Revolution im Krankenhauswesen?

Krankenhaustür
Quelle: Pixabay

Es regt sich Widerstand gegen Lauterbachs „Krankenhausrevolution“: Ist diese berechtigt – oder am Ende nur scheinheilig?

Alles soll jetzt anders werden. „So wie jetzt kann es nicht weitergehen. Wir haben es mit der Ökonomisierung der Medizin übertrieben,“ sagt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Und er setzt noch einen drauf: „Nicht die Ökonomie, sondern die Patienten müssen wieder im Mittelpunkt stehen.“ Eine flächendeckende und qualitativ hochwertige Versorgung auch in ländlichen Regionen soll sichergestellt werden.

Endlich sagt das mal jemand, der was zu sagen hat, endlich. Aber halt! Da gibt es noch drei Länder-Gesundheitminister:innen, nämlich Klaus Holetschek aus Bayern (CSU), aus Nordrhein-Westfalen Karl-Josef Laumann (CDU) und aus Schleswig-Holstein Kerstin von der Decken (CDU), die mit einem Rechtsgutachten des Augsburger Professors für Öffentliches Recht Ferdinand Wollenschläger an die Öffentlichkeit getreten sind, das es in sich hat.

Hardware und Software

Die entscheidende Aussage des Gutachtens lautet, dass das ganze Lauterbachsche Reformprojekt verfassungswidrig sei, unvereinbar mit dem Grundgesetz. In dem Gutachten heißt es: „Das Grundgesetz sieht weder für das Krankenhauswesen im Allgemeinen noch für die Krankenhausplanung im Besonderen eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes vor.“ Dazu muss man die Besonderheit der dualen Krankenhausfinanzierung kennen, die seit 1972 gilt. Für den Bau und die bestandserhaltenden Investitionen der Krankenhäuser, also sozusagen für die Hardware, sind allein die Länder zuständig. Für die laufenden Betriebskosten für Personal, Instrumente, Geräte und sonstige Verbrauchsmaterialien, also sozusagen für die Software, sind hingegen die Krankenkassen zuständig, was über Fallpauschalen abgerechnet wird.

Zur Zuständigkeit der Länder gehört demnach insbesondere die Krankenhausplanung. Es ist Sache der Länder zu entscheiden, wo welches stationäre Behandlungsangebot vorgehalten wird. Der Bund, sprich das Gesundheitsministerium, darf die Planungshoheit der Länder nicht beschneiden, sagt der Gutachter.

Skrupellose Bundesländer

Der Gutachter und alle drei Minister:innen verschweigen aber geflissentlich, worin der eigentliche Gesetzesbruch besteht – nicht durch Karl Lauterbach, sondern durch sie selbst. Seit dreißig Jahren kommen die Länder ihrer Verpflichtung zur Finanzierung der Investitionen nicht nach. Diese haben weder mit der Inflation noch mit der Steigerung des Bruttoinlandprodukts Schritt gehalten, im Gegenteil, sie sind ständig gesunken. Zahlten die Länder 1993 noch 3,9 Mrd. Euro, so waren es 2020 nur noch 3,3 Mrd. Euro! Die Bundesländer haben sehenden Auges und ohne Skrupel ein Krankenhaus nach dem anderen dazu gezwungen, Investitionen entweder aus den Einnahmen der Krankenkassen oder mit Krediten zu finanzieren, was Schritt für Schritt in den Ruin führte. Eine Krankenhausschließung nach der anderen, ein Notverkauf an private, börsennotierte Krankenhauskonzerne nach dem anderen, nicht nach Bedarf, sondern nach Bilanz war die Folge. In Hessen konnte man genau das am Krankenhaus Offenbach oder an den Universitätskliniken Marburg/Gießen beobachten. Von einer vernünftigen Krankenhausplanung konnte und kann bis heute in keinem einzigen Bundesland die Rede sein.

Wenn die gleichen Gesetzesbrecher in all den Länderministerien, die dafür niemals belangt worden sind, nun mit einem Gutachten an die Öffentlichkeit treten, in dem sie mit scheinheiligem Pochen auf dem Grundgesetz eine Gesetzestreue einfordern, die sie selbst über Jahrzehnte mit Füßen getreten haben, dann kann man das nur als dreist bezeichnen. Die Lauterbachsche „Revolution im Krankenhauswesen“ mag voller Schwächen und Ungereimtheiten sein, aber ausgerechnet die Länder sind die letzten, die lautstark Alarm rufen dürfen, solange sie selbst geltendes Recht konsequent und grundgesetzwidrig ignoriert haben und immer noch ignorieren.

 

Dieser Artikel erschien bereits am 12. Mai in der Frankfurter Rundschau.

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21 Kommentare

  1. Endlich ein umfassendes, hintergründiges Statement, welches unser aller Karl wieder ins rechte, äh, korrekte Licht rückt und ihm die Ehre zuteil werden lässt, die ihm gebührt.
    Lassen wir das Gestern (auch das gestrige) gestern sein, als KarUlla die medizinische Versorgung privatisierten und den Stein ins Rollen brachten. Denn mal ehrlich – wer waren die wirklichen Verlierer? Natürlich die Patienten zweiter Klasse; die Privaten. Werden stets positiv-diskriminiert (ja, gibt es), indem diese bevorzugt behandelt, von der Zunahme der IGEL-Leistungen ausgegrenzt und dafür noch besser therapiert werden. Vom beruflichen ZWANG, einer sein zu müssen, ganz zu schweigen.
    Der Kassenpatient hingegen darf auf z.B. OPs länger warten und erhöht somit seine Lebenserwartung – theoretisch.
    Daher im Sinne des Verfassers: DANKE für erhellenden Artikel und an Karl, den Guten.

    1. @ cui bono
      Im Grunde stimme ich zu.
      Aber auch Privat-Patienten oder Selbstzahler sind nicht immer besser gestellt. Oftmals wird nur versucht mehr zu verkaufen um Profit zu machen. Das lohnt sich bei einer Abrechnung von 3,5 allemal, auch wenn es nicht unbedingt Sinn macht oder einen positiven gesundheitlichen Nutzen hat.

      Bei manchen Ärzten geht es dann auch zu wie beim Wurst-Basar: „Darf es ein wenig mehr sein“

      1. ‚Das zweite Bein können wir gleich mit abschneiden, zum halben Preis.‘
        :D:D

        Es scheint wohl mehr grundlegende Missstände zu geben in diesem System.

        1. Immer diese Pessimisten: wenn zwei Beine ab, dann schmerzen Blasen an den Füßen auch nicht mehr und man kann an Pflastern sparen! Tztztz
          Schont im Übrigen auch die Umwelt. Denn offenkundig waren nicht Plastikabfälle in Meeren das Problem, sondern QTipps/Wattestäbchen, sonst wären diese nicht verboten worden. Und Pflaster sind vermutlich nur noch nicht wissenschaftlich fundiert auf ihre Umweltschädlichkeit untersucht worden.
          Also kein Pflaster, keine Umweltsauerei. Die Beine sollten dabei nur die Basis der Feldstudie und der Anfang sein 🤣

      2. Richtig: Zum Beispiel völlig unnötige Außenbanderoperationen, damals noch mit 6 Wochen Krankenhaus im Privat(einzel)zimmer verbunden. Was zu schwach ist und reißt, wird nicht daurch stärker, dass es genäht wird, auch nach dem vierten Mal nicht. Also besser abnehmen, Ernährung ändern und vielleicht Kunststoff ein Mal versuchen. Hilft nicht, gut das war’s, andere Lösung, auch wenn viele Millionen Teuronen flöten gehen und den Krankenhäusern kerngesunde Patienten, die halt grade mal einen halben Gips haben, wirklich fast die liebsten sind (kostenweise).

    2. … Karl, den Guten.

      Also, dieser spezielle Karl hat ja schon verschiedene Benamsungen auf sich gezogen. „Karl der Gute“ war jetzt neu für mich. 😀

      Mir persönlich hat ja besonders gut eine Bezeichnung gefallen, die beim Hintergrund-Magazin als Titel für eine ganze fünfteilige Serie gewählt wurde: Der Karlatan.

      1. Ich geriet in Zwiegespräch mit mir, ob ich es sooo („Karl der Gute“) schreiben können sollte, da dies doch eher die zusätzliche „Bezeichnung“ für Könige und Kaiser war.
        Aber – warum eigentlich nicht?😉
        Ja – warum eigentlich nicht! 👍🥳

  2. Da ich aus der Vor-Smartphone Generation stamme,ist mir noch eine „Gesundheitsministerin“ U.Schmidt von der SPD in Erinnerung.Diese leitete den Umbau des Patientenorientierten Gesundheitswesen hin zum System der Gewinnmaximierung und öffnete das Gesundheitssystem für das transnationale Kapital….Wie es der Zufall will, erhielt sie als Bundestagsabgeordnete sehr hohe Nebeneinkünfte von einem Schweizer Pharmakonzern…
    Es ist die SPD,die für die desolate Lage im Gesundheitswesen verantwortlich ist! Das Lamento des amtierenden Ministers ist nichts als verlogen und soll nur von den Verantwortlichen ablenken.Zumindest hier im Osten sind fast alle Krankenhäuser an gewinnorientierte Konzerne verhökert oder geschlossen worden.Den schwarzen Peter an die Länder zu schieben ist vor diesem Hintergrund einfach nur verlogen.Warum in Krankenhäuser investieren,die nicht mehr in der Hoheit der öffentlichen Hand sind?

    1. Ja, da gab es mal eine Ministerin U.(unabhängig von Smartphones).
      Daher dieser Verweis auf:
      „Lassen wir das Gestern (auch das gestrige) gestern sein, als KarUlla die medizinische Versorgung privatisierten“. 😊

    2. Vergessen wir bitte nicht, dass besagte Ministerin Genossin Schmidt einen federführenden Verräter Berater hatte, mit dem einprägsamen Namen Karl Lauterbach.

      1. „Vergessen wir bitte nicht, dass besagte Ministerin Genossin Schmidt einen federführenden Verräter Berater hatte, mit dem einprägsamen Namen Karl Lauterbach.“

        Hmmmmm…KarUlla?
        Zu schwierig? Sorry, mein Fehler!🤪

  3. >>Zahlten die Länder 1993 noch 3,9 Mrd. Euro, so waren es 2020 nur noch 3,3 Mrd. Euro! Die Bundesländer haben …<< in diesen 27 Jahren wahrscheinlich etwas an Einnahmen eingebüßt.
    Von der üblichen Klientelpolitik der FDP über den unter Schröder eingeleiteten Ausverkauf der deutschen Wirtschaft, inklusive des Verschiebens von erwirtschafteter Leistung ins Ausland vor! Steuern, sind hauptsächlich Kommunen und Länder von verminderten Steuereinnahmen betroffen, die ihre Verluste im Gegensatz zum Bund nicht über Kredite kompensieren können – und so den Kollaps etwas hinauszögern können, das nur am Rande.

    MfG

    1. Wie es aussieht regiert der Bertelsmann-Konzern das Gesundheitswesen
      Laut deren Studie sollen 800 Krankenhäuser zur besseren Versorgung der Patienten geschlossen werden.
      Ein Befürworter der Schließungen soll auch Karl Lauterbach gewesen sein obwohl er nach neuesten Meldung angeblich dagegen ist.
      https://wetzlar-kurier.de/969-wie-interessengeleitet-ist-diese-studie-wirklichcdu-lahn-dill-klar-fur-erhalt-wohnortnaher-krankenhauser/

      Bertelsmann fordert wohl auch, Patienten sollen 2000 Euro pro Jahr für den Arztbesuch zuzahlen.
      https://www.telepolis.de/features/2-000-Euro-Zuzahlung-pro-Jahr-fuer-Kassenpatienten-7542742.html

      Derweil werden Arztpraxen von internationalen Konzernen aufgekauft.
      https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/arztpraxen-experten-warnen-vor-uebernahme-durch-finanzinvestoren-a-1c9303c8-cf4e-4bc6-a40e-86df1e981509

      Bei uns wurde bereits eine Klinik geschlossen und die andere an den Sana-Konzern verkauft.
      Die Folge:
      Die Notaufnahme meldet sich fast ständig ab, Rettungstransporte müssenauf andere Kliniken ausweichen
      Zimmer z. T. überfüllt, statt 2 Patienten manchmal 3 oder 4 oder in seltenen Fällen auch mal auf dem Flur weil zu wenig Betten da sind.
      Brandschutz? Evakuierung im Notfall?

      Die Zukunft ist/bleibt ungewiss und das Ende ist immer nahe

      Die Krake Bertelsmann
      https://stoerenfriedas.de/bertelsmann-die-krake-aus-guetersloh/

      Als ich vor etlichen Jahren eine Bundestagsdebatte angesehen habe und Helmut Kohl dort sagte: „Die Leute leben heute zulange“ dachte ich, jetzt müßte ein Aufschrei durch das hohe Haus gehen.
      Doch ich irrte mich, keiner schrie auf

      1. Karl der Gute mag etwas gesagt haben, hab auch drüber gelesen doch halt’s nicht für glaubwürdig, zumal ‚Bertelsmann‘ noch nichts über eine veränderte Strategie hat verlautbaren lassen und denk, am Ende wird sich Karl doch als der Gute herausstellen.

        Ein Aufschrei im hohen Haus? Gab es den schon mal?
        Er wird nicht deshalb unterblieben sein, weil die Anwesenden eine politische Bilanz gezogen und den Dicken angeschaut und bei gedacht haben ‚Stimmt‘. Viele werden diese unsägliche Aussage um ‚Und zu gut geht’s denen auch noch.‘ erweitert haben.
        Kann jetzt nicht sagen, ob es ein Phänomen der letzten Jahre ist oder etwas auch für die alte BRD typisches, das Reichskanzler Bismarck als großer Sozialreformer herausgestellt wird. Erkennbar ist ein Trend, die damaligen Zustände wieder herzustellen. Renteneintritt mit über 70 Lebensjahren (73?), Wochenarbeitszeiten von 74 oder wenigstens 60+ Stunden, einer medizinischen Versorgung wie sie in der ersten Folge von ‚Charite‘ treffend illustriert wird, einem ‚durchschlagenden‘ ‚Bildungssystem‘ von lesen/schreiben/rechnen/Religion wobei Geographie mangels eigener Kolonien entfällt und als Schmankerl neue ‚Sozialistengesetze‘.

        Optimismus sollte man auf die Erwartung passenden Wetters für den nächsten Tag beschränken, da es damals auch bei Proleten üblich war, sich unter erheblichem Aufwand eine ‚Gute Stube‘ einzurichten und die, heute Gross-, Familie schlief in einem Raum.

  4. „Wenn die gleichen Gesetzesbrecher in all den Länderministerien, die dafür niemals belangt worden sind, nun mit einem Gutachten an die Öffentlichkeit treten, in dem sie mit scheinheiligem Pochen auf dem Grundgesetz eine Gesetzestreue einfordern, die sie selbst über Jahrzehnte mit Füßen getreten haben, dann kann man das nur als dreist bezeichnen.“
    Wieso soll das abartig sein? Dieses Verhalten zieht sich doch wie ein roter Faden durch die gesamte Politik. Aktuell beklagt man einen Bruch des VR durch Rußland, obwohl man selbst dieses am laufenden Band brach und bricht.
    Alles Paletti.

  5. „es regt sich Widerstand“ in der politischen Simulation und der versicherte darf zahlen.
    Wenn die Politik ihren Ball an die ‚Parteien‘ spielt, kommt unter dem Strich keine Verbesserung für den Menschen. Aber flächendeckend die Versorgung zu gewährleisten, kann das dritte Weltland D mit digitaler ‚KI’ärtzen alle beglücken.

  6. Lauterbach verfolgt beharrlich sein Ziel, das er schon im Januar2020 (3 Monate vor der Corona-Krise) bekräftigt hat: Die Reduktion der Betten um 30-50%.
    Der oberste Panikierer trötet immer nur für sein Ego, Aufmerksamkeit und um seinen Quatsch zu promoten. Dabei schreckt er nicht vor Falschdarstellungen zurück.
    Ein widerlicher K[a,e]rl.

  7. Die Gesellschaft ist schon krank genug. Muss dann auch noch gendert werden?
    Was auch immer Lauterbach macht, es ist eine Katastrophe, aber das war schon immer so, schließlich hatte er damals die Regierung beraten, die das derzeitige System eingeführt hat. Es gibt so viele Experten, die wirklich vom Fach sind und in dem System arbeiten müssen. Die sollte man fragen, welches System am sinnvollsten ist. Lauterbach hingegen hat genauso viel Ahnung wie Onkel Otto, nämlich gar keine, da er sein Wissen aus den gleichen Quellen bezieht, die es bislang kaputt gemacht haben. Lauterbach soll angeblich auf einer elitären Uni im Ausland gewesen sein. Ob das stimmt und wie seine Abschlüsse sind, müsste überprüft werden. Doch ist er anschließend gleich in die Politik gegangen, er hat also eine Klinik und das Kliniksystem nie selbst in der Praxis kennengelernt. Nun wird er sicherlich behaupten, dass er sich bei den Klinken erkundigt hat. Aus meiner Erfahrung weiß ich, dass an der Spitze nicht immer gute Leute und schon gar nicht Leute aus der Praxis sind. Die Klinikdirektoren sind zwar in der Regel vom Fach, aber die Entscheider sind es in der Regel nicht und gerade die haben mehr von einem Politiker, als von einem Arzt. Die Klinikdirektoren sind für das operative Geschäft, also für den internen Ablauf zuständig. Die Entscheider machen die kaufmännische Abwicklung und die sind häufig alles andere als Kaufleute und da sie mit fremden Geld arbeiten, sind ihre Entscheidungen oft katastrophal. Daher kann man annehmen, das sich die Entscheider, wie es in der Politik üblich ist, in die erste Reihe stellen, wenn ein Herr Lauterbach Fragen hat, doch dann kann er auch gleich Onkel Otto fragen.

  8. Wenn ich mich recht erinnere, entstanden den Kliniken der Stadt Köln ab 2015 erhebliche Defizite (durch Versorgung zugereister Personen), welche in den folgenden Jahren als Gründe für angeblich nötige Schließungen herhalten mussten.

    Dazu dann noch die Erzählung, dass natürlich alles viel besser wird, durch Konzentration auf die Universitätskliniken, und Freigabe unserer Daten.

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