Hustensaft und andere Engpässe

Verschiedene Pillen.
MorgueFile : see [1], CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Den sauberen Arzneimittelschachteln sieht man nicht an, dass die Produktions- und Lebensbedingungen in Billiglohnländern, in denen Medikamente hergestellt werden, schockierend sind.

Erst war es nur ein vorübergehender Engpass. Hustensäfte für Kinder seien betroffen, außerdem Schmerzmittel wie Ibuprofen. Wieso gerade Hustensäfte betroffen waren, blieb im Dunkeln. Die Probleme mit den Lieferketten wurden größer, und dann war es leer in manchen Regalen der Apotheken. Es sollte aber noch schlimmer kommen.

Es ist jetzt sieben Jahre her, als bei 13 Impfstoffen und 26 Medikamenten erstmals massive Lieferengpässe auftraten. Es betraf so wichtige Medikamente wie Antibiotika, Blutdrucksenker, Krebsmedikamente und Parkinson-Mittel. Es fehlten Impfstoffe gegen Kinderlähmung, Tetanus, Diphterie und Keuchhusten. Geschehen ist in diesen sieben Jahren nichts. „Augen zu und durch!“, das half eine Zeitlang, bis das Problem jetzt richtig eskalierte.

Ein Moloch aus Schwefelgestank und fauligen Abwasserkanälen

Das Problem heißt Globalisierung, Konkurrenz und Ausbeutung. Das Problem heißt Profitgier. Das Problem heißt Dumpingpreise. Das Problem heißt Produktion in „Billiglohnländern“, besonders in Asien. Indien und China haben unsere Arzneimittelversorgung inzwischen fast vollständig in der Hand. In Europa findet keine nennenswerte Arzneimittelproduktion mehr statt. In Deutschland wird kein einziges Antibiotikum mehr hergestellt, seit Sandoz im Jahr 2015 seine letzte Fabrik in Frankfurt-Höchst geschlossen hat.

Auf unseren Medikamentenschachteln steht trotzdem „Made in Germany“. In der Packungsbeilage muss nur das Land genannt werden, in dem der letzte Produktionsschritt vollzogen wurde. Im Fall von Arzneimitteln ist das die Kontrolle und Verpackung. „Made in Germany“ ist also nichts weiter als eine Irreführung. Ein Witz.

Das ist aber noch nicht alles. Vor fünf Jahren schockierte die ARD mit einem Bericht aus Hyderabad, der indischen Welt-Arzneimittel-Hauptstadt. Hunderte von Arzneimittelfirmen hatten sich dort angesiedelt. Sie arbeiten in einem Moloch aus Schwefelgestank und fauligen Abwasserkanälen, transportieren ihr Wasser in rostigen Tanklastern, dazwischen Schafe und heilige Kühe auf den staubigen Straßen der Stadt.

200 Kinder an akutem Nierenversagen gestorben

Mit „minimaler Kontrolle und maximaler Förderung“ wirbt Hyderabad für seine Industrieansiedlungen! Wasserproben rund um diese Arzneimittelfabriken zeigten bis zu tausendfach höhere Antibiotikakonzentrationen als in der freien Natur jemals zuvor gemessen worden waren. So wachsen in den Abwässern rund um diese Fabriken multi-resistente Keime und Pilze heran, die über die Nahrungskette zum Menschen gelangen, von Reisenden mitgebracht werden und mit keinem Antibiotikum oder Antimykotikum der Welt mehr behandelbar sind. Das sieht man unseren sauberen Arzneimittelschachteln natürlich nicht an.

Aber auch das ist noch nicht alles. Im Oktober 2022 warnte die WHO vor vier Husten- und Erkältungssäften, weil sie mit dem Tod von 70 Kindern in Gambia in Verbindung gebracht wurden. Die Kinder waren an Nierenversagen gestorben. Die Regionalregierung im indischen Haryana ordnete die Einstellung der Hustensaftproduktion an.

Im November 2022 wurde in Indonesien zwei indischen Unternehmen die Lizenz entzogen: Innerhalb von knapp zwei Monaten waren dort 200 Kinder an akutem Nierenversagen gestorben, nachdem sie Sirupmedikamente eingenommen hatten. Sie waren mit giftigem Diethylenglykol und Ethylenglykol aus Frostschutzmitteln gepanscht.

Wachsende Bedrohung

Im Dezember 2022 wurde die Hustensaftproduktion einer weiteren indischen Firma gestoppt, nachdem in Usbekistan 20 Kinder gestorben waren. Unser sogenannter Engpass ist also in Wirklichkeit ein Produktionsstopp. Da war es vielleicht doch ein Segen, dass es hierzulande keinen Hustensaft mehr gab?

Die eigentliche Eskalation beginnt aber erst jetzt. Ende Dezember 2022 beschlossen die chinesischen Behörden, die Ausfuhr von Ibuprofen und Paracetamol komplett einzustellen. China benötige seine Arzneimittel derzeit selbst, da die Corona-Infektionszahlen in die Höhe geschossen seien. Nachrichten aus China berichten von langen Schlangen vor den Arzneimittelfabriken, weil die Menschen sich direkt versorgen wollten.

Ibuprofen wird glücklicherweise nicht nur in China produziert, sondern auch in den USA, geringe Mengen auch in Ludwigshafen. Für andere wichtige Medikamente trifft das aber nicht zu. Die Bedrohung wächst.

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8 Kommentare

  1. Wen sich die Konsumfaschisten auf Boostern! Als Konsumfaschismus bezeichnet man das Neoliberaleregime der unsichtbaren Hand im den freien Märkten.

    Vielleicht ist daß der vielfache Konsumterror in Sodom und Gomorrha¡ erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werden sie merken, daß man Geld nicht essen kann!

  2. Medizin geht über Leichen.
    Nicht zwangsläufig, aber in diesem unserem System. In diesem System, das Profit mit Vernunft verwechselt, Willkür mit Freiheit, Verschwendung mit Reichtum.

  3. Es existiert eine einfache Lösung : entfernt euch dem Zwang und der kreiierten Angst!
    Das Leben wurde durch Gott geschaffen, somit ist alles durch Gottes Willen in der Natur erhältlich.
    Nur Idioten glauben an ein Wundermittel, fabriziert durch gierige Organismen.
    Der Mensch, oder besser beschrieben, Indigene Völker, leben besser in ihrem eigenen Umfeld. Jeder der sich dem auf oktroyierten System, maßgeblich beeinflussen lässt, ist ein ignorant vom System der Ausbeutung.
    Aber wer möchte schon sich selbst eingstehen, selbst ein Problem vom System zu sein?

    1. Nicht Gott hat die Welt erschaffen, sondern der Mensch hat Gott (bzw.die Götter; es gibt ja zahlreiche unter gegangene Religionen) herbei phantasiert.

      Da hat man jemanden, dem/denen man die Verantwortung für allen Scheiß zuweisen kann , den man anrichtet. Ist doch praktisch.

      1. Kapitalgott weiß sehr genau wie er seine Schafe erzieht!
        Blöken dürfen sie, aber wenns angerichtet ist, wird gefressen wie Kapitalgott es will! Und nicht anders!!

  4. Das Ibuprofen nicht jederzeit zu haben ist, weiß ich seit zwei Monaten, als ich diverse Apotheken abklapperte. Da ich Rheumatiker bin, habe ich da gerne was im Kühlschrank liegen, inzwischen liegt da was.
    Letztes Wochenende bekam ich plötzlich eine dicke Wade und am Dienstag diagnostizierte der Hausarzt Thromboseverdacht. Das war es nicht und man vermutete Bakterien seien am Werk, wogegen ich Penicillin 1 Mio Einheiten nehmen sollte. 10 Stück gab mir das Krankenhaus mit. Inzwischen war ich in fünf Apotheken und erlegte folgende Reaktionen:
    1) Visuell: Zahnschmerzengesicht. Verbal: Ich fürchte …. das können wir nicht liefern. Haben wir seit November nicht mehr.
    2) Verbal: Das einige Ärzte das immer noch nicht begriffen haben. Gibt es seit Wochen nicht mehr
    3) Zuerst langes starren auf den Computer. Verbal: Das haben wir nicht. Ich frag mal die Kolleginnen. Nee, haben wir schon lange nicht mehr bekommen. Vielleicht verschreibt der Arzt ein anderes Mittel. Ampice????
    4) Wieder langes Starren auf den Computer. Kopfschütteln. Verbal: Da können wir nichts machen. Vielleicht ein anderer Wirkstoff.
    5) Langes suchen im Computer: Verbal: Also die haben wir nicht. Aber wir haben noch 1.5. Also die könnten sie haben – aber mit neuem Rezept.
    6) Kurzer Blick auf das Rezept und gleich retour über den Thresen: Verbal: Haben wir nicht. Tödliches Schweigen.

    Und wenn ich mir überlege, dass unserer globale Werteführer, dessen eifrigste Followerin unsere Aussenministerin ist, jetzt noch einen Krieg mit dem globalen Hauptlieferanten von Medikamenten zu beginnen gedenkt, frage ich mich, ob man wohl vorher noch an all die Kranken denken wird und sich einen Medikamentenvorrat anlegt oder neue Fabriken hochzieht, bevor man wieder in den Sanktionszug steigt, oder ob man sich das 1.Klasse Ticket wieder sofort löst und dann mit gesträubten Haaren an einer Lösung arbeitet wie beim russischen Öl und Gas?

    Viel spricht für die zweite Variante, denn von einem gewissen Anton Hofreiter – er sitzt auf hohem Ross – wird berichtet, er wolle die Chinesen, falls sie keine seltenen Erden mehr liefern wollten, fragen: „Was wollt ihr eigentlich essen?‘
    Damit meint er wohl den deutschen Schweinefleischexport, vergisst aber, dass der Schweinefleischexport auf brasilianischen Sojaimport etc. pp beruht. Mit Russland haben die Chinesen übrigens einen guten Lieferanten von Getreide – aber China könnte dann fragen: „Mit welchen Medikamente wollte ihr eigentlich eure Krankheiten heilen, du langhaariger Strohkopf?“

    1. Das Titanic-Magazin nannte den langhaarigen Bellizisten neulich „Atom Hofreiter“. Und die schneidige Panzer-Oma „Agnes Flak-Zimmermann“. So bleibt einem wenigstens ein bitteres Lachen angesichts des täglichen Wahnsinns.

  5. Das religiöse Gemüt unterstellt einen moralischen Kapitalismus wo Gottes unsichtbare Hand wunderbar dafür sorgt, daß, wenn alle ihrem individuellen Interesse folgen dann bestens für alle gesorgt ist (die aus jenseitiger Quelle das Geld dafür haben). Wenn die Kranken feststellen daß dieserGlaube nicht stimmt sind sie tot.

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