Woke Zentralbanker

EZB in Frankfurt, SKizze.
Kiefer. from Frankfurt, Germany, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons

Die Europäische Zentralbank kümmert sich um fast alles: Aber um ihr Kerngeschäft immer weniger. Sie konkurriert dabei – was Haltung betrifft – mit der Parteizentrale der Grünen.

Als meine Karriere bei der Europäische Zentralbank (EZB) anfing, war die EZB genau das, was man von einer Zentralbank noch erwarten durfte: Sie war konservativ und ernsthaft. Die lustigste Person war damals Präsident Duisenberg, dessen noch extrovertiertere Ehefrau während einer EZB-Weihnachtsfeier Champagner aus einem Schuh trank – offenbar war ihr ein Glas zu langweilig.

Sonst konnte man die Bank und ihre Belegschaft als relativ spaßbefreit bezeichnen. Die Themen, mit denen wir uns beruflich beschäftigten, waren alle wirtschaftlicher Natur: Inflation, Wachstum, Staatsverschuldung. Politische Korrektheit gab es nicht. Wir waren an sich korrekt. Das reichte.

Mario Draghi: Ein Witz

Der moderne Zeitgeist klopfte irgendwann dann doch an die Pforten der EZB – 2013 veröffentlichte die Bank ihr Vorhaben, das der Anteil der Frauen in hochrangigen Positionen zu verdoppeln sei. Wie realistisch dieses Vorhaben eigentlich war im Hinblick beispielsweise auf die erwartete Zahl männlicher Kollegen, die demnächst in Rente gehen würden, wurde nie nüchtern untersucht.

Aber das war egal, die EZB stand mit ihrem Vorhaben für die Außenwelt gut da, obwohl Insider natürlich wussten, dass das Thema „Gender Diversity“ dem mittlerweile neuen Behörden-Chef Mario Draghi am Arsch vorbeiging. Ein Witz, den er während eines Presse-Diners mal gemacht haben soll, spricht Bände über seine Persönlichkeit:

Ein Mann braucht eine Herztransplantation. Der Arzt sagt: „Ich kann Ihnen das Herz eines fünfjährigen Jungen geben.

Der Patient antwortet: „Nein, das ist zu jung.“

„Wie wäre es mit dem eines vierzigjährigen Investmentbankers?

„Investmentbanker haben doch gar kein Herz.

„Dann ein 75-jähriger Zentralbanker?

„Ich nehme es!“

„Wirklich. Aber wieso?“

„Es wurde nie benutzt! 

Fast wie in der Parteizentrale der Grünen

Jetzt hat die EZB aber keinen gefühllosen Zentralbanker als Präsidenten, sondern eine Frau, deren Herz so eifrig für alles schlägt, was politisch korrekt ist, dass es mir inzwischen so vorkommt, als würde ich in der Parteizentrale der Grünen arbeiten.

Die EZB ist jetzt „fest entschlossen, im Rahmen unseres Mandats, unseren Teil zum Kampf gegen den Klimawandel beizutragen.“ Dazu wurde Anfang 2021 ein „Kompetenzzentrum Klimawandel“ gegründet, welches zum Ziel hat, die Klimaagenda der EZB „besser zu gestalten und zu steuern.“ Dieses Kompetenzzentrum schickt der Belegschaft ständig Einladungen zu Online-Seminaren zum Thema Klimawandel: „Klimawandel und die Stabilität des Finanzsektors“, „Klimawandel und Inflationsrisiken“, „Klimawandel und Staatsfinanzen“ und so weiter. Die Liste ist schier unendlich.

Zur weiteren Erziehung der Belegschaft und als Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel, ist es an Donnerstagen inzwischen nicht mehr möglich, Fleisch in den EZB-Kantinen zu essen. Es gibt dann Köstlichkeiten, wie „Fleischbällchen ohne Fleisch“ oder „Chicken Nuggets ohne Hühnerfleisch“. Auch gab es vor kurzem einen Wettbewerb in der EZB mit einer Preisverleihung für die besten Klima-Ideen. Einer der Gewinner hat, wenn ich mich richtig entsinne, visionär vorgeschlagen, die Waschmaschine nur dann zu benutzen, wenn sie voll ist. Bravo!

Es gibt zudem ständig einen internationalen Tag für oder gegen etwas, worüber die Belegschaft im betriebsinternen Intranet belehrt wird: World Aids Day, den Weltbienentag, den Internationalen Tag gegen Homophobie, Transphobie und Biphobie, den Internationalen Tag der Verständlichen Sprache, den Internationalen Tag Behinderter Personen und immer so weiter und so fort. Muss ich noch erwähnen, dass ich im EZB-Telefonbuch mein eigenes Pronomen auswählen kann?

Wie EZB-Angestellte sprechen sollten

Krone der Belehrung war letztlich ein betriebsinterner Intranet-Artikel über die Wichtigkeit der korrekten Sprache in Bezug auf den Krieg in der Ukraine. Um die Ukraine zu unterstützen hat die EZB 15 Praktikanten (meistens junge Frauen) aus der Ukraine eingestellt. Diese Praktikanten trafen nicht allzu lange nach ihrem Einstand das Aufsichtsgremium („Supervisory Board“ auf Englisch – zuständig für Bankenaufsicht) und erklärten dem Gremium, wie wichtig es sei, dass korrekt über den Krieg geredet wird. Das Gremium, entzückt von so viel Weisheit, teilte der ganzen Belegschaft der EZB mit, was es von den charmanten jungen Leuten gelernt hatte:

  • Man dürfe nicht von „dem Krieg in der Ukraine“ sprechen, sondern eher vom „russischer Krieg gegen die Ukraine“ – nämlich um „den Aggressor richtig zu benennen“.
  • Es heißt auch nicht „Krise/Konflikt in der Ukraine“, sondern eher „die russische Aggression gegen die Ukraine“, weil man nicht den Eindruck erwecken möchte, dass es eine gemeinsame Verantwortlichkeit für diesen Krieg gibt.
  • „Die Ukraine“ dürfe man ohnehin nicht sagen. Nur „Ukraine“ sei richtig, damit nämlich die Souveränität des Landes richtig anerkannt werde.

Übrigens wird auf der deutschsprachigen EZB-Website noch immer den Ausdruck „die Ukraine“ benutzt.…

All diese politische Korrektheit wäre lustig, wenn die EZB ihre Kernaufgabe, die Inflationsbekämpfung, kompetent ausführen würde. Leider ist das nicht der Fall. Wie die EZB mit ihrer Geldpolitik selber beigetragen hat zur Inflation, darüber wird überall rege debattiert, in der EZB kümmert es aber wenige. Stattdessen werden Pandemie und Putin für die Inflation und die Verarmung der Bürger des Euroraums verantwortlich gemacht.

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7 Kommentare

  1. Daseins-Vorsorge der Europäische Zentralbank zum Wohlstand!

    „Die durch menschliches Versagen entstandene Leere wird stets durch neue Tätigkeit wieder ausgefüllt“

  2. Die EZB wird es bald nicht mehr geben, weil der Euro bald absolet sein wird.

    Wer der Welt zeigt, dass man Euros einfach über Nacht einer Nuklearmacht rauben kann, der hat der welt auch klar gemacht, dass es jedem anderen genau so ergehen kann.

    Kurzfristig hat vielleicht RF 300Milliarden Euros verloren und die EU gewonnen, doch langfristig ist der Euro raus aus dem Spiel. Warum soll man, wenn man schon in westliche Währung investieren will/ muss, die zweite Wahl nehmen und nicht das Original oder man sucht sich seriöse Anlagen.

    1. Vielleicht wird von der EU noch ein Weilchen eine hauchdünne Hülle übrig bleiben, allein schon damit sich die vielen Euro-Nullen der Bilanzen nicht ganz in bittere Spekulanten-Tränen auflösen. Ich könnte mir vorstellen, dass z.B. der Posten des EU-Ratspräsidenten in 15 Jahren zwar nach wie vor existiert, aber ganz offen für eine bescheidende Summe (in Goldrubel) versteigert wird, typischerweise an einen Brüssler Zuhälter, der scharf auf Urkunde und Amtskette ist.
      Soweit es Christine Lagarde betrifft, so fürchte ich, dass sie bald ihrem Job verlieren wird, wenn sie es – wie zu erwarten – nicht schafft, die Grundlagen der Exponentialschreibweise zu begreifen (trotz Nachhilfe durch Pechmarie und die sieben Berater ~ UvdL). Bei der zu erwartenden Hyper-Trans-Inflation werden die vielen Nullen ja gar nicht mehr auf die Scheine oder die Computer-Anzeigen passen, da muss man dann eben „ZEHN HOCH 42“ oder ähnlich schreiben, auch bekannt als EURO-OffenbarungsSchwur.

  3. Es ist immer schlecht, wenn eine Organisation sich um alles Mögliche kümmert, nur nicht um ihre eigentlichen Aufgaben.

    Schlecht war z.B., als die ehemalige deutsche Umweltministerin, Angela Merkel, sich mehr Sorgen darüber machte, wie die AKW-Betreiber ungeschoren aus dem Ausstieg von der Atomenergie kommen könnten, als um ihre eigentliche Aufgabe, die Umwelt zu schützen.

    Oder wenn heute deutsche Politiker sich mehr Sorgen über die Ukraine machen, als um ihre Bürger.

  4. Der Witz, den der Autor Herrn Draghi zuschreibt, gefällt mir.

    „Die Wichtigkeit der korrekten Sprache in Bezug auf den Krieg in der Ukraine“ hat die EZB ja nun wahrhaftig nicht exklusiv. Der Autor sollte mal eine beliebige Radio- oder Fernsehsendung (Nachrichten oder einschlägige Befassung mit dem Ukraine-Thema) zur Kenntnis nehmen, schon wüsste er, dass sein Laden bloß EU-weit allgemeingültige Sprachregelungen umsetzt.

    Das Thema Klimawandel geht tatsächlich jeden an. Eine einwandfrei gebundene Krawatte schützt nicht vor den Folgen des Klimawandels. Die Maßnahmen zum Schutz vor diesen Folgen müssen finanziert werden, insofern könnte eine Europäische Zentralbank tatsächlich irgend etwas mit dem Thema zu tun haben.

    Dass der Autor angelegentlich auf irgend welche „internationalen Tage für oder gegen etwas“ aufmerksam gemacht wird, hält ihn hoffentlich nicht allzusehr von seiner Arbeit ab. Radiohörer oder Fernsehkonsumenten werden da auch immer drauf hingewiesen, ohne dass das Land zusammenbrechen würde.

    Einen lebenspraktischen Tipp hätte ich noch anzubieten: Donnerstags sollte der Autor sich von daheim ein paar Wurstbrote mit auf Arbeit bringen. So kann er ganz leicht den gegen ihn gerichteten Menschenrechtsverstoß einer fleischlosen Mahlzeit umgehen.

    Und wenn er dann irgendwann einmal anfängt, sich über den Inhalt und die Folgen seiner Tätigkeit und der des Instituts, bei dem er sein karges Auskommen erhält, Gedanken zu machen, werde ich gerne wieder einen Artikel von ihm lesen.

  5. Ich habe gerade verstanden, warum Maurice Höfgen so penetrant vom russischen Angriffskrieg redet wie er es tut über den Ukrainekrieg … Mit Argumenten braucht man dann natürlich nicht mehr zu kommen, auf die er auch gar nicht antwortet. Er hält sich einfach an die Sprachregelung.

    Politische Sprachregelungen sind generell das Letzte. Als Nächstes kommt die Vorschrift, welche Partei man wählen soll oder welches Parteibuch man haben soll.

    Ich sehe das allerdings anders mit dem Euro als einige Poster:

    Der Euro-Imperialismus fängt gerade erst an und wird in den nächsten Jahren zunehmend kriegerischer. Das gilt umso mehr, wo es von dem, wo man das möglichst größte Stück abhaben will, um so weniger gibt. Auch wenn es keinen Euro mehr gäbe, würde die Selbstzerstörung und die Kriege einfach weiterlaufen und eine andere Währung die Rolle des Euros übernehmen.

  6. Interessante Einblicke. Haben Sie Planted Foods in der Kantine?

    Die haben recht illustre Verwaltungsräte:
    https://www.moneyhouse.ch/de/company/planted-foods-ag-14702057771

    Mit dabei: Prof. Dr. Artur Stefan Kirsten.

    2020 gründete Kirsten die Firma Monarch, die sich u. a. um „Schutz der Demokratie“ kümmert.
    https://www.mnrch.net/team/

    Advisory Board/Gründer

    Dr. Thomas Enders, President DGAP, Supervisory Board Member Lufthansa, Former CEO Airbus

    Gerhard Schindler, Former President of BND – Bundesnachrichtendienst (federal intelligence service)

    Advisory Boardmembers

    Cathryn Clüver Ashbrook, Director and CEO DGAP, former Executive Director Belfer Center Harvard Kennedy School

    Prof. Dr. Peter Neumann, Founding Director ICSR, King’s College London and Professor of Security Studies at the War Studies Department

    Weitere Gründer:

    Benjamin Rohé, Vice Chairman of The Board „Freunde des American Council on Germany e.V.“

    Sandro Gaycken, ehemals CCC, „deutscher Technik-Philosoph, Cyberkrieg-Experte und Entrepreneur in der Rüstungsindustrie“ (wikipedia).

    Seamus Tucker, Seamus spent thirty years working for the British Government. He served overseas with the Foreign Office in Eastern Europe, Pakistan, Afghanistan and … mehr: https://othrys.uk/about-us/

    Klingt alles sehr „grün“, darum dachte ich, pflanzlicher Fleischersatz Planted, genau das Richtige für die woken Mittagstisch der EZB 😉

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