Bückling im Meer des Wasserstoffs

 

Grüner Bückling, Habeck in Katar.
Bearbeiteter Screenshot.

Der Wasserstoffzug rollt. So viel ist sicher. Auf welches Gleis er gelenkt wird, ist indes die Million-Dollar-Frage.

An einem Abend im Sommer, damals im Wilden Osten der 1990er Jahre, da stand ich am Strand von Fischland und spickte einen Angelhaken mit einem Regenwurm. Den warf ich mit einem Grundblei versehen in die Ostsee. Die Angel lehnte ich auf eine Astgabel, die ich vorher in den Sand gesteckt hatte. Daraufhin setzte ich mich zwischen Strandhafer zu meinen Kumpels, trank die ganze Nacht Bier mit ihnen, schlief irgendwann ein im warmen Sand und erinnerte mich erst wieder an mein Fanggerät, als die Sonne schon hoch am Himmel stand und ich mit Brummschädel aus traumlosen Schlaf erwachte.

Ich zog die Angel ein und tatsächlich hatte ich einen Fang gemacht. Ich identifizierte den Fisch eindeutig als einen Bückling, den ich mir im Vorfeld bereits mehrfach auf Berliner Wochenmärkten käuflich erworben hatte, weil ich ihn sehr gerne aß. Beim Frühschoppen reagierten die Eingeborenen von Fischland mit Gelächter auf mein Anglerlatein, als ich ihnen stolz von meinem Fang berichtete. Meine Verwirrung endete, als man mich darüber aufklärte, dass es sich bei jenem Fisch um einen Hering handele, der erst in der Räuchertonne die Metamorphose zum Bückling durchlaufe.

Grüner Bückling

Was hat das jetzt alles mit Wasserstoff zu tun? Nun, als der Klimaminister Robert Habeck im März dieses Jahres sich bei einer Verbeugung vor dem katarischen Energieminister Saad Scharida al-Kaabi ablichten ließ, war schnell die Rede vom „grünen Bückling“. Auf grüne Heringe will ich an dieser Stelle nicht weiter eingehen. Jedenfalls ging es bei dieser Reise um einen Kohlenwasserstoff, der in der Regel Erdgas genannt wird, sich unter hohem Druck zu LNG (Liquid Natural Gas) wandelt, das man in spezielle Tankschiffe lädt und demnächst zu Millionen Tonnen an sechs eiligst errichteten LNG-Terminals liefert.

Dass mit den Dingern unsere Küsten der Nord- und der Ostsee weiter verschandelt werden, die Gas-Scheichs von Katar die Milliarden sicherlich weiter in Terrorattentate und den völkerrechtswidrigen Jemen-Krieg stecken werden und Millionen Tonnen Erdgas eben auch die Emission von Millionen Tonnen Kohlendioxid bedeuten – geschenkt. Für die Heringe ist das Projekt des grünen Klimaschützers jedenfalls schon allein deshalb nicht so super, weil die LNG-Terminals mit gigantischen Mengen von Bioziden umspült werden müssen, damit ihnen das maritime Ökosystem nicht in kürzester Zeit den Garaus macht.

Immerhin für das Kohlendioxid hat man vermeintlich eine Lösung gefunden. Sie heißt „blauer Wasserstoff“. Man knapst den Wasserstoff aus dem Erdgas heraus und presst den CO2-Müll unter die Erde – etwa in die ausgebeuteten Gasfelder Hollands. Der Fachmann spricht bei diesem Geniestreich von CC oder Carbon Capturing. Zack ist das Zeug für unser Klimaministerium „klimaneutral“. Ob so etwas auf Dauer gut gehen kann? Time will tell und gegenüber Murphy´s Law machen wir einen auf Vogel-Strauß-Taktik. Wenn schon nicht über der Erde, in unserer Atmosphäre genug Platz für das Zeug ist, wie soll es dann bitteschön unter die Erde passen?

Neongelber Wasserstoff

Immerhin sollen die LNG-Terminals „Wasserstoff-Ready“ erbaut werden. So hat es Bundeskanzler Olaf Scholz ja auf seiner bemerkenswerten Zeitenwende-Rede versprochen. Das heißt, bis spätestens zum Jahr 2040 soll in diesen heringsfeindlichen Gebilden „grüner Wasserstoff“, aus den ewigen Energien – wie etwa der Sonne Namibias – geschöpft, angelandet werden. Dies soll entweder in Form von Ammoniak geschehen, oder als Flüssigwasserstoff. Bei der Ammoniaksynthese wird H2 mit Stickstoff synthetisiert, was ihn relativ leicht transportierbar und lagerfähig macht. Bei der Umkehrreaktion holt man ihn sich bei Bedarf wieder aus dieser chemischen Verbindung heraus.

Und bei der Verflüssigung arbeitet man mit extrem niedrigen Temperaturen von etwa -250°C. So weit so gut. Wie das Fraunhofer Institut jedoch vor kurzem meckerte, entstehen bei einer entsprechenden Umrüstung zwischen 70% (bei Ammoniak) bis 50% (bei Flüssigwasserstoff) der heutigen Entstehungskosten der Terminals. So viel zum Thema „Wasserstoff-Ready“.

Während Ursula von der Leyen auf EU-Basis einen Wasserstoffvertrag nach dem anderen unterzeichnet, fuhr unlängst der CEO von Hydrogen Europe, Jorgo Chatzimarkakis (FDP), zum Weltklimagipfel COP (Conference Of the Parties) nach Kairo. Dort musste sich unser Chef-Wasserstoff-Lobbyist dem Zorn der Ägypter stellen, die ihrerseits alles tun, um eine Wasserstoffwirtschaft aufzubauen, aber auf europäischer Seite den Aufbau von Märkten und Infrastruktur äußerst schleppend (höflich ausgedrückt) vorankommen sehen. Auf der anderen Seite des großen Teiches hingegen unterzeichnete unlängst Präsident Biden den „Inflation Reduction Act“. Dieser sieht eine Steuergutschrift von 3$ pro Kilo produzierten „grünen Wasserstoffs“ für die jeweiligen Firmen vor und fördert die Anschaffung eines Brennstoffzellenfahrzeugs mit 7500$ bei Neuwagen und 4500$ bei Gebrauchtfahrzeugen. Großer Wehrmutstropfen bei der Sache: zu „grünem“ H2 wird auch jener gezählt, der per Atomstromelektrolyse gewonnen wird und auf meiner eigenen Farbpalette als „neongelber Wasserstoff“ gelistet steht.

Der Wasserstoffzug rollt

Der eigentliche Charme des grünen Wasserstoffs ist ja sein zirkulärer Charakter. Man nimmt Wasser, leitet den Strom aus den ewigen Energien der Sonne, des Windes und der Strömung hinein, gewinnt Wasserstoff und hat nach dessen energetischen Verwertung einfach nur wieder Wasser. Beim „neongelben“ H2 fällt daneben aber leider auch hochgiftiger, saugefährlicher, Jahrtausende lang strahlender Atommüll an. Na ja. Mit grünem Wasserstoff werden wir auf lange Sicht auch die Atom-Mafia besiegen. Da bin ich hoffnungsfroh. Diese Hoffnung gründet auf der längst sichtbaren Agonie der Fossil-Dinosaurier. Anstatt aber ähnlich mutige Schritte wie die Amis zu unternehmen, jaulen in Europa – allen voran Emmanuel Macron – die Regierungschefs über deren ungerechte Subventionspolitik und sinnen auf Rache.

Der Wasserstoffzug rollt. So viel ist sicher. Auf welches Gleis er gelenkt wird, ist indes im wahrsten Sinne des Wortes die Million-Dollar-Question. Diese sorgt für ein derartiges Chaos in den Köpfen der Mächtigen, dass die Zugverwirrungen der Deutschen Bahn einem daneben als mustergültiges Konzept erscheinen möchten. Grüner Wasserstoff als Perpetuum Mobile wird die Menschheit mindestens so verändern wie das Internet. Er ist der Schlüssel dazu, dass aus Konsumenten von Energie gleichzeitig Produzenten werden können – Prosumenten eben. Aber wo sind die Pläne zur PV-Überdachung der Autobahn, wo die Initiative, Solar auf jedes Dach Europas zu bringen, wo die kommunalen Elektrolyseure? Wann endlich zapfen wir ernsthaft und ohne weiter Naturzerstörung unsere eigenen ewigen Energien an? Sollten diese am Ende wider Erwarten unseren Energiehunger tatsächlich nicht stillen können, können wir den H2 ja immer noch von jenseits des Ozeans herbeischippern, oder ihn uns per Pipeline liefern lassen.

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9 Kommentare

  1. Es handelt sich um zu komplexe Abläufe, für das was sich bei uns Regierung nennt. Erinnern wir uns nur kurz an deren “ Corona-Management“. Die waren zu unbeholfen zum Kauf von Masken und Kitteln. Die Unterdrückung und Fälschung wissenschaftlicher Daten haben sie allerdings hinbekommen. Das muss man ihnen lassen.

    Der „Markt“ will keinen Wasserstoff, weil sich die Investitionen in Fossilien und Verbrenner so schön amortisieren und Gewinne abwerfen.
    Warum Geld vorschießen, wo ein Bruchteil davon genügt, der Öffentlichkeit gute Ideen mit Gegenpropaganda auszutreiben ?

    P.S.

    Beim Brandungsangeln verwendet man Wattwürmer zum Grundangeln als Köder.
    So fängt man Dorsche und Plattfische. Keine Heringe.
    Hering und Makrele fängt man mit Paternostern vom Boot aus.
    Für Hornhecht und Meerforelle nimmt man die Spinnrute.

    Der Fischereischein zum Nachweis der Sachkunde sei jedem empfohlen.

  2. Die Frage bezüglich E-Speicher vs. H2-Speicher beantwortet sich für den Mobil-Sektor fast von selbst, wenn man nur mal die volumetrische Speicherfähikeit beider Systeme vergleicht .
    E-Speicher ca. 1,4 kWh / 1000 cm³
    H2- Speicher ca. 12 kWh / 1000 cm³
    Also Faktor 10 …. allein das kann schon mal bei der Beurteilung helfen.

    1. Man muss den Verbrauch für eine Fahrzeugheizung im Winter berücksichtigen.
      Wenn die Abwärme vom Verbrenner fehlt, muss man die Heizung im Akkuauto über Strom betreiben.
      Das kostet Reichweite.

      Beim Brennstoffzellenauto kann das Fahrzeug im Winter durch die Abwärme der Brenndtoffzellen geheizt werden. Das steigert die Reichweite, weil die temperierte Zelle mehr Strom produziert.
      Im Sommer wird die überflüssige Wärme der Brennstoffzelle über eine Absorberwärmepumpe in Strom für den Antrieb, oder in Strom für eine Klimaanlage zum Kühlen gewandelt.

      Das Akkuauto ist Bullshit !

      1. Der apparative und Energieaufwand für die (SICHERE) Speicherung von flüssigem oder komprimiertem Wasserstoff im Fahrzeug ist schon ziemlich erheblich, wer mal mit Flüssigwasserstoff oder größeren Mengen technischem Wasserstoff arbeiten musste, kann da einiges erzählen.
        Außerdem wird die Abwärme wohl zum Erwärmen (Verdampfen) des tiefkalten Wasserstoffs benötigt. Andererseits sind die Druckbehälter nette kleine Bomben.
        Wer das mit Benzin oder Diesel gedanklich gleichsetzen möchte, liegt völlig falsch.
        Und Flüssig-Ammoniak hat zwar fast den halben Brennwert von Benzin pro kg, aber steht auch unter Druck (ca. 12 bar bei 30″C) und ist ziemlich umwelt- und gesundhetsschädlich (na schön, Benzin ja auch). Es lässt sich aber viel einfacher transportieren und aufbewahren als LNG (und als Wasserstoff sowieso)!

  3. Es ist ganz einfach. Wenn bei einer Energiebereitstellung ein Verbrennungsprozess beteiligt ist, also etwas Physisches ‚verbraucht‘, d. h. in eine andere chemische Form gebracht wird, ist das höchstens als Notnagel zu gebrauchen und so weit irgend möglich zu vermeiden.

    Schon heute wird in vielen industriellen Prozessen Wasserstoff verwendet, praktisch ausschliesslich grauer selbstverständlich. Nur schon die Bereitstellung dieser Menge real-grünen Wasserstoffs ist eine Riesenherausforderung. Jeder zusätzliche Verwendungszweck erhöht logischerweise den Mengenbedarf und damit auch die Energieverschwendung, denn bei den Bereitstellungsprozessen geht viel Energie verloren, der Endwirkungsgrad ist daher zwingend bescheiden.

    Wie Ralf Streck heute bei TP ausführt, wird jetzt schon Fossilenergie-Infrastrukturprojekten ein Wasserstoff-Siegel verpasst. Wie nicht anders zu erwarten, dient der Wasserstoff-Hype den Weitermachern der einschlägigen Branche als Vorwand weiter zu machen, nicht auszusteigen, also die eignen Investitionen in Wert zu halten. F… climate, nach uns die Sintflut und die Dürre. Gut, momentan fungiert das böse Russland als Hauptbegründung für dieses Verhalten, aber man muss ja auch längerfristig denken…

    Wasserstoff ist die Masche des Kapitals alles zu ändern, damit alles beim Gleichen bleibt. Vapen statt rauchen.

  4. Eckhart hat es angesprochen.
    Ich wüsste gerne, wie hoch die Energie nach dem bereitstellten und davor in Gas ist. Bei den Schiffen, oder sagen wir Transport per Schiff, soll Gas verlustig gehen. Wie auch immer.
    Gibt es Berechnungen, was die Tankschiffe und die belade und entlade Stationen kosten, um zu verstehen, wie teuer die Gasleitung in dem Verhältnis ist.
    Ich kann zu den ökonomischen Fragen zu dem amerikanischen Gas nicht viel sagen, würde es aber gerne verstehen.
    Ich gehe davon aus, dass endlich was zu den sogenannten „Erneuerbaren“ gemacht werden sollte, überall. Aber „wir“ bekommen es ja nicht einmal hin, nach Afrika Solaröfen zu spenden, die brauchen gar kein Gas. Holz oder ähnliches, nur Sonne.
    https://www.jungewelt.de/artikel/440375.%C3%B6kologie-und-energiewende-die-gr%C3%BCne-hoffnung.html

    1. @ Peter
      Eines mal grundsätzlich vorweg – Energie kann nicht verloren gehen! Das besagt schon ein Naturgesetz. In der Wissenschaft ist dieser Grundsatz als „Energiererhaltungsatz“ bekannt. Man kann Energie nur von einer Form in eine andere umwandeln. ….. Im Artikel hat man versucht die Effektivität der Energiespeicherung zu betrachten.

      Auf LNG Tanker sind als Antriebsmaschinen für den Schiffspropeller große Gasmotoren verbaut. Das Gas was auf diesen Schiffen in den Ladungsbehältern verdunstet wird also effektiv für den Vortrieb genutzt – Nur am Rande bemerkt, es gibt auch Autos, die mit Gasmotoren fahren (Zapfsäulen hat fast jede Tankstelle 😉 ).

      Und noch Eines muss hier noch mal deutlich gesagt werden: Der Begriff „Erneuerbare Energie“ ist Schwachsinn.

  5. Frage: hat bei dem Wasserrstoffhype mal jemand berechnet, wieviel wir davon für eine co2-neutrale Stromversorgung benötigen und woher diese wirklich und auf welchem Weg kommen würde? Leitungen von Nordafrika zu uns oder Tanker, jeweils wieviele undecided erfolgt die Umwandlung? Und wem nehmen wir diese Energie weg?

    1. Ich gehe mal davon aus, daß der Transport als flüssiges Ammoniak erfolgen wird, den kann man dann am Zielort wenn nötig in Wasserstoff umwandeln. Ach ja, fällt mir noch ein: wenn man zwei Ammoniakmoleküle fusioniert, entsteht N2H4 aka Hydrazin, ein sehr schöner Treibstoff, den man deshalb auch für Raketen benutzt…

      Also los gehts:
      Durchschnittlicher Primärenergieverbrauch in der BRD von 2008 bis 2018 etwa 13 Exajoule
      https://de.statista.com/statistik/daten/studie/42195/umfrage/deutschland-verbrauch-an-primaerenergie-in-millionen-tonnen-oelaequivalent/
      1 kWh =3,6 Megajoule MJ
      Ammoniak hat einen Brennwert von 12,7 kWh/kg = 12,7*3,6 MJ/kg = 45,72 MJ/kg
      1 Exajoule EJ = 10¹⁸ Joule = 10¹² Megajoule MJ
      13 EJ = 1,3*10¹³ MJ
      Das jetzt umgerechnet in kg Ammoniak wären bei 100% Umwandlungseffektivität (60% wären realistisch)
      insgesamt 13 EJ / 45,72 MJ/kg = 28433945756,8 kg =28,5 Mio t
      In Worten 28,5 Millionen Tonnen Ammoniak.
      Optimistische Energieverluste bei der Herstellung 40%, bei Zurückwandlung am Verbrauchsort nochmal 40%.

      Ich hatte noch gefunden:
      „Ertrag einer Freiflächenanlage: (in Mitteleuropa!)
      Typisch ist eine jährlicher Stromertrag zwischen 400.000 und 500.000 Kilowattstunden pro Hektar“
      https://www.photovoltaikforum.com/thread/126591-planung-einer-solarfarm/?pageNo=2
      500.000 Kilowattstunden/ha = 1,800,000 MJ/ha
      1,3*10¹³ MJ / 1,8*10⁶ MJ/ha = 0,72 *10⁷ ha, also 0,72*10⁵ km² = 72.000 km²
      Klingt ambitioniert: wenn man hypothetische Wirkungsgradverluste von 50% ansetzt (Umwandlung Strom in Ammoniak, Transport und Umwandlung zurück), braucht man also runde 150.000 km² Solarfarm, um nur den Energiebedarf der BRD zu decken, In tropischen Breitengraden ist der Ertrag natürlich höher. Dürfte trotzdem das größte technische Bauwerk sein, das die Menschheit jemals fertiggebracht hat.
      Die BRD bringt es auf 357.588 km² Landfläche (Wikipedia).
      Jetzt fang ich an zu grübeln: wo hab ich mich verrechnet? Wäre für vollständige Solarenergieversorgung wirklich fast die halbe Fläche dieses Landes zu verbauen? Das hat sich seit 30 Jahren noch kein Ökogrüner ausgerechnet? Gut, wir haben auch Windstrom – aber alleine diese Zahlen flößen mir Ehrfurcht ein…

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