Was bringt die Senkung der Unternehmenssteuer?

Rauchende Fabrikschlote
Quelle: Pixabay

Bundesregierung senkt Unternehmenssteuern: Was kümmert uns das Wissen, wenn wir klare und primitive Vorurteile haben?

Diese Bundesregierung ignoriert nicht nur die Rechtsprechung, sie ignoriert auch das Wissen. Deutlich wird das in einer interessanten Sequenz aus der Bundespressekonferenz, bei der Thilo Jung den Sprecher der Bundesregierung, Stefan Kornelius (früher Süddeutsche Zeitung), fragt, auf welche Kenntnisse oder wissenschaftlichen Belege sich die Ansicht der Bundesregierung stützt, dass die geplante Steuersenkung für die Unternehmen die Investitionstätigkeit und das Wachstum belebt.

Die Antwort könnte entlarvender nicht sein. „Natürlich“, sagt der Regierungssprecher, wird die Steuersenkung die Investitionstätigkeit und damit das Wirtschaftswachstum anregen. „Das weiß doch jeder“ hätte er auch sagen können. Das sagt uns doch jeder Lobbyist, wäre noch ehrlicher gewesen. Er wolle auch keine volkswirtschaftliche „Grunddebatte“ führen, aber die Bundesregierung stütze sich auf viele Expertisen, die den Zusammenhang belegen.

Positive Wirkungen?

Wüsste der Regierungssprecher allerdings, unter welchen Voraussetzungen die sogenannte Wirtschaftswissenschaft üblicherweise ihre Ableitungen durchführt, hätte er nicht von Expertise gesprochen. Ceteris Paribus ist dabei nämlich die entscheidende Annahme. Wenn alles andere sich nicht verändert, prüft man, ob eine Maßnahme wirkt oder nicht. Leider gibt es genau das nicht in dieser Welt. Immer ändert sich alles. Die große Mehrheit der akademisch arbeitenden Volkswirte hat einfach keine makroökonomische Expertise, weil sie die Dynamik einer Volkswirtschaft, bei der sich alles zugleich verändert, nie zu verstehen versucht hat.

Auch jeder normale Mensch, den man dazu befragt, isoliert gedanklich erst einmal den Vorgang und kommt dann zu dem Ergebnis, Steuersenkungen müssten positive Wirkungen haben. Wenn der Staat einer Gruppe der Volkswirtschaft etwas Gutes tut, kann doch hinten nichts Schlechtes rauskommen. Wenn der Staat meine Steuern senkt, bin ich doch auch froh und gebe mehr Geld aus, weil ich einfach mehr Geld zur Verfügung habe.

Würde man eine repräsentative Umfrage in der deutschen Bevölkerung machen, käme man sicher zu dem Ergebnis, dass 80 oder 90 Prozent sagen, klar, wenn die Steuern für die Unternehmen sinken, wird mehr investiert. Schon die einfache Zusatzfrage, woher denn das Steuergeld kommt, mit der die Steuersenkung finanziert wird, würde aber vermutlich die Hälfte der Befragten stutzig machen. Würde man der anderen Hälfte noch erklären, dass die höheren Steuern, mit denen man die Steuersenkung für die Unternehmen finanziert, letztlich immer den Unternehmen unmittelbar schaden (wie hier erklärt), wäre auch die in ihrem Glauben erschüttert.

Man braucht keine Studien

Daraus folgt: Wenn man überhaupt etwas über die Wirkung von Steuersenkungen für Unternehmen sagen will, muss man zumindest dazu sagen, wie sie finanziert werden. Ohne diese Aussage, ist von vornherein jede Behauptung über eine positive Wirkung glatter Unsinn. Geschieht die Finanzierung aus Steuermitteln, kann man sich die Steuersenkung gleich schenken, weil sie mit Sicherheit nichts bewirkt. Nur wenn die Steuersenkung zu einhundert Prozent durch neue Schulden finanziert würde, könnte man überhaupt hoffen, dass sie etwas bewirkt. Aber auch dann gelten die Einwände, die z. B. hier aufgeführt sind.

Daraus folgt auch: Man braucht, anders als Tilo Jung glaubt, keine Studien, um herauszufinden, ob Steuersenkungen wirken. Man muss nur ein wenig nachdenken und die richtigen Fragen stellen. Die Finanzierungsfrage ist die entscheidende. Wenn die Bundesregierung an ihrem strikten Sparkurs festhält und selbst die in Aussicht gestellten (schuldenfinanzierten) Infrastrukturmaßnahmen sowie die Steuersenkungen an anderer Stelle (beim Bürgergeld zum Beispiel und im Sozialetat insgesamt) wieder einspart, hat die Steuersenkung für die Unternehmen niemals eine positive Wirkung auf die Investitionstätigkeit.

Übrigens, wer die Rechtsprechung und das Wissen ignoriert, befindet sich auf einem gefährlichen Weg. Wer wissen will, wohin der führt, muss nur das nachlesen, was die deutschen Medien über Donald Trump verbreiten.

Dieser Artikel erschien erstmals auf Flassbecks »Relevante Ökonomik«.

Heiner Flassbeck

Heiner Flassbeck studierte Volkswirtschaft in Saarbrücken und wurde 1987 an der FU Berlin promoviert. Er arbeitete im Stab des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und danach im Bundesministerium für Wirtschaft. Im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin war er von 1988 bis 1998 Leiter der Abteilung Konjunktur. Im Jahr 1998 wurde Heiner Flassbeck zum beamteten Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen ernannt. Von August 2003 bis Dezember 2012 war er bei UNCTAD in Genf Direktor der Abteilung für Globalisierung und Entwicklungsstrategien. Mit Friederike Spiecker zusammen hat er in den Jahren 2020 und 2022 einen „Atlas der Weltwirtschaft“ herausgebracht, der bei Westend erschienen ist. 2024 erschien sein Buch: Grundlagen einer relevanten Ökonomik ebenfalls bei Westend.
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17 Kommentare

  1. Ich finde toll, dass Heini Flaschbeck’s alles versteht und dazu auch noch in der Lage ist, Sinn und Unsinn von volkswirtschaftlichen Stimuli in drei Sätzen zu erklären und zwar so, dass die Zusammenhänge auch ein Grundschüler verseheht.
    Die Volkswirtschaft ergründet man am besten so: Fragen stellen!

    1. Immer noch besser, als die von Flassbeck aufgeworfenen Fragen einfach zu ignorieren, wie das der Rest der Profession tut…

      Bei der Kritik an Flassbecks belehrendem Tonfall würde ich ja sogar mitgehen, aber recht hat er meistens trotzdem.

      1. Ein belehrender Tonfall findet sich leider bei allen Oekonomen. Bei Flassbeck ist er noch am angenehmsten, weil seine Beitraege, insbesondere in Interviews, von humorvollen Einlagen begleitet sind. Er ist sehr engagiert und das merkt man.

  2. „Was bringt die Senkung der Unternehmenssteuer?“

    Fiskalpolitisch zunächst die Notwendigkeit der sog. „Gegenfinanzierung“ in der gleichen Höhe.
    Und da in der schon seit Jahren andauernden Stagflation für den Dummbürger -und nur für ihn- nach wie vor die „Schuldenbremse“ gilt, für die Regierung die Notwendigkeit der Ausarbeitung der nächsten „Gürtel enger schnallen“ -Theorie -besser bekannt unter dem Titel: „Entlastung der Mitte“. Zunächst als allg. Narrativ im Staatsfunk -Hüther und Fratzscher warten schon gierig auf den dbzgl. Regierungsauftrag, um ihn medial bei Lanz & Co umzusetzen- dann als konkrete Umschichtungen im Budeshaushalt. und innerhalb der Sozialversicherungssysteme.

    Business as usual seit 30 Jahren schon, Herr Flassbeck.

  3. Naja, der Aberglaube an die „Wettbewerbsfähigkeit“ soll es richten. Der Export soll die Effekte bringen.
    Ist zwar eine irre Vorstellung aber man hält halt gerne an den alten Konzepten fest und es hat ja schon mal mit Hartz-IV funktioniert. Kontext ist halt nicht so gefragt in der Politik wenn man die Zitrone mehr auszulöschen und die Umverteilung nach oben vorantreiben will.
    Der Auftraggeber Blackrocj will halt Ergebnisse sehen.

  4. Die Höhe der Unternehmenssteuer beeinflusst wo sich Unternehmen ansiedeln. Was natürlich ein positiver Effekt ist, ohne Unternehmen kommt kein Geld rein, weder Unternehmen- noch Einkommenssteuer. Jeder investierte Euro erzeugt damit sogar mehrfach Steuern.

    Wir haben aktuell einen verstärkten Wegzug der Unternehmen. Dem will man wahrscheinlich entgegenwirken. Der Gedanke ist erstmal nicht schlecht. Die Frage ist ob das Sinn macht, wenn man das über Schulden finanziert.

    Steuersenkung = Wirtschaftswachstum ? Unternehmen schauen erstmal auf Investitionssicherheit. Und da siehts eher schlecht aus. die Energiekosten bleiben hoch und könnten noch steigen, dank der verkorksten Energiewende, Bürokratie wächst und wächst, Infrastruktur zerfällt.

    Wichtiger wäre aktuell die genannten Hausaufgaben zu machen. Nur bei Bürokratie kommt man nicht vorran, im Gegenteil, auch dank der EU. Energiekosten werden aus Ideologie Gründen dauerhaft so bleiben. Die Kraftwerke hat man teils gleich abreißen lassen, damit die keiner wieder anschalten kann. Das Geld (Schuldenpaket) für Infrastruktur wird wohl zum Stopfen der Haushaltslöcher verwendet, wie aktuell bekannt wurde (die Bundesländer pochen auf Anteil). Der Rest fliest in Aufrüstung.

    1. Die Unternehmen ziehen an andere Orte, wenn sie sich am bisherigen Standort
      nur noch dumm, statt dumm und dusselig bereichern können. Kleinunternehmer
      sind meistens in der Region verwurzelt. Spätistens wenn ein Unternehmen an die
      Börse geht, ist es den Aufichtsräten, die nur ihren Aktionären verpflichtet sind, die
      ihre Bonis sichern, scheiß egal wo sich das Unternehmen befindet. Wichtig ist
      nur der Gewinn. Dann ist es natürlich noch von Vorteil, wenn nach all den Abschreibungen
      die ein Heer von Steuerfachkräften ausarbeitet, die paar Euro an Unternehmenssteuern
      auch noch gesenkt werden. Wieviel Steuern zahlt Amazon noch mal in Deutschland?
      Etwas mehr als ein Elektrikergeselle?

    2. Die Höhe der Steuer ist ein Thema. Die Produktionskosten sowie die Investitionssicjerheit sind mE jedoch vorrangig.
      Zudem ist eine Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung in der EU schon lange überfällig.

      1. > Zudem ist eine Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung in der EU schon lange überfällig.

        Nur ist hierbei jeder jedem der Konkurrent. Das kannst du nicht anordnen wenn sich die Länder wehren. Deshalb gehts da auch nicht vorwärts.

  5. Ich wundere mich, wie wenig sich die Volkswirte für die Folgen dessen interessieren, was sie an Handlungsempfehlungen geben. Naja, es geht hier schliesslich um das, um was es im Kapitalismus immer geht, nämlich ums Geld.
    Wenn man die Unternehmenssteuern senkt, haben alle (Unternehmer) was davon, die, die investieren und die, die nicht investieren. Sie werden investieren, wenn sie glauben, dass sie davon morgen Vorteile haben. Z.B. wenn sie dadurch Kosten senken oder wenn sie die Produktion ausweiten wolen. Letzeres werden sie aber nur tun, wenn sie ihre Produkte auch absetzen können. Ist das abzusehen? Der Inlandsmarkt stagniert, der Export schwächelt. Wer wird da seine Produktion ausweiten wollen? Über höheren Nach-Steuer-Gewinn freut man sich natürlich…
    In den 70er Jahren hat man gesagt: Die herrschende Lehre ist die Lehre der Herrschenden.
    Wer hat in unserer Gesellschaft die Macht?

  6. Doch! Das dient zur Aufbesserung der sinkenden Profitrate. Das könnte schon passieren, dass eine Investitionsentscheidung getroffen wird, die vorher auf der Kippe stand.
    Entsetzlich, dass wir letztes Jahr 0,4 Prozent Minus-Wachstum hatten. Das wird dann dramatisiert und dann kommt immer hinten eine Verbesserung für die Unternehmer heraus. So läuft es immer.

  7. Einfach mal schauen, wohin die damals so „notwendige“ Steuersenkung für die Kapitalgesellschaften vor etwas mehr als 20 Jahren unter Schröder, Müntefering, Clemens und Konsorten geführt hat.
    Ziemlich genau in Höhe der Entlastung sind in den Folgejahren die Dividenden gestiegen. Da liegen auch die meisten Interessen der Großen.
    Alles andere sind manipulierende Luftnummern, wie die meisten „angeblich“ so unabhängigen Studien und das „Insiderwissen der Experten“.

    1. Was Ich noch ergänzen würde ist das das ja auch nur den Selbstständigen zugute kommt die überhaupt noch Gewinne machen. Kleine Selbstständige die wenig Unternehmenssteuer zahlen und Unternehmen in Not gehen von vorne herein leer aus..

      Also ist dies mal wieder ein reines Steuergeschenk an Leute wie Blackrock..

      Mfg Makrovir

      1. P.S

        Was noch dazu kommt ist das die Unternehmenssteuer ja auch von den Gemeinden erhoben wird. Die Gemeinden sind aber eh schon alle Pleite. Insofern hat Merz damit auch die Gemeinden weiter belastet und somit abhängiger vom Bund gemacht..

        Mfg Makrovir

  8. Welche Unternehmenssteuer eigentlich ?

    Als Professor der Ökonomie könnten Sie sich da auch etwas präziser ausdrücken Herr Prof. Flassbeck..
    Will Merz jetzt die Gewerbesteuer senken oder die Körperschaftssteuer oder am Ende noch die Kapitalertragsteuer ?

    Hätte alles unterschiedliche Auswirkungen und Implikationen..

    Mfg Makrovir

  9. Trickle-down hat noch nie funktioniert, aber bei manchen gleicht das Oekonomieverstaendnis eher einer Religion als einer analytischen und nachvollziehbaren Wissenschaft.

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