobiert, bis hin zur teilweisen Automation.
»Das war eigentlich so die gängige Praxis, dass man jedes Kalb in einer Einzelhütte hatte und dann mit dem Nuckeleimer versorgt hat«, sagt Gönne Tams. Und das ist auch noch die gängige Praxis bei den meisten Milchviehbetrieben. Später kamen die Kälber dann in Gruppen zusammen und wurden teilweise auch mal mit einem Fütterungsautomat bedient. Das war eine Box, in die sie gehen konnten, und wenn der Computer anhand des Chips in ihrem Halsband feststellte, dass ihnen Milch zustand, dann öffnete er den Hahn.
Dann kamen die Kälberhütten nach draußen und die Milch wurde erst erwärmt und dann mit einem Handwagen rausgefahren, auch bei Eis und Schnee. Was nur für Gönne Tams eine Herausforderung war. Die Kälber fühlten sich das ganze Jahr durch draußen wohl. »Auch mit Schnee auf dem Rücken«, sagt sie. Dann wurde das sogenannte Milchtaxi optimiert, ausgestattet mit einem Thermostat und einer Wärmevorrichtung für die Milch.
Und nun ist diese ganze Technik obsolet. Die Milch kommt immer wohltemperiert direkt aus dem Euter der Kuh.
Kontrolle, Hilfe, Vertrauen
Und was ist sonst noch anders für Gönne Tams, die sich auch weiter intensiv um die Kälber kümmert? »Eigentlich sogar intensiver als früher«, sagt sie. Beim Füttern mit dem Nuckeleimer hatte sie jedes Kalb sowieso mehrmals am Tag vor sich und konnte sehen, wie es ihm geht.
»Das ist jetzt natürlich schwieriger zu erkennen«, sagt Gönne Tams. »Da muss man dann schon immer mal durchgehen und schauen: Wie sieht der Mist aus, wie stehen die Ohren?« Ja, die Ohren. Wir kennen alle den aufmunternden Spruch, dass wir die Ohren nicht hängen lassen sollen. Obwohl wir das ja eigentlich gar nicht sichtbar können. Die Tiere können das schon. »Wenn es einem Kalb nicht gut geht, dann steht oder liegt es in einer Ecke und lässt die Ohren hängen.« Das sei nun aber schwieriger herauszufinden oder überhaupt zu entdecken, als früher bei der Aufzucht mit dem Nuckeleimer.
» Die sind ja jetzt sehr auf die Kühe fixiert« sagt Gönne Tams. Vorher waren die Menschen ihr Versorgungsfixpunkt, weshalb sie immer angelaufen kamen, wenn sie zu den Kälbern ging. Heute muss sie in den großen Boxen zu den Kälbern gehen, um am Ende wirklich alle gesehen zu haben. Durchgehen findet sie auch wichtig, nicht nur zum Sehen, auch zum gesehen werden. Regelmäßige Anwesenheit schafft auch Vertrauen.
Allerdings sind in jeder größeren Gruppe auch immer Kälber, die am Anfang ihres Lebens Hilfe brauchten, Gönnes Hilfe. Und die sind das dann immerhin gewohnt, dass sich ein Mensch intensiver um sie kümmert. Das beruhige auch die anderen, wenn sich ihre Spielgefährten da einfach so streicheln lassen.
Nicht alles funktioniert natürlich immer gleich gut, wenn das Kalb bei der Kuh ist. Nicht jedes Kalb weiß sofort, wo der Euter ist und was es zu tun hat. Manche sind schwach und finden sich nicht zurecht, auch nicht allein mit der Fürsorge der Mutter. Da braucht es helfende Hände – und eben dann auch mal die Nuckelflasche. »Wie alle Babys haben auch Kälber manchmal Bauchschmerzen und mögen keine Milch trinken«, sagt Gönne Tams. Dann kommt sie mit warmem Wasser, das mit Elektrolyten angereichert ist, also mit Spurenelementen, Salzen und Zuckern.
»Das ist jetzt schon sportlich, wenn man kommt und sagt: Hier, ich gebe dir jetzt aber mal was extra aus der Nuckelflasche und die kennen das nicht«, sagt Gönne Tams. Aber es müsse halt sein, da müsse sie dann halt rein und auch mal ein Kalb festhalten, bis es die Medizin geschluckt hat. »Wir wollen die natürlich auch nicht da rausnehmen. Die sollen ja auch weiter bei den Kühen nuckeln können.«
Es gibt allerdings auch Kälber, die genau das ganz offensichtlich nicht wollen. Eines hatten sie bisher, das nicht an die Mutter und dann auch nicht an die Amme gewöhnt werden konnte, weder von den Kühen, noch von den Menschen. Johannes Tams zeigt es mir. Es ist das kleinste Kalb in der Gruppe, die noch die letzte ist, die am Nuckeleimer aufwuchs. Es hätte die Mutter annehmen müssen und die Amme annehmen sollen. »Siehst du«, sagt Johannes Tams und zeigt auf den kleinen Bullen, »er will den Nuckel. Er sagt Nein zur Natur. Damit muss man dann auch leben.« Bei naturnahen Gegebenheiten, selbst bei ei er Geburt nachts auf einer Weide, könnte dieses Kalb schon gestorben sein. Aber nicht in menschlicher Obhut. »Er ist in unserer Fürsorge und wir sorgen dafür, dass er durchkommt«, sagt Johannes Tams.
Fürsorge und Verantwortung

Und wenn dann demnächst die letzte Baustelle am neuen Stall fertig ist und das Tor zur Weide aufgeht, wird sich das ganze neue Aufzuchtsystem noch einmal neu darstellen. Dann gibt es da draußen eine Ammen-Kälber-Herde. Zusätzlich zu der Herde der rund 160 Milchkühe und zu den beiden Herden mit jeweils dreißig Ochsen und Färsen, die als Nachzucht auf einer zweiten Hofstelle gehalten werden.
Denn auch das ist Teil des Umbaukonzepts der Bauerngemeinschaft Hamfelder Hof: Es werden keine Kälber mehr irgendwohin verkauft. Auch die Bullenkälber, die Milchhöfe üblicherweise abgeben, werden mindestens zwei Jahre lang aufgezogen. Wobei sie bei den Tams keine Bullen bleiben. Sie werden Ochsen. Nicht testosterongetrieben sind auch männliche Rinder nämlich ganz gelassene und sehr freundliche Tiere und sie können auf einer Weide gehalten werden, die nicht zum Hochsicherheitstrakt ausgebaut wurde.
Ausführlicher habe ich das bereits in dem Blog und dem Podcast »Baustelle Tierwohl« beschrieben, jetzt will ich aber nochmal nachfragen, was diese Entscheidung für die Tams bedeutet.
»Was das bedeutet, wenn man sagt: Für alles, was hier geboren wird, übernehmen wir die Verantwortung für mindestens 24 Monate?« das sei ihm erst klar geworden, als die Entscheidung gefallen war, dass sie die Nachzucht nicht mehr abgeben wollen. Das habe seine Sicht auf das Ganze verändert.
»Wir reduzieren uns nicht mehr nur auf eine Sache, wir schauen nicht mehr nur darauf, möglichst günstig zu produzieren. Wir schauen auf das Ganze.« Gerade bei der Milchproduktion geht es meistens nur um die Leistung der Tiere. Höhere Leistung, optimierte Leistung, beste Futterverwertung — das sind die Stichworte. Die gelten aber nicht mehr, wenn es plötzlich um die möglichst naturnahe Aufzucht der Kälber geht, wenn Tierwohl wichtiger als Output ist. »Ich weiß gar nicht, ob diese Aufzucht der Kälber sich wirtschaftlich darstellen lässt«, sagt Johannes Tams. »Aber was ist denn die Wirtschaftlichkeit? Wenn ich nicht reduziert arbeite, sondern ganzheitlich arbeite und denke, dann erfahre ich ja einen gewissen Reichtum. Und der könnte mich ja auch schon wieder stark machen für neue Gedanken, für eine Zufriedenheit und dann passt nachher auch der Gewinn vielleicht dazu. Ich kann noch nicht sagen, wie unser Gewinn sich entwickelt. Dafür braucht es jetzt einfach ein paar Jahre. Aber ich bin eigentlich zuversichtlich, dass wir auf jeden Fall eine große Zufriedenheit erreichen.«
Tatsächlich hatte Johannes Tams schon bei der systematischen Er-klärung des neuen Stalls gesagt, dass er gar nicht wisse, ob sich diese neue alte Art der Kälberaufzucht tatsächlich »am Ende wirtschaftlich darstellen lässt«. So hatte er es ausgedrückt, wohl um nicht zu sagen, dass das Ganze vielleicht auch ein Zuschussgeschäft werden könnte, rein finanziell betrachtet. Was die Lebensqualität und die Zufriedenheit von Tier und Mensch angeht ja wohl offenbar nicht.
Wobei – natürlich produziert die Bauerngemeinschaft Hamfelder Hof jetzt nicht Ochsenfleisch ins Blaue hinein. Das ganze Projekt des Umbaus der Höfe ist ja auf zehn Jahre angelegt und hat sich Ziele gesteckt. Dazu gehört der tägliche Weidegang aller Tiere, soweit die Witterung das zulässt. Dazu gehören größere Ställe, als das selbst der Anbauverband Bioland vorschreibt, mit ganzjährigem Auslauf. Dazu gehört die kuhgebundene Kälberaufzucht. Und dazu gehört eben die Aufzucht des ganzen Nachwuchses.
Für die Finanzierung des ganzen Projekts hat die Meierei Hamfelder Hof ganz am Anfang den Milchpreis erhöht. Damals stand auf den Milchtüten plötzlich: »Es ist riskant. Wir wagen es trotzdem: Wir erhöhen unseren Milchpreis um 20 Cent.« Seit damals erklärt die Bauerngemeinschaft ihr Konzept auf den Milchtüten — und natürlich im Netz. Und seitdem ist es ihr gelungen, sich am Markt zu halten und den Umbau der Höfe zu finanzieren, trotz der Absatzkrise, die der zweite Ukrainekrieg für die Biobranche mit sich brachte.
Und natürlich gab es auch eine Vermarktungsidee für das Fleisch, das durch die Nachzucht unweigerlich irgendwann anfällt. Und die ist in zwischen auch umgesetzt. Es gibt vier zertifizierte Schlachthöfe, die so gelegen sind, dass kein Tier weiter als sechzig Kilometer gefahren werden muss. Und es gibt einen Vermarkter, der dann die Schlachtkörper transportiert, nicht die lebendigen Tiere. Und dieser Verarbeiter hat sich bislang auch an die Verabredung gehalten, anständige Preise zu bezahlen. Aber bislang ist das System, was den zusätzlichen Fleischverkauf angeht, auch noch ganz am Anfang.
Und weiter

Nicht nur, wie das mit der Vermarktung der eigenen Produkte weitergeht, mit der Milch, den Milchprodukten und am Ende auch dem Fleisch, ist nicht abschließend geklärt. Auch ob alle Höfe den Umbau der gesamten Landwirtschaft tatsächlich durchhalten können, wird sich erst am Ende zeigen. In der Krise ist die Bauerngemeinschaft zwischenzeitlich auch mal geschrumpft.
Nicht einmal, wie sich die Kuhherde entwickelt mit der neuen Kälberaufzucht, ist so richtig klar. Eigenständiger werden diese Tiere wohl sein, als die mit dem Nuckeleimer aufgezogenen. Vielleicht auch selbstbewusster. Johannes Tams meint, der soziale Zusammenhalt in der Herde dürfte stärker sein als früher. Und auch Gönne Tams ist gespannt, wie der neue Umgang sich in Zukunft auswächst.
»Was kommen da wohl für Tiere auf uns zu?« fragt sie sich. Die erste Generation Kälber haben sie jetzt durch das kuhgebundene Aufzuchtsystem geschleust. Nach gut vier Monaten sind die ersten Kälber jetzt abgestillt. Noch ginge sie ja jeden tag durch den Stall und sehe jedes Kalb und jedes Kalb sehe sie. Demnächst aber sei der Zugang zur Weide fertig. Das reduziert ihre Präsenz und die der anderen Menschen. Und dann? »Wie sich langfristig dann die Herdendynamik entwickeln wird, das kann man jetzt überhaupt noch nicht absehen.«
Soweit für heute die Geschichte der Bauerngemeinschaft Hamfelder Hof, soweit ich sie über den Hof erzählen kann, den ich seit drei Jahren bei seiner eigenen Agrarwende begleite.
Wer nachhören oder nachlesen will, wie sich das Ganze entwickelt hat und was dabei gedacht und gesprochen wurde, lese den Blog oder höre den Podcast mit dem Titel »Was tun!«, dann den Blog und den Podcast »Millionen fürs Tierwohl«, und Blog und Podcast zum »Projekt Glückliche Kuh« und zuletzt Blog und Podcast zur »Baustelle Tierwohl«.
Die Produkte der Bauerngemeinschaft gibt es unter dem Label Hamfelder Hof im Norden Deutschlands, in Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg, und da nicht nur im Bioladen, sondern auch in den konventionellen Supermärkten.
Ähnliche Projekte gibt es auch in anderen Teilen der Republik, nicht so geballt und auch nicht immer so konsequent, wie bei den Hamfeldern, aber in die gleiche Richtung unterwegs. In Hessen die Upländer Bauernmolkerei zum Beispiel. Und anderswo auch einzelne Höfe, die auf kuhgebundene Kälberaufzucht umgestellt haben. Es lohnt sich, sie durch Einkaufen ihrer Produkte zu unterstützen. Zumal in Zeiten, in denen Klima-, Biodiversitäts- und Bodenkrise und das Tierwohl wieder ganz aus dem Blick geraten.
Danke für den Artikel,
und der Mustache ist voll korrekt!
Ähnlich wie sich das arrivierte städtische Bürgertum früher Ammen leistete, so machen das heute die häufig kinderlosen oder nach kurzem Mutterschaftsurlaub wieder berufstätigen und gut verdienenden Performer mit kuhgebundener Kälberaufzucht, dafür die Kinder in den Kitas.
Parole Saltimbocca [spring in den Mund] und Schatz, wer holt morgen die Kinder ab.
Sehr dafür! Industrielle Fabrikation gehört in die Fabrik und nicht in den Kuhstall. Die Rückkehr zu natürlichen Prozessen ist mehr als wünschenswert. Ich kann mir vorstellen, dass diese Art der Tierhaltung mit weniger Medikamenten und Hormonen auskommt, als herkömmliche Haltung.
War nicht Cem Özdemir diesbezüglich unterwegs? DeepSeek weiß:
„Özdemirs Reformen sind ein Schritt in Richtung mehr Tierwohl, aber im Vergleich zu Skandinavien, den Niederlanden oder Österreich fehlen verbindliche, strenge Vorgaben. Vor allem bei Schweinehaltung und Transporten bleibt Deutschland deutlich hinter den Möglichkeiten.“
Das unter anderem war das Ziel der „Bauernproteste“, auf die Rechtsradikale aufgesprungen sind. Was von Baurnpräsident Ruckwid bemerkt und scharf verurteilt wurde. Aber das Resultat ist, dass auch bescheidene Reformen nicht zum Zuge kamen.
In USA haben wir derzeit ein massives Bienensterben, dessen Ursache nicht festgestellt werden kann, weil alle kompetenten Wissenschaftler entlassen wurden. DOGE eben. Der Verdacht ist, dass dies davon kommt, dass längst verbotene Giftstoffe wieder zugelassen wurden. So sieht Landwirtschaft unter Rechtspopulisten aus: massiv Herbizide und Pesizide, Massentierhaltung und keinerlei Artenschutz. Behaupte niemand, dass das bei der AfD anders sei.
In den USA sterben die Bienen da sie auf Sattelzügen durch das ganze Land gekarrt werden.Das bedeutet für die Tiere Streß und Verluste werden einkalkuliert denn das Bestäubungsgeschäft rechnet sich. Neulich ist ein 40-Tonnen-Sattelzug mit Bienenvölkern am hellerlichten Tage in einem Unfall verwickelt worden, der Highway war über Stunden gesperrt der Sherriff mußte die Tiere erlösen.
(…offenbar war der Fahrer eine Kurve zu eng gefahren sein Anhänger kippte …)
https://www.n-tv.de/mediathek/videos/panorama/250-Millionen-Bienen-schwirren-um-Unfall-Lkw-article25804414.html
Normalerweise gilt in der Wanderimkerei das Verlegungen nur Nachts oder Frühmorgens passieren um die Tiere zu schonen nicht in der prallen Mittagshitze wenn sie aktiv sind. Aber wen interessiert das schon im Land der unbegrenzten Unmöglichkeiten.
Was die Frage nach den Medikamenten angeht: Bei dieser Art der Tierhaltung lernst du den Tierarzt tatsächlich nicht so gut kennen. Nicht nur die Kälber, auch die erwachsenen Tiere sind deutlich gesünder.
Vielen Dank!
Sehr schön. Was für ein Unterschied zu den Kälbern, die (oft) allein mit krummem Rücken in ihren winzigen Buchten stehen und den ganzen Tag vor sich hin vegetieren.
Der Hof Stolze Kuh macht das schon seit langem, inzwischen werden ihre Tiere auch nicht mehr in den Schlachthof mit viel Stress gekarrt, sondern auf der Weide geschossen.
Der Joghurt von dort war köstlich, ebenso der Käse. Leider haben sie das aufgegeben, wegen zu viel Arbeit und sie haben offenbar niemanden gefunden, der die Käserei wieder übernimmt.
https://www.youtube.com/watch?v=1lxzP8mEQEE
Viele kleine Bauernkäsereien mussten die letzten Jahre aufgeben, weil die EU-Auflagen für solche Kleinbetriebe zu teuer und zu sinnlos sind.
Danke, das kann natürlich noch dazu kommen. Jedenfalls für mich ein herber Verlust.
Schöne Idylle, aber unter „Marktwirtschaft“, kapitalistischen Produktionsverhältnissen (PV) wohl auch Roulette.
Man muss ja einen Markt bedienen, da entscheidet der Preis. Der Bio-Markt ist begrenzt und steht mit „Kanonen statt Butter“ unter Druck, der Bevölkerungsanteil, der sich höhere Preise leisten kann, wird auch kleiner.
Tatsächliche durchgehende naturgerechte Tierwirtschaft kann es nur unter PV geben, die auf den Bedürfnissen und nicht auf dem Wert aufgebaut werden.
👍👍👍
Ich bin vegan
Neuer Noenazi-Code von Neonazis um im Gespräch sich verdeckt zum Rassismus zu bekennen
???
Wie „codes“ entstehen ist mir schleierhaft. Seit langer Zeit gibt es Menschen, die als 2. Buchstabenfolge auf ihrem KFZ-Nummernschild z. B. AH (Angela Hinterhuber), HH (Hanse Hamburg) oder als Nummer 204 wählen. Weil sie einfach nicht wissen, welche Zahlen und Buchstabenkombinationen die Schützer „unserer“ Verfassung als (neo)nazistisch definieren .Sie heißen einfach Albert Hofmeister oder Hansi Hinterhofer. Abkürzungen typisch norddeutscher Namen kann ich leider nicht verwenden, weil sie mir nicht vertraut sind. Vielleicht dürfen demnächst Menschen die am 20. April geboren sind ihr Gebustsdatum gar nicht mehr aufschreiben, vor lauter Schutz.
Die (Durch)Setzung von Symbolen ist seit Jahrtausenden ein Zeichen von Macht. Wie gegenwärtig das im Regenbogen aufscheinende Farbenspiel, das als Symbol gerne verwendet wird – in welcher Reihenfolge der Farbstreifen auch immer. Und alle Kombinationen „sagen“ angeblich etwas.
Vielleicht ist der wesentliche Inhalt dabei folgender: “ Bei mir reicht´s nicht zu sprachlicher Verständigung.“