Der Spiegel, der Handel und Donald Trump

Donald Trump applaudiert
The White House, Public domain, via Wikimedia Commons

Der Spiegelmensch als Handelsversteher und Trumpkritiker.

Es musste ja so kommen. Nachdem sich Spiegelmenschen schon mündlich mit dem bösen Handelsverderber Trump auseinandergesetzt haben und die Süddeutsche Zeitung die Beachtung von 200 Jahren Handelslehre anmahnte, durfte jetzt ein zweiter Spiegelmensch in einem „Essay“ den bösen Trump in Grund und Boden schreiben. Auch hier mussten wieder die 200 Jahre ökonomischer Weisheit herhalten, ebenso wie der arme David Ricardo, den man wohl nie verstehen wird.Hätte man beim Spiegel gelesen, was Trumps wichtigster Handelsberater in der Financial Times geschrieben hatte, man hätte ernsthaft argumentieren können. Aber wer will schon lesen und dann auch noch Englisch in der Financial Times, wo man als Spiegelmensch doch sowieso schon alles weiß. Bei Peter Navarro hätte man lernen können, dass es gar nicht um den Handel als solchen geht. Doch der Spiegel-Autor, der immerhin „studierter Ökonom“ ist, will offenbar nur auf Trump einprügeln und sich in seinem „Essay“ nicht mit ernsthaften Thesen auseinandersetzen.

Es ist immer das gleiche Muster. Ich schreibe seit fünfzig Jahren über den internationalen Handel und selbstverständlich auch über die Salden – die Überschüsse und die Defizite – die es dabei häufig gibt. Immer habe ich betont, so wie das auch Navarro tut, dass David Ricardo und die anderen Freihändler bei ihren Ableitungen unterstellt haben, dass der Handel weitgehend saldenfrei bleibt, weil das internationale Währungssystem (damals der Goldstandard) dafür sorgt, dass Länder mit Defiziten ihre Währung abwerten und die Währungen von Ländern mit Überschüssen aufwerten, so dass die Salden nicht von Dauer sind.

Idiotenantwort, die Freunde schafft

Da es einen solchen Mechanismus heute nicht gibt, gibt es auch keine klassische Handelstheorie, auf deren Basis man behaupten könnte, dass alle profitieren. Dann gibt es von vorneherein Gewinner und Verlierer, weil es sich bei den Salden um eine Nullsummenspiel handelt. Der Leistungsbilanzsaldo der Welt ist null. Wenn jemand einen Überschuss hat, muss ein anderer ein Defizit haben. Wenn jemand seine Wettbewerbsfähigkeit verbessert, muss jemand anders an Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Der mit der Verbesserung und dem Überschuss gewinnt Arbeitsplätze und Einkommen, der mit der Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit und dem Defizit verliert.

Hat Deutschland nicht die Agenda-Politik von Rot-Grün in den Himmel gehoben? War es nicht genau die Politik, die mit dem Anschwellen des deutschen Überschusses zu tun hatte, weil Deutschland in der Währungsunion real abwertete, aber nicht mehr isoliert aufwerten konnte? Ist nicht auch in dieser Koalition die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit das allergrößte Mantra? Wie dumm muss man sein, wenn man mit aller Macht die Verbesserung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit anstrebt und gleichzeitig glaubt, die Verlierer würden auf alle Ewigkeit die Klappe halten und die „deutschen Erfolge“ bewundern?

Doch die deutschen Ökonomen und ihre Schreiberlinge ficht das nicht an. In den fünfzig Jahren meines Anschreibens gegen die Handelsnaivlinge habe ich gefühlt hundert Mal eine Antwort des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel bekommen mit immer der gleichen Phrase: Der internationale Handel ist kein Nullsummenspiel. Das hat allerdings auch niemand behauptet. Es ging und geht immer nur um den Saldo. So ist es jetzt mit Trump. Der sagt, das amerikanische Außenhandelsdefizit ist unerträglich und die Freihandelsideologen aller Länder dieser Erde antworten wie im Chor: Der Trump ist ein Dummkopf, beim internationalen Handel profitieren nämlich alle. Bravo, diese Art von Idiotenantwort macht Freunde auf der Welt.

Die Guten und die Rechthaber

Neuerdings hat an sich in den neoklassischen Zirkeln eine wunderbare Erklärung für die Salden ausgedacht, die natürlich auch im Spiegel auftaucht. Der eine will einfach Defizite und der andere will Überschüsse. Der eine ist der geborene Konsument, der andere der geborene Produzent. Weil Deutschland in den 2000er Jahren einfach mal Überschüsse wollte, hat es sie auch bekommen. Aber das ist so lächerlich, dass es sich nicht lohnt, das noch einmal zu erklären. Hier kann man es nachlesen.

Es ist beim Handel wie in vielen anderen Fällen auch: Wann immer es schwierig und unangenehm wird, neigt man besonders in Deutschland dazu, sich eine Argumentationswelt zu basteln, die zwar nichts mit dem grundlegenden Problem zu tun hat, die aber eine so breite Unterstützung in den Medien und in der Politik findet, dass jeder, der etwas anders behauptet, sofort als „Ketzer“, „Schwurbler“ oder gar „Leugner“ in die Ecke gestellt und niemals mehr hervorgeholt wird. Das gab es zwar immer schon, aber die Reihen der „Guten und der Rechthaber“ werden von Mal zu Mal fester geschlossen. Doch Vorsicht! Wie bei manchen natürlichen Phänomenen gibt es auch hier einen Kipppunkt, ab dem die Gesellschaft auf eine schiefe Ebene gerät und vor dem vollständigen Verlust der Diskussionsfähigkeit nicht mehr zu halten ist. Den Endpunkt nennt man dann Faschismus.

Übrigens, auch die schöne Geschichte, die im Spiegel erzählt wird, wonach selbst die Schwachen beim internationalen Handel eine Chance haben, weil es ja nicht auf die absoluten Vorteile, sondern nur auf die sogenannten komparativen Vorteile ankomme, ist falsch. Das ist aber eine andere Geschichte. Dazu kann man auch einmal ein gutes Buch lesen.

Dieser Artikel erschien erstmals bei Relevante Ökonomik.

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36 Kommentare

  1. Reiche gerne die wie üblich fehlende(n) Quelle(n) nach, damit sich Foristen ersparen, dem/der Beitragsgeber/in, in der Annahme, der Artikel sei für OM geschrieben worden, zu „antworten“.

    „Der Spiegelmensch als Handelsversteher und Trumpkritiker“
    von Heiner Flassbeck, 23. April 2025/Relevante Ökonomie

      1. Der, mein, Kommentar war lediglich ein Hinweis auf das hier auffällig kultivierte Prozedere.

        Ob’s Interessierte am eigentlich logischen „Warum“ und der Frage nach dem Mangel an tatsächlicher Aufklärung 🤣 und Recherche 🤣🤣 bzw. Weiterbe- bzw. verarbeitung frei verfügbarer Informationen bzgl. hiesiger Realitäten und einer daraus geprägten „Zukunft“ seitens der Redaktion gibt, ist zwar unerheblich, aber bezeichnend.

        Und wenn’s schon übernommene oder narrative oder unerhebliche Beiträge sein sollen (Ausnahmen bestätigen die Regel), dann böten sich z.B. aktuell auch das Leiden einer weiteren Person des öffentlichen Lebens an:
        „Christian W. vor den Scherben seiner dritten Ehe!“
        alternativ aufklärerisch (passend zum regelmäßig platzierten Biohoflobbyismus):
        „Geldanlagen in Goldbarren: auf Fairtrade-Siegel achten“
        oder
        „SchwoabKlaus tritt zurück: Er wird fehlen – wef will Zustand der Welt verbessern.“ oder
        „Waschlappenwini bringst auf den Punkt: Jetzt heißt Pazifismus etwas anderes.“
        „Drama: In China ist nicht nur ein Sack Reis umgefallen.“
        usw.🤭

  2. Hoppla, ein Pro-Trump-Artikel, in Bezug auf wirtschaftliche Dinge, bei Overton? Kommen solche Artikel jetzt häufiger? Ich drück‘ die Daumen…

    Bitte den Welthandel für die nächste Zeit runterfahren, vielen Dank. Danach kann es ja wieder los gehen.

    Siehe „Erlassjahr“, hebräische Tora. Auch so eine Wirtschaftstheorie, schon etwas älter.

    1. Flassbeck hat an anderer Stelle darauf hingewiesen, dass Trump bei tausenden Dingen falsch liegt, hier aber richtig. Also bitte keine verkürzte Darstellung!

      1. Die Frage ist doch, warum tritt Trump und seine Gefolgschaft, trotz guter Ideen, dann dermaßen undiplomatisch auf?

        Weil er nicht anders kann? Weil ihm nur ein solches Auftreten Wählerstimmen bringt, Stichwort Populismus?

        Oder wird er bewusst zu einem medialen Butzemann aufgebaut, damit seine Ideen (oder besser: Die Ideen seiner Thinktanks im Hintergrund) diskreditiert werden? Damit etwa die EU weiterhin mit dem Finger auf ihn zeigen kann um mit ihrer Wirtschaftspolitik der Vergangenheit fortzufahren?

        Wahrscheinlich von allem etwas.

  3. ricardo hat sich wenigstens noch bemüht, dem stoff des kapitalistischen reichtums, dem wert, auf die schliche zu kommen. er hat zwischen gebrauchswert und tauschwert unterschieden, darüber ist ein flassbeck erhaben, darüber ist die moderne ökonomische wissenschaft nämlich „hinweggekommen“. bitte keine nachfragen.

      1. ist übrigens auch der ganze grund, warum flachbeck nie verstehen wird warum die leute seine (oder wem auch immer) „Saldenmechanik“ für einen schlechten scherz halten. die wissen zwar auch nicht, was wirklich abgeht, aber die haben zum beispiel eine idee, dass geld „einfach so“ besser als ware ist, auch wenn sie nicht sagen können warum. der trump ist auch so einer, der merkt irgendwie, dass ein importüberschuss nichts gutes für den allgemeinen kapitalistischen erfolg des staat ist, der sagt aber ganz einfach „die anderen nutzen uns aus“, der braucht das nicht herleiten.

  4. Heiner Flassbeck sollte sich mit Mathias Broeckers zusammentun: „Das exzeptionalistische Königreich und die Spiegelmenschen“ könnte ein echter Bockblaster werden.

  5. Passt zwar nicht hier rein, aber eine Energiequelle die 60.000 Jahre reichen könnte, hätte in jedem Fall gravierenden Einfluss auf die Weltwirtschaft und wer weiß vielleicht sogar auf die Aussenpolitik der USA?

    https://youtu.be/jN7TV4qpimA

    Oder bin ich mal wieder total naiv und solche Erfolge werden die USA erst recht auf Konfrotationskurs mit China bringen.

    1. du bist „total naiv“ weil du meinst billigere energie ändere irgendwas, ja. um mit marx zu sprechen: der stoff des kap. reichtums ist LEBENDIGE ARBEIT. wenn es also weniger arbeit braucht für mehr energie, was ist das dann für die menschheit in diesem kapitalistischen system? für die kapitalisten eine möglichkeit für extraprofite – bis der wert aller anderer energie so weit fällt. für die arbeiter einfach weniger arbeitsplätze, da es diese arbeit nicht mehr braucht. ist es ein fortschritt für die menschheit? natürlich. ist es ein fortschritt für ein wirtschaftliches subjekt? nur für wenige und nicht für lange, insgesamt verschärft es die zustände, WEIL es weniger arbeit braucht.
      oder anders gesagt so erfindungen machen energie immer mehr zu luft, und die ist gratis. dass die niemandem im kapitalistischen zusammenhang etwas bringt (nur im natürlichen zusammenhang), weil man niemand davon ausschliessen kann, ist logisch, weil nicht gearbeitet wird um sie zu verkaufen, weil nicht gearbeitet werden muss um sie herzustellen, ausser bei tauchflaschen oder sowas, aber da ist „die luft“ auch nicht das was kosten produziert.
      gut, kann sein, dass ich mich total irre, weil diese 60000-jahre dinger gar nicht billiger sind als 60000-jahre „normaler“ strom, aber denke das wäre sonst keine meldung wert.

  6. Schwaches Stück, voller Insidersprache, dass Ross und Reiter nicht benennt.
    Man ist nachher nicht schlauer. Taugt due Trump-Politik oder nicht? Man weiß es nicht. Klar Stellung bezieht Flassbeck (aus gutem Grund) nicht. Aber sich einfach nur an Spiegel und Co abzuarbeiten und sich als einsamer Rufer in der Wüste zu stilisierten, der dann genauso rechthaberisch daherkommt wie die kritisierten… Langweilig.

  7. Klingt mir jetzt aber genau so naiv wie was immer der Speigel auch vor sich hin blubbert.
    Habs vor einem Vierteljahrhundert drangegeben den ernst zu nehmen, also Referenzen auf aktuelle Themen die dort beblubbert werden nehm ich eher achselzuckend zur Kenntnis.
    Grosskonzerne sind international aufgestellt, für die ist es glaube ich nicht so interessant, wo die Profite generiert werden, solange Profite generiert werden. Handelsbilanz zwischen nationalen Ökonomien bildet das Logistikgeflecht zwischen Grossunternehmen wahrscheinlich nur sehr oberflächlich ab. Den Geldströmen stehen aber doch Waren- und Vorerzeugnisströme gegenüber, die selbst wieder nach dem Import Profite im Zielland generieren, die nicht oder nur teilweise in den Welthandel eingehen. Ein Handelsbilanzdefizit kann bedeuten, dass eine Ökonomie sich verschulden muss, um die mangelhafte eigene Produktivität auszugleichen um Güter des täglichen Bedarfs zu produzieren, oder es kann bedeuten, dass eine starke Ökonomie sich ausländische Ressourcen im eigenen Markt für weitere Profitbildung erschliessen kann. Wenn jedenfalls die USA als ressourcenreiches Land mit einer starken heimischen Wirtschaft anfängt herumzujammern, dass sie von den Habenichtsen auf dem Planeten „bestohlen“ wird, dann kann das nur eins bedeuten: Die Regierung will die Bevölkerung darauf vorbereitne, dass sie pleite sind. Das würde auch schlüssig die anders kaum erklärlichen massiven Schleifungen staatlicher Ressourcen erklären, die normalerweise notwendig wÄren, den technologischen und ökonomischen Vorsprung der USA zu erhalten, Stattdessen wird alles zerschlagen, was ein paar Groschen spart. Das sind Massnahmen, die vielleicht jemand durchführt, der dabei ist, wegen Abstieg in die absolute Armut auf die Strasse gesetzt zu werden. Wenn man kein Geld mehr für die Miete hat, verkauft man auch die lieben Erbstücke der Grosseltern.

    1. Ich halte Heiner Flassbeck möglicherweise doch für einen recht verständigen Analytiker (wobei es natürlich auch schon fast etwas zu einfach ist, gegenüber den Esoterikern von spiegel und sz zu glänzen, aber gut).

    1. Er kann es einfach nicht lassen, brunzdummen (jetzt hätte ich tatsächlich fast ‚viehisch blöden‘ geschrieben!) Menschen wichtige Grundlagen und Zusammenhänge erklären zu wollen. Ein unverbesserlicher Optimist! Ich würde an seiner Stelle einfach mit einer guten Pension in der Sonne sitzen. Die Leute haben es einfach nicht besser verdient!

  8. Keine der Wirtschaftstheorien und der daraus folgenden Wirtschaftsstrategien ist in der Lage, die Widersprüche der Warenwirtschaft zu heilen, geschweige abzustellen, was sowieso nicht möglich ist. Sie bewegen sich innerhalb des Teufelskreises. So verbleibt ihnen nur, Wege zu finden, um den Kollaps des Kapitalismus noch ein Stück hinauszuzögern. Dabei wurden viele Konzepte entwickelt, die sich dann auch nicht als Gelbes vom Ei erwiesen.
    Aber Flaßbeck gehört zu denen, die die größte Übersicht über die Möglichkeit der kapitalistischen Wirtschaftslenkung haben und ist dadurch prädestiniert, ein fachliches Urteil abzugeben.

  9. Kleine Satiregeschichte: Das Perpetuum Mobile der Geldwirtschaft

    Durch Schulden reich werden ist ganz einfach: Man gibt jemandem Kredit mit Geld, das man nicht hat. Das machen die Banken uns mit dem Fiatgeld vor. Mit dem Geld, das man nicht hat, kann man zweierlei tun: Mit ihm Werte schaffen, die zuvor nicht da waren – und diese Werte, erschaffen durch geleistete Arbeit ermöglichen weitere Kredite und so entsteht Wachstum durch Wertvermehrung. Wenn man aber das Geld, das man nicht hat einfach auf den Kopf haut, entsteht kein neuer Wert. Das macht aber nichts, weil ja dann andere das nicht vorhandene Geld des Konsumenten vereinnahmen und damit dann eben doch neue Werte schaffen. Also: Macht Schulden, dann werden wir alle reicher, (solange es keiner merkt).

  10. Die Empörung über Trumps launenhafte Zollpolitik ist grenzenlos. Die Mainstream-Journalisten sind sich weitgehend einig: Trump sei unberechenbar, erratisch, irrational oder zocke auf eigene Rechnung und verstehe von Handel und Wirtschaft gar nichts, schade aber mit seinen Zöllen allen, vor allem den USA selbst:

    Der Zollhammer widerspreche allen Erkenntnissen der Wirtschaftswissenschaften, da er die Verbraucherpreise und die Inflation in den USA erhöhe und weltweit zu Handelseinbrüchen und Gegenzöllen führe. Wenn sich unsere Leitmedien dazu herablassen, genauer nach Trumps Absichten zu fragen, dann sind die Antworten eher simpel: Trump wolle das immense Handelsbilanzdefizit der USA reduzieren, das dadurch zustande kommt, dass die Amis mehr Handelsgüter importieren als exportieren, sodass sich immer mehr Handelsüberschüsse in Devisen bei den Handelspartnern ansammeln. Und in Folge der höheren Zölle sollen ausländische Firmen angelockt werden, zollfrei in den USA zu produzieren, was dort Arbeitsplätze schaffen werde. Außerdem will Trump durch die zu erwartenden Zolleinnahmen mehr Staatseinnahmen erhalten, mit denen er Steuererleichterungen für die heimischen Unternehmen finanzieren will. Aber das seien alles Milchmädchenrechnungen, schreiben unsere Wirtschaftsredakteure in den Zeitungen. Das ist nicht ganz falsch, aber zu kurz gegriffen. Tiefergehende Recherchen? Fehlanzeige!

    Die personifizierte Kritik an Trumps Politik geht aber völlig fehl: Wer genauer recherchiert, findet mehr über die wirtschaftlichen Berater von Trump, die als konservative Ökonomen immerhin aus renommierten Universitäten und Thinktanks stammen und der in Europa verbreiteten neoklassischen Schule der Ökonomie in Teilen widersprechen. (Ohnehin sollte man weniger auf die Person Trump schauen als auf die hinter ihm stehenden Netzwerke wie z.B. der Heritage Foundation und der America First Policy Institute, die im Interesse konservativer Milliardäre weitgehend Personal und Inhalte der zweiten Trump-Administration bestimmen.) Dr. Stephen Miran, der Vorsitzende des wirtschaftlichen Beraterteams von Trump, hat in einer Rede vor dem konservativen Hudson-Institut die wirtschaftspolitische Strategie erläutert [2]:

    „Kern der Überlegung (…) ist, dass die Vereinigten Staaten seit dem Zweiten Weltkrieg zwei öffentliche Güter für die Weltgemeinschaft bereitstellen: einen Sicherheitsschutzschirm und die Weltreserve- und Handelswährung Dollar, deren Rolle durch die amerikanischen Staatsanleihen als sichere Anlage gestützt werde.“[3]

    Was hat das nun mit der Zollpolitik zu tun? Über Zölle sollen u.a.
    Einnahmen generiert werden, die helfen, das Haushaltsdefizit zu verringern. Begründung:

    Erstens habe diese Politik des „Sicherheitsschutzschirms“, gemeint ist die militärische Präsenz der USA weltweit und in der NATO, enorm zur Staatsverschuldung der USA beigetragen, finanziert allein von den USA zum Nutzen seiner Verbündeten, die diese Militärkosten einsparen würden und darum wirtschaftliche Vorteile hätten. Darum müssen das Außenhandelsdefizit und die Schuldenlast dauerhaft reduziert werden. Zölle seien da eine mögliche Finanzierungsquelle.

    Also im Klartext: Weil den USA die Unterhaltung ihrer ca.1000 Militärstützpunkte[4] zu teuer und die Kosten für die NATO-Sicherheitsgarantien zu hoch geworden sind, soll sich jetzt die ganze Welt daran finanziell beteiligen und höhere Zölle zahlen oder mehr US-Waren kaufen? Amerikanische Hochrüstung finanziert durch die Handelspartner? Auch durch China? Was für ein selbstgerechter Machtanspruch!

    Zweitens ist der Dollar die Leit- und Reservewährung der Welt, in die sich viele Anleger flüchten können, wenn es kriselt. Dies führt zu einer weltweiten strukturellen Nachfrage nach Dollar, was zu einer Überbewertung führt, der die Wettbewerbsfähigkeit amerikanischer Güter verschlechtert: US-Exporte verteuern sich, Importe aus der EU und China werden billiger, das führte über die Jahre zum Exodus vieler US-Produzenten und kostete viele Arbeitsplätze. Nun aber ist das Handelsdefizit so groß, die Staatsverschuldung so immens, dass eine neue Finanzkrise droht. Was also empfiehlt Trumps Beratergremium über Zollmaßnahmen hinaus? Die Handelspartnerländer könnten „unfaire Handelspraktiken beenden“, ihre Märkte öffnen, auf Gegenzölle verzichten und mehr von Amerika kaufen. Vor allem aber könnten sie ihre Verteidigungsausgaben erhöhen und mehr US-Rüstungsgüter kaufen oder Fracking-Gas: Das könnte Trumps Deal sein!

    Könnte es also sein, dass wir von unseren Politikern für dumm verkauft werden, dass die gigantische Aufrüstung gar nicht einem überschätzten russischen Aggressor gilt, sondern dem amerikanischen Handelsdefizit?

    Aber, so wenden Kritiker ein, mit höheren Zöllen und diesen Deals werde die US-Währung wieder aufgewertet, was wiederum die Importe billiger mache und die US-Waren teurer, also eine Inflationsgefahr bedeute. Ein Teufelskreis? Schaut man sich den Dollarkurs seit Trumps Amtsantritt an, so stellt man aber fest, dass er deutlich fällt.

    Wie kann das sein? Der renommierte Ökonom Paul Krugman deutet dies so: „Sobald die Investoren die Politik von Trump in Aktion sahen, suchten sie das Weite.“ Hat Trumps erratischer Kurs – Zölle hoch – Zölle aussetzen – Zölle wieder hoch – die Absicht, genau dies zu erreichen, den Dollarkurs zu senken? Die Verunsicherung als währungspolitische Strategie oder als Motivation für Deals mit den Importländern?

    Anders als erwartet, haben als Reaktion jedoch finanzstarke Anleger US-Staatsanleihen, eigentlich eine krisenfeste Geldanlage, in Massen abgestoßen. Vermutet wird, dass entweder Japan, China (als Vergeltung für die Zölle?) oder große US-Investmentfirmen (Elon Musk und Co?) diese Verkäufe gestartet haben mit der für den US-Haushalt schädlichen Folge von Zinserhöhungen: Werden Staatsanleihen massenhaft verkauft, steigt der Zinssatz, da nur bei höherer Rendite mit neuen Käufern zu rechnen ist. Nun müssen die US-Haushälter für die Staatsschulden plötzlich höhere Zinsen bezahlen. Aus der Traum von den zusätzlichen Staatseinnahmen durch Zölle? Bleibt abzuwarten, wie die Fed, die US-Zentralbank, darauf (mit Zinssenkungen?) reagiert.

    Dennoch üben die Zollpolitik und die Unberechenbarkeit der Trump-Administration großen Druck auf die Handelspartner und die weltweiten Finanzmärkte aus, den währungs- und handelspolitischen Interessen der USA entgegenzukommen, z.B. durch Kauf von mehr Fracking-Gas und Öl oder durch Rüstungsgüter. Dafür braucht es in der westlichen Welt ein Umdenken: Abschied vom ökologischen Umbau der Industriegesellschaft („Green Deal“) und Abschied von einer Politik des Friedens und der Abrüstung. Ich habe den Eindruck, unsere Regierenden und die ihnen stets folgenden Leitmedien haben das längst in Angriff genommen, die Bevölkerung propagandistisch darauf vorzubereiten, wie es die Zeitungen seit einiger Zeit tun: Ihre großen Berichte über die mangelnde „Kriegstüchtigkeit“ der Krankenhäuser oder der privaten Wirtschaft[5] zeigen das ganz deutlich. Und dafür braucht man einen Feind…

    In welchem Zustand die Pressfreiheit bei uns in Wirklichkeit ist, erkennt man daran, dass alle Leitmedien ins gleiche Horn stoßen und sich niemand traut, dieser Kampagne öffentlich zu widersprechen.

    1. Mhmmm, ihr „kleiner“ Beitrag ist das umfassendste was ich zum Thema „Problem USA Handelsdefizit und Endloser Geldentwertung“ seit langem in so kompakter Form gelesen habe.

      Jetzt wo wir das Problem schon mal benannt haben, können wir auch gleich an einer Lösung des Problems arbeiten.

          1. Doch doch die reichen. Die Preise pro Unze müssten nur „aberwitzig“ hoch werden. Je nachdem wie sehr die USA und der Westen und alle anderen Länder entschulden möchten.

    2. Die Personifizierung in der Wahrnehmung Trumps in der, äh, ‚Wahrnehmung‘ von z.B. Journalisten sagt eben auch recht viel über deren analytische Flachheit des Denkens aus. So wird das nichts mit dem Kampf gegen sinkende Auflagen…

      1. Hören Sie checken Sie es endlich, wir spekulieren nicht darauf das Trump plötzlich ein fähiger Präsident werden könnten, wir spekulieren darauf das endlich ein USA Präsident mal aus versehen das richtige macht.

        Hier finden Sie keine Lager, wir sitzen allesamt gemeinsam im Fahrstuhl zur Hölle.

  11. Ich halte Heiner Flassbeck möglicherweise doch für einen recht verständigen Analytiker (wobei es natürlich auch schon fast etwas zu einfach ist, gegenüber den Esoterikern von spiegel und sz zu glänzen, aber gut).

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