In Japan bricht die Börse zwischenzeitlich um zwölf Prozent ein. Weltweit verzeichnen die Finanzplätze starke Abschläge. Hat der Kapitalismus nur Husten oder ist es Schlimmeres? Die Schärfe der Kursstürze deutet auf ein hohes Maß an Verunsicherung hin.
Wenn auch die Börsen seit Jahren nur eine Richtung zu kennen scheinen, so sind doch Einbrüche wie jener in der ersten Augustwoche in der Geschichte des Kapitalismus keine Seltenheit. Dennoch schütten solche Einbrüche wie jener an der Tokioter Börse von zwischenzeitlich zwölf Prozent Essig in den Wein der Anleger. Ausschläge in solcher Heftigkeit, dem fünftgrößten in der Geschichte der Tokioter Börse, hatten die Anleger nicht mehr auf dem Schirm. Dass Kurse auch talwärts laufen können, hatten viele aus ihrem Bewusstsein gestrichen.
Wenig Klares
Nun wird gerätselt, woran es gelegen hat und ob die Kurse weiter fallen. Seit dem scharfen Kursrückgang infolge der Corona-Panik war man es gewöhnt, dass nach Kursdellen auch schnell wieder eine Erholung kommt, oftmals sogar mit neuen Rekorden bei vielen Aktienindizes. Die vielen und ständig zunehmenden Krisen in der Welt schienen in der Welt der Börsensäle gar nicht mehr zu existieren. Dennoch zeigt dieser Kurssturz der ersten Augustwoche, dass die Finanzwelt sehr nervös ist und auf dem Sprung, Gewinne schnell mitzunehmen, wenn es brenzlig wird.
Denn Warnsignale gibt es viele. Die Hausse läuft bereits seit Jahren trotz der sich verschlechternden Wirtschaftsdaten. Die Inflation ist hoch und das Wirtschaftswachstum niedrig. Die hohen Zinsen, die die Inflation bremsen sollten, würgen Investitionen und Konsum ab. Trotzdem waren die unlängst veröffentlichen Zahlen der US-Unternehmen besser als erwartet und 80 Prozent der Unternehmen konnten die Erwartungen der Analysten sogar überbieten.
Dass die Kurse trotzdem in den Keller gingen, wird Rezessionsängsten zu geschrieben, die durch die schwachen Daten vom US-Arbeitsmarkt ausgelöst worden sein sollen. Doch was als scheinbar rationale Erklärung daherkommt, galt vor nicht allzu langer Zeit noch als Grund für Kursraketen. Denn damals sah man schlechte Konjunkturdaten noch als Argument für die Hoffnung, dass nun die Notenbank die Zinsen senken muss. Das hatte die Kurse beflügelt. So sehr sich die sogenannten Experten auch abmühen mit wissenschaftlich klingenden Erklärungen, es ist viel Spekulation und wenig Handfestes in den Überlegungen.
Viel Geld
Auf der anderen Seite ist ungeheuer viel Geld im Markt, und Geld ist der Sauerstoff der Börsen. Durch die Verkäufe der letzten Tage haben sich die Barreserven noch zusätzlich erhöht, und für dieses Geld müssen wieder Investitionsgelegenheiten gefunden werden. Denn so schlimm Kursverluste auch sein mögen, mindestens genau so unerträglich ist im Kapitalismus Anlagenotstand, also jene Situation, in der Kapital brach liegt und es zu wenig Möglichkeiten gibt, dieses Geld gewinnbringend anzulegen.
Das ist dann die Stunde der Kreativen und Innovationen an den Finanzmärkten. Sie schaffen neue Instrumente und Produkte, mit denen das Kapital der Anleger wieder eingefangen und zu neuen Renditezielen getrieben werden kann. Vor der Finanzkrise von 2008 waren das die besicherten Zertifikate (ABS). Mit ihnen konnten die Kredite, die die Banken ausgegeben hatten, einer neuen Verwertung zugeführt werden. Diese Kredite wurden zu Wertpapieren gebündelt und an die Börsen gebracht – mit dem Segen der Ratingagenturen und einer stattlichen Verzinsung.
Nicht nur große Investoren legten ihr Geld dort an, auch so mancher Stadtkämmerer hoffte damit die klammen Kassen seiner Kommune aufzupeppen. Sogar den Inhabern von Sparbüchern wurden diese Zertifikate von ihren Hausbanken als gute Anlage für ihr kleines Geld angedreht. Aber wenn Kleinanleger zu spekulieren beginnen, ist die Party vorbei. Denn wer soll ihnen noch diese Papiere abkaufen? Sie sind die letzten in der Reihe. Dahinter ist niemand mehr, der noch Geld und noch nicht gekauft hat.
Das Ende der Zertifikate-Hausse ist bekannt. Die Finanzmärkte standen vor dem Zusammenbruch und mussten von den Staaten und durch die Geldschwemme der Notenbanken gerettet werden. Dadurch aber kam noch mehr Geld in den Markt und der Druck zur Kapitalverwertung stieg noch weiter. Der Kapitalismus macht keine Pause, und die schöpferische Kraft der Menschen kennt keine Grenzen. Das gilt auch für die Möglichkeiten der Geldvermehrung.
Weitgehend unter der Aufmerksamkeit der öffentlichen Wahrnehmung waren neue ergiebige Instrumente entstanden, die auf den Zinsunterschieden zwischen Staaten und Währungen aufbauten: die sogenannten Carry Trades. Sie sind nicht unbedingt neu, neu aber ist das Ausmaß der Summen, die in sie geflossen sind. Allein die auf japanische Yen lautenden Kreditgeschäfte im Rahmen dieser Spekulationsinstrumente werden auf „fast vier Billionen Dollar geschätzt“(1), vielleicht aber auch mehr.
Neues Spiel
Die Carry-Trades gehen auf das Platzen der japanischen Immobilien-Blase zu Beginn der 1990er Jahre zurück. Um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen, senkte die Bank of Japan (BoJ) die Zinsen, damit billiges Geld für Investitionen zur Verfügung stand. Es ist weit verbreiteter Irrtum, dass die Notenbank Zinssenkungen beschließen kann. Sie kann sie anbieten oder vorschlagen, entscheidend aber ist, ob der Markt diese Zinssenkungen aufnimmt.
Staatsanleihen, die bereits am Markt sind, verfügen über einen festen Zinssatz, der während der Laufzeit nicht geändert werden kann. Neue Zinssätze können also nur bei der Neuausgabe von Anleihen ausgegeben werden. Wer aber kauft eine Anleihe mit einem Coupon von einem Prozent, wenn vergleichbare Staaten das Doppelte oder mehr bieten wie die USA? Die einzige Möglichkeit, dennoch auf den Zins Einfluss zu nehmen, ist der Kurs der Anleihe.
Wenn also die BoJ Zinssenkungen ankündigte, dann ging das nur auf dem Weg, dass sie selbst am Markt befindliche Anleihen aufkaufte und damit deren Kurs in die Höhe trieb. Wenn der Kurs bei gleichbleibendem Zinssatz steigt, dann führt das im Umkehrschluss zu einer niedrigeren effektiven Verzinsung der Anleihe. Die Bank of Japan kaufte also die Anleihen des japanischen Staates auf und wurde damit größter Gläubiger des eigenen Staates. Aber die Zinsen sanken, was die Absicht dieses Vorgehens war.
Die Folgen dieser Operation waren einerseits niedrige Zinsen und andererseits ein Verfall der japanischen Währung, des Yen. Der niedrige Yen befeuerte den Export und den Gewinn der japanischen Unternehmen. Der schwache Yen ermöglichte aber auch Investoren, in Japan niedrig verzinste Kredite aufzunehmen und dieses Geld in den USA bei wesentlich höheren Zinssätzen zu investieren. Mit diesem als Carry-Trades bezeichneten Verfahren ließen sich gewaltige Gewinne erwirtschaften. Man nutzte nicht nur den Zinsunterschied zwischen Japan und den USA, sondern auch den Währungsverfall vom Yen zum Dollar.
Aber keine Volkswirtschaft kann auf Dauer solche künstlich geschaffenen Ungleichgewichte aushalten. Seit dreißig Jahren hat die japanische Notenbank die Anleihen des japanischen Staates aufgekauft und damit ein gewaltiges Defizit von über 200 Prozent in Bezug auf die wirtschaftliche Leistungskraft des Landes geschaffen. Japan ist das am höchsten verschuldete Land der Welt. Als die Zinsen weltweit stiegen, konnte das Land seine über Jahrzehnte gepflegte Null-Zins-Politik nicht weiter aufrechterhalten.
Neues Glück?
Die Bank of Japan kündigte Zinserhöhungen an. Das hatte den Markt nicht weiter interessiert. Denn wie gesagt: Der Markt entscheidet, ob die Zinsen sinken oder fallen, nicht die Notenbanken. Diese können nur darüber befinden, ob sie Anleihen ihres Staates kaufen oder nicht, oder ob sie gar Anleihebestände verkaufen.
Das Blatt für die japanischen Zinsen wendete sich mit der Ankündigung der BoJ, weniger Anleihen zu kaufen. Wenn die Notenbank weniger japanische Anleihen kauft, dann sinkt die Nachfrage danach. Anleger konnten also davon ausgehen, dass die Kurse sinken werden, wenn die Nachfrage infolge der sinkenden Notenbank-Käufe zurückgeht. Also verkauften viele, nahmen Kursgewinne mit. Die Notierungen sanken. Damit aber stieg der effektive Zins japanischer Anleihen.
Das Geschäft der Carry-Trades begann, nicht nur an Attraktivität zu verlieren, sondern auch zu Verlusten zu führen. Denn nicht nur die Zinssätze gerieten ins Wanken, auch die Währungsverhältnisse zwischen Dollar und Yen hatten sich rapide verändert. Hatten im Juni noch 162 Yen für einen Dollar gezahlt werden müssen, den schlechtesten Wert aller Zeiten, so verbesserte sich die japanische Währung innerhalb eines Monats um 10 Prozent auf 145 Yen pro Dollar. Das brachte das Geschäftsmodell der Carry-Trades in Gefahr. Um schnell flüssig zu werden, verkauften Investoren japanische Aktien. Die Börse in Japan ging in die Knie.
Wie viele Carry-Trade-Kontrakte bestehen, weiß niemand genau. Von daher ist auch das Risiko nicht abzuschätzen, das diese Instrumente für die Finanzmärkte bedeuten. Die Börsen haben sich nach dem ersten Schock wieder etwas erholt. Aber es ist nicht klar, ob das schon das Hauptbeben war oder nur ein Vorbeben und ähnliche oder gar heftigere folgen. Denn in den Tiefen von Märkten, die nicht so transparent sind wie die Börsen, stehen große Summen im Feuer.
Hat der Kapitalismus nur gehustet, hat ihn eine Lungenentzündung oder gar die viel gefährlichere Schwindsucht erfasst? Das wird sich zeigen. Aber eines ist auch klar: Daran wird der Kapitalismus nicht zerbrechen. Viele seiner Gegner hoffen im Stillen, dass er an seinen Krisen zugrunde geht und dadurch einer neuen Ordnung Platz gemacht wird. Das ist ein Trugschluss.
Eine neue Ordnung kommt nicht dadurch, dass die alte zusammenbricht. Eine neue Ordnung kommt nur, wenn eine neue geschaffen wird. Sie kommt, wenn die Menschen sich eine neue gesellschaftliche Grundlage für ihr Zusammenleben schaffen im Bewusstsein ihrer Interessen und Bedürfnisse. Solange das nicht geschieht, wird der Zusammenbruch des herrschenden kapitalistischen Systems nicht zu dessen Untergang führen.
Börsenbeben und Finanzkrisen schaffen keine neue Gesellschaft, sie bringen höchstens eine neue Form des Kapitalismus hervor. Selbst wenn das zusammenbricht, was heute als Kapitalismus dasteht, wird das, was danach kommt, auch wieder Kapitalismus sein – nur in einem anderen Gewand. Seine Abschaffung, seine Überwindung als Teil der Menschheitsgeschichte wird nur dann erfolgen, wenn die Menschen seiner überdrüssig sind und sich aufmachen, ihn durch eine neue gesellschaftliche Ordnung zu ersetzen.
Fußnote
(1) Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 7.8.24: Schwache Börse, kein Kursdrama
Rüdiger Rauls ist Reprofotograf und Buchautor. Er betreibt den Blog Politische Analyse.
Alle 15 Monate bricht das System zusammen, weil es mal wieder einen Rücksetzer an der Börse gibt. Wenn man 3 Schritte zurückgeht und sich die langfristige Entwicklung anschaut gibt es eine klare Tendenz.
Aber Weltuntergangspropheten verkaufen sich einfach besser als langweilige langfristige Trends.
Darauf eine grosse Depression und Hyperinflation.
Nur weil man es verschiebt, wird es ja nur schlimmer.
Die Bankengeschenke werden irgendwann Alle.
Das Warten auf den Weltuntergang (und wenn es nur der Materielle ist) ist so ein Sektending, das Sie sich gerne jeden Tag vorbeten dürfen.
Im Prinzip hast Du recht. Ich sehe aber darüber hinaus ein großes Problem: Nach jeder Krise werden die Reichen relativ gesehen noch reicher und es gibt weniger in “der Mitte”. Es scheint also so zu sein, dass die Wohlhabenden (Top 1%) ein Interesse an Krisen haben, weil sie daran verdienen – das ist ein großes Problem.
Das ist möglich, dazu habe ich aber keine Daten.
Eine Rücksetzer an der Börse ist keine Krise, dass liegt in der üblichen Schwankungsbreite. Der Autor spielt nur mit der „Weltuntergangsangst“ des Publikums.
Ich warte auf die Zeit der vier Ratingsagenturen, wann diese sich selbst herabsetzen, auf einen Ramsch Pegel.
Ansonsten sehen wir eine Wertbereinigung die unumgänglich ist. Der kollektive ‘Westen’ leistet Buße für ihre Vergangenheit und die Bürger stehen vor einer Geldentwertung, wie diese im vergangenen Jahrhundert stattfand.
Diesesmal wird nicht unter dem ‘Westen’ aufgeteilt, sondern in der Welt.
Schaut euch nur die Golfstaaten an, was dort geschieht, in Asien streben Staaten noch oben mit Wachstum…
Der Kapitalismus hustet nicht, sondern nur eine geopolitische Region erhält Kotzanfälle und nicht Husten.
Wie können sich Barreserven erhöhen, weil jemand verkauft?
Kann jemand verkaufen, ohne dass jemand anderer kauft?
Und wie sieht es dann per Saldo aller Anleger aus?
Der Nickei-Index ist ja nicht erst an diesem “Schwarzen Montag” gefallen, sondern schon ein paar Monate zuvor.
Letztendlich ist das aber immer noch im langfristigen Bereich eine Aufwärtskorrektur.
Wer aber die Krisen von Kapitalismus oder eine spezieller Form davon an Indexständen bemisst, begeht einen grundsätzlichen Fehler. Und dieser besteht darin, nicht zu erkennen, dass. an es immer mit einer fehlerhaften Form von Kapitalismus zu tun hat, wenn dessen “Gelingen” und damit die gesellschaftliche Wohlstandsfunktion von Indexständen und damit potentieller Kaufkraft und ordnungspolitischer Regelungen wie dem Insolvenzrecht abhängig macht.
Solange die Produktivkräfte durch die Produktionsverhältnisse nicht wesentlich tangiert werden und dabei auch keine Fehlsteuerung in der Form auftritt, dass Luxusbedürfnisse Vorrang vor existenziellen haben, was man als Fehlallokation bezeichnet, wenngleich nicht im üblichen volkswirtschaftslichen Sinne, weshalb ich es zur Unterscheidung erwähne, solange kann man mit dieser Form von Kapitalismus einigermaßen leben.
Aber wo gibt es diese Form noch und wo wird das Fehlen dieser Form überhaupt systemimmanent oder -extern konkret kritisiert?
Gerade deshalb, weil dies nicht geschieht und mit Taschenspielertricks irgendwelche Luftschlösser oder Pseudoursachen an die Wand gemalt werden, ist konsequente Kritik, sowohl positiv als auch negativ, aber immer konstruktiv, so notwendig.
Aber wo soll die Bereitschaft dazu bestehen, wenn nicht mal eine reflektierende Notwendigkeit herauskristallisiert wird?
Was Wissen wir Real? Nichts, ausser Meldungen zum geschehen.
Deutschland war ein Land in dem viel gearbeitet, kreiert, innovativ gehandelt wurde, plötzlich von gestern auf heute ist alles verschwunden. Ist das Normal?
Ist es normal das Deutschland innerhalb einer Dekade sich vom Weltmeister zum Abstiegsgaranten produziert?
Nein das ist alles nicht normal, weil das keinem Sinn entspricht.
Deutschland ist weltweit anerkannt für seine ‘damalige’ Politik, Wirtschaft, Bildung, System der Versorgung und mit einem Mittelstand versehen, der wirkliche Innovationen hervorgebracht hat. All dieses systematische System von Deutschland, wurde mit der Krise in der Ukraine ruiniert, oder auch nicht, weil wir nicht wissen wo wir enden werden. Aber die Substanz ist realpolitisch immer noch vorhanden, soweit die Bevölkerung im Stande ist, das zu erkennen. In der jüngeren Geschichte Deutschlands oder von mir aus der längeren, ist Deutschland der geistige Zustand der dort lebendenen Bürger. Warum gibt man etwas auf oder vernichtet das, wie im WWI oder II?
Deutschland war aktiv daran beteiligt, andere Staaten aufzubauen, zu unterstützen… ,und aufeinmal nicht fähig zu sein ihre Position in der Welt zu verteidigen?
Armselige Politik bezeichne ich das. Armselig ,weil das nicht deutsche Politik ist.
Mensch wie ich bin, hoffentlich, möchte aussagen, das diese deutsche Politik im Ausland sehr viele Fragezeichen hinterlässt, da Deutschland in den meisten Staaten der Welt, respektiert wurde und wird.
Muss Deutschland wie in der Vergangenheit so wettbewerbsfähig sein, dass es einen positiven Außenhandelssaldo von 7 % des BIP aufweist?
Gibt es deshalb keine Wohnungsnot unter den weniger Kaufkräftigen?
Wettbewerbsfähigkeit ist dabei noch kein Malus, aber nicht die alleinige oder entscheidende Komponente für wirtschaftliche Vernunft!
Aber wenn man diesen Umstand völlig vernachlässigt und keine anderweitige Kompetenz aufweist, um dies zu kompensieren, wird es natürlich schwierig.
Aber das ist es bei alleiniger Plusmacherei früher oder später sowieso.
Luck, du hast ja recht und meine Aussage zu deinem Ursprungskommentar, war und ist keine Kritik an deiner Aussage, sondern vielmehr als Ergänzung zu lesen. Das Problem von Deutschland hatte der ehemalige SPD’ler Herr Zarrazin in einem Buch veröffentlicht, Deutschland schafft sich ab.
Das tut Japan, Süd Korea und zig andere ‘Kolonien’auf dieser Welt.
Das bedeutet für mich das der ‘Kapitalismus’ im Westen so dargestellt wird, es würde der freie Markt bestimmen. Das tut er eben nicht der freie Markt und das wird auch klar und deutlich mit der Ukraine.
Wir die Bürger müssen ein korrektiv in unserer indoktrination vornehmen. Übrigens, sehe ich das der Westen selbst daran arbeitet. Weil sie in einer multipolaren Ordnung nicht mehr ihr Monopol halten können.
LG
Da Ökonomie hauptsächlich sozialpsychologisch zu verstehen ist und Zyklen nichts anderes als Selbstheilungsverfahren sind, die über Komplexitätsreduktion und anschliessendem Komplexitätsaufbau laufen, was stets zu sog. Kollateralschäden führt, geht die Frage nach dem Husten des Kapitalismus an der Sache vorbei. die richtige Frage ist: mit welchem politischen System mit welchen Parametern, sprich: mit welcher institutionellen Strukturdynamik wollen wir Menschen den sog. Kollateralschäden begegnen?
Wo fungieren Zyklen als Selbstheilungsverfahren und wie geschieht dies konkret?
Wie war das nach 1929?
Und warum sind handfeste ökonomische Daten in den sozialpsychologischen Bereich einzuordnen?
ad 1) durch Verlässlichkeit. wir beobachten Zyklen, weil sie uns verlässlich erscheinen. konkret geschieht das über den Glauben an das, was wir tun und lassen.
ad 2) nach 1929 wurde der heisse Krieg in Europa und Asien vorbereitet mit den entsprechenden “Kollateralschäden” und kurz vor Kriegsende in Bretton Woods ein Zwischendeck eingezogen, das dann weiter ergänzt und teilweise ersetzt wurde.
ad 3) weil es keine wirklich handfesten Daten gibt. handfeste Daten haben Sie vielleicht in einem Betrieb, solange die Buchhaltung in gutem Einvernehmen mit den anderen Akteuren ist. Ökonomie ist reizen und bluffen, warten können und für Bewegung sorgen und wieder warten können und verstecken (weshalb es unmöglich ist, handfeste Daten zu generieren). Bewegung ist das Wichtigste, bzw. der Anschein von Bewegung.
so, jetzt werden Sie vielleicht denken: “wieder so ein Schwätzer!” Sie können sich ja mal auf mein Idiotentum einlassen und sehen, ob es etwas an Ihrem Denken ändert. soweit ich das beurteilen kann, bin ich gar nicht so weit von Ihnen entfernt. (siehe oben bei Ihnen der 3. Abschnitt).
für mich ist Kapitalismus ja nur eine Chiffre für “Horten, blitzartig Überschwemmen, eiligst wieder Zurückziehen und Geiseln nehmen.”
was machen wir mit den “Kollateralschäden”?
einen schönen Paul Feyerabend!
Zuerst will ich anmerken, dass ich ihre Kommentare wegen ihrer Offenheit schätze und deshalb von mir niemals ein abwertendes “Schwätzer” kommen wird.
Kapitalismus bedeutet, dass sich ökonomische Tätigkeit an möglichst hohe, aber zuerst “sichere” Renditen orientiert und dabei die unsichtbare Hand des Marktes Wohlstand zumindest für viele schafft.
1929 konnten solange Kredite vergeben werden, solange die kreditierten Assets (Aktien) dies durch Wertzuwachs oder zumindest -stabilität hergaben.
Das Versiegen dieser Kreditquelle und damit Kaufkraft durch den Kursrückgang am “Schwarzen Freitag” (und natürlich darüber hinaus) war die eigentliche Ursache für die Great Depression, aber auch nur deshalb, weil man zu dumm und unfähig war, die versiegende Kaufkraft anderweitig zu substituieren/ersetzen.
Die damaligen Ökonomen mit Rang und Einfluß vertrauten darauf, dass es der Markt mit seinen Selbstheilungskräften schon richten werde.
Dem war aber nicht so.
Dabei hätte eine fundierte Kenntnis von Marx schon ausgereicht, um eine Orientierung zu haben, ohne sich dem Kommunismus verschreiben zu müssen.
Die Lösung lautete dann “New Deal” mit Spitzensteuersätzen teilweise über 70 %.
Aber ohne keynesianische Kriegswirtschaft mit dem “Pfand” aus dem Leih- und Pachtgesetz wäre dies lange zum Scheitern – zumindest teilweise – verurteilt gewesen.
Grundsätzlich brauche ich nichts zu glauben, was ich selbst analysieren kann.
Und weil ich dabei hendsärmelig und offensiv, aber dennoch gewissenhaft vorgehe, brauche ich mich einmal gelernten Merksätzen nicht unterordnen, wenn ich deren Relativitäten erkannt habe und eine vorliegenden Neukonstellation Rechnung tragen darf.
Dabei weiß ich mittlerweile, dass das, was ich schreibe, wohl niemand schreibt, weil man ja verkehrt verstanden werden könnte, wenn man sich zu weit aus dem Fenster lehnt.
Zu mir wurde aber gestern gesagt, dass mich auch ein Panzer überfahren könnte und ich trotzdem heil bleiben würde.
Insofern brauche ich um mich selbst nicht besonders zu sorgen, Es gibt genügend andere Menschen, welche dieser Sorge bedürfen.
Wenn dem aber so ist, gibt es keinen Grund, übervorsichtig zu zögern.
weil es schon sehr spät ist: nur so viel. mit Selbstheilungskräften meine ich, was läuft, nicht, was laut einer wissenschaftlichen Theorie laufen soll, wenn alle brav sind.
um die 70% Steuern zu vermeiden, haben die Unternehmer in den USA reichlich in ihre Unternehmen gesteckt und after a while, crocodile waren die USA wie eine Weihnachtsgans so weit, fast zu platzen vor lauter Gütern, die dann von den ausgehungerten Westeuropäern gierig gekauft wurden. full spectrum dominance und Westeuropa wie ein Schiffchen hinter sich herziehen kam aus der Not des way over the top.
vielen Dank für Ihre Geduld!
Forderungsbesicherte Wertpapiere mit Triple-A-Rating hielten im wesentlichen keine Kleinanleger.
Und nach der Neubewertung ab Juli 2007 mit dem oftmaligen Verlust des Investment-Grade-Status und dessen Folgen wurde schon im ersten Halbjahr 2008 so manches Teilportfolio zum Kurswert von 45 % veräußert.
In der BRD wurden solche Papiere zum Kurs von 90 % “verstaatlicht”.
Hätte es keine Garantien oder sonstige Deals gegeben, hätte auch Ackermanns Portfolio spätestens nach der 2. Runde zum Amtsrichter gemusst.
Aber in punkto Dummheit & Schäbigkeit lieferten sich damals Ackermann und Hans Werner Sinn ein nicht erkanntes Duell.
Und die maßlos überforderte Kanzlerin, welche Ackermann noch besonders zum 60. gratulierte, kauderwelschte die ihr vorgesetzten Buchstabenfolgen herunter wie ein Joe B. diese vom Teleprompter ins Publikum warf und noch immer wirft.
Hätte man versucht, den Dingen auf den Grund zu gehen, hätte ein ebenfalls maßlos überforderter Finanzminister mit sch(w)äbischer “Gen”-Ausstattung Griechenland nicht ins Chaos stürzen und sich keine Unterkompetenz mit der Bemerkung ausstellen müssen, man könne sich den Sozialstaat nicht mehr leisten.
Mit den Restriktionen seines Denkens hat er dabei sogar recht gehabt.
Das ist aber Rechthaben auf einer sehr einfältigen Ebene, dort, wo der ökonomische Catweazle Baumeister ist.
entschuldigen Sie, dass ich störe! aber ist das, was Sie da erzählen, nicht geradezu der Beweis, dass Ökonomie hauptsächlich Sozialpsychologie ist. Sie scheinen den Wunsch zu haben, Ökonomie würde von “Sachverständigen” gemacht. sie wird aber von allen gemacht. schon ein Baby mag Pampers lieber als herkömmliche Windeln, wobei es mit solchen schneller den Schliessmuskel kontrollieren lernen könnte und später nicht den Schwäbischen Hausfrauen hinterherliefe.
Wenn in der Vergangenheit Menschen Göttern Opfer dargebracht haben, um diese für sie gewogen zu machen oder zu halten, nützte dies im Endeffekt auch nicht, weil es keine solchen Abhängigkeiten gab.
Ökonomie als wichtigste Sozialwissenschaft darf in meinen Augen nicht nur gerne von solchen “religiösen” Momenten befreit werden, sondern muss es notwendigerweise sogar.
Wenn eine Sache aber analytisch klarer gesehen werden kann und keine eigenen Interessenskonflikte dem entgegen stehen, weil man keine parteiischen Partikularinteressen bedienen muss, gibt es keinen wesentlichen Grund dafür, dabei zu zögern.
Je stärker Ökonomie verstanden wird, desto weniger sind psychologische Momente für ein bewusstes Gelingen ausschlaggebend.
Eigentlich nennt man eine solche Position aufklärerisch.
Und in der Reihe derjenigen, zu denen auch ein Lessing gehört, fühle ich mich wohl.
Da mögen die Leute sagen, was sie wollen.
Der wichtigste Satz im ersten Band des Kapitals lautet: Gehe deinen Weg und lass die Leute reden! /Segui il tuo corso e lascia dir le genti!
jetzt sind Sie dran an der Windel: wir können uns halt nur auf der sog. Metaebene entscheiden, ob wir Konstruktivisten oder Realisten sein wollen, weil wir sonst entweder in die Redundanzfalle gehen oder in den infiniten Regress und dann kommen die Habermäuse und ängstigen uns in den Diskurskreisel der vermeintlichen Rationalität.
der Marx war halt doch wenigstens ein Marxianer, wenn er schon kein Marxist war und begeistert von diesem fetischproduzierenden Kapitalismus. die Arbeiter und Bauern ( die weniger) haben sich die Füße wundgelaufen und ein wenig geholfen hat es schon. bis ihnen Keynes und Nachfolger Soma in den Körper pumpen konnten und wir jetzt in eine betreute Überwachungsgesellschaft verwandelt werden in der Krieg Frieden ist, falls nicht die Nachfolger der Österreicher und der Chicago Boys uns in eine “freie Marktwirtschaft” putschen, die sich als “Kümmere dich um dich selbst, ich kümmere mich um mich” auf Basis der bestehenden Kartelle herausstellen wird und der Staat die Oligarchen mit Polizei und Militär schützt.
was tun? erst einmal akzeptieren, dass Ökonomie eine komplexe Praxis ist und keine Wissenschaft. wie der Käfer: es läuft und läuft und läuft und was machen wir Menschen? wir erklären und rechtfertigen, obwohl wir mitten drin sind und das magische Denken ja nur aus dem Strudel der Überforderung entstanden ist und alles Weitere uns aus dem Tanz gedrängt hat. wir müssten also wieder hinein mit dem Mut des Augenblicks und dem, was wir zu wissen brauchen. Segui il tuo corso e lascia dir le genti!: ganz in diesem Sinn.
Herr Rauls schreibt:
“Eine neue Ordnung kommt nicht dadurch, dass die alte zusammenbricht. Eine neue Ordnung kommt nur, wenn eine neue geschaffen wird. Sie kommt, wenn die Menschen sich eine neue gesellschaftliche Grundlage für ihr Zusammenleben schaffen im Bewusstsein ihrer Interessen und Bedürfnisse. ”
Hmm?
Wenn der Herr Rauls den Prozess zutreffend erkannt hat, dann müsste diese Regel [die bewusste Schaffung der neuen Ordnung] auch im Hinblick auf den Wechsel vom Feudalismus zum Kapitalismus gegolten haben.
Wurde der Kapitalismus, der dem Feudalsystem nachfolgte, aber je “geschaffen”??
Oder gar bewusst geschaffen?
Haben wir es nicht eher mit einem permanenten evolutionären Wandel zu tun, bei dem das Reichwerden – und um nichts anderes geht es hier(!) – angesichts sich verändernder technischer, politischer und gesellschaftlicher Möglichkeiten allmählich und evolutionär auf sich verändernde Art und Weise und auf neuen Feldern erfolgt?! So wird man ja heute auch nicht mehr wie früher durch Warenproduktion so richtig reich, sondern auf andere Weise – und erst recht nicht mehr durch verpachteten Großgrundbesitz.
Natürlich wird auch der heutige Kapitalismus nicht “zusammenbrechen”, da stimme ich gewiss zu.
Wie sollte er auch zusammenbrechen???
Er ist doch kein Gebäude, keine Firma, keine Organisation, kein Staat!
Was allgemein “Kapitalismus” genannt wird, ist doch nur die heute übliche Weise reich zu werden.
Mehr nicht.
Selbst die Frage, ob er wirklich ein “System” ist, lohnt langes Nachdenken, denn ein System (z.B. eine politische Ordnung) könnte zusammenbrechen, da es meist nicht ausreichend flexibel ist.
Der Sachverhalt
“Wenn der Herr Rauls den Prozess zutreffend erkannt hat, dann müsste diese Regel [die bewusste Schaffung der neuen Ordnung] auch im Hinblick auf den Wechsel vom Feudalismus zum Kapitalismus gegolten haben.
Wurde der Kapitalismus, der dem Feudalsystem nachfolgte, aber je “geschaffen”??
Oder gar bewusst geschaffen?”
läßt sich besser nach einer exakten Definition der Begriff Feudalismus und Kapitalismus (bzw. einer Definition wie die Begriff Feudalismus und Kapitalismus jeweils gemeint sind) beantworten, vor allem auch die Frage ob nun der Feudalismus vom Kapitalismus abgelöst wurde oder ob der Feudalismus von etwas anderem abgelöst wurde und der Feudalismus und der Kapitalismus ansonsten dann doch eher verschiedene paar Schuhe sind.
ich denke, sowohl Herr Rauls, als auch Sie haben gute Argumente. unsere “Wissenssysteme” sind doch eher “Glaubenssysteme”. wir nehmen eine Perspektive ein, die meist mit dem konform geht, was sozial in unserem Umfeld viabel ist und versuchen dann, alles richtig erscheinen zu lassen. damit sind wir beschäftigt. solange wir uns von anderen einreden lassen, dass sie etwas besser wissen, obwohl die meisten von uns ja jeden Monat beweisen, dass sie etwas können, solange ist es völlig wurscht, ob das “Kapitalismus” heisst oder “Schnupfen”.
@ Wolfgang Wirth
“Was allgemein “Kapitalismus” genannt wird, ist doch nur die heute übliche Weise reich zu werden.
Mehr nicht.”
Man muss sich fragen, welches Ziel eine Debatte hat. Ich fange an zu glauben, dass die sich zuspitzende Ungleichheit der Möglichkeiten Not-Wendige Güter zu erwerben niemanden mehr interessiert. Es geht nicht um irgendwelche “-ismen” sondern um die realen Möglichkeiten der Menschen, sich Gegenstände zu verschaffen, die zum Leben und Überleben Not-wendig sind: Obdach, Nahrung, Trinkwasser, Kleidung.
Überall auf der Welt eignen sich immer weniger Menschen die durch produktive Arbeit unter unterschiedlichen materiellen Bedingungen (Klima, Boden, Grundstoffe) von Menschen geschaffenen Güter persönlich oder für Familienverbände an, während die unteren 50 % das Dach über dem Kopf verlieren; Trinkwasser abkochen müssen, weil immer mehr Leitungen verrotten; darüber nachdenken müssen, wie sie sich im Winter am besten vorm Frieren schützen können ohne statt dessen zu hungern.
Wer sind in dieser Lage die im Kern unbefugten Genießer der Schätze, die der Planet für seine Bewohner zu Verfügung stellt? Wie lange lassen sich die Benachteiligten das gefallen? Systeme werden nicht von Menschen beendet und geplant auf neuer Grundlage errichtet. Das war mancherorts der Trugschluss nach den beiden großen Kriegen des vergangenen Jahrhunderts. Systeme bilden sich heraus und entwickeln sich durch eine Vielzahl von Einzelentscheidungen, die mehr oder weniger Zustimmung finden. .
Die Diskussionen auf Overton werden nach meiner Beobachtung im Wesentlichen von 2 Personengruppen bestritten:
* Denen, die sich erhaben dünken, weil sie nachweislich (!?!?) schlauer sind als andere
und
* denen, die keine materiellen Sorgen haben, weil sie sich entschlossen haben, sich keine zu machen.
Manchmal trifft man auf Diskussionsteilnehmer auf die beide Merkmale zutreffen. Das eine schließt das andere nicht aus.
Persönliche physische, mentale und psychische Dispositionen sind unter den Menschen nicht gleich, genauso wenig wie unter anderen Säugetieren. Gesellschaftliche Systeme bestimmen, was jedem ihrer Mitglieder von Rechts wegen zusteht. Wenn´s zu ungerecht wird knallt´s. Wer, wie oder was knallt wissen Historiker auch 100 Jahre nach dem Knall noch nicht. Wie es danach weitergeht ist zunächst IMMER offen.
Bleiben wir also im `Gespräch´, das schon länger keines mehr ist, denn die Stammtische wurden bereits geschlossen und die Räume für subversive Treffen sind begrenzt. Nicht wegen Nancy Faeser, sondern weil in die Wohnküchen der Nachbarn nicht so viele Leute passen wie in die Villa Adlon. Danach richten sich auch die Abwehrstrategien der Ordnungskräfte der (noch) Mächtigen.
@ micapi
16. August 2024 um 8:04 Uhr
1. zum Kapitalismus:
Ich glaube, dass wir das Thema von unterschiedlichen Seiten betrachten.
Meine Gedanken widersprechen Ihren Gedanken gar nicht. Es sind einfach verschiedene Blickwinkel.
Sie sehen das Thema emotional engagiert und in erster Linie ethisch-moralisch, ich hingegen distanziert und ansatzweise geschichtsphilosophisch.
Ich kann dem, was Sie dazu schreiben, leicht zustimmen. Klar: das Ausmaß an Ungleichheit ist sehr problematisch. Und ja, vielleicht kommt es mal wieder zu Rebellionen.
Gut formuliert:
“Wenn´s zu ungerecht wird knallt´s. Wer, wie oder was knallt wissen Historiker auch 100 Jahre nach dem Knall noch nicht. Wie es danach weitergeht ist zunächst IMMER offen.”
Ja, so ist es oft.
Was allerdings m.E. gegen ein Knallen in absehbarer Zeit spricht, das ist die vergleichsweise ausreichende Alimentierung der Unterschicht. Von physischer Not und Elend in der Art des mittleren 19. Jahrhunderts sind wir doch wirklich weit entfernft. Für Revolten zählt vermutlich die absolute Armut, nicht die relative.
Im Spätmittelalter gab es ja immer wieder Revolten, also Bauernaufstände, besonders in Frankreich und England, im deutschen Raum erst etwas später.
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Bauernaufst%C3%A4nden#Mittelalter
Diese Aufstände sind ein gutes Beispiel für das, was Sie “Knall” auf Grund von allzu großer Ungleichheit und Machtanmaßung durch die Mächtigeren nennen. Im Ergebnis führte das allerdings nahezu immer zu einem tragischen Ausgang.
Als Kind habe ich mitunter “Monopoly” gespielt und die bei diesem Spiel in der zweiten Hälfte stets auftretenden Konzentrationsprozesse spiegeln die Realität ja ziemlich gut. Zweifellos ist der aktuelle kapitalistische Wirtschaftsbetrieb auch in einem Stadium fortgeschrittener Konzentration, Ungleichheit und – daraus resultierend – auch noch mehr zunehmender politischer Einflussnahme der wirtschaftlich Mächtigen.
Zusätzlich kommen noch problematische Aspekte wie Überschuldung, partielle Marktsättigung und Ressourcenverknappung hinzu.
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Was gemeinhin “Kapitalismus” genannt wird, das ist – um mich zu wiederholen – lediglich eine Form, eine Ausprägung von Reichtumsstreben und von wirtschaftlicher Macht – mehr nicht.
Wenn der Reichtumserwerb mittels “Kapitalismus” nicht mehr funktioniert, dann werden die “Spieler” sich eben mal wieder andere Felder suchen.
Von daher würde selbst eine theoretisch gedachte formale “Abschaffung” der kapitalistischen Spielvariante das Problem nur vordergründig und kurzzeitig lösen.
—
2. Zur Art der “Debatten” bei Overton:
Obwohl ich dem, was Sie dazu schreiben, durchaus zustimmen kann, verstehe ich ehrlich gesagt nicht so recht, worauf Sie hinaus wollen … ?
Es gab zwei unterschiedliche Prozesse, einerseits ging der Feudalismus langsam in den Kapitalismus über als sich eine neue Klasse, das Bürgertum bildete und nach der Macht griff. Die Frühen Kapitalistischen Systeme (z.B. Genua, Mailand) wurden aber recht schnell wieder liquidiert. Und dann gab es Revolutionen die von der bürgerlichen Klasse getragen worden, die waren an einigen Orten (Großbritannien, Frankreich, USA) erfolgreich, aber an einigen anderen Orten wie z.B. Deutschland und Italien waren sie duch die schwach ausgebildetete und und auch mit wenig Weitbilick ausgestatte bürgerliche Klasse nicht erfolgreich, speziell in Deutschland war es das Bürgertum was die Bauern im Bauernkrieg der “Frühbürgerlichen Revolution” im Stich ließ und Deutschland 300 Jahre Weiterexistenz des Feudalismus bescherte. So konnten sich in Deutschland speziell adlige “Sonnenkönige” von August dem Starken bis Friedrich dem Großen sich nszenieren während das Land auf der Strecke blieb, Erst sehr spät setzte in Deutschland so etwas wie eine kaptialistisch-moderne Entwicklung ein, wurde ein einheitliches Zoll-, Steuer, Eisenbahnwesen geschaffen, soziale und demokratische Rechte erkämpft. Andere Staaten wie England oder Frankreich waren da längst weiter als diese Ansammlung Deutscher Staaten die nach dem Ende des Heiligen Römischen Reiches übrig geblieben war.
Einige glauben auf Grund des schnellen Endes einiger früher kapitalistischer Systeme das das mit dem Sozialismus noch nicht alles war, das man den Sozialismus bis 1989 als “Frühsozialismus” betrachten müsse und das er auf die eine oder andere Weise wiederkommt und sich diesmal etabliert. Man wird sehen, Vorhersagen sind immer schwierig sofern sie die Zukunft betreffen …
Nun, der westlich-angelsächsische Kapitalismus ist ernstlich krank. Der „Hustenanfall“ in Japan ist da nur ein Symptom.Die dort „Wertberichtigten“ 1000Mrd.US $ sind nur mal kurz zu den US-Bankern geflossen.
Bei der letzten Auktion der Frau Yellen sind trotz Abschlag von 3% nur 60% der zehnjährigen Staatsanleihen verkauft worden. Die Anleger sind sehr vorsichtig geworden.Sie sehen, das die Schuldenlast der USA in rasendem Tempo zunimmt. Etwa plus 1000Mrd. US$ etwa alle 100Tage. Die USA sind in einer Situation, in der sie sich das „Drucken“ von Geld nicht mehr leisten können. Andererseits würde die US-Wirtschaft zusammenbrechen, wenn sie kein Geld mehr„drucken“ können. Wie sie diese Situartion bewältigen – schwer zu sagen. Sicher können sie zusätzlich Kapital aus ihren Vasallenstaaten abziehen.Aber wie lange…Ich denke, da kommt es in nicht ferner Zukunft zu erheblichen Turbulenzen…
Ist die US-Notenbank wirklich gezwungen, Staatsanleihen zu verkaufen?
Kann sich der US-Staat in der eigenen Währung nicht “unbegrenzt” verschulden, wenn er es denn darauf anlegen wollte?
Was sagt eine Frau Kelton dazu?
Und gäbe es in den USA nicht gewaltige Einnahmenpotentiale, wenn man die Begünatigten etwas stärker zur Kasse bitten würde?
Passend dazu : https://www.nachdenkseiten.de/?p=119340 😉
Ich habe den Artikel von Berger auch mit Gewinn gelesen, insbesondere die Herleitung des Schneeballeffektes. Dazu gibt es noch einen anderen Beitrag vom gleichen Autor, der unter diesem Aspekt auf die Aktienrente eingeht:
https://www.nachdenkseiten.de/?p=119608
+++
Ein Wunder: Ich stimme Naturzucker zu….
Der NIKKEI steht seit Jahresbeginn mit zurzeit 10% im Plus, seit dem Crash vom 5. August gar mit 17%.
Warum können sich diese Crash-Propheten und Endzeit-Jünger nicht einmal die Charts anschauen?
P.S. Der DAX ist seit Jahresbeginn “nur” um 8,5% gestiegen.
P.P.S. Welche Anlage läuft langfristig eigentlich besser als Aktien? Keine?
Es ist nicht jedem gegeben, vom oberflächlichen Schein zu abstrahieren und auf das Wesen einer Sache zu kommen.
Das ist ja auf den Punkt gebrachte Philosophie mit sehr passenden Worten!
“P.P.S. Welche Anlage läuft langfristig eigentlich besser als Aktien? Keine?”
Nur weil der Aktienindex eigentlich (bis auf ein “paar Einbrüche”) seit langer Zeit steigt (und immer neue Höchststände erreicht werden), heißt nicht, dass jede Anlage in Aktien nun auch eine gute Anlage ist, es heißt noch nicht mal, dass jede Anlage in Aktien, welche in die jeweilige Index-Berechnung einfließen steigen – bei einer Steigung eines Aktienindex kann (unter der Annahme, dass es keine Berechnungsänderung gegeben hat, z.B. austausch oder Entfernen oder hinzufügen einer Aktie zum Index) nur daraus geschlossen werden, dass mindestens eine Aktie (des Index) gestiegen ist. In vielen Fällen ist aber eine Investition in sogenannte Index-Fonds möglich, wobei es durchaus so etwas wie einen “tracking error” zwischen der Performance des Index-Fonds und dem eigentlichen Aktienindex geben kann.
Ansonsten der Gewinn, der durch langfristige Anlage in eine Aktie oder einen Aktienindex gemacht werden kann, ist durchaus geringer als der maximal mögliche Gewinn den man durch Aktien (oder generell Börsenspekulation) im gleichen Zeitraum erzielen kann. Über mögliche Gewinne (mit Abzug der Waschmittel und wasch kosten) durch Investitionen in illegale oder halblegale Geschäfte ganz zu schweigen.
ps. Bei dem Vergleich der Performance verschiedener Aktienindizes sollte man vielleicht noch berücksichtigen, in welcher Währung jeweils die Aktien der Börse des jeweiligen Aktienindex notiert sind, und ob der jeweilige Aktienindex nun eine bestimmte Leitwährung (wie den US-Dollar) verwendet oder eben die Währung in dem die Aktien an der jeweiligen Börse gehandelt werden. In bestimmten Fällen muss man dann nämlich (zum Vergleich der Performance) eigentlich noch geschaut werden, ob hier eine Währung gegenüber einer anderen Währung (in einem betracheten Zeitraum) aufgewertet oder abgewertet wurde.
So lange wir einem System frönen, das auf Wachstum und Profit basiert, wird und
kann sich nichts ändern!
Sind sich Wachstum und Profit nicht mittlerweile gehörig in die Quere gekommen, sofern dieses Wachstum eine wohlstandsfördernde Komponente aufweisen soll?
Ich kann mit dem Artikel wenig anfangen. Klar dürfte wohl sein, dass auch bei diesem Ab und wieder Rauf eine gewisse Anzahl von Personen / Institutionen reicher geworden sind und ein paar mehr ärmer.
Ja, es ist viel Geld im Markt. Die Zentralbanken kaufen Staatsanleihen und andere faule Papiere aller Art und bringen so Geld unter Spekulanten und Staaten. Das Problem also, das Geld gerät in die falschen Hände. Das zweite Problem, die Emittenten dieser Papiere müssen sie nach Ablauf auszahlen. Und das tun die Staaten mit Steuergeldern. Und die werden bekanntlich den Durchschnittsverdienern geraubt. Und wenn andere Emittenten nicht zurückzahlen, machen die Zentralbanken Defizite und zahlen keine Gewinne an die Staaten aus. Das belastet auch die Steuerzahler. Geldpolitik ist oft ein Schwindel und fördert Aktienspekulation und vermindert die Nachfrage.
Muss das sein?
Warum kann man Geld nicht in die Hände geben, die es für existenzielle Bedürfnisse gebrauchen können und das Investitionskalkül dabei noch fördern?
Weil Religioten auf ökonomischen Gebiet falsche ider zumindest fahle Lehrsätze predigen und diese Gretchenfragen in Ökonomie-Prüfungen besonders streng ins Auge gefasst werden, um Ketzerei schon im Anfang zu unterbinden?
Der Kapitalismus als nicht nachhaltige Lebensform wird an sich selbst zugrunde gehen, dazu braucht es keine zusätzlichen Interventionen. Momentan führen die erbittertst verfeindeten, kapitalistischen Machtblöcke des Planeten brutalst mögliche Terretorialkriege. Da werden in jeden Quadratmeter Ackerland ein Vielfaches an Panzerstahl, Jettriebwerken, Explosivstoffen und Soldatenblut gepumpt, bei absolut katastrophaler CO2-Bilanz, versteht sich. Der Planet ist also offensichtlich am Arsch (vorsicht, Kraftausdruck), während sich die Investoren noch die Finger (und was sonst noch) nach ihren Dividenden lecken. Ist das normal oder völlig verrückt?
Ich würde sagen: Völlig verrückt!
Ein recht guter Artikel Danke, aber….
“Seine Abschaffung, seine Überwindung als Teil der Menschheitsgeschichte wird nur dann erfolgen, wenn die Menschen seiner überdrüssig sind und sich aufmachen, ihn durch eine neue gesellschaftliche Ordnung zu ersetzen.”
Ich befürchte, da dürfen sie sehr lange drauf warten, sowas wirds nicht geben. Der “Erfolg” des Kapitalismus hat seine Wurzel in der Habgier und der Kompensation des erbärmlichen Egos durch Besitz. Dsa WAR nie anders und wird NIE anders sein. Ein gewisser Nietzsche hat da ganze Bücher drüber geschrieben, die so wahr sind, dass sie nur einer Minderheit gefallen…
Man hat, auch in Japan, 24 Stunden später wieder mit dem Husten aufgehört…
Zählen Sie sich selbst auch zu dieser Sorte Mensch…?
Als Eremit zu leben liegt nicht vielen Menschen im Blut.
Danke…
Tja… was soll ich machen…
Ich bin halt nicht so brilliant wie sie, und besitze nur einen Lendenschurz und lebe in einer Höhle und von Luft und Waser …
Wie sagte Wiglaf Droste einst so schön: “Wer Aktien käuft oder verkäuft, gehört in altem Bier ersäuft.”
Der Kapitalismus ( samt seiner Vorstufen ab ca. 1415 ) und, in seiner viel radikaleren Ausprägung, der neoliberale Kapitalismus bringen seit dem 19. Jahrhundert im Ergebnis Ausbeutung, Leid, Not und Tod über die Menschenheit. Punkt!
Andererseits: “Ausbeutung, Leid, Not und Tod” sind die Zutaten für den rasanten technischen Fortschritt, den die Welt erlebt hat.
Man darf aber auch nicht vergessen das der Kapitalismus mal “modern” war. Selbst Marx hat das so gesehen, denn auf Grund dieser enormen Freisetzung von Produktivkräften sorgt der Kapitalismus ständig für eine radikale Erneuerung der Gesellschaft. Wenn im Jahre 2024 noch weltweit der Feudalismus regieren würde gäbe es weder Telefon noch Internet, die adligen Schloßbesitzer würden Brieftauben verwenden während Otto Normalleibeigner von Lesen+Schreiben noch nie was gehört hat. (Oh doch er hat den Pfarrer aus der Bibel lesen sehen!) Klar hätten wir vielleicht weniger Klimaprobleme (wobei 100% der Leute gar nicht wüssten was Klima oder ZehOH Zwei überhaupt ist und ob man das essen kann)
Diese Kräfte die für eine ständig Modernisierung sorgen (Marx schrieb von einem Umwälzen des ganzen Überbaus) sind natürlich gefährlich wenn sie weit über das Ziel hinausschießen, aber zurück das Beispiel oben zeigt will hoffentlich auch niemand. Die Alternative zum Kapitalismus des 19. Jahrhunderts – der Sozialismus des 20. Jahrhunderts wurde kurz vor der Jahrtausendwende beseitigt. Wie weit der “Chinesische Weg” trägt bleibt abzuwarten.
Das halte ich für einen fundamentalen Irrtum. Der Urimpuls jeglicher Erfindung ist das Bedürfnis, sich das Leben angenehmer, die Arbeit leichter zu machen, Ressourcen zu sparen.
Daß man zu diesem Zweck auch andere übers Ohren hauen kann, ist nichts anderes als auch so eine geniale Erfindung. Und das geht komplett ohne handfeste Produkte, wie man mit jeder Blase neu feststellt. Ausgefeimte PR genügt völlig.
Ich glaube NCC hat zu Kapitalismus geschrieben… Sie hingegen zu Neo-Liberalismus…
Ich schrieb zu dem Irrtum, Kapitalismus wäre unabdingbar für den Fortschritt der Menschheit…
Aha, hier redet einer Tacheles und sagt uns Unbedarften in einem Satz, was Kapitalismus ist. Donnerwetter, dann hätte wir uns ja nicht die ganze Arbeit machen müssen
Und vom Wohlstand, oder einer längeren Lebenserwartung haben sie noch nichts mitbekommen?
Könnte man sich nicht nach einigen Tausend Jahren darauf besinnen, dass Geld die gleiche Funktion hat wie alle sächlichen Tauschmittel? Wann hat sich das eigentlich eingeschlichen, dass bedrucktes Papier oder Metallstücke mit Papstkopf einen höheren Wert haben, als die Rolle auf dem Klo oder Metallstücke ohne Kopf? Warum “flüchten” Menschen, die Geld übrig haben denn so gerne in Sachwerte? Nicht jeder, der z. B. ein paar Quadratmeter Wiese kauft ist ein Spekulant. Die meisten suchen einfach eine Form des Eigentums, die im Notfall etwas wert ist und die man nicht ohne weiteres bei Dunkelheit wegtragen kann. Zu gegebener Zeit kann man solche Gegenstände gegen etwas eintauschen, was man braucht. Wie z. B. in der Nachkriegszeit beim Bauern den Perserteppich gegen einen Sack Kartoffeln. Zumindest sehr alte Leute können davon noch berichten. Alkohol und Zigaretten hatten dem Vernehmen nach damals einen Wert, der dem heutigen von Gesundheitsfanatikern erzwungenen Preis zielich nahe kommt.
“Durch die Verkäufe der letzten Tage haben sich die Barreserven noch zusätzlich erhöht, und für dieses Geld müssen wieder Investitionsgelegenheiten gefunden werden. ”
Gedankenexperiment: Eine Aktie hat einen aktuellen Wert von 100$
Szenario A: Ein Anleger muss ein großes Paket im Wert von 1Mrd zu 50$ verkaufen – der Kurs rutscht ab
Szenario B: Ein Anleger kann ein großes Paket im Wert von 1Mrd zu 2000$ verkaufen – der Kurs steigt
die Barreserven sind die gleichen…. für jeden Verkäufer hat es einen Käufer gegeben
Aber: Im Fall B waren die Barreserven der Käufer groß, weil (zu?) viel Geld im Umlauf war – Ursache und Wirkung zu vertauschen ist im Allgemeinen sehr weit verbreitet – besonders wenn es um statistische Zusammenhänge voneinander abhängiger Größen geht.
Das eigentliche Husten geht erst richtig los, wenn er in der realen Welt seine Grenzen erreicht, in der virtuellen Kasino Welt kann man es ja noch richten.
So sind die USA ja faktisch bankrott, ohne das es praktische Auswirkungen hat, abgesehen von dem rituellen verschieben der Schuldengrenze.
StS sagt: 16. August 2024 um 19:55 Uhr
StS zitiert folgenden Satz meinen obigen Text:
“Durch die Verkäufe der letzten Tage haben sich die Barreserven noch zusätzlich erhöht, und für dieses Geld müssen wieder Investitionsgelegenheiten gefunden werden.
Es folgt ein ”Gedankenexperiment“ seinerseits (kann oben nachgelesen werden)
Daraus entsteht als Schlussfolgerung:
die Barreserven sind die gleichen…. für jeden Verkäufer hat es einen Käufer gegeben
Aber: Im Fall B waren die Barreserven der Käufer groß, weil (zu?) viel Geld im Umlauf war –
Ich will auf diese Sichtweise näher eingehen, weil sie weit verbreitet ist unter den Kritikern des Kapitalismus ebenso wie die Behauptung, dass die Inflation durch große Geldmengen entstehe. Davon wollen die meisten Kritiker nicht lassen, denn damit lässt sich der Kapitalismus schön entlarven, ins Unrecht setzen und als schädlich darstellen – meinen sie.
Die Wirklichkeit, dass z.B. Japan seit über 30 Jahren die Geldmengen ausweitet wie einen Hefeteig und trotzdem eine Inflation von unter 1 Prozent vorliegt, wird aber nicht wahrgenommen, denn würde das Bild stören, das man sich von Inflation gemacht hat. Ebenso ist es mit anderen Themen wie z.B. der von mir angesprochenen Barreserve. Da werden Zusammenhänge im Text ignoriert, nur um ein Mantra weiter zu plappern. Interessant auch, dass oftmals gerade auch die großen Kritiker des Kapitalismus liebend gerne dessen Sichtweisen übernehmen, ohne zu merken, dass sie falsch sind. Ich spreche hier von den Null-Summen-Theorien, nach denen die Gewinne des einen die Verluste des anderen sind oder die Guthaben des einen die Schulden des anderen.
Wenn dem so wäre, gäbe es im Kapitalismus kein Wachstum. Wenn die Verluste des einen die Gewinne des anderen sind, stehen wir am Ende bei Null. Aber woher käme dann dann Wachstum, es sei denn man leugnet auch dieses. Das ist das Denken von Trump, den USA und sonstiger: Was China mehr hat, haben wir weniger, deshalb Zölle auf chinesische Produkte. Aber auch so manche wirtschaftliche Einfaltspinsel denken so, die anscheinend bis heute nicht gemerkt haben, dass Wachstum stattfindet statt dem Stillstand des Nullsummen-Denkens. Vermutlich leugnet man dann lieber des Realität des Wachstums als die eigenen Irrwege.
Aber nun zum Text von StS:
Wie so viele in dieser Diskussion nehmen sie nicht, was im Text STEHT, sondern was sie sich dabei denken. Dort steht der Begriff der Barreserven in einem ganz anderen Zusammenhang und der Zusammenhang macht den Sinn.
„Durch die Verkäufe der letzten Tage haben sich die Barreserven noch zusätzlich erhöht, und für dieses Geld müssen wieder Investitionsgelegenheiten gefunden werden“
Es geht also um das Geld, das durch die Verkäufe von Aktien und sonstigen Wertpapieren wieder frei geworden ist und nach Anlage sucht. Dass auf der anderen Seite Geld zum Kauf investiert wurde, ist richtig, spielt aber in diesem Zusammenhang keine Rolle. Denn dieses Geld ist bereits investiert, es sucht nicht mehr nach Anlage, es hat sie bereits gefunden. Das sieht für das freigewordene Geld aber ganz anders aus. Wenn man global Verkäufe und Käufe gegenüberstellt, hilft das dem Anleger nicht weiter. Dem ist vollkommen schnuppe, ob jemand genau so viel Geld ausgegeben hat, wie er bekommen hat. Der sitzt auf seinem Geld sitzt und sucht nach Anlage. Wohl gemerkt: Ein Luxusproblem.
Aber die Gegenüberstellung der Summen, die StS hier vorbringt, sagt nichts aus, gar nichts. Was soll damit verdeutlicht oder erklärt werden? Dass der Anleger eigentlich kein Geld, das nach Anlage sucht?