Wirtschaft und EM 2024: Gibt es ein ökonomisches Sommermärchen – oder nicht?
Wer sich als Leser oder Hörer deutschen Medien aussetzt, braucht eine robuste Frohnatur, um sich ein Minimum an Daseinsfreude zu erhalten. Auch die EM 2024 im eigenen Lande, eigentlich Quell naiver Heiterkeit, wie 2006 erlebt, wird nach Kräften kritisch hinterfragt. Der Verfasser bezieht sich auf die Sendung „Wirtschaft vor acht“ der ARD mit Anja Kohl vom 3. Juni 2024 und das WDR-Wirtschaftsmagazin vom 10. Juni 2024. Beide Sendungen stellten die Frage, ob die EM im eigenen Land geeignet sei, der heimischen Wirtschaft einen dringend herbeigesehnten Schub zu verleihen.
Allerhand Gedankengänge, volkswirtschaftliche wie psychologische, wurden mit unklarem Ergebnis präsentiert. Dann verstiegen sich beide Beiträge zu der Binsenweisheit, ein EM-induzierter Aufschwung sei unwahrscheinlich, denn „man könne jeden Euro nur einmal ausgeben.“ Will sagen: Geld, das die Menschen für EM-Tickets, Fanartikel, Hotels, Bier und Grillgut ausgeben, können sie nicht für andere Dinge ausgeben.
Der Wirtschaftskreislauf
Dieser Satz ist resignativ, denn dann kann es eigentlich nie einen Aufschwung geben. Er ist hämisch, weil volkswirtschaftliche Forschung und Erkenntnis mit einer einzigen vermeintlich unumstößlichen Volksweisheit vom Tisch gefegt werden. Er ist im Übrigen korrekt, aber für die Fragestellung völlig irrelevant: Denn das Volkseinkommen ist eine Fließgröße und keine Bestandsgröße. Das Volkseinkommen (auch: Sozialprodukt) einer Zeitperiode besagt, wie oft ein Euro innerhalb dieser Zeitperiode den Besitzer wechselt und beim Empfänger zu Einkommen wird.
Der Euro wird beim Empfänger zu Einkommen, wenn dieser dafür eine Dienstleistung oder eine neu produzierte Ware liefert. Wenn er Brot oder Fleisch verkauft oder jemandem die Website neu einrichtet. Wenn er allerdings zum Beispiel Aktien oder ein geerbtes Bild verkauft, entsteht kein Einkommen. Wenn ein Galerist den Kauf vermittelt, ist nur dessen Provision Einkommen. Wenn der Künstler ein neues Bild verkauft, entsteht Einkommen. Wenn der EM-Tourist Bier trinkt, entsteht Einkommen, das Trinkgeld für die Bedienung ist weiteres Einkommen, mit den Schuhen, die sich der Kellner vom Trinkgeld kauft, entsteht Einkommen, mit den Löhnen, die der Schuhhändler bezahlt, entsteht Einkommen – man nennt das Wirtschaftskreislauf. Natürlich ein Prozess, der etwas Zeit braucht. ARD und WDR offenbar nicht bekannt.
Mit einer neuen, lukrativen Konsumgelegenheit wie der EM wird der Wirtschaftskreislauf natürlich belebt, so wie er mit dem Verschwinden oder Unterdrücken von Konsumgelegenheiten, etwa in den Lockdowns der Corona-Zeit, ausgebremst wurde. Das immer beklagte geringe Finanzwissen der Deutschen sollte nicht mittels dümmlicher Thesen weiter erodiert werden.
Der Welthandel
Übrigens kann man ausrechnen, wie oft 2023 ein Euro umlief und zu Einkommen wurde. Das BIP 2023 betrug 4.122,21 Milliarden Euro, die Geldmenge M1 (Bargeld und Sichteinlagen) betrug 2.627 Milliarden Euro, also war das 1,57 mal der Fall. Eine erstaunlich geringe Zahl, die früher höher war – Grund sind unter anderem die vielen reinen Finanztransaktionen.
Die beiden erwähnten Beiträge fahren im Schüren falscher Vorurteile fort. Es heißt, die Einkünfte von 2,4 Milliarden Euro der UEFA für Tickets gingen zum Sitz der UEFA in die Schweiz und könnten deshalb bei uns nichts bewirken. Die Schweiz als eine Art terminales Geldgrab. Dabei ist die Schweiz, wie Deutschland, eine Handelsnation. Die UEFA-Mitarbeiter werden sich von ihren Gehältern unter anderem Autos kaufen, auch deutsche, oder ausländische mit deutschen Komponenten. Man nennt das Welthandel. Und sollte die UEFA das Geld sparen, so kauft sie davon unter anderem deutsche Staatsanleihen zur Finanzierung unserer diversen Sondervermögen. Aber so weit muss man gar nicht denken: Mehr als 95 Prozent der Einkünfte der UEFA werden ohnehin an europäische Fußballclubs ausgeschüttet und verlassen damit postwendend die Schweiz. Man kann sicher Einiges an der UEFA kritisch sehen, man sollte aber nicht den populistischen Quatsch in die Welt setzen, Geld das zur UEFA in der Schweiz gelange, sei für die übrige Welt für immer verloren.
Sommermärchen 2024 oder nicht? Im Grunde hängt es davon ab, ob der Fuß von Havertz, Wirtz oder Musiala im entscheidenden Moment ein Grad weiter nach links oder rechts gedreht ist oder nicht und damit aus einem Lattenschuss ein Tor wird. Das wirtschaftliche Sommermärchen, ein konjunktureller Belebungseffekt durch die EM, hängt davon nicht ab, es wird kommen.
Immer diese verdammte Besserwisserei. Falls wir gewinnen sollten, werden es die üblichen Medienverdächtigen gewußt haben, wieso, weshalb und warum und beim Gegenteil genauso. Trittbrettfahrer und Masseneinschleimer. Wenn ich diese selbsternannten sogenannten Experten schon sehe. Ich wünschte mir, daß beim ersten Spiel unsere Manschaft zehn zu null verliert. Vielleicht habe ich dann ja wenigstens etwas Spaß bei den Expertenmeinungen dazu.
Tja Pech gehabt. 5:1 gegen Schottland gewonnen.
https://de.uefa.com/euro2024/match/2036161–germany-vs-scotland/
Wird man sehen ob das anhält oder ob die Mannschaft übermütig wird und danach nur noch verliert.
Nicht schlimm. Aber schätzungsweise haben die sog. Experten das in ihrer unendlichen Weisheit vermutlich schon vorher geahnt.
Es gibt wohl nichts, dass mir noch gleichgültiger ist, als dieser Fußball-Schwachsinn. Abgesehen davon kostet die Austragung dieser EM die Städte, in denen gespielt wird, horrende Summen. Ob das Geld dann irgendwann an irgendwelche Vereine in ganz Europa ausgeschüttet wird, werden diese Städte nicht merken. Der Steuerzahler zahlt also letztlich für die Austragung der EM und sorgt am Ende noch dafür, dass die prekären Gehälter der Fußballprofis endlich einmal wieder etwas steigen können…..
Genau, die Polizeieinsätze, mehr öffentliche Verkehrsmittel usw.
Wie ich schon schrieb: Große internationale Konzerne wie Coca Cola versuchen sich dann möglichst viel von dem Markt zu sichern. Dieses Geld bleibt eben nicht bei der lokalen Gastronomie, die möglichst ausgeschlossen wird von den Organisatoren usw.
Dazu gab es schon Studien und man könnte eine lange Liste machen. Eine solche Veranstaltung in Deutschland hat natürlich den Vorteil, dass nicht erst noch extrem teure, später unrentable Infrastruktur dafür gebaut werden muss, die dann im schlimmsten Fall danach wieder verfällt. Aber damit habe ich mich diesmal nicht beschäftigt. Ich bin einfach froh, wenn der Spuck vorbei ist.
Der Autor entlarvt sich hier auch etwas selbst, dass er für diese Veranstaltung, wo so viele unsympathische, reiche Egomanen von profitieren und auftreten, noch versucht dezent Werbung zu machen.
Panem et Circenses oder Countdown to Armageddon ? Genießen Sie die Bratwürste, die lauwarmen Bierchen und machen Sie sich Lächerlich als Mitgrölendes Winkelement.
@Miss Information
So wird es sein und alle singen und grölen mit.
https://www.youtube.com/watch?v=9ZIiiYHSTRM
Wenn der Rausch vorbei ist kommt der große Kater
Sehr treffend gesagt; Daumen hoch!
Der ganze Hype soll offensichtlich von den Kriegsvorbereitungen ablenken.
Olympische Spiele 1936 in Berlin
Kriegsbeginn WKII 1939
Fußball-EM 2024
Kriegsbeginn 2029 ???
Der Termin 2029 kommt ja hin mit der Prognose, dass dann der Krieg gegen Russland beginnen soll (war Pistorius der Prophet?). Kommt mir noch zu lange vor., wenn ich Tag und Nacht die Militärmaschinen am Himmel höre.
Nein. Denn dann übernimmt Skynet das gesamte Internet und wird schnell einen Atomkrieg gegen den Sapiens Sabbeliens beginnen. Sagt Arnie!
Und der war ja hoher Politiker.
Wer Unfug findet, darf mich gerne als Dummland zugehöriger abfeiern.
HURRA!
Selbst wenn “wir” gewinnen sollten wird aus 2024 kein Sommermärchen, denn die Lage und Stimmung in Deutschland 2024 ist eine komplett andere als 2006. 2024 befindet sich Deutschland de fakto schon im Kriegszustand, die Gesellschaft ist polarisiert und gespalten, Ökomisch geht es den Bach herunter. Am Anfang des Jahrtausends sah das noch ganz anders aus. Es gab noch keine Finanzkrise und Deutschland hatte sich erfolgreich aus dem Irakkrieg herausgehalten, mit Unterstützung aus Moskau übrigens. Was die CDU-Vorsitzende die Schröder beerbt hatte noch anstellen würde konnte niemand wissen, aber Putin hatte eine “Wirtschaftzone von Lissabon bis Wladiwostock” vorgeschlagen, es gab eine politische “Achse” Paris-Berlin-Moskau gegen Washington.
Viel wichtiger war jedoch für manche das Schumacher in der Formel I führte und so wehten neben den plötzlich massenhaft aufgetauchten Deutschland-Fahnen auch Ferrari und McLaren-Fahnen. “Deutschland” wurde wieder zum Thema gemacht, vor allem durch Medienkampagnen wie “Du bist Deutschland” aber auch in der Musik wie zum Beispiel im Lied “Deutschland” (Prinzen 1999). Die WM passte da nahtlos rein – “Sommermärchen” eben.
Von diesem Selbstbewußtsein ist 18 Jahre später nicht viel geblieben. Zuviele Katastrophen, angefangen bei den Hartz-Gesetzen deren Verfestigung 2006 noch nicht so spürbar war über militärische Engagements von Afghanistan bis Niger, von Syrien bis Ukraine, Euro-Finanzkrisen inklusive der Beschämenden Politik gegenüber Griechenland, Migrantenaufnahme obwohl diese den inneren Frieden destablisierte und den Aufstieg reaktionärer Bewegungen und Parteien erst ermöglichte, “Corona “und immer wieder Ukraine, Waffen, Selbstabschneidung von billiger Energie, Kapitalabfluß.
Sommermärchen? Es werden Millionen ausgegeben um “Sommermärchen” in Großstädten zu simulieren. Und Trainingslager dürfen auch in der Provinz stattfinden “damit die auch etwas davon haben”. Die angestrebte Leichtigkeit existiert nur als Medien-Simulation.
Die Finanzkrise rollte damals (2006) bereits! Ich hatte schon Jahre zuvor davon erfahren, und der, der mir in einem Forum davon berichtete, sagte auch den Hypothekenmarkt als Auslöser korrekt voraus.
Im Bundeskanzleramt wußte man spätestens 2003 bescheid, weswegen ich die Neuwahlen 2005 auch für eine bewußte Abgabe der Verantwortung seitens Schröder halte. Ohne Not die Vertrauensfrage gestellt, statt die regulären Wahlen im Jahr der Fußball-WM abzuwarten.
Was war 2003 passiert?: Vertreter aller großen Banken trafen sich im Kanzleramt, um vom Staat die Einrichtung einer “Bad Bank” zu fordern, die ihnen ihre wertlosen Hypotheken abnehmen sollte. Hat nicht geklappt, weil das Handelsblatt plauderte. Daraufhin wurde die Hypo Real Estate gegründet, die die Papiere übernahm…
Die Stimmung wird von OBEN angeordnet, wie bei den angeordneteten Demos gegen RECHTS!
Das Wahlergebnis zeigte jedoch leider das Gegenteil.
Offenbar will man, wenn alle im Taumel sind, viel schlimmere Dinge insgeheim vorbereiten.
Selbst als Fußball-Fan habe ich kein Interesse an dieser Propaganda- und Profitshow zur Volksverdummung.
Hoffentlich fliegen sie gleich am Anfang raus aus der EM, dann ist das nationalistische Spektakel gelaufen.
Der ehemalige Berater des Kanzleramtes schreibt vom möglichen Sommermärchen und dem auf jeden Fall eintreffenden konjunkturellen Belebungseffekt durch EM-Tourismus. Das ist ja erlaubt. Er wagt sich doch tatsächlich nicht alles schwarz zu sehen.
Wir werden es ja sehen wie gut die Konjunktur in Deutschland läuft und was für einen Effekt die EM darauf hatte. Ich lese gar nichts von Subventionen oder Sponsorenverträgen mit großen Konzernen. Bei früheren solchen Ereignissen haben andere Volkswirte ausgerechnet, dass viele davon eher ein Verlustgeschäft waren. Das könnte der Herr Volkswirt dann später ausrechnen. Der Veranstalter ist immer noch eine hochkorrupte Organisation, davon natürlich auch kein Wort im Text. Wundert mich aber nicht, dass ein ehemaliger Kanzleramtsberater so eine unschöne Nebensächlichkeit lieber verschweigt. Jens Weinreich schrieb viel darüber.
https://x.com/jensweinreich
Ich würde nicht auf das “Sommermärchen” wetten und werde versuchen, so weit wie möglich Abstand von den Event und seinen Teilnehmern zu halten.
Die Konjunktur wird nicht ganz so absaufen wie das im Posting vor mir beschrieben wird, denn der will nicht wahrhaben, dass sich eine Ökonomie träge bewegt und es Anpassungseffekte gibt, also nicht alles von russischen Rohstoffen abhängt, dass es immer noch ziemlich Vielen in Deutschland ziemlich gut geht usw. Die wollen natürlich nicht die Politik ändern. Deutschland ist immer noch eines der reichsten Länder der Welt, nur wie Jens Berger richtig darstellte, klafft die Lücke zwischen arm und reich weiter auseinander.
Ich habe neulich mit Schrecken festgestellt, dass diese peinliche Show, wo die Fans sich blamieren als Konsumopfer und mit tumben Nationalismus, bis zum 10. Juli laufen soll. Mal schauen wie lange ich da Urlaub mache …
Leider sogar bis zum 14.07. – dem französischen Nationalfeiertag. Danach weiter Vive la France mit den Olympischen Sommerspielen.
Ich persönlich brauch die Fussball EM WM usw nicht. Aber der Artikel beanstandet zurecht das die Medien und hier speziell die ÖRR versuchen dem Bürger sämtlichen Konsum Spaß ausreden zu wollen. Da kann man u.a. an Silvester erinnern. Komischerweise hat man kein Problem wenn Mrd in Rüstung und Krieg versenkt werden.
Urlaub ist ok aber bitte nicht so weit fliegen und innnerhalb Deutschlands natürlich gar nicht fliegen. Gegen die 1000 Privatflugzeuge beim Klimatreffen in Davos haben wir aber nichts.
“Wer sich als Leser oder Hörer deutschen Medien aussetzt, braucht eine robuste Frohnatur, ”
Der braucht eher ein Fell dicker als das vom Yeti. Das hab ich zumindest nicht.
Bei einer früheren WM in der BRD war es so, dass in allen Stadien nur Budweiser (also das amerikanische BADWEISR) ausgeschenkt werden durfte. Ich denke die UEFA (EM) wird genauso handeln wie die FIFA, nur dass es jetzt Bitburger ist, Die Städte haben Stress aber wollen Übernachtungsgäste und die Engländer zum Beispiel sehen nicht so aus als ob sie auf dem Campingplatz schlafen wollen.
Es geht kaum noch um Sport, höchstens um Entertainmment. Ob die Paarung Slovakei vs. Rumänien ein Knüller wird?
Irgendwo ist es der Lauf der Zeit, aber etwas schade ist es trotzdem.
@Wolfgang Koethe “nur dass es jetzt Bitburger”
Passt doch!
Der Besuch und die Kranzniederlegung am Soldatenfriedhof in Bitburg führten zu der Kontroverse, da dort neben Soldaten der deutschen Wehrmacht auch Angehörige der Waffen-SS beerdigt sind.
https://de.wikipedia.org/wiki/Bitburg-Kontroverse