Laut Gramsci liegt eine Ideologie vor, wenn “es einer bestimmten Klasse gelingt, die Bedingungen ihrer Existenz und ihrer Klassenentwicklung als universelles Prinzip, als Weltanschauung, als Religion darzustellen und durchzusetzen”.
Die von Gramsci skizzierte Zuspitzung ist durchaus zutreffend, wenn man von der Ideologie der Globalisierung als einer immer schon gegebenen, unumkehrbaren und physiologischen Natur (globalismus sive natura) spricht. Im Rahmen der Neuen Weltordnung nach 1989 und dessen, was als “das große Schachbrett” definiert wurde, wird sie in jeder Hinsicht als “universelles Prinzip” dargestellt, weil sie in allen Breitengraden des Planeten unzweideutig akzeptiert wird (man könnte das als Globalisierung des Globalisierungskonzepts bezeichnen) – und gleichzeitig wird sie auch von den Beherrschten angenommen, die sich ihr allerdings mit aller Entschiedenheit widersetzen sollten. Sie wird als eine unbestreitbare und allgemeingültige Wahrheit dargestellt, die nur nach kognitiver und politischer Einstellung ratifiziert und akzeptiert werden muss.
Götzendienerischer Monotheismus des Weltmarktes
Die Globalisierung zeigt sich also als “Weltanschauung”, d.h. als artikuliertes und allumfassendes System, weil sie in Form einer einheitlichen und systematischen Perspektive strukturiert ist. In deren Mittelpunkt steht ein entnationalisierender Kosmopolitismus und die Beseitigung aller materiellen und immateriellen Beschränkungen des freien Waren- und Personenkreises, der Ströme des liquiden Finanzkapitals und der unendlichen Ausdehnung der Wettbewerbsinteressen der herrschenden Klassen.
Schließlich nimmt sie die Form einer “Religion” an, weil sie zunehmend als Glaube erlebt wird, der nicht zu hinterfragen ist – und weil sie weitgehend jenseits der Prinzipien der rationalen sokratischen Diskussion liegt: Wer die neue globalisierte Ordnung nicht unreflektiert und glaubwürdig akzeptiert, wird von der Sprachpolizei und den Gendarmen des Denkens sofort als Ketzer oder Ungläubiger geächtet, zum Schweigen gebracht und stigmatisiert. Die Globalisierung fällt also mit dem neuen götzendienerischen Monotheismus des Weltmarktes zusammen, der typisch für eine Epoche ist, die aufgehört hat, an Gott zu glauben, aber nicht an das Kapital.
Allgemein gesprochen ist Globalisierung nichts anderes als die Theorie, die die post-westfälische klassenbasierte Neue Weltordnung beschreibt, widerspiegelt und ihrerseits vorschreibt und verherrlicht. Sie entstand nach 1989 und stabilisierte und erhob sich ideologisch in den Rang des wahren und einzigen Himmels, um Christopher Lasch zu zitieren. Das ist die Welt, die vollständig dem Kapital und dem amerikanisch geprägten Imperialismus der liberalisierten privaten Kapitalmärkte unterworfen ist – mit dem begleitenden Export von free market und free desire sowie der Anthropologie des homo cosmopoliticus.
Die subtile Garotte entpolitisierter Ökonomie
Die symbolische Macht des Globalisierungskonzepts ist so invasiv, dass sie jedem, der es wagt, das Konzept in Frage zu stellen, buchstäblich den Zugang zum öffentlichen Diskurs unmöglich macht. In diesem Sinne gleicht er eher einer Religion mit obligatorischem Glaubensbekenntnis als einer Theorie, die der freien Diskussion und einer in die dialogische Vernunft eingebetteten Hermeneutik unterliegt.
Mit Hilfe von Kategorien, die zu Eckpfeilern der kapitalistischen Neosprache geworden sind, wird jeder Versuch, die Invasivität des Marktes einzudämmen und die absolute Vorherrschaft der globalisierten und amerikazentrierten Wirtschaft in Frage zu stellen, als “Totalitarismus”, “Faschismus”, “Stalinismus” oder sogar Linksfaschismus, der teuflischen Synthese aller drei, verteufelt. Der liberale Fundamentalismus und der globalistische Markttotalitarismus beweisen auch ihre Unfähigkeit, die theoretische Möglichkeit alternativer Existenz- und Produktionsweisen auch nur ex hypothesi anzuerkennen.
Jede Vorstellung von einer möglichen Kontrolle der Wirtschaft und einer eventuellen Regulierung des Marktes und der offenen Gesellschaft (mit eingebauter Finanzdespotie) würde unweigerlich, wie der Titel einer bekannten Studie von Hayek besagt, in Richtung “Der Weg zur Knechtschaft” führen. Hayek formuliert es ohne Euphemismus: “Sozialismus bedeutet Sklaverei”.
Offensichtlich berücksichtigt das Theorem von Hayek und seinen Gefolgsleuten nicht die Tatsache, dass Totalitarismus nicht nur das Ergebnis politischer Planung ist, sondern auch die Folge eines privaten Wettbewerbs politischer Regeln sein kann. Im gegenwärtigen Europa ist die Gefahr übrigens nicht im Nationalismus und in der Rückkehr traditioneller Totalitarismen zu suchen, sondern im Hayekschen Marktliberalismus und in der unsichtbaren Gewalt der subtilen Garotte der entpolitisierten Ökonomie.
Globalisierung dekonstruieren
Es ist daher unerlässlich, das Imaginäre der gegenwärtigen hegemonialen Vorstellungen von Globalisierung zu dekolonisieren und zu versuchen, ihren Inhalt auf eine alternative Weise neu zu definieren. Zu diesem Zweck ist es notwendig, die marxistischen sozialen Beziehungen als beweglich und konfliktiv neu zu verstehen, wo der ideologieüberflutete Blick nur Dinge registriert, die träge und aseptisch, starr und unabänderlich sind.
Mit anderen Worten: Es ist notwendig, das hegemoniale Bild der Globalisierung zu dekonstruieren und ihren nicht neutralen, sondern klassenbasierten Charakter aufzuzeigen.
Aus der Perspektive der herrschenden Klassen kann die Globalisierung in der Tat enthusiastisch und sehr lobens- und ermächtigungswürdig erscheinen.
Der indische Wirtschaftswissenschaftler Amartya Sen preist die Globalisierung beispielsweise nachdrücklich für ihre größere Effizienz bei der internationalen Arbeitsteilung, für den Rückgang der Produktionskosten, für die exponentielle Steigerung der Produktivität und – in einem ausgesprochen fragwürdigen Ausmaß – für die Verringerung der Armut und die allgemeine Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen.
Ein erster Blick auf das neue Jahrtausend genügt, um daran zu erinnern, dass es in Europa 20 Millionen Arbeitslose, 50 Millionen Arme und 5 Millionen Obdachlose gibt, während das Gesamteinkommen in den letzten 20 Jahren in demselben Europa um 50 bis 70 Prozent gestiegen ist.
Dies bestätigt auf eine schwer zu widerlegende Weise den Klassencharakter der Globalisierung und des von ihr erzeugten Fortschritts. Aus der Perspektive der Beherrschten (und damit “von unten” gesehen) wird sie mit der ganz konkreten Hölle der neuen technokapitalistischen Macht identifiziert, die sich nach 1989 mit der Verschärfung von Ausbeutung und der Kommerzialisierung, von Klassismus und Imperialismus auf globaler Ebene konsolidiert hat.
Den Prozess nicht aufgeben?
Zu dieser hermeneutischen Duplizität, die der Duplizität der Klassen im sehr zerrissenen Kontext nach 1989 vorsteht, kehrt die endlose Debatte zurück, die die beiden Brennpunkte dieses frontalen Gegensatzes auch weiterhin interessiert: auf der einen Seite die Apologeten der Globalisierung und auf der anderen diejenigen, die sich über selbe beschweren.
Die ersteren (die man trotz der kaleidoskopischen Vielfalt ihrer Positionen insgesamt als “Globalisten” bezeichnen kann) preisen die Tugenden der Verwandlung der Welt in einen Markt. Letztere (die nur teilweise mit denen übereinstimmen, die in der öffentlichen Debatte als “Souveränisten” oder Globalisierungskritiker bezeichnet werden) betonen dagegen die Widersprüche und den eminent regressiven Charakter gegenüber dem bisherigen, auf nationale Souveränitäten ausgerichteten Rahmen.
Kurz gesagt, und ohne auf die Feinheiten einer Debatte einzugehen, die aufgrund der Menge an Inhalten und der Vielfalt der Ansätze praktisch unüberschaubar ist, beharren die Lobredner des Globalismus darauf, dass die Globalisierung die industrielle Revolution, den Fortschritt und die Eroberungen des Westens auf die ganze Welt ausdehnt. Mit anderen Worten: wie sie die Errungenschaften einer Menschheit “universalisiert”, die irgendwie als “überlegen” verstanden wird und daher berechtigt ist, die “einzige Akte” der linearen Entwicklung aller Völker des Planeten zu organisieren.
Selbst die nüchternsten, skeptischsten Autoren, die über den Wert der Globalisierung berichten, wie z.B. Joseph E. Stiglitz, scheinen unter einer geradezu magnetischen und letztlich ungerechtfertigten Suggestion zu leiden, die Welt in einen Markt zu verwandeln. Nach Ansicht von Stiglitz und seinem reformistischen Optimismus sollte dieser Prozess, der gleichzeitig auch die kapitalistische Ungleichheit und das Elend “planetarisiert”, wegen der Entwicklungen und Veränderungen, die er hervorbringen könnte, nicht aufgegeben werden.
Dieser Artikel erschien erstmals auf Posmodernia. Der Artikel wurde unt
Jeder Organismus muss sich zu seiner Reproduktion mit der Umwelt austauschen und damit haben wir schon das Spiel von Angebot und Nachfrage. Mit der Geldwirtschaft wird dieses “Spiel”, der Markt, extrem erweitert. Es basiert auf einem Verhalten der Teilnehmer nach der ökonomischen Rationalität. Globalisierung ist damit nicht aufzuhalten, Es ist die materielle Basis und keine Ideologie.
“Jeder Organismus”
Der Mensch als Fadenwurm. Lebt. Tut so, was er er eben tut und stirbt dann früher oder später.
Wie’s auch geht, zeigt China. Sie holen Millionen Menschen in ländlichen Regionen näher an die Zivilisation und an den Wohlstand, darunter die Uiguren. Die UNO lobt die Bildungsverbesserung. Die neoliberalen Globalisten klopfen sich auf die Brust, dass durch die Globalisierung über die letzten Jahrzehnte *weltweit* Millionen Arme aus der Armut geholt worden seien – ohne zu erwähnen, dass die Chinesen den größten Anteil daran leisteten. Dann kommt Adrian Zenz daher, holt sich Ausbildungsvideos aus dem Netz und behauptet, die Chinesen hätten 1 Million Uiguren inhaftiert und würden sie zwangschinesieren.
Die Welt ist, was der Mensch draus macht. Der Fadenwurm spielt eine Nebenrolle.
“Am Ende müssen die Produkte ihre
Käufer kaufen.” ( Andre Gortz )
Andre Gorz ohne “t”
“Jeder Organismus muss sich zu seiner Reproduktion mit der Umwelt austauschen und damit haben wir schon das Spiel von Angebot und Nachfrage.”
Reproduktion meint in diesem Zusammenhang die Kopie seiner selbst. Wenn wir den wissenschaftlichen Charakter der Biologie als unbestritten stehen lassen, müssen wir uns fragen, was die Kaffeesatzleserei der Ökonomie mit dem biologistischen Beispiel von Angebot und Nachfrage ( Partnersuche, Paarungszeit ) zu tun haben könnte.
Nichts !
Die Amsel auf der Wiese, die einen Wurm aus dem Loch zieht, empfindet den Wurm nicht als Angebot und andere Amseln nicht als Nachfrager.
An kapitalistischen Märkten ist nichts “natürlich”. So ein falscher Blick auf die Dinge verbaut den Blick auf alternative Gesellschafts-, und Wirtschaftsentwürfe.
Sie können zwar – eigentlich logische + bekannte – Sachzusammenhänge auf diese Weise erklären, aber sollten Sie dies auch tun dürfen, ohne für Irritationen zu sorgen? 😉
Die Einen werden es nie erkennen, die Anderen sind aus Prinzip/Eigennutz dagegen und der überwiegende Rest ist für Kausalitäten nicht zu erreichen.
Aber – Sie haben es kurz und korrekt zusammen gefasst.👏
CGarstig wie immer
schöne Antwort auf das.
Grüße
Element x
“CGarstig wie immer”
Ich wurde schon einiges genannt, aber garstig?😯😉
Eventuell hätte ich mir einen anderen Alias geben sollen, da der jetzige, mit Absicht klein geschrieben, sein Ziel so völlig verfehlte. Aber nun lohnt ein Ersatz auch nicht mehr.
Entgegen meiner bisherigen Annahme, klärte mich OM DOCH auf. Halleluja.
War ich bisher der 😵💫Meinung, dass es (auch vor Ort) un/mittelbar wichtige und zukunftsweisende/-verändernde Entwicklungen gibt, die thematisiert werden sollten, wurde ich über die Fehlerhaftigkeit meiner Annahme eines Besseren belehrt.
Gibt nix wirklich Wichtiges außer das Übliche.🤫
Die geplante Zukunft scheint derart rosig zu sein, dass wir quasi vor den Toren des Paradieses stehen – oder war’s die Hölle? Wurscht, alles ist gut!
Desweiteren bin ich pathologisch noch nicht auf dem Niveau wie der ein oder andere Teilnehmer. Und ob ich DAS aufzuholen vermag – zweifelhaft, schade eigentlich! 😁
Muss mich dann wohl wieder mit den weniger anspruchsvollen Alternativen begnügen oder gar den MSM zuwenden, die thematisch zumindest die Richtung weisen, woher bzw. wohin der Wind weht; denn wo Rauch ist, ist auch Feuer – so man “Fährten” zu lesen und deuten vermag.
Äaahhhhmmmmm…was ich selbstverständlich nicht kann.🤪
Viele Grüße
Bevor sie sich zum Maßstab aufschwingen um meine Gedankengänge als “korrekt” zu kritisieren, sollten sie darüber nachdenken, in welcher Sprache sie Fragen aufbauen und an mich stellen. Ich kann sonst nur unzureichend antworten.
Zweifelsohne ist das Wesen des Menschen ein kooperatives. Die Kooperation ist ihm angeboren, da sind sich Soziologie, Psychologie und die Erziehungswissenschaften einig.
Märkte sind das Gegenteil von Kooperation. Märkte beruhen auf der Zerstörung von Konkurrenten, weshalb Märkte im Prinzip nicht dauerhaft existieren.
Von seiner genetischen Ausstattung her betrachtet, liegt dem fürsorglichem Gruppenwesen Mensch, der Sozialismus näher als der Kapitalismus.
Das Ersterer nicht zum Zuge kommt, ist Folge von Herrschaft und ihrer Manipulation.
Herrschaft erfindet zur Steuerung der Massen Gruppenaußenseiter, ” Kein Recht auf Faulheit” ( Schröder ), “spätrömische Dekadenz”( Westerwelle), “Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen” ( Müntefering ) um die menschliche Kooperation in eigener Sache zu steuern. Kriege funktionieren als konstruierte Kooperation gegen erfundene, äußere Feinde und in seiner Kommandostruktur, ” Nie einen Kameraden im Stich lassen !”.
Der angeborene Wille zur Kooperation wird von der herrschenden Klasse missbraucht. Es bedeutet nicht, dass der Mensch unfähig ist, die eigenen Belange zu organisieren.
“Bevor sie sich zum Maßstab aufschwingen um meine Gedankengänge als „korrekt“ zu kritisieren, sollten sie darüber nachdenken, in welcher Sprache sie Fragen aufbauen und an mich stellen.”
Eine Frage war nicht Bestandteil meiner Antwort!
Und wenn Sie:
“Aber – Sie haben es kurz und korrekt zusammen gefasst.👏”
hinterfragen, in Frage stellen, als Kritik deuten bzw. diese nicht als dem Wortlaut entsprechend verstehen, sind mir rhetorisch leider die Hände gebunden.😳
“Von der Amöbe bis Albert Einstein…”
Zu “jeder Organismus” fällt mir nur o. g. sinngemäße Zitat von Karl Popper, Begründer des kritischen Rationalismus ein.
In geistiger Zweisamkeit und komplementär mit dem hayek’ schen Neoliberalismus.
Dessen blutige Einführung, vulgo die des freien Marktes, 1973 in Chile, kann nur als voller Erfolg bezeichnet werden.
Oder?
Das ist übrigens reinste Ideologie,
Man hat die Ratio des Marktes zu glauben und nicht zu hinterfragen.
Freiwilliger Konformismus – Dogmatismus pur. Die Freiheit besteht daraus, sich den Verhältnissen anzupassen.
Die Gebote dieser Marktreligion kann man in seiner Bibel (die Verfassung der Freiheit) nachbeten… und wer nicht spürt und sich nicht anpasst, wird gnadenlos ausgemerzt. Steht sinngemäß auch so da…
Die Globalisierung ist eigentlich nur die Fortschreibung einer freien Warenproduktion. Der Produzent und noch mehr der Händler braucht gesetzliche Rahmenbedingungen und militärischen Schutzfür sein Geschäft, das er im günstigsten Fall global ausdehnen will.
Der ganze Budenzauber um die Globalisierung ist also nichts anderes als der Ur bürgerliche Wunsch nach Verwertung des eigenen Kapitals, und das seit tausend und mehr Jahren.
Jeder Politiker, jeder Scharlatan kann da seine Wünsche ausleben, wenn er an diesen beiden ehernen Grundsätzen nicht rüttelt.
Deshalb werden wir die Globalisierung auch nicht verhindern…
Das hört sich arg nach 70er-Jahre-CDU-Nostalgie mit “mittelständischen Familienunternehmen” an.
Tatsächlich arbeiten die transnationalen Konzerne aber mit massiver Geld-, Militär- und Politikunterstützung der Regierungen, die – wie ganz besonders Deutschland bis zur Merkel-Zeit – die marktkonforme Demokratie bevorzugen, mit Billiglohnmarkt, Renten- und Krankensystem-Abbau, um möglichst an der Lohnkostenfront das wettzumachen, was an Ingenieursleistung im internationalen Konkurrenz mehr und mehr an Vorteil verloren zu gehen beginnt.
Mit der Ukraine hat Deutschland seine Frontstaat-Vorteile aus der Kalter-Kriegszeit endgültig verloren, rutscht hinten runter und ist dabei den Weg Frankreichs mit schleichender Deindustrialisierung zu gehen. Die Gegenweh, sich die enorm wichtigen Handelsbeziehungen mit Russland nehmen zu lassen, war mäßig.
Mit Scholz, Baerbock und Habeck ist Deutschland mit der moralischen Verklärung der Nato-Vasallenschaft (“führend dienen”) in eine neue Stufe übergetreten, in der Haltung (Nato, Klimarettung) als erstes politisches Ziel ausgegeben ist und jeder Wohlstandverlust dadurch gerechtfertigt wird. Da wird die bürgerliche auf Kapitalverwertungsidelogie trainierte Weltsicht noch einiges zu knapsen haben.
Angesichts der Sanktionslawinen der EU und den USA gegenüber einigen BRICS-Ländern frage ich mich, wo diese bürgerliche Globalisierungsverträumtheit ihre Basis haben könnte.
“Globalisierung ist nur ein anderes Wort für US-Herrschaft”
Henry Kissinger
Leider endet der Artikel dort, wo es spannend zu werden beginnen könnte. In der Nennung von Alternativen. Und so reiht sich der Artikel ein in die Rubrik – die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert – es kömmt darauf an, sie zu ändern. Die vorgelegte Erklärung ist dazu noch ziemlich unscharf. Dass Globalisierung eigentlich nur ökonomische Globalisierung ist und keinesfalls soziale Globalisierung, wird nicht erwähnt. Die Elenden des Südens produzieren den Profit, der durch den Warenkauf an den wohlhabenden Westen sich realisiert. Nur der Westen hat heutzutage noch das Geld, den Verwertungskreislauf des Kapitals sicherzustellen. Aber eben nicht mehr lange. Und weil dieser Untergang der Profitwirtschaft unausweichlich ist wie ein Naturgesetz, wird Ideologie benötigt. Diese Ideologie ist, wie jede Ideologie nur an die Verlierer gerichtet. Die Gewinner handeln eh, wie sie wollen. Genau dafür haben sie ja die Macht.
Der Kapitalist hat nur zwei Möglichkeiten dieses Problem zu lösen: Entweder es werden Sozialstandards des Westens im Süden eingeführt. Dann schwindet der Extraprofit. Oder aber der Sozialstandard des Westens wird abgesenkt. Dies aber lässt die Kaufkraft sinken. Auch hier schwindet der Extraprofit. Wir sehen, der Kapitalismus hat keine Möglichkeit, aus diesem Dilemma innerhalb seiner Systemgrenzen herauszukommen. Deshalb braucht es Ideologie. Damit niemand die Systemfrage stellt. Und diese Frage lautet. Wer braucht eigentlich Kapitalismus?
Wer den Kapitalismus braucht ist doch kkar: der Kapitalist bzw. die entpersonalisierten anonymen Kapitalgesellschaften. Blöd nur, daß genau diese genug Geld haben um Lobbyisten zu bezahlen um ihre Ideologie zu verbreiten.
Eine Religion? Eine ökonomische Notwendigkeit, würde ich sagen. Der komparative Vorteil, wie schon von Ricardo im 19. Jahrhundert formuliert. Der ist übrigens systemübergreifend, es gäbe ihn auch in jeder anderen Wirtschaftsform, nicht nur im Kapitalismus.
Er hat Vorteile: nehmen wir das Gerät, was vor uns steht, den PC. Der wurde in den letzten 40 Jahren immer besser und billiger. Er enthält Teile aus allen Kontinenten und ebenso sind Erfindungen aus allen Kontinenten eingeflossen. Und: wenn die Länder Handel treiben, können sie keinen Krieg gegeneinander führen. Es hat auch Vorteile.
Aber was, wenn wir durch ein Embargo vom Weltmarkt abgeschnitten würden? Kriegen wir in D auch einen PC zusammen? Schon, aber er ist deutlich teurer und schlechter als der auf dem Weltmarkt. Wir sind abhängig und das wird zur Sanktionierung benutzt, eine Waffe in der Hand des großen Hegemons, der USA.
Dort begann die Globalisierung, in dem Moment wo man in der Lage war, Fabriken in fernen Ländern aufzubauen. Um die heimischen Löhne zu umgehen, natürlich. Die Gewerkschaften waren der Verlierer. Was thematisiert wurde: Attac und andere wehrten sich dagegen, durchaus erfolgreich übrigens. Die wirklich schlimmen Freihandelsabkommen MAI und ACTA konnten sie verhindern, CETA zum Teil. Wobei damals noch halbwegs fair über diese Bewegung berichtet wurde. Auch vorbei.
Dann wurde auch den Amerikanern das Treiben zu bunt. TTIP hieß Globalisierung ja, aber es sollte die Russen draußen halten. Genau so wie TTP die Chinesen. Beide sind kläglich gescheitert. Darum diese Eskalation gegen Russland und China. Russland ist jetzt ganz, China kaum aber zunehmend vom Weltmarkt abgeschnitten. Was aber nicht die gewünschten Resultate bringt. Eine Wunderwaffe ist es nicht.
Also eine Religion sehe ich nirgends. Einen ökonomischen Vorteil auf der einen und ein Machtinstrument auf der anderen Seite. Kein Grund, ins Transzendente abzuschweifen.
Ziemlich eingeschränkte Sichtweise. Der Weltmarkt funktioniert anders, Wertschöpfungsketten funktionieren anders, und auch der Vertrieb von russischen Erdölprodukten hierzulande funktioniert jetzt anders als Du Dir das vorstellst (als zusätzliche Zwischenhändler für Diesel aus russischem Öl haben sich jetzt die Inder dazwischengeschaltet und schnappen sich einen Teil des Ertrages, der Verbraucher hierzulande bezahlt es notgedrungen in Ermangelung von Alternativen)
Der Diesel ist ein Beispiel, daß der freie Markt auch nur eine sehrvereinfachende Denkfigur ist. In der Wirklichkeit hat man einfach keine Alternative und damit ist man nicht mehr frei als Käufer, weil man etwas kaufen muss. Ohne Diesel geht hier nichts im Land. Freiheit ist die Freiheit Nein sagen zu können.
@Arthur
Ich stimme NoName zu, “Der Weltmarkt funktioniert anders, Wertschöpfungsketten funktionieren anders”.
Global gesehen wurde eine Pyramide organisiert, in der auf der Spitze das intellektuelle Eigentum steht. Das ist nicht neu, wenn man sich die Funktion der ursprünglichen Trennung von Hand- und Kopfarbeit anschaut.
Idealerweise – das ist der Sinn der Organisation – landet die Mehrheit der Profite bei dieser Spitze. Das ist auch passiert.
Wenn man sich Apple anschaut (bevor sie ihren eigenen Prozessor verwendeten), war ein Apple PC in keiner Komponente von einem anderen PC unterscheidbar.
Apple PCs (in jeder Form) würden gar nicht existieren, gäbe es die chinesischen Firmen nicht, die diese Produkte herstellen.
Apple hatte jahrelange Erfahrungen mit der Herstellung von PCs und weiß haargenau, wie hoch die Produktionskosten sind.
Der Witz ist, um sie mehr sie investieren müssten, diesen Prozess der Montage zu automatisieren um Kostenvorteile zu erlangen, desto mehr müssten sie bilanziell abschreiben. Was die Bilanz verhagelt.
D.h. der Umweg über den tendenziellen Fall der Profitrate ist (verkürzt), global einen Teil (von der Bevölkerung gesehen: die Mehrheit) der Welt auf den Entwicklungsweg der Produktion des absoluten Mehrwerts zu schicken.
Die ausbeuterischen “sweat shops” sind nicht ein “moralischer” Unfall, sondern so vorgesehen.
Weil dem Kapital in diesen Ländern keine andere Wahl bleibt, als ihre Profite so zu erzielen.
Kulturelle Artefakte dieser Vorstellungswelt, dieser Phantasie in den entwickelten Ländern der kapitalistischen Zentren sind Körper, die sich als was auch immer “definieren” können, weil sie demnach keine biologische, also materielle Grundlage haben.
Hatte man vorher zum Beispiel die Vorstellung, man könne “sex” und “gender” als Körper und Geist voneinander trennen (Hand- und Kopfarbeit), ist die Einheit von Kultur und Ökonomie, Genen und Hormonen, die ein Individuum ausmachen zu einer Illusion der Beliebigkeit verkommen, in der diesem Individuum abverlangt wird, sich zu “definieren”, während gleichzeitig alles geleugnet wird, was dieses Individuum tatsächlich definiert.
Die reale Realität ist, dass die USA, lange bevor sie im Krieg gegen die Ukraine eingestehen musste, nicht mehr Munition für die Artillerie produzieren zu können, bereits keine Fabrikausrüster mehr hatte.
Es wird nicht nur einfach eine Fabrik oder die Produktion “verlagert”, sondern das komplette praktische Erfahrungswissen wie man produziert verschwindet.
Die gesamte Kette vom Arbeiter, Facharbeiter (das ist in Deutschland besonders organisiert), zum Meister, Techniker, Ingenieur ist weg.
Die Fabrikausrüster, die Dienstleister in Sachen Automatisierung, die ingenieurstechnischen Beratungsfirmen verschwinden.
Zurück bleibt ein industriell ausgehöhltes Gerippe, das um so mehr gezwungen ist, die Länder in der “Peripherie” zu zwingen herzustellen, was man selber gar nicht herzustellen in der Lage ist.
D.h. “De-Industrialisierung” ist für Deutschland nur die Hälfte der Miete, sondern wir sollen gezwungen werden, mit diesem industriellen Gerippe die gleichen Herrschaftsabsichten zu teilen.
Wenn Stahl in Deutschland nicht mehr kostengünstig hergestellt werden kann, dann sollen wir die Ambitionen entwickeln, über die globale Stahlproduktion zu herrschen.
Die USA wollen uns zwingen, ihrem Entwicklungspfad zu folgen.
Was unmöglich ist.
Erster Teil: Zustimmung. Hatte ich der Kürze halber weggelassen.
Zweiter Teil: ebenfalls richtig. Neulich wurden Anlagen gezeigt, die Artilleriemunition herstellen sollen. Diese Anlagen haben sicher schon im WK II für die US-Army produziert. Kriegen die nichts Neueres hin? Die Antwort ist tatsächlich nein.
@Arthur
Es freut mich, dass wir hier einverstanden sind.
“Neulich wurden Anlagen gezeigt, die Artilleriemunition herstellen sollen. Diese Anlagen haben sicher schon im WK II für die US-Army produziert. Kriegen die nichts Neueres hin? Die Antwort ist tatsächlich nein.”
Ja, mir fiel es auch schwer, das zu glauben.
Bis ich es auf den Bildern gesehen habe.
Ordinäre Granaten bringen nicht genug Profit, ergo wird in deren Produktion auch nichts investiert.
Sicher, mit steigendem Bedarf steigen die Preise – aber das treibt eben nur die Preise nach oben, nicht den Ausstoß, der durch die Produktion limitiert ist.
Übrigens 1: Die USA produzieren gar kein TNT mehr.
Übrigens 2: die deutsche Fabrik, die die deutsche Artilleriemunition hergestellt hat existiert nicht mehr.
Die besondere Komik liegt darin, Russland als riesengroße Bedrohung zu verkaufen und wenn man nachfragt, dann reicht die in Deutschland gelagerte Munition zur Abwehr dieser Bedrohung für zwei Tage.
Was passiert an Tag 3?
Wenn ich den ersten Teil ernst nehmen würde, dann wäre die Offenlegung des zweiten Teils eigentlich Anlass für die Exekution der Verantwortlichen.
Das sage ich nur an Stelle eines stalinistischen Freunds! 😉
Kleiner Nachtrag, zwei Dinge, die mir ebenfalls schwer fielen zu glauben.
Als ich den Artikel “The Return of Industrial Warfare” las war meine erste Frage zu dieser Überschrift: “War der denn jemals weg???”
Denn wenn man Verluste an Mensch und Material einkalkuliert, dann müssen die ersetzt werden.
In diesem Artikel wurde die dahinter stehende “ökonomische” Überzeugung verraten, man könne Fabriken aus- und bei Bedarf wieder einschalten.
Weil das eben ökonomischer ist. Facepalm.
Ich habe diesen Satz mehrmals lesen müssen, weil ich einfach nicht glauben konnte, dass ich ihn korrekt gelesen und verstanden habe.
Sie sind wirklich der Meinung, wenn sie Geld und Nachfrage haben, dann wird das Angebot wie von selbst, quasi aus dem Nichts erscheinen (der heilige Markt regelt alles).
In der Realität müssen sie selbst für den Ersatz der “Stinger”-Raketen Jahre einplanen und Fachkräfte aus der Rente holen.
Genauso die Sanktionen gegen Russland.
Ich habe auf DW-Ausland einen Wirtschaftsexperten gehört, der meinte, Russland würde seine verbliebenen Devisenreserven verbraten und dann sei “game over”.
Erstens, als würde man in Russland russisches Öl und russischen Stahl und russisches Aluminium in Dollar bezahlen müssen und nicht in Rubel.
Die in den Sanktionen wirkenden Exportsperren u.a. aus der EU verhindern doch die Notwendigkeit, in Fremdwährungen bezahlen zu müssen.
Zweitens, jeder russische Oligarch wird eine Flasche Schampus geköpft haben, da ihm die EU erfolgreich die ausländische Konkurrenz vom Halse gehalten hat. Die Sanktionen wirken, als hätte man massive Zölle auf den Import eingeführt.
Was einen zunächst fassungslos macht, ist das totale Versagen der “Experten”, bis man die dahinter stehende Ideologie begreift, die einen noch fassungsloser zurücklässt.
Komplett von Realität entkoppeltes Lala-Land.
Man könnte auch schreiben “Sklaverei ist Freiheit” frei nach Orwell “Krieg ist Frieden”…..auch das hat der neoliberale Glaube geschafft, die Umdeutung der menschlichen Geschichte in ihrem Sinne – und dies läuft immer noch, ununterbrochen fort…..auch in unseren Nachbarländern…..
Übrigens, ich bin, als geschichtsinteressierter Mensch, rein zufällig auf eine Schweizer Doku gestossen, die sich mit der Geschichte des Schweizer Protestantismus befasst, die aber, meines Erachents auch den Zusammenhang mit dem Kapitalismus = Protestantismus bestreiten will – auch mit einem kleinen Ausflug in den “Großen Kanton” = Deutschland, Slang von Schweizer für .de, im Norden.
Mich hat das nicht ganz überzeugt, “Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus” von Max Weber zu zerlegen, in der Schweizer Geschichtsdoku, aber welche Bewegung sowie politische Partei, auch in der Schweiz vom Niedergang des katholischen, und vor allem, da die Mehrheit in der Schweiz protestantisch gewesen sein dürfte, evangelischen Glaubens, fand ich durchaus auch für meine Heimat Deutschland sehr zutreffend entlarvt :
“[….]500 Jahre Reformation – Wie die Schweiz gespalten wurde | Gott Arbeit Geld | Doku | SRF Dok[…]”
https://www.youtube.com/watch?v=1l9NsbPeOaQ
Da wundert sich Mensch (noch) weniger über die paternalistischen Erziehungsversuche dieser Partei, die es auch in Deutschland gibt, und die am Evangelischen Kirchentag in Nürnberg stark vertreten war, von wegen “Gott ist queer” oder so 😉
In der Schweiz wurden die …… Partei ja mittlerweile abgelöst, aber in Deutschland ist diese Sekte Teil der Ampel-Koalition in Berlin und nein, es ist weder die FDP noch die SPD…..
Gruß
Bernie
PS: Interessant fand ich auch den Unterschied zwischen römisch-katholischen, und protestantischen, Kantonen in der Schweiz – hinsichtlich der Durchsetzung der modernen Arbeitsmoral – nur soviel die Katholiken waren der rückständige Teil, die Protestanten die fortschrittlicheren, und erfolgreicheren, Kantone der Schweiz – protestantische Religion, und Moral, eben……
“Neoliberale Globalisierung” ist kein neuer Glaube, sondern der Versuch, globale neokolonialistische Ausbeutungsmethoden als unveränderbaren Prozeß, quasi als Naturgesetz, zur allgemeinen Akzeptanz zu bringen und damit jeden Widerstand zu ersticken. Es soll die Anwendung der neokolonialistischen Methoden als solche unkenntlich gemacht und verschleiert werden, als erster Schritt. Mit der Installation dieser Ideologie geht die scheinbar völlig unpolitische Bekämpfung von Widerstand gegen Ausbeutung (ob lokal, national oder international) einher, quasi als private Angelegenheit von Geschäftspartnern. Damit wird unter anderem Entsolidarisierung bezweckt, was in sozialistischen Bewegungen und Gewerkschaften Europas und Lateinamerikas großteils erfolgreich war, mit verheerenden Folgen für diese (siehe aktuell Partei Die Linke).
Globalisiert wurden Kapital- und Warenströme, zur Profitoptimierung. Globalisiert wurden auch Arbeitsteilung, Arbeitsproduktivität und Innovation, aber nicht um Lebensstandard zu erhöhen, sondern allein zur Profitoptimierung der besitzenden Eliten (Ausnahme: China). NICHT globalisiert wurden soziale Errungenschaften wie soziale Schutzsysteme für Arbeitende in entwickelten Ländern – so daß diese auch an Ausbeutungsvorgängen teilhaben konnten ohne es zu bemerken.
Sicher, es hat immer Handel gegeben und die Handelsbeziehungen waren recht weit. Dagegen ist nichts zu sagen, so lange man sich auf Augenhöhe begegnet. Sobald sich einer als höher sieht und den anderen als niedrig, geht es um Ausbeutung. Das gab es in der Antike auch schon, es gab Sklaven, die aus Ländern stammten, die man versklaven konnte. Was der Westen heute noch macht, haben die Römer auch schon gemacht. Das römische Weltreich scheiterte mit der Völkerwanderung….
Wenn der Westen nicht lernt, anderen Ländern auf Augenhöhe zu begegnen und nicht aufhört, kolonial zu handeln, wird er zerfallen. Kolonialismus kann man auch mit Freihandelsabkommen betreiben, indem man anderen die Märkte kaputt macht. Oder indem man seine Vasallen unter seine Knute zwingt, sie energieabhängig macht. Manche machen sich auch in der Verteidigung abhängig oder tauschen eine Abhängigkeit gegen eine andere… Fragt sich nur, welche Abhängigkeit schlimmer ist. Aus meiner Sicht die, die im letzten Jahr eingegangen wurde.
Die Welt wie wir sie kennen (oder nicht), beruhte immer auf Handel.
In welcher geschichtlichen Historie gab es eine Form ohne den Handel?
Gibt’s net, von daher sind alle Menschen dieser einzigen Doktrin eingebettet.
Der einzige Unterschied waren die Verteilung zwischen haben und nicht haben und entsprechende Repräsentanten winziger Unterschiede.
Der Westen wurde im Klassenkampf mit sozialen Zugeständnisse als Propaganda gegen ihre eingesetzten Kommunisten, als das Erfolgsmodell hochgepriesen. Heute geht es darum nicht mehr, sondern darum diese ‘Missgeburt’ Soziale Absicherung los zu werden. Darum werden ja soviel Narrative eingesetzt, um den Psychokrieg gegen alle so zu vertiefen, das man lieber aus der Angst heraus alles mitgetragen wird, Hauptsache ICH.
Wann fangen die Menschen an, selber nachzudenken als nur vorgequirlte und von Steuergelder bezahlten Vorgaben nach zu rennen?
Realitäten werden geschaffen oder selbst geschaffen.
Was will dieser Diego Fusaro eigentlich sagen? Will er uns etwas mitteilen, also mit uns teilen, oder nur zeigen, was er so alles weiß, wen er gelesen hat und wie wunderbar er sich auszukennen scheint auf dem Feld des geistigen Pingpongspiels? Hat er eigentlich den Leser im Blick oder nur sich selbst? Und als was gilt ihm der Leser? Ist der leser jemand, mit dem er in M;einungsaustausch treten will um des Erkenntnisgewinns willen, oder doch eher jemand, von dem er bewundert werden möchte, weil er so wunderbar Unverständliches vorträgt, das nur eines soll: den Leser beeindrucken und sich selbst ein wohliges Gefühl bereiten in den Eingeweiden..
Werter Leser, der sich davon vllt beeindruckt fühlt, gehen Sie dem nicht auf den Leim! Auf keinen Fall: Glauben Sie nicht, dass es an Ihnen liegt, wenn Sie DAS nicht verstehen. DAS wurde nicht geschrieben, damit Sie die Welt besser verstehen.Manches versteht man nicht, weil es ganz einfach unverständlich ist. Das kommt öfter vor, als man denkt. Es fällt nur nicht auf. Das ist wie mit dem schön verpackten Weihnachtsgeschenk: Man lässt sich erst einmal blenden von der schönen Verpackung und merkt erst später, wie nutzlos es ist, wenn man es ausgepackt hat. Das Weihnachtsgeschenk kann man zum Glück in den meisten Fällen umtauschen. Im vorliegenden Fall ist es leider anders. Das nimmt der Händler nicht zurück. Unsinn kann man nicht umtauschen in Sinnvolles.
Manches, was man nicht versteht, ist einfach nur wirres Zeug, ausgebrütet in schlecht gelüfteten Studierstuben, vorgetragen in den Elfenbeintürmen und veröffentlicht, um zu zeigen, dass man doch zu etwas gut ist. Aber alles ohne Bezug zur wirklichkeit, weder aus ihr erwachsen, noch an ihr überprüft.
Und diese Elfenbeintürme hatten offensichtlich mal wieder einen Tag der offenen Tür veranstaltet. Aber der Besucher kann mit dem Ausgestellten nichts anfangen. Vermutlich fragt er sich, was machen die nur mit meinen Steuergeldern. Eine nicht ganz unberechtigte Frage. Wofür soll das gut sein? Das fragen sich jene “Beherrschten”, von denen der Autor erwartet, dass sie sich “mit aller Entschiedenheit widersetzen sollten”. Warum?, fragt sich der Beherrschte und vllt fragt er sich auch: Wem soll ich mich denn nach all den vielen unverständlichen Worten und den noch weniger verständlichen Sätzen widersetzen”. Zu erst einmal dem Selbstzweifel. Denn es liegt nicht am Beherrschten, wenn er nicht versteht, was der Befreier der Beherrschten will. Aber selbst wenn der “Beherrschte” diesen Unsinn versucht ernst zu nehmen, bleibt doch nach dem Durchwühlen all dieser Kopfausscheidungen die entscheidende Frage übrig: WIE? WIE sollen wir Beherrschte uns widersetzen?
Herr Raus, zu ihrer Frage zum Wie, möchte ich antworten :
Überdenken Sie ihren ersten Satz, denn Kritik kann später in einem theoretischen Dialog eingeführt werden, aber wer selbst im Eingangssatz die mögliche Diskussion einschränkt, sollte dann auch selbstkritisch seine Zeilen betrachten. Oder etwa nicht?
Stimme dir weitgehend zu. Im Marxismus spricht man von ökonomischen Gesetzmäßigkeiten, und die Globalisierung ist eine solche. Wie können sich da Beherrschte widersetzen.
Stimme dir weitgehend zu. Im Marxismus gibt es den Begriff “ökonomische Gesetzmäßigkeit”. Die Globalisierung ist eine solche. Wie können sich da Beherrschte widersetzen!?
Ehrlich gesagt hatte ich mir von der Lektüre etwas mehr versprochen.
Fusaros Ansicht, dass man im Hinblick auf die Globalisierung von einer Ideologie, ja von einem Glauben und einer Zivilreligion sprechen kann, halte ich für etwas übertrieben.
Nun hat er allerdings nicht Unrecht, wenn er meint, dass jede herrschende Ordnung dazu tendiert, eine Art von bestätigender Erzählung zu propagieren. Und ja, das tun die Globalisten natürlich auch. Insbesondere stellen sie sich und ihre Agenda als alternativlos und positiv wirkend dar. Da fallen mir dann Leute ein wie z.B. Yuval Noah Harari, Yascha Mounk, Frans Timmermans.
Die Frage ist lediglich, ob man hier von einem Narrativ sprechen sollte oder von einer regelrechten Ideologie. Ich neige zu ersterem.
Vielleicht könnte man in eingeschränkter Form aber doch von einer Ideologie sprechen, aber dann von einer, die nur den Kreis der Globalisten selbst umfasst, während die übrige Bevölkerung als so unwichtig und einflusslos betrachtet wird, dass sie anscheinend gar keiner ideologischen Schulung in Sachen “Globalismus” bedarf.
Das würde die globalistische Ideologie – sofern man diesen Begriff überhaupt verwenden möchte – von den politischen Ideologien des 20. Jahrhunderts unterscheiden, die sich ganz klar auch um das Denken der einfachen Leute bemühten.
Allerdings würde eine derart nur für den engeren Kreis gedachte Ideologie natürlich zu der ungeheuren Macht- und Kapitalakkumulation der heute Mächtigen und ihrer Abkopplung vom Rest der Menschen passen. Man könnte von einer “Elitenideologie” sprechen.
—
Ansonsten finden sich im Artikel eine ganze Reihe durchaus zutreffende Dinge, die aber wohl nur für wenige Leute einen Neuigkeitswert haben dürften.
Recht gelungen finde ich diese Passagen:
“In deren Mittelpunkt steht ein entnationalisierender Kosmopolitismus und die Beseitigung aller materiellen und immateriellen Beschränkungen des freien Waren- und Personenkreises, der Ströme des liquiden Finanzkapitals und der unendlichen Ausdehnung der Wettbewerbsinteressen der herrschenden Klassen.”
und
“Im gegenwärtigen Europa ist die Gefahr übrigens nicht im Nationalismus und in der Rückkehr traditioneller Totalitarismen zu suchen, sondern im Hayek´schen Marktliberalismus und in der unsichtbaren Gewalt der subtilen Garotte der entpolitisierten Ökonomie.”
An dieser Stelle hätte sich ein Exkurs zur Rolle und Agenda des Weltwirtschaftsforums und der dort propagierten Vorstellung einer “Privatisierung der Welt” unter den Schlagworten der “private-public-partnership” und des “Stakeholder-Kapitalismus” angeboten.
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Was Fusaro für meine Begriffe auch etwas mehr hätte ausführen können, das ist die Rolle der Vereinigten Staaten, denn es ist ja gar nicht leicht, Globalisierung von Amerikanisierung zu unterscheiden. Die Schnittmenge beträgt zwar nicht 100%, ist aber trotzdem ziemlich hoch.
Es ist eine interessante und doch nicht zu klärende Frage, in welcher Art sich der Globalisierungsprozess seit den 1990er Jahren entwickelt hätte, wenn wir seit 30 Jahren eine multipolare Welt ohne amerikanische Vormacht gehabt hätten? Das Internet hätte sich ja vermutlich trotzdem entwickelt.
Zwischen Ideologie und Narrativ besteht in Wirklichkeit kein Unterschied. Großerzählungen, also “Narrative” wie Weltreligionen, Kapitalismus, Marxismus, Nationalismen usw. sind Ideologien.
Deshalb können Ideologen ihr eigenes Weltbild auch nicht kritisch betrachten: es könnte die Erzählung, ihre Rolle darin und die dadurch gewonnene Identität gefährden.
@ Bernd Neves
Hmm, sehe ich in etwa auch so. Die Grenze zwischen einem großen Narrativ und einer Ideologie ist fließend. Vielleicht ist der harmloser klingende Begriff des “Narrativs” eben auch nur deshalb aufgekommen, weil der Begriff “Ideologie” längst einen negativen Beigeschmack hat.
Alles Markt- oder was? Nun ja, da kommt sie wieder, die Zeit, wo man Klimbim zu überteuerten Preisen an zugigen Ecken an völlig verkitschten Buden erwerben kann zum Fest der Feste, und Glühweinbenebelt, vollgedudelt von Sang und Klang und Glockengebimmel selige Momente erleben soll. Nur: WOZU?
Da geht mir ein Licht auf: einer schrieb: ‘Budenzauber’ des Marktes.
Hier ist er, im totalen, realen Sinne. Für so ein bisschen Teilhabe und ‘feeling’, für sinnlosen Plunder schmeisst manch einer die Moneten raus, dass es nur so kracht. Das ganze Ding: eine Riesenillusion, Glitter and Glue, Funkeln von angeblichem Engelshaar, falschem Schnee und falschen Bärten. Überall: in jeder Stadt! Ein ziemlicher Wahnsinn- vllt als Sinnbild für den noch grösseren Wahnsinn, der uns alle umgibt. In der Mitte die schmalzige Neugeborenengeschichte. Da fällt mir die Klinik in Gaza ein, die Tische voller ‘prematured Babies’.
Kognitive Dissonanz des Westens, das ist der Befund.
Hayek hat vergessen, seinen Satz fertig zu konstruieren:
Sozialismus bedeutet gefühlte Sklaverei für die Herrenmenschen und potentiellen Sklavenhalter im Kapitalismus.
Einzig und allein der Umstand, sich vorstellen zu müssen, von den gesellschaftlichen Verhältnissen nicht privilegiert zu werden, wird von ihm als Sklaverei gedeutet.
Worin es überhaupt etwas allgemein Knechtendes gibt, das mit dem Leitspruch “jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen” bleibt wohl jeder Vernunft verborgen.
Das Ziel des Kommunismus ist nicht die Diktatur des Proletariats, sondern die klassenlose und damit nicht partikular-privilegierende Gesellschaft: Freiheit und Wohlstand, Sicherheit und Perspektive für Alle.
Nur Feinde der Freiheit, nur Neider des Wohlstandes auch für den Nächsten und damit nur Herrenmenschen haben etwas dagegen.
Aber Hayek war durch und durch eine faule Sau und begriff nicht einmal annähernd die Grenzen kapitalistischer Logik.
Nicht einmal Friedman konnte er verstehen. Und dieser wiederum nicht Keynes.
Globalismus bedeutet die Ausübung der Kontrolle über die ganze Welt nach vereinheitlichten Standards. Globalismus ist damit das Gegenteil von Nationalismus. Will man Globalisierung wirksam bekämpfen muß man renationalisieren. Vor allem kann man nicth beides haben wollen, eine regelbasierte internationale Ordnung und eine freiheitlich-demokratische Grundordnung die auf nationaler Souveränität beruht. Das ist ein Widerspruch.
Und dann sollte jeder mal bedenken wer “Die Internationale” gesungen hat. Dann noch ein Tip, der Gründer der WHO war Marxist und verfolgte das Ziel einer “Social Globalization”. Mit der Frage wer das Geld hat und mit den Rechten von Arbeitern hat das alles nichts zu tun. Es geht um technokratische Herrschaft als Ersatz für Demokratie.
https://norberthaering.de/macht-kontrolle/who-gruender-brock-chisholm/
Hallo, Majestyk,
da haben Sie einen 110%ig wahren und wichtigen Satz formuliert:
“Will man Globalisierung wirksam bekämpfen, muß man renationalisieren.”
Klar, es gibt keine andere Möglichkeit!
Und wer von einer anderen Möglichkeit redet, der irrt oder will verwirren.
Allerdings bin ich mir keineswegs sicher, dass ein nennenswerter Teil der Linken die Globalisierung überhaupt wirklich bekämpfen will. Die eher verhaltenen Reaktionen auf die hier veröffentlichten Beiträge von Diego Fusaro und auch Ullrich Mies deuten ja auch in diese Richtung.
Schließlich ist der Marxismus ja von Anfang an eine Ideologie mit universalistischem Anspruch (“Völker hört die Signale!”) Die wollen lediglich den kapitalistischen Globalismus bekämpfen, mehr nicht. Und deswegen müssen und werden sie ja auch scheitern, wie ja auch Bewegungen wie “Attac” oder “Occupy Wall Street” im Sande verlaufen sind.
Wagenknecht spielt vielleicht ein bisschen mit der Möglichkeit einer Renationalisierung, ein kleines bisschen nur, wird dann aber zurückschrecken vor ihrer eigenen Courage … und natürlich auch zurückgerissen werden von ihren entsetzten Anhängern, die ihr ansonsten Lebewohl sagen würden.
Die Schnittmenge zwischen kapitalistischen Globalisten und sozialistischen Globalisten ist eben in gewissen Bereichen ziemlich groß … ! Das ist der Punkt. Beide sind schließlich Universalisten. Natürlich hängt die Linke dem Glauben an, den Laden irgendwann übernehmen zu können, am besten sogar international, aber da haben sie eben die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Am Ende siegt dann der Stakeholder-Kapitalismus des WEF als aktualisierte Stamokapversion.
Letztlich haben Linke mehr Angst vor einer Rückkehr des Nationalen als vor dem Siegeszug der Milliardäre und solcher Typen wie Brock Chisholm, der ja schon vor über 50 Jahren die heutige Agenda verkündete.
(Übrigens ein sehr lohnender Link!)
Und eben diese Unterstützung, die der kapitalistische Globalismus durch den sozialistischen Globalismus erhalten hat und weiterhin erhält, hat ja auch einiges zum Siegeszug des ersteren beigetragen.
Und da scheint es mir keinen wirklich großen Unterschied zu machen, ob es sich nun um dekadent-“woke” Lifestyle-Linke oder um belesene Altlinke mit vorhandenem marxistischen Bewusstsein handelt.
Schönes restliches Wochenende!
Gruß
@ Wolfgang Wirth:
In einem Punkt sollte man sich nichts vormachen, globalen Entwicklungen kann man sich nur sehr begrenzt entziehen, es sei denn man schottet sich komplett ab, dann endet man aber vermutlich wie Nordkorea.
Ich habe bis vor wenigen Jahren die Ursache für negative Entwicklungen hierzulande vornehmlich im verlorenen Krieg gesucht und wie so viele in der Abhängigkeit von den USA. Genau das sehe ich heute anders. Für mich liegt die Ursache für negative Entwicklungen nicht darin begründet wer der Hegemon ist, sondern in dessen Zustand. Es ist ja nun mitnichten so, als wäre es in anderen Ländern so viel besser, siehe Frankreich , Großbritannien oder Schweden. Umgekehrt gibt es in Ungarn wieder andere Entwicklungen, die sind aber in dasselbe internationale Regelwerk eingebunden.
Die Kumulation von Macht ist ein Problem für Demokratien und die Kumulation von Macht geht mit der Kumulation von Geld einher. Das ist sachlich alles komplett richtig.
Umgekehrt ist es aber so, daß nicht nur reiche oder mächtige Menschen Opfer einer verzerrten Entrückung werden, sondern auch völlig alltägliche Menschen nahezu dieselben Eigenschaften aufweisen. Sie wollen andere kontrollieren, bevormunden, wissen was besser für andere ist, glauben den Plan für die Welt entschlüsselt zu haben.
Wer mal genau hinschaut der entdeckt in seinem Umfeld zahlreiche kleine Napoleons, Hitlers, Stalins oder Khomeinis. Glücklicherweise nur ohne Macht. Es ist wichtig zu ergründen wie man die Einflußnahme von Reichen begrenzen kann, was für mich nur mit einer Widerbelebung des Demokratiegedankens geht. Genau deswegen wurde die ja mal erfunden.
Es ist aber auch wichtig zu verhindern, daß Mehrheiten den Einzelnen knechten und haargenau das ist ja auch eine Ursache des Zustands westlicher Demokratien. Schiller hat ja mal gesagt, daß eine Verfassung zunächst mal Menschen benötigt die dafür taugen. Wenn ich mir meine Mitmenschen anschaue und wieviele es nur mit der Freiheit ihrer Meinung haben und mit ihrer freien Entfaltung, dann ist das ein Problem, daß für mich genau so groß ist wie jenes vom immensen Reichtum.
Sein und Bewußtsein. Es wäre wichtig (hier bleibe ich bewußt im Konjunktiv, so viel Hoffnung ist dann doch nicht) einen fairen Zugang zu Aufstiegschancen zu schaffen und die Kumulation von Reichtum und Macht so zu begrenzen, daß das Demokratieprinzip funktionsfähig bleibt.
Es wäre aber gleichfalls wichtig Menschen jene Werte zu vermitteln, daß sie begreifen wie wichtig sowohl ein funktionierendes Gemeinwesen ist, wie wichtig Solidarität, aber auch wie wichtig Eigenverantwortung, so daß jeder der Kapitän seines eigenen Lebens wird.
Viel Konjunktiv. Aber die Demokratie braucht Menschen die sie von innen tragen. Solidarität braucht Menschen die sich als Teil einer Gruppe empfinden. Und wer seine Lebensinitiative abgeben will, der soll dies tun, muß dann aber seinen Platz kennen. Aber es braucht die freie Entfaltungsmöglichkeit für jene die aus sich heraus innovativ sind und das erreicht man nicht in dem man versucht Menschen in Schablonen zu pressen.
Genau das machen aber jene die nur vom Kollektiv aus denken können. Wenn jene die Oberhand haben ist es mit den freien Entfaltungsmöglichkeiten vorbei. Vielleicht ist genau das die Entstehung totalitären Denkens, die ungebremste Deutungshoheit jener die Deutungsanspruch erheben?
Eliten gleich welcher Art sind jedenfalls keine eigene Spezies, sondern auch nur Menschen. Nur aufs Geld zu schauen greift mir zu kurz. Herrschsucht oder der Glaube alles besser zu wissen ist eine zutiefst menschliche Eigenschaft. Es ist ja nicht so als wären Alexander der Große oder Herodes Heilige gewesen. Und da war die Idee des Westens oder vom Kapital noch gar nicht erfunden.
„Was du nicht willst, das man dir tu’, das füg auch keinem andern zu.”
Würden Menschen mehrheitlich wirklich nach solchen goldenen Regeln leben, vieles wäre anders.
Der Mensch braucht zwar Erziehung, aber eine wohlmeinende, die ihm zwar auch die Notwendigkeit der menschlichen Solidarität vermittelt, aber andererseits auch Mündigkeit und die Fähigkeit eigenständig sein Leben zu gestalten. Wer es gut mit einem Vogel meint, der bricht dem ja nicht die Flügel und der sperrt ihn auch nicht in einen Käfig ein, selbst wenn es ein goldener ist.
Es gibt doch folgenden schönen Kalenderspruch:
“Ein Vogel hat niemals Angst davor, dass der Ast unter ihm brechen könnte. Nicht, weil er dem Ast vertraut, sondern seinen eigenen Flügeln”
Genau das trainiert man Menschen aber ab, wenn man sie in Abhängigkeiten zwängt. Genau das macht der Staat der sich in alles einmischt, das machen Leute die vom Great Reset reden, das macht aber auch jede einzelne Helikoptermama. Von daher bin ich überzeugt davon, die Wurzel für postive Veränderungen liegt darin begründet den Menschen ein positives Bild von der Welt zu vermitteln und ihnen keine Angst zu machen. Menschen sind keine Schafe, deswegen sollte man sie auch nicht hüten wie Schafe.
Alles Gute und eine schöne Woche
Guten Abend, Majestyk,
ich versuche hier mal auf einiges aus Ihren beiden letzten Briefen einzugehen. Zunächst zu dem hier obigen.
zur “Renationalisierung”:
Sehe ich auch so, dass man sich den globalen Trends nur schwer entziehen kann. Insofern ist das eher eine theoretische Überlegung. Für nicht all zu große souveräne Länder ist der ungarische Weg schon ungefähr das Äußerste was geht. Deutschland ist es aus den bekannten Gründen aber nicht möglich, diesen Weg zu gehen. Angesichts der deutschen Mittellage wäre es auch bei ausgeprägter Souveränität kaum empfehlenswert.
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Die Frage, was den Niedergang der europäischen Staaten (Plural!) verursacht, ist sehr schwierig. Jedenfalls stimme ich zu, dass das nicht mehr allein mit den Folgen von 1945 oder dem Wirken des Hegemons erklärbar ist.
Ich tendiere da ein bisschen zu Arnold J. Toynbee und Oswald Spengler (allerdings ohne jetzt alles von ihm zu übernehmen) sowie zu dem Gedanken einer gleichsam nicht aufhaltbaren geistigen Erschöpfung und Dekadenz.
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Nun zu Ihrem anderen Kommentar:
Zu Pfarrern und Arbeitern:
„Statt Pater Brown, Don Camillo, Spencer Tracy als Pater Flanagan oder Bing Crosby in Glocken von St. Marien sind Priester in den Medien heute eher die Problemfälle. Ist ähnlich wie bei der medialen Verdrängung der Arbeiter, nichts mehr mit Damen vom Grill oder Manfred Krug Auf Achse.“
So ist es! Wenn Kirche und Christen heute in TV-Filmen überhaupt noch positiv vorkommen, so lediglich im Sinne von „gutmenschlichen Helfern“ , z.B. in der Serie „Um Himmels Willen“ (die Nonnen von Kaltental …) Und Arbeiter werden in Filmen entweder negativ gezeichnet im Sinne von „unverschämter / inkompetenter Handwerker“ bzw. „altmodischer Spießer ohne Sinn für Vielfalt und Zeitgeist“ oder aber als ebenfalls gutmenschliche Helfer wie etwa in dieser Serie mit den Müllwerkern und Uwe Ochsenknecht („Die Drei von der Müllabfuhr“).
Überhaupt ist es interessant, die gar nicht mal mehr bloß subtil eingearbeiteten politischen Botschaften im heutigen Unterhaltungsprogramm des Fernsehens zu analysieren. Ein weites Feld!
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Zur „Gegenaufklärung:
“Sollte sie nicht geplant sein, so gibt es doch definitiv keine Gegenwehr.“
Ja, das fällt auf. Der Verfall der aufgeklärten rationalen Vernunft wird zumindest billigend hingenommen. Die Engländer haben hier teilweise noch ein stärkeres Bewusstsein für Maßstäbe.
Bin gerade dabei, einige der von Ihnen genannten Angelsachsen nachzuschlagen. Von Douglas Murray kannte ich schon „Der Selbstmord Europas“ und von Jordan Peterson die bewussten „Zwölf Regeln“, doch mit Niall Ferguson muss ich mich unbedingt noch mehr beschäftigen. Thomas Sowell kannte ich bisher gar nicht. Leute wie er passen natürlich überhaupt nicht ins „woke“ Weltbild!
Was Sie über die Fälschung der Sprache und der Begriffe sagen, ist ein ganz wichtiges Thema und großes Problem. In gewisser Weise hat das ja auch mit „Gegenaufklärung“ zu tun, denn echte Aufklärung benötigt zur rationalen Klärung der Dinge unbedingt eine klare Sprache mit eindeutigen Begriffen. Indem Sprache und Begriffe absichtlich beschädigt werden, haben wir eigentlich schon einen Beweis, dass die Gegenaufklärung nicht bloß Zufall ist.
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Zu „Hierarchie ist die natürliche Ordnung“:
Ein heißer Satz, der heute auf einige Leute natürlich ungeheuer provozierend wirken muss. Andererseits ist der Satz wahr – man findet ihn im Tierreich und bei allen Völkern der Vergangenheit bestätigt. Der Punkt ist eben der, dass die Linke gegen die Natur ist. Besonders die Biologie ist ihnen verhasst. Sich über die ungerechte Natur zu erheben und selbst zum Schöpfer einer „neuen Welt“ werden. Das ist doch seit Marx ihr unausgesprochenes Credo: Der Mensch werde Gott!
Unterschiede in Begabung, Leistung, Interesse, Eigentum usw. sind aber eben natürliche Elemente des Lebens und der Welt. Diese Unterschiede einebnen zu wollen unter Berufung auf eine Gleichheitsideologie ist an sich schon ein Fehler. Wobei es ja oft auch bloß schierer Neid ist. Hierzu eine nette Karikatur auf dieser Seite … https://www.klonovsky.de/2023/11/25-november-2023/
„Who hates the rich?“
Von daher bin ich bei aller Kritik an globalistischen Eliten und Kapitalakkumulation trotzdem sehr wohl für eine freie Marktwirtschaft und damit auch für eine kapitalistische Ordnung. Was wäre auch schon Alternative?? Ich gewichte und bewerte die wohl unvermeidlichen Konzentrationsprozesse lediglich stärker, kritischer und pessimistischer als Sie. Auch sind für mich Fälle von extremer materieller Ungleichheit denkbar, die durchaus gesellschaftliche Eingriffe rechtfertigen.
—
Zu: „Sie sagen, die Linke habe nicht die Macht zu all den Veränderungen. Das verweise ich aber ins Reich der Legenden.“
Da haben Sie mich überinterpretiert, denn ich meinte bloß, dass die Linke diese (schlechten) Veränderungen zu erheblichen Teilen mit Billigung der wirtschaftlich Mächtigen verwirklicht. Ohne diese Billigung würden aber auch schon einige Veränderungen erfolgt sein, weil es der kulturmarxistischen Linken ja gelungen ist, die Hochschulen und die Medien weitgehend zu erobern.
—
„Der Behauptung Kapital ist automatisch rechts, der entspreche ich entschieden.“
Mit „Kapital“ meine ich jetzt nicht einen mittelständischen Unternehmer, sondern nur milliardenschwere Banker und Leute wie Soros, Gates oder Musk. Aber wir geraten hier auch in den schwierigen Bereich der Definitionen. Das könnte man jetzt alles noch breit ausführen, aber das führt zu nichts, denn Definitionen von Begriffen sind ja immer willkürlich und stehen damit im Grunde außerhalb einer Debatte.
…
Wir verwenden eben teilweise unterschiedliche Definitionen. So sind für Sie ja z.B. auch die Millionäre oder gar Milliardäre von der Demokratischen Partei in den USA „Linke“, für mich sind es „Rechte“, die sich ein linkes Mäntelchen umhängen, um die Unterstützung einer bestimmten Klientel zu gewinnen. „Links“ würde ich sie deshalb nur mit Mühe nennen können, weil es sich nicht um eine echte Volksbewegung und Initiative von unten handelt, sondern bloß um eine von oben(!) und unter Nutzung/Förderung linker Wissenschaftler und Journalisten konstruierte politische Richtung. Eigentlich erkenne ich nur eine Methode, mit der Oberschichtangehörige unter Nutzung und Instrumentalisierung einer Klientel aus dem Volk ihr eigenes Karrieresüppchen kochen wollen. Nun ja, für die arme Klientel springen dabei natürlich auch einige Geschenke und Vorteile heraus. In gewisser Weise hat das übrigens auch Trump getan, obwohl er zu den Republikanern.
Übrigens sind wir an dieser Stelle bei der ziemlich schwierigen Frage, wo es denn überhaupt je zu ausgeprägten linken Bewegungen gekommen ist, die nicht durch Oberschichtangehörige begründet und gesteuert wurden. Robbespiere war adlig und entstammte einer angesehen Rechtsanwaltsfamilie, Lenin hatte ebenfalls zumindest teilweise geadelte Vorfahren, Mao kam aus dem chinesischen Mittelstand und auch die 68er Studenten waren zumeist Kinder aus dem wohlhabenden Bürgertum … !
—
Zuletzt noch ein Wort zum Sozialismus:
Ich stimme Ihrer negativen Sicht hier vollkommen zu. Der Sozialismus muss auch keineswegs links oder marxistisch sein. Eben dass glauben ja viele zu unrecht. Sozialismus kann rot, grün, braun und vielleicht sogar gelb sein. Mit „gelb“ meine ich einen zur Herrschaft gelangten Liberalismus, der im Zuge seiner Ermächtigung die echte Liberalität verliert …
Für mich ist „Sozialismus“ gekennzeichnet durch einen stark ausgeprägten Staatsapparat, der sich zunehmend von der Gesellschaft verselbständigt und immer mehr Themen / Aufgaben an sich zieht und zu kontrollieren und lenken versucht. Der Sozialismus tendiert immer dazu, die Freiheiten der Menschen zugunsten irgendwelcher in einer Ideologie verkündeten „höchsten Güter“ einzuschränken. Der Einsatz für diese höchsten Güter durchzieht bald die ganze Gesellschaft, weswegen im Grunde jeder Sozialismus zum Totalitarismus tendiert. Die Bevölkerung wird dabei mehr als unselbständiges, zu lenkendes, zu erziehendes und ggf. auch zu bestrafendes Kollektiv betrachtet, denn als Gruppe von Individuen.
Guter Kalenderspruch. Genau: Die Selbständigkeit abtrainieren. Ganz übel.
Ja, ich weiß, der Text ist viel zu lang. Tut mir leid.
Viele Grüße und einen schönen Abend
Wolfgang
Hallo Herr Wirth,
der Text ist gar nicht zu lang. Vor allem kommen wir am Ende doch wieder zusammen:
“Für mich ist „Sozialismus“ gekennzeichnet durch einen stark ausgeprägten Staatsapparat, der sich zunehmend von der Gesellschaft verselbständigt und immer mehr Themen / Aufgaben an sich zieht und zu kontrollieren und lenken versucht. ”
Den ganzen Absatz kann man haargenau so als Defintion und Beschreibung übernehmen.
Auch: “Sozialismus kann rot, grün, braun und vielleicht sogar gelb sein. ” stimmt haargenau. Bei dem gelb schlage ich dann die Brücke zu den amerikanischen Demokraten. Aus Republikanischer Sicht sind das dort die Linken, siehe auch Kalifornien.
Lassen wir nicht darauf rumreiten ob Gates oder Soros rechts oder links sind. Die Themen sind aber links. Und auf die Themen springen Linke an und nicht Rechte. Vermutlich bremst das auch den Gegenwind. Eigentlich sind es ja die Linken die immer eher opponieren, was die aber dann nicht können, wenn sie gegen sich selbst opponieren sollen.
Egal wie viel Geld jemand hat, wenn man Menschen steuern will, dann braucht man auch Themen auf die Leute anspringen und man braucht auch die richtigen Mehrheiten dazu. Und vomöglich eignen sich jene eben besser die sich leichter empören lassen?
Ich bin mir jedenfalls ziemlich sicher, daß es eine Wechselwirkung gibt zwischen jenen die Entwicklungen steuren wollen und dem zeitgeistaffinen Teil der Gesellschaft. Vielleicht ist es einfach so, daß am Ende einer Entwicklung automatisch eine Dekadenz eintritt.
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Ich habe mir am Wochenende zum ersten Mal seit sicher 15 Jahren nochmal Wetten dass angesehen. Da sind mir einige Dinge aufgefallen. Erstens wie jung durchaus noch einige Zuschauer, auch bei der Außenwette und auch die Kandidaten waren. Da habe ich mich gefagt, ob die Legende “die Zeit des großen Lagerfeuers ist vorbei” wirklich stimmt. Ich glaube nämlich wenn man wollen würde, das Potential wäre da. Eigentlich wollen Menschen nach wie vor noch Emotionen teilen. Auch zeigten die Wetten, daß einfache Menschen durchaus spannende Momente schaffen können die sich zu teilen lohnen.
Und dann hat zur Verabschiedung Gottschalk ja folgendes gesagt, vielleicht haben Sie es auch schon gelesen.
“Und der zweite Grund ist, dass ich, und das muss ich wirklich sagen, immer im Fernsehen das gesagt habe, was ich Zuhause auch gesagt habe. Inzwischen rede ich Zuhause anders, als im Fernsehen – und das ist auch keine dolle Entwicklung. Und bevor hier irgendein verzweifelter Aufnahmeleiter hin und her rennt und sagt: Du hast wieder einen Shitstorm hergelabert. Dann sage ich lieber gar nichts mehr.”
Man kann ja vom Dampfplauderer Gottschalk halten was man will, aber genau hier hat er recht. Wer zum Hetzer ernannt wird wie Böhmermann, der darf alles. Aber wer etwas sagt was als unbequem eingestuft wird, der kann mit einem Shitstorm vernichtet werden. Egal wie bequem das manchen Eliten sein mag, diese Shitstörme entfachen Massen und die sind auch eine Folge der digitalen sozialen Medien. Das ist übrigens ein Grund warum ich auch die Rückeroberung der deutlichen Sprache, auch mal der scharfen Zunge sehr wichtig finde. Man muß nicht Migrant sagen, man darf ruhig auch noch Gastarbeiter benutzen. Ein Beispiel.
Erst mit der Spache kann man sich ausdrücken. Ein Grund warum man mittels Gendergewäsch sprachliche Deutungshoheit erobern will, ein wichtiger Grund warum man auch ganz klar anecken muß. Beispiel renationalisieren. Dazu braucht es ja auch erstmal wieder die entsprechende Sprache die mittlerweile als unpassend ausrangiert wurde.
Genau deswegen mag ich aber auch nicht festgelegte Begrifflichkeiten übernehmen, die ich eben als nicht so zutreffend empfinde. Sicher manchmal ist es auch Provokation, aber ich persönlich empfinde es als wichtig auf sprachlicher Ebene Boden zu verteidigen. Beliebt wird man so nicht, aber mir persönlich sind die Kantigen lieber als die Charmanten.
Ich war als Arbeiterkind auf dem Gymnasium, egal bei welchem Thema, rückblickend würde ich sagen, die anderen waren linker. War mir damals nicht bewußt. Aber ich hatte nie einen Palästinenserschal, auch kein T-Shirt mit Che oder dem RAF Logo und auch nie einen Aufkleber mit Atomkraft? Nein Danke.
Ich glaube diese emotionale Empörung muß man sich auch leisten können, vielleicht ist es irgendwie auch so, daß manche eine Art schlechtes Gewissen wegen ihrer Privilegien haben. Vielleicht ist auch einfach so, wenn es dem Esel zu wohl geht… Oder womöglich unterliegen Abwärtbewegungen auf sozialer Ebene doch irgendwie einem Naturgesetz. Eben der Fall von Zivilisationen, wenn ein bestimmter Punkt der Entwicklung überschritten ist.
Ihnen auch einen schönen Abend, bis die Tage
Guten Tag, Majestyk,
zu Thomas Gottschalk:
Ja, ich habe seine letzte Show auch gesehen und seine gute Schlussrede gehört.
Merk-würdige Empfindungen.
Früher habe ich ihn weniger ernst genommen und “Wetten das?” auch nur selten gesehen, aber weil es die letzte Sendung war
In der WELT gibt es heute – leider hinter Bezahlschranke – eine anscheinend ganz gelungenen Kommentar von Don Alphonso dazu:
https://www.welt.de/kultur/stuetzen-der-gesellschaft/plus248755840/Don-Alphonso-Die-Reste-die-nach-Thomas-Gottschalk-von-der-alten-BRD-bleiben.html
Ja, wir kommen aus dem alten Westdeutschland, das nun schon seit Jahren immer mehr verschwindet, demontiert wird, geistig dekonstruiert und verleugnet wird. Und wohl auch in diesem Bewusstsein habe ich mir das am Samstag angesehen. Und es sind ja noch mehr, die das alte Westdeutschland prägten – etwa Loriot, Juhnke, Millowitsch, Scholl-Latour oder Udo Jürgens – die längst Geschichte sind.
Muss los!
Grüße
@ Wolfgang Wirth:
Gottschalk war immer ein Dampfplauderer, aber ein sympathischer zu groß geratener Lausbub dem nie einer böse war. Ich habe am Rande mitbekommen, daß es schon vor Jahren auch über Gottschalk Sexismus-Debatten gab. Früher war nicht nur tatsächlich Lametta, früher wollte man auch frech, deftig und pointiert im Fernsehen. Zweideutig war mal nicht verpönt, sondern erwünscht. Ein Peter Alexander war in jedem dritten Satz zweideutig. Ein Rudi Carrell wäre heute definitiv undenkbar, ein Harald Schmidt bekommt heute auch keine Bühne mehr.
Mit einer Sendung wie „Wetten das?” stirbt auch ein Stück Westdeutschland. Wäre nach drei Jahrzehnten zu verschmerzen, wenn etwas Neues stattdessen herangewachsen wäre. Stattdessen Talkshows soweit das Auge reicht und weichgespülte und auf Agenda gebügelte Sendeformate und selbst die Fußballer reden als wollten sie sich als Moderator für FrauTV bewerben.
Am Presseecho sieht man aber auch, daß ziemlich viele etablierte Medien Gottschalk sogar kritisieren, allen voran der neue Stürmer T-Online, der Zuspruch kommt eher aus der alternativen Ecke und dem Wendehalsblatt Bild.
Im Prinzip ist es immer zu begrüßen wenn einer den Zeitgeist hinterfragt und ein Thomas Gottschalk erreicht ja mehr und andere Leute als Blogger im alternativen Raum. Ob sich die Redefreiheit von einst aber wiederbeleben läßt weiß ich nicht. Ich sehe ja wie im Alltag Leute auf mich reagieren, mir zwar dann im Gespräch oft recht geben, aber selbst meine Generation die es eigentlich anders kennen müßte, hat die Schere im Kopf längst implementiert.
Mir ist während des Schreibens eingefallen, daß es vor 30 Jahren schonmal einen Gottschalk Eklat gab. Und zwar hatte Gottschalk 1992 Franz Schönhuber in seine Late Night Show eingeladen. Worauf hin der Kölner Express titelte: “Pfui, Gottschalk”.
http://www.verlag-gespraechsforschung.de/2002/probleme/155-176.pdf
Im Grunde lief das damals schon, daß Medien willfährige Helfer salonfähiger Politik wurden und die Brandmarkung nationaler Postionen begann ja auch nicht erst mit der AfD. So kann ich mich noch erinnern, daß man schon Ende der 80er in der Lindenstraße einen Peter Gauweiler von der CSU Faschist nennen durfte. Das ist es aber auch was ich öfters schreibe, damals hat die Mehrheitsgesellschaft versagt. Jene die erst mit der Pandemie angefangen haben aufzuwachen haben eindeutig zu lange geschlafen. Und genauso wie man aus überzeugten Sozialisten keine Demokraten machen kann, bekommt man auch Feminismus oder Sprachzensur nur schwer wieder aus den Köpfen. Der Punkt ist ja auch der, man hinterfragt was man als Veränderung wahrnimmt, man hinterfragt eher selten das wo man hineingeboren wurde.
Bis dann, viele Grüße
@ Majestyk
zu T. Gottschalk:
“Dampfplauderer” ist ein nettes Wort. Es ist übrigens das erste Mal im Leben, dass ich es gelesen und geschrieben habe.
—
Zur Cancel Culture:
“Im Grunde lief das damals schon [1992], daß Medien willfährige Helfer salonfähiger Politik wurden und die Brandmarkung nationaler Postionen begann ja auch nicht erst mit der AfD. ”
Ja, das läuft schon viel länger. Im Hinblick auf den Wunsch und die Methode, Andersdenkende mundtot zu machen und auszugrenzen, war das linke Milieu schon vor 30 oder 40 Jahren nicht viel anders als heute. Man denke auch nur an abgeschossene Leute wie Philipp Jenninger (1988) oder Botho Strauß (1993).
Der entscheidende Unterschied zwischen heute und damals ist in erster Linie der, dass es vor 30 Jahren in den Medien und Parteien einfach noch deutlich mehr durchaus angesehene Konservative gab, sodass trotz des bereits fortgeschrittenen linken Vormarsches im Kultur- und Medienbereich doch noch andere Meinungen präsent waren und nicht zu unterdrücken waren. Leuten wie Peter Scholl-Latour, Helmut Schmidt oder Arnulf Baring konnte man einfach nicht den Mund verbieten. Diese Leute sind inzwischen aber verstorben oder im Ruhestand. Sebastian Haffner starb ja auch schon 1999.
Heute ist es hingegen so, dass eine linke Sicht die flächendeckende Lufthoheit an den Hochschulen, in den Medien und auch in den Parteien (einschl. der CDU) errungen hat und mit der bekannten Aggressivität und Parteilichkeit von Linken auch verteidigt. So fällt es ihnen leichter, die wenigen noch existenten Konservativen auszugrenzen.
Da Konservative meist kein Interesse an politischem Engagement haben, vertrauten sie – naiv – darauf, dass die CDU schon das Schlimmste würde verhüten können. Insofern war die Unterwanderung und Kaperung der CDU nach 2005 durch jene Kanzlerin wahrscheinlich eine der entscheidenden Ursachen für den heutigen Zustand.
Übrigens bin ich mir ziemlich sicher, dass der destruktive Einfluss von DDR-Kommunisten im Hinblick auf die bewusste Unterwanderung und Umformung der sog. Öffentlichkeit und der öffentlichen Meinung im vereinten Deutschland nach wie vor – oder sogar mehr denn je – unterschätzt wird. Man spürrt das Wirken solcher ewiggestestigen Geister auch hier im Forum bei einigen Kommentatoren …
viele Grüße