Die Abkehr von der Radikalität!

Fisch und Gemüse
Quelle: Pixabay

Warum gute Vorsätze so schnell scheitern – und wie man das Gehirn austrickst.

Mal Hand aufs Herz: Wir kennen doch alle diese Momente, in denen wir inspiriert sind – sei es durch ein Buch, einen Vortrag oder einen Zeitungsartikel – und uns sagen: „Jetzt ändere ich mein Leben!“

Und wie lange hielt dieses Gefühl? Einen Tag? Eine Woche? Oder genau bis Montagmorgen, wenn der Wecker klingelte, der Zucker den Kaffee versüßte und die Currywurst in der Kantine lockte?

Die Wahrheit ist unbequem: Unser Wille ist schwach. Und nein, das liegt nicht an mangelnder Disziplin, sondern an unserem Gehirn, das darauf programmiert ist, Energie zu sparen. Veränderungen sind anstrengend – und das Hirn liebt die bequeme Autobahn der Routine.

Kleine Schritte statt große Töne

Der größte Fehler: Wir wollen alles auf einmal. Vielleicht setzen wir uns unbewusst durch unser Umfeld unter Druck, indem wir verkünden: Ab morgen vegan, täglich joggen, Bio einkaufen, Yoga um sechs. Klingt toll und ambitioniert, endet aber oft schon nach wenigen Tagen in Kapitulation und Rückfall in alte Muster. Erfolg haben nur die, die klein anfangen.

Ein Schuss mehr Gemüse auf dem Teller. Hafermilch statt Kuhmilch im Kaffee. Ein kurzer Spaziergang nach Feierabend. Winzige Schritte, die das Hirn nicht als Revolution, sondern als nette Abwechslung wahrnimmt.

Mach Trigger zu deinen Freunden

Unser Gedächtnis ist träge. Deshalb brauchen wir Tricks. Trigger heißen die magischen Knöpfe, die Handlungen für unser Gehirn automatisch starten: die Yogamatte im Blickfeld, das Lieblingslied als Startschuss fürs Training, die Gemüsesticks, die beim Anschalten des Fernsehers schon bereitstehen.

So funktioniert übrigens auch das Händewaschen: Sobald Wasser läuft, greifen wir instinktiv zur Seife. Kein Nachdenken nötig – genau da wollen wir hin.

Noch ein Beispiel: das Tischgebet. Nein, Sie müssen nicht religiös sein. Ein kurzer Dank an die Natur, an die Bienen, an die Bauern – was auch immer sich gut anfühlt – und plötzlich essen wir bewusster. Statt nebenbei Netflix zu streamen, riechen, schmecken, fühlen wir die Mahlzeit wieder. Klingt banal, ist aber eine stille Revolution gegen Fastfood und Sinnesverwirrung durch Chips und Light-Produkte.

Gutes Belohnen statt schlechtem Gewissen

Viele scheitern, weil sie Belohnungen falsch einsetzen. Wer sich nach dem Joggen mit Kuchen belohnt, sendet dem Gehirn ein fatales Signal: „Das war echt hart, ohne Zucker geht’s nicht.“ Schlauer ist: Belohnen währenddessen! Lieblingsmusik beim Sport, ein guter Podcast beim Putzen, eine schöne Tasse Tee beim Arbeiten. So wird die Tätigkeit selbst positiv besetzt.

Ein weiterer Tipp: Hören Sie auf, sich fertigzumachen, wenn Sie „schwach“ werden. Die Sofa-Stunde oder die Currywurst sind kein Weltuntergang. Entscheidend ist, ob Sie am nächsten Tag weitermachen. Unser Gehirn liebt Lob – also feiern Sie lieber jeden kleinen Schritt, statt die Fehler zu zählen. Und ein kleiner Schritt kann eben auch sein: nach der Currywurst noch einen kurzen Spaziergang zu machen.

Revolution – aber im Schneckentempo

Wir überschätzen unseren Willen und unterschätzen unsere Routinen. Wer langfristig etwas ändern will, braucht nicht den eisernen Vorsatz, sondern konsequentes Dranbleiben: kleine Schritte, kluge Trigger, Belohnung im richtigen Moment. So wächst echte Veränderung – leise und unaufhaltsam.

Alles andere sind gute Vorsätze. Und die landen bekanntlich früher oder später im Papierkorb.

Kurzer Spickzettel: So klappt’s wirklich

StrategieBeispiel
Klein anfangenMorgens Gurkenscheiben statt Wurst aufs Brot
Konkrete Ziele„Hafermilch im Kaffee“ statt „weniger Milch“
Trigger nutzenYogamatte liegt bereit, Lieblingssong läuft
Belohnung einbauenMusik beim Sport, Podcast beim Putzen
Selbst lobenKleine Erfolge feiern statt Fehler zählen

Die beste Medizin kommt aus der Küche – der neue Podcast ist da

Wer jetzt Lust bekommen hat, tiefer einzusteigen, dem sei der unser neuer Podcast “Die beste Medizin kommt aus der Küche” der Wolfgang Wilmanns Stiftung empfohlen. Einmal im Monat sprechen wir hier über die großen Fragen unserer Ernährung – nicht nur, was sie mit unserem Körper macht, sondern auch, welche Spuren sie bei Umwelt und Klima hinterlässt. Wissenschaftlich fundiert, alltagsnah erklärt und immer mit praktischen Tipps, die sofort umsetzbar sind.

Den Auftakt macht eine Folge, die nahtlos an das Thema dieses Artikels anschließt: Zucker. Warum er so schwer zu meiden ist, wie wir ihn Schritt für Schritt reduzieren können – ganz ohne das Gefühl, permanent verzichten zu müssen – und was uns dabei hilft süße Gewohnheiten nachhaltig zu verändern.

Reinhören lohnt sich: Jetzt abonnieren auf Spotify, Apple Podcasts und überall, wo es Podcasts gibt! Link: https://die-beste-medizin.podigee.io/

Mehr zum Thema Krebs finden Sie auf der Website der Wolfgang Wilmans Stiftung.

Volkmar Nüssler

Prof. Dr. Volkmar Nüssler ist in Dresden geboren und aufgewachsen. Sein Medizinstudium hat er in seinem Geburtsort begonnen und in München abgeschlossen. Er ist Arzt für Krebserkrankungen und war von 1998 bis 2022 Geschäftsführender Koordinator des Tumorzentrums München (TZM). In dieser Funktion initiierte er bereits 2010 die Gründung einer psychosozialen Beratungsstelle für Krebspatientinnen und -patienten sowie ihre Angehörigen.
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6 Kommentare

  1. Gurkenscheiben aufs Brot ? bio öko aus
    dem Glashaus – nachhaltig, gepflückt von zertifizierten Ernte- Sklaven in Südeuropa aus Indien/Marokko/xyz. – ja, freiiiili .

    1. Gurkensandwiches nur zum Afternoon Tea, das zeigt den wahren Dandy Status.

      Morgens den Tag mit 200 Gramm Haferflocken, gebratenen Würstchen & Speck, Rührei oder TexMexPizza, Chili con Carne und Schwarzen Kaffee begrüßen.

      Ein Mann isst Morgens immer genug das er den ganzen Tag Leistungsfähig bleibt.

  2. „Belohnung einbauen“
    Rückwärtsquiz: Wofür gibt es denn eine GANZE Bratwurst als Belohnung? Als besonderes Schmankerl sogar aus prominenter Hand¹?

    ¹leider nicht ganz sauber im Sinne von ‚mani pulite‘

  3. Also bei mir geht das so:

    Morgens eine schöne Tasse schwarzer Kaffee mit Sahne (32%), dazu eine selbst gedrehte, aus bestem
    Virginia Tabak. Yoga Matte habe ich keine. Aber dafür bin ich kerngesund und guter Dinge. 😇
    Mit Gurkenscheiben auf’m Brot kann ich auch nicht viel anfangen. Dann lieber doch Salami oder Schinken.

    Aber jedem Tierchen sein Plessierchen. Leben und leben lassen.

  4. Mir ist es immer relativ leicht gefallen auf irgendwas zu verzichten…. Nie geraucht, immer gesund gelebt, viel Sport!

    Aber was hab ich davon?

    Mit 51 Jahren Lungenkrebs! Inzwischen der zweite Tumor mit 53 Jahre und Stadium 4a.
    Auf etwas verzichten ist keine Garantie dass man später gesund bleibt!

    Vielleicht heißt es aber auch dass ich vielleicht ein paar Jahre länger den Krebs bekämpfen kann. Ich bin wahrscheinlich trotz andauernder Krebstherapie, die einen wirklich die Schuhe auszieht, hier deutlich fitter als sehr viele „Gesunde“ in meinen Alter…

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