Der Empfänger einer Nachricht entscheidet über die Bedeutung

sprechen, Symbolbild
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Ein erklärtes Ziel der Sprachreformierungsbestrebungen ist es, dass möglichst niemand durch Sprache verletzt oder ausgegrenzt wird. Bei genauerem Hinsehen gilt dieses Ziel häufig nur gegenüber sogenannten marginalisierten Gruppen, Unterdrückten oder vom Diskurs Ausgeschlossenen.

Denn auch für jene, die dafür plädieren, nicht verletzende Sprache zu verwenden, ist es durchaus legitim, Menschen als Unterdrücker oder gar als Faschisten zu bezeichnen, solange diese sich gegen ihre Ideen stellen.

Ein Buchauszug aus »Politische Korrektheit, Wunschdenken und Wissenschaft. Das Versagen der Universitäten im Diskurs um Sprache«.

Wer aber entscheidet darüber, was verletzend ist? In der Regel bekommt man als Antwort darauf zu hören, dass es der Rezipient, also der Hörer oder Empfänger von Worten, ist, der diese Entscheidung treffe. Wir wissen bereits, dass Austin dem kaum zugestimmt hätte, schließlich hatte die Intention des Sprechers einen festen Platz in seiner Untersuchung von Sprechakten. Woher kommt also die Annahme, dass die Person, die sich möglicherweise verletzt fühlen könnte, darüber entscheidet, wie eine Aussage tatsächlich zu verstehen sei?

Bedeutung ohne ein Zentrum schwer vorstellbar

Wir befassen uns nun mit einem französischen klassischen Philologen und Literaturkritiker namens Roland Barthes (1915–1980), der geprägt von Foucault und Derrida ebenso auf Saussure zurückgreift wie diese.[1] Lévi-Strauss führt er ebenfalls als für ihn richtungsweisend an und Objektivität oder Klarheit hielt er für historisch veraltete Kategorien.[2] An sich schreibt Barthes in einem weniger mühsamen Stil als viele seiner Vorgänger, aber das Bedürfnis, seine Behauptungen zu begründen oder argumentativ zu untermauern, scheint er über weite Strecken nicht zu haben.[3] Davon abgesehen beginnt er gerne Sätze mit den Worten »Wir wissen heute« oder »Aktuelle Studien haben gezeigt«, ohne jemals eine Quelle dafür zu liefern.[4] Woher er seine Informationen nimmt, bleibt daher schleierhaft. Wissenschaftliche Methodik scheint ihm veraltet.[5]

Zumindest befasste Barthes sich mit Saussure[6] und trug dazu bei, den Strukturalismus in der Literaturwissenschaft zu etablieren. Während einige Barthes’ Zugang für eine Missinterpretation des CLG hielten, waren andere überzeugt, er habe Saussures inhaltliche Nachfolge angetreten, ihn konsequent weitergeführt und eine Semiologie begründet, wenngleich es wohl kaum eine solche sein dürfte, die Saussure im Sinn hatte.[7] Auf Derrida griff er ebenfalls zurück: Offenbar hatte ihn insbesondere ein Vortrag beeindruckt, in dem Derrida vom Autor als gottgleicher Quelle der Bedeutung eines literarischen Textes sprach und postulierte, dass Bedeutung ohne ein Zentrum schwer vorstellbar sei.[8]

Wie kommen wir also dazu, dass der Empfänger einer Nachricht einzig und allein über den Inhalt einer Aussage entscheidet? Wenn ein Zeichen uns niemals zur Realität, sondern nur zu anderen Zeichen führt, dann handelt es sich um ein leeres Zeichen im Imperium der Zeichen. Von diesem Standpunkt aus interpretiert Barthes neu, was Leser, was Autor, was Text und was Bedeutung ist.[9] Dies geschieht primär in seinem berühmt gewordenen Vortrag über den Tod des Autors.[10]

Gedicht oder Aussage kann niemals isoliert stehen?

Narrative, so Barthes, würden nur unter der Grundannahme eines Adressaten und eines Adressierten und ihrer Positionen verstanden. In der Literaturkritik gibt es dann den Versuch, hinter dem Text den Autor zu entdecken. Angelehnt an den Strukturalismus geht Barthes aber davon aus, dass es diese Struktur sei, die in Wahrheit den Text bilde, und hier sei der Autor unnötig, da der Text vom Leser aktualisiert, also mit Bedeutung entsprechend der Struktur der Sprache aufgefüllt würde, daher müsse man auf etwaige Absichten eines Autors keine Rücksicht nehmen. Der Autor, den man im Text zu finden vermeine, folge nur den Regeln der Sprache und der Leser folge den Regeln ebendieser Codes und Praktiken, wie sie in der Gesellschaft wahrgenommen würden. Der Autor sei demzufolge nur dazu da, Bedeutung zu stabilisieren und dadurch auch das moderne Konzept der westlichen Gesellschaft von Wahrheit.[11]

Literatur würde somit für die dominante Gesellschaft nur Konsumzweck sein: ein Buch kaufen, lesen, seine am Autor fixierte Bedeutung finden, es daher also verbrauchen, ein neues kaufen.[12] Bewusstsein bei Barthes ist etwas Intersubjektives und Realität wird zum unbegrenzten Text der Gesellschaft. Er schließt daraus, dass es eben nichts außerhalb von Text gebe, und nach wie vor wird seine Position mit der Derridas gleichgesetzt.[13] Weil Bedeutung immer nur in Relation zueinander existiere, gebe es gar keine Literatur im Sinne von Romanen oder Gedichten. Wo sind die fehlenden Denkschritte, die von dem einen zum anderen führen? Erstens geht man davon aus, dass Zeichen nur in Unterscheidung voneinander Bedeutung haben. Zweitens nimmt man an, dass folglich ein Gedicht oder eine Aussage niemals isoliert stehen kann. Drittens setzt man voraus, dass, wenn es kein isoliertes Gedicht gibt, ohnehin gar kein Gedicht für sich selbst existiert.

Die erste Annahme mag korrekt sein unter dem Gesichtspunkt, dass damit das gemeint ist, was bei Saussure eine ideale Vorstellung von Sprache ist (die langue), die er jedoch von der ausgeformten, verwendeten, ausgesprochenen, ausgeschriebenen Sprache mit all ihren Verbiegungen und Fehlern (die parole) trennt. Denn in der Sprache, wie wir sie konkret verwenden, kann sie, da sie einen Kontext hat, sehr wohl gedeutet werden.

Der Mensch existiert nicht vorsprachlich

Bei der zweiten Annahme hängt es nun davon ab, wie wir »Isolieren« verstehen wollen: abgeschnitten von allen anderen Äußerungen? Dann ist die zweite Annahme natürlich wahr, aber dafür benötigt man wirklich keine linguistische Theorie – Zeichen, isoliert ohne System, ergeben keinen Sinn oder lassen keine möglichen beziehungsweise sinnvollen Interpretationen zu. Wenn isoliert hier jedoch meint in Unterscheidung zu anderen Äußerungen, wäre die zweite Annahme bereits falsch, und davon hängt ab, ob die dritte Annahme, dass es gar kein Gedicht gibt, entweder falsch oder bedeutungslos ist.[14] Bar­thes gibt uns also keine logisch schlüssige Erklärung dafür, dass der Leser allein über die Bedeutung entscheidet. Ebenso keine, warum denn alles Text sei, außer dem, was er aus Derrida herauszulesen scheint. Während er zum Beispiel behauptet, dass im System der Mode als eigenständigem sprachlichen Code die Substanz des wirklichen Kleidungsstückes, seine materielle Beschaffenheit, unter dem Druck des ihm auferlegten Sinngehaltes verdampfe,[15] so hat man den Eindruck, dass seine Erklärungen unter dem Druck seiner eigenen Behauptungen verdampft sind.

Barthes wirft ohne weitere Erklärungen mit Sätzen um sich wie »Die Unterscheidung von Form und Inhalt stellt eine falsche Dichotomie dar. Inhalt selbst ist eine Form, ein Code«.[16] Nicht nur wir sind überrascht, dass er eine derart zentrale Rolle in der Verschiebung von Strukturalismus zu Poststrukturalismus eingenommen hat, denn er behandelt sprachliche Zeichen so, als wären sie das Gleiche wie nicht-sprachliche Zeichen und ignoriert Teile der vorhergehenden Theorien, wenn es ihm gerade passt.[17] Er behauptet außerdem, dass, wo Bedeutung ist, auch ein System sei, was natürlich nicht wahr ist, denn natürliche Zeichen, wie zum Beispiel tieffliegende Vögel, haben ebenfalls Bedeutung. Es wäre aber weit hergeholt zu glauben, dass dies einem System geschuldet sei.[18] Angelehnt an den französischen Psychiater und Psychoanalytiker Jacques Lacan (1901–1981), den wir kurz streifen werden, sagt Barthes: »Der Mensch existiert nicht vorsprachlich, weder als Spezies, noch als Individuum.«[19] Er hatte eine Obsession des »großen Spiels der Macht der Sprache« und ging davon aus, Macht anhand von Sprache analysieren zu können. Er geht dabei so weit zu sagen, dass es einen »Faschismus der Sprache gebe«[20], denn Sprache erfordert immer Entscheidungen: die Identifikation eines Geschlechts, einer Person oder von Gegensätzen, wie wir sie bei Derrida finden.

Die Intention eines Autors hat also keinen Platz bei Barthes. Rechtfertigt die Freiheit der Interpretation jede mögliche beliebige Auslegung? Wir haben bereits gesehen, dass Arbitrarität und Beliebigkeit nicht einerlei sind. Diese Theorie beschränkt sich bei Barthes auf Literatur, also ist sie einfach so umzumünzen auf tägliche Interaktion, auf alltägliche Gespräche, in denen ich den Produzenten einer Aussage zur Verfügung habe, um ihn zu fragen, wie er etwas gemeint haben könnte? Wohl kaum. Missverständnisse können passieren, aber mit diesen können Menschen zumeist umgehen. Jedoch müssen wir annehmen, dass Barthes der Versuch, seine Literaturtheorie in die Alltagskommunikation zu pressen, durchaus gefallen haben könnte. Für seine radikale Annahme wurde er übrigens ausgerechnet von Foucault in einer Rede vor der Société française de philosophie scharf kritisiert.[21] Gerade im Umfeld einer politisch korrekten Sprechart, müsse man aus Barthes’ Theorie den Schluss ziehen, dass, wenn in Wahrheit der Rezipient die Bedeutung herstellt, der Sprecher immer unschuldig sei. Doch das Gegenteil ist der Fall: Der Rezipient stellt die Bedeutung her und dennoch wird der Sprecher angeklagt.[22]

 

Fußnoten

[1]      Quadflieg, Dirk. Roland Barthes: Mythologe der Massenkultur und Argonaut der Semiologie. Moebius, Stephan  /  Quadflieg, Dirk (Hg.). Kultur. Theorien der Gegenwart. VS Verlag für Sozialwissenschaften (Wiesbaden 2006), S. 17–30, hier S. 18.

[2]      Ebd., S. 21.

[3]      Dies ist nicht nur unser Eindruck, sondern kann als allgemeiner Konsens gesehen werden, zum Beispiel Quadflieg, Dirk. Roland Barthes, S. 19.

[4]      Tallis. Not Saussure, S. 20.

[5]      Allen, Graham. Roland Barthes. Routledge (New York 2003), S. 77.

[6]      Unger, Steven. Saussure, Barthes and structuralism. In: Sanders, Carol (ed.), The Cambridge Companion to Saussure. Cambridge University Press (Cambridge, UK 2004), S. 157–173, hier S. 161 (FN 7 und FN 8).

[7]      Ebd., S. 176 und Barthes, Roland. Elements of Semiology (translated by A. Lavers and C. Smith). Hill and Wang (New York 1977; French Original: Éléments de sémiologie. Editions du Seuil (Paris 1964)).

[8]      Graham. Roland Barthes, S. 67f und Derrida, Jacques. Writing and Difference (translated by Alan Bass). Routledge & Kegan Paul Ltd. (London 1978; French Original: Derrida, Jacques. L’écriture et la différence. Éditions du Seuil (Paris 1967)), S. 278 f.

[9]      Graham. Roland Barthes, S. 77.

[10]    Barthes, Roland. Der Tod des Autors. In: Jannidis, Fotis  /  Lauer, Gerhard  /  Martinez, Matias  /  Winko, Simone (Hg.). Texte zur Theorie der Autorschaft. Reclam (Stuttgart 2000; französisches Original: Barthes, Roland. La mort de l’auteur. In: Manteia, no. 5 (1968)), S. 185–193.

[11]    Graham. Roland Barthes, S. 74.

[12]    Ebd., S. 76.

[13]    Tallis. Not Saussure, S. 17.

[14]    Ebd., S. 19 f.

[15]    Quadflieg. Roland Barthes, S. 22f; vergleiche Barthes, Roland. Die Sprache der Mode (Aus dem Französischen von Horst Brühmann). Suhrkamp (Frankfurt am Main 1985), S. 285.

[16]    Barthes, Roland. Album. Unpublished Correspondence and Texts (translated by Jody Gladding). Columbia University Press (New York 2018; French Original: Barthes, Roland. Album: Inédits, correspondances et varia. Éditions du Seuil (Paris 2015)), S. 214 (eigene Übersetzung der Autoren).

[17]    Tallis. Not Saussure, S. 94 f.

[18]    Ebd., S. 85 und dort FN 58.

[19]    Barthes, Roland. To Write: An Intransitive Verb? In: Macksey, Richard  /  Deodato, Eugenio (eds.). The Structuralist Controversy: The Languages of Criticism and the Sciences of Man. Johns Hopkins University Press (Baltimore 1970), S. 134–149, hier S. 135 (eigene Übersetzung der Autoren).

[20]    Auf eine Aussage Ernest Renans, dass das Französische niemals eine reaktionäre Sprache sein könne, entgegnete er: »But language–the performance of a language system–is neither reactionary nor progressive; it is quite simply fascist; for fascism does not prevent speech, it compels speech.« Barthes, Roland. Lecture in Inauguration of the Chair of Literary Semiology, Collège de France, 7. Januar 1977. Online: https://www.albany.edu/~rn774/fall96/barthes.html.

[21]    Foucault, Michel. Was ist ein Autor? In: Jannidis, Fotis  /  Lauer, Gerhard  /  Martinez, Matias  /  Winko, Simone (Hg.). Texte zur Theorie der Autorschaft. Reclam (Stuttgart 2000), S. 198–229.

[22]    Wenn Mode aus (sprachlichen) Zeichen besteht und ein Sexualstraftäter sagt: »Sie hat es mit ihrer Kleidung herausgefordert«, ist seine Interpretation richtig und das Opfer schuld an der Gewalt des Täters? Eine rhetorische Frage. Wir gehen davon aus, dass dem auch Barthes nicht zugestimmt hätte.

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11 Kommentare

  1. Ich weiß heute wie sich die Sprache innerhalb von über 100 Jahren verändert hat, weil ich Tagebücher von meinem Großvater besitze. Dieser Herr ist geboren im Jahre 1886 als Sohn eines bayerischen ‘Hofbeamten’.
    Sprache und Linguistik waren und sind eine Form der Manipulation und ihre Herrschaften.
    Der Mensch damals wie heute überlegt, was oder wie soll man sich verhalten?
    Die Antwort dazu ist banal, bleibt einfach Mensch und erinnert euch an eure Vorfahren.
    Sprachveränderungen dienen dazu, den Menschen zu verunsichern in seinem Verhalten, aber ein gesunder Mensch bleibt seiner Eiche treu.

  2. »Wir wissen heute«, dass eine Wende um 360 Grad durchaus eine Veränderung darstellt, und »Aktuelle Studien haben gezeigt«, dass der Satz “Alles für Deutschland” eine Naziparole ist.

  3. Joseph Weizenbaum führte in seinem Vortrag „Wo kommt Bedeutung her wie wird Information erzeugt?“ (März 2000) aus, daß aus einer Nachricht erst beim Empfänger eine Information entstehe. Die Nachricht „Es regnet.“ habe schließlich keinen Informationsgehalt über die einfache Tatsache, das Wasser auf die Erde fällt, hinaus.

  4. “den Schluss ziehen, dass, wenn in Wahrheit der Rezipient die Bedeutung herstellt, der Sprecher immer unschuldig sei.”
    Ist es nicht genau das worum es geht.
    Wenn der Empfänger entscheidet was gesagt werden darf, ist niemand mehr kritisierbar der soviel Macht akkumuliert hat sich als “diskriminiert” darstellen zu können. Aktuell sind das Frauen, Schwarze, Muslime, und Queere- in der Reihenfolge ihrer politisch korrekten Wertigkeit.

    1. “Wenn der Empfänger entscheidet was gesagt werden darf, ist niemand mehr kritisierbar der soviel Macht akkumuliert hat sich als „diskriminiert“ darstellen zu können.”

      An der Macht der “Diskriminierten” liegt es kaum wenn ich nicht mehr Zigeunerschnitzel oder Negerkuss sagen soll.

      1. Meines Erachtens schon. Männer werden an manchen Stellen diskriminiert, z.B. bei der Lebenserwartung oder aktuell schwer in der Ukraine durch den Fronteinsatz, eine diesbezügliche “Sensibilität” ist mir nicht bekannt.
        Negerkuss betrifft Schwarze die zu den Lieblingskindern der politisch Korrekten gehören und damit über Macht verfügen obwohl sie eine Minderheit sind.
        Zigeuner sind dann eher machtlos, das stimmt, aber um deren Schutz gehr es der Korrektheit auch gar nicht, es geht um moralische Selbstdarstellung, so gesehen hast du teilweise recht, daß auch andere Gründe zur sprachlichen Korrektheit führen.

  5. Ha, ha, Kontext, insbesonderer zeitlicher Kontext, ist überbewertet.

    Diejenjgen, die kontextlos die Rezeption des Empfängers als alein richtige heranziehen, vergessen jegoichen Kontext und machen sich die Welt bekoebig.

  6. Zitat:
    “Gerade im Umfeld einer politisch korrekten Sprechart, müsse man aus Barthes’ Theorie den Schluss ziehen, dass, wenn in Wahrheit der Rezipient die Bedeutung herstellt, der Sprecher immer unschuldig sei. Doch das Gegenteil ist der Fall: Der Rezipient stellt die Bedeutung her und dennoch wird der Sprecher angeklagt.”
    Es sollte gelten: Ich bin dafür verantwortlich was ich sage, aber nicht dafür, was Du verstehst.
    Am Ende ist aber entscheidend wer Sender und wer Empfänger des Sprechaktes ist und in welchem politischen Spannungs- und Machtverhältnis sich beide befinden.
    Wenn also Politiker oder Medien die politisch Widerspenstigen mit teilweise wirklich grober und diffamierender Sprache abkanzeln ist der Empfänger schuld, wenn er sich getroffen fühlt. Ist die Opposition am verbalen Werke ist jedes Mittel recht, deren Beiträge zu diskreditieren. Die so genannte “Minderheiten sensible Sprache” dient dabei eher nur als Mittel zum Zweck, also als sprachlichen Disziplinierung im Sinne einer gedanklichen Vorzensur und als gesellschaftlicher Spaltpilz um Solidarisierung zw. den verschiedenen und auf verschiedene Art unterdrückten Gruppen zu verhindern. Es geht bei der politisch korrekten Sprache also immer und vor allem um Deutungshoheit und Sprachgewalt als Machtinstrument.

  7. Nimmt einer Signale, Zeichen und Symbole, die er als ein Sprecher, Hörer, Leser alltäglich zu unterscheiden weiß, wirft sie in einen Topf, rührt um, köchelt sie womöglich ein wenig, um hernach unter dem Titel (!) des Weaselwortes “Bedeutung” die Bestandteile aus der Suppe zu fischen, zwecks arbiträrer (!) Verwendung, ist er ein Sprachphilosoph. So einer trachtet sich (!) vom Geflecht gesellschaftlichen Arbeitens und gesellschaftlichen Handelns zu emanzipieren, um wenigstens ideell gesellschaftlich diktieren zu können. Arbeit hat einen sinnlichen Gegenstand und Zweck, Handeln einen intellektuellen Gegenstand und Zweck, nämlich das bewußte Sein eines Artgenossen. Letzteres hat obligatorisch sprachliche Gestalt, obgleich es nicht in Sprache auf-, geschweige untergeht. Letzterer Zwieschlächtigkeit halber ist Sprechen immer zugleich Arbeit und Handeln. Über Zwischenschritte, die ich hier übergehe, kommt man von dort auf die Selbstverständlichkeit – jeder kennt sie – daß Sprechakte, einschließlich versprachlichter Denkakte, notwendig selbstreferentiell sind, was jeder Hörer zu beachten lernt. Letzteres, die Beachtung der Selbstreferentialität beim Sprechen, Hören, Lesen, Denken, ist die einzige kleine (Arbeits-)”Schwierigkeit” im ganzen grob skizzierten Zusammenhang und diejenige, die Sprachphilosophen systematisch mystifizieren.

    (Weil’s wenigstens hingesagt gehört)

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