Zurück zur Gemeinnützigkeit

Krankenhausflur.
Hiddenhauser, CC0, via Wikimedia Commons, entsättigt

Krachender Fehlstart der Krankenhausreform: Weil sich mit Medizin rund ums Kind wenige Erlöse generieren lassen, haben diese Bereiche bei der geplanten Reform keine Lobby. Mehr Gemeinnützigkeit wäre notwendig.

Vor lauter Corona, Krieg und Klima blieb fast unbemerkt, dass Gesundheitsminister Karl Lauterbach am 2. Mai eine »Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung« vorgestellt hat. Er wolle mit ihrer Hilfe »ab 2023 die größte Krankenhausreform der vergangenen 20 Jahre anpacken«.

Es gab sofort Ärger über die Zusammensetzung dieser Kommission, denn unter ihren 16 Mitgliedern ist kein einziger Krankenpfleger, keine Krankenschwester zu finden, auch keine einzige Oberärztin, kein Oberarzt und keine einzige Assistenzärztin, kein Assistenzarzt, keine einzige Krankenkasse ist vertreten, dagegen Professor:innen der Ökonomie, des Öffentlichen Rechts oder der Gesundheitswissenschaften, gewürzt mit ein paar Chefärzten.

Erlösschwache Fächer

Zur allgemeinen Überraschung hat sich diese Kommission bereits Anfang Juli, also schon nach zwei Monaten, mit einer ersten Stellungnahme zu Wort gemeldet, nämlich mit Empfehlungen für eine bessere Finanzierung von Pädiatrie, Kinderchirurgie und Geburtshilfe. Warum so schnell und warum zuerst ausgerechnet diese drei Fächer? Weil es dort lichterloh brennt!

Der Irrsinn der Krankenhausfinanzierung nach Schwere der Diagnosen, dem sogenannten DRG-System, hat in den letzten zwanzig Jahren zu einer katastrophalen Unterfinanzierung von Kinderheilkunde und Kinderchirurgie geführt. Diese Fächer sind erlösschwach und werden von den Krankenhausträgern oft nur noch als ein defizitäres Anhängsel geführt. Innerhalb der Pädiatrie können sich ertragsstärkere Subdisziplinen wie Onkologie oder Neonatologie gerade noch so über Wasser halten, während die dringend erforderliche allgemeine Pädiatrie überall zusammengestrichen wird. Eine Reihe von Kinderkliniken wurde verkleinert oder ganz geschlossen. Insgesamt sank die Bettenzahl im Land um ein Drittel, während die Fallzahlen immer weiter gestiegen sind. Es geht dabei nicht um die Gesundheit der Kinder, sondern um die Gesundheit der Bilanzen.

Genau das gleiche fatale Spiel geschah und geschieht mit Kreißsälen und Geburtsstationen. 2018 wurden dreizehn Kreißsäle geschlossen, 2019 neunzehn, 2020 sieben und 2021 elf – macht zusammen fünfzig in vier Jahren! Das geschah nicht etwa, weil sie nicht mehr benötigt worden wären, sondern wegen »Unterfinanzierung« im DRG-System, die das Krankenhaus nicht mehr stemmen konnte. Trotz steigender Geburtenzahlen schlug aus diesem Grund in den letzten fünfzehn Jahren für ein Drittel aller Geburtsstationen das letzte Stündlein. Die Folgen sind katastrophal. Immer mehr Geburten in immer weniger Kreißsälen in immer größerer Entfernung vom Wohnort lassen negative Geburtserfahrungen zur Regel werden, Komplikationen nehmen zu.

Gemeinnützigkeit für alle!

Deswegen also hat sich die Regierungskommission zuerst mit diesen drei Fächern befasst. Die anfängliche Freude darüber war aber rasch verflogen. Statt eines zukunftsweisenden großen Wurfs empfiehlt die Kommission unter kritikloser Beibehaltung des zerstörerischen DRG-Systems lediglich ein paar Zuschläge zu eben diesen DRGs sowie zusätzliche Vergütungsvolumina, die immer kleiner werden, je größer die Klinik ist. Alle betroffenen Fachverbände prophezeien eine Verschärfung der jetzt schon vorhandenen Probleme. Das ist ein veritabler Fehlstart für diese »größte Krankenhausreform der vergangenen 20 Jahre«.

Eine Krankenhausreform kann nur gelingen, wenn es durchdachte Pläne für die Verteilung von kleinen, mittelgroßen und großen Häusern sowie Universitätskliniken für sämtliche Regionen unseres Landes gibt. Sie kann nur gelingen, wenn entsprechend den Aufgaben und der Größe eines Krankenhauses ein pauschaliertes Finanzierungskonzept eingerichtet wird, befreit von diagnosegesteuerten Fehlanreizen. Sie kann nur gelingen, wenn Gemeinnützigkeit die alleinige Organisationsform ist, gleichgültig ob es sich um private, öffentliche oder kirchlich geführte Häuser handelt. Dann werden die börsennotierten Krankenhauskonzerne genauso schnell verschwunden sein, wie sie aufgetaucht sind. Medizin könnte wieder möglich werden.

Dieser Artikel erschien erstmals am 28. August in der Frankfurter Rundschau.

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