Wenn die USA und Großbritannien Anstand hätten, würden sie Palästina als UN-Mitgliedsstaat begrüßen

Free Palestine
Elvert Barnes from Silver Spring MD, USA, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons

Es ist höchste Zeit, dass diese beiden Mächte, die am meisten dazu beigetragen haben, den Nahen Osten zu zerstören, einen echten Weg zum Frieden unterstützen.

Jeffrey D. Sachs und Sybil Fares hatten sich schon Mitte März 2024 in einem Artikel für einen Plan eingesetzt, wie der Frieden im Nahen Osten durch die unverzügliche Umsetzung der Zwei-Staaten-Lösung erreicht werden kann, in dem die Aufnahme Palästinas in die Vereinten Nationen zum Ausgangspunkt und nicht zum Endpunkt einer Friedenslösung gemacht wird (1).

Der folgende aktuelle Text dieser beiden Autoren, der eine Weiterführung dieses Vorschlages ist, wurde ebenfalls von Klaus-Dieter Kolenda mit freundlicher Genehmigung von Jeffrey Sachs ins Deutsche übertragen, wobei er die Zwischenüberschriften ergänzt hat.

Trotz des erfolgten Vetos von Seiten der USA (siehe oben) wird dieser Text hier präsentiert, weil die Zwei-Staaten-Lösung die einzige realistische Friedens-Alternative zu einer Weiterführung der israelischen Apartheid-Herrschaft, einer  ethnischen Säuberung des Gazastreifens oder einer noch schlimmeren Katastrophe erscheint. 

Wenn die USA und Großbritannien ein bisschen Schamgefühl hätten, werden sie Palästina als UN-Mitgliedstaat begrüßen

Diese Woche haben die USA und Großbritannien die Chance, Jahrzehnte ihrer eklatanten geopolitischen Fehler im Israel-Palästina-Konflikt zu korrigieren, indem sie Palästina als 194. Mitgliedsstaat der Vereinten Nationen willkommen heißen (2).

Mehr als jedes andere Land haben die USA und Großbritannien den Nahen Osten durch ihre jahrzehntelange ständige Einmischung und imperiale Arroganz ruiniert. Diese Woche haben sie die Chance zur Wiedergutmachung.

Mehrheit der UN-Mitglieder ist für die Aufnahme von Palästina als Vollmitglied

Insgesamt 139 Länder erkennen den Staat Palästina bereits an, mehr als zwei Drittel der UN-Mitgliedsstaaten. Mehrere europäische Staaten werden sich demnächst der Liste anschließen.

Dennoch haben die USA bisher die Mitgliedschaft Palästinas in den Vereinten Nationen blockiert, wobei das Vereinigte Königreich sich in seinem Abstimmungsverhalten immer nahe an der Führung der USA orientiert hat.

Beide Staaten haben Israels Apartheid-Herrschaft über Palästina unerbittliche Rückendeckung gegeben und unterstützen derzeit aktiv Israel (3) bei seiner schrecklichen Zerstörung des Gazastreifens (4).

Diese Woche, höchstwahrscheinlich am Freitag, wird der UN-Sicherheitsrat für die UN-Mitgliedschaft Palästinas stimmen – wenn die USA und Großbritannien diese nicht erneut mit ihrem Veto blockieren.

Im Jahr 2011 hatte Palästina die mehrheitliche Unterstützung des UN-Sicherheitsrats für die Mitgliedschaft. Aber die USA haben damals die Palästinenser gezwungen, stattdessen einen “Beobachterstatus” zu akzeptieren. Sie versprachen ihnen, dass die Vollmitgliedschaft bald folgen würde. Das war jedoch eine Täuschung.

Kein Land der Welt hat mehr getan, um den Nahen Osten zu ruinieren, als Großbritannien und die USA.

Die Hauptrolle dabei hat sicherlich Großbritannien gespielt, dessen imperiale Machenschaften in der Region bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen und bis heute andauern.

Großbritannien hat Ägypten jahrzehntelang unter seiner Fuchtel gehabt, von den 1880er bis in die 1950er Jahre.

Während des Ersten Weltkriegs versprachen die Briten in betrügerischer Weise sich überlappende Teile des osmanischen Nahen Ostens an die Franzosen (im Sykes-Picot-Abkommen), die Araber (in der McMahon-Hussein-Korrespondenz) und die Zionisten (in der Balfour-Deklaration) und verteilten damit Länder, über die sie zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht verfügen konnten.

Nach dem Ersten Weltkrieg übernahm Großbritannien Palästina unter einem sogenannten Mandat des neu gegründeten Völkerbundes, während Frankreich ein Mandat über den Libanon und Syrien erhielt.

Großbritannien hinterließ in Palästina 1947 ein Trümmerhaufen, setzte aber seine unerbittliche Einmischung fort, indem es sich 1956 mit Frankreich und Israel zusammentat, um in Ägypten einzumarschieren.

Die Einmischung Großbritanniens hat auch zu den späteren Zerstörungen der Gesellschaften im Jemen, im Irak und in vielen anderen Teilen des Nahen Ostens beigetragen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg machten die USA dort weiter, wo Großbritannien aufgehört hatte.

Zuerst schlossen sie sich Großbritannien beim Sturz des iranischen Premierministers Mohammad Mosaddegh durch den MI6 und die CIA im Jahr 1953 an. Dann begannen sie eine lange Reihe von CIA-geführten Operationen zum Regimewechsel, darunter in Afghanistan, im Irak, in Syrien und in Libyen, um nur einige zu nennen.

Während der gesamten Nachkriegszeit waren die USA führend an der betrügerischen Vermittlung im Konflikt zwischen Israel und Palästina beteiligt, indem sie zum Beispiel die palästinensischen Parlamentswahlen im Jahre 2006 unterstützten, dann aber die Hamas boykottierten und versuchten, sie zu stürzen, als diese  die Wahlen gewonnen hatte.

Im Jahr 2011, als Palästina die Mitgliedschaft in der UNO beantragte und die Unterstützung des Mitgliedschaftsausschusses des UN-Sicherheitsrats erhielt, rieten die USA Palästina dazu, abzuwarten und stattdessen einen „Beobachterstatus“ (Ergänzung KDK: wie der Vatikan) zu akzeptieren, und versprachen, dass die Vollmitgliedschaft bald folgen würde. Das war eine weitere Lüge.

Ablehnung der Zwei-Staaten-Lösung der UN

Trotz zahlloser Resolutionen des UN-Sicherheitsrats (5) im Laufe der Jahre, die eine Zwei-Staaten-Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts forderten, haben die israelischen Regierungen unter Benjamin Netanjahu einen unabhängigen Staat Palästina unverhohlen abgelehnt.

Dem aktuellen Kabinett Netanjahu gehören Rechtsextremisten wie Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir an, die offen zur ethnischen Säuberung des Westjordanlandes und des Gazastreifens aufrufen (6), um ein Großisrael vom Jordan bis zum Mittelmeer zu schaffen.

Doch trotz Israels unerbittlicher Provokationen, der routinemäßigen Tötung von Palästinensern, die mit dem zynischen Begriff des “Rasenmähens” bekannt geworden ist, wiederholter Verstöße gegen Beschlüsse des UN-Sicherheitsrats und des jetzigen Gemetzels in Gaza sind die USA und Großbritannien bei ihrer Politik geblieben, indem sie Israel bedingungslos unterstützen und Palästina bekämpfen, als ob das in Ordnung wäre.

Doch Israel ist heute isolierter und gefährdeter als je zuvor

Die Frage ist, ob die USA und Großbritannien für diese Politik ein Mindestmaß an Verstand und Anstand für sich beanspruchen können. Deren Politiker mögen denken, dass sie Israel unterstützen, indem sie Palästinas UN-Mitgliedschaft blockieren, aber Tatsache ist, dass Israel aufgrund des Extremismus der israelischen Regierung, ihrer schockierenden Gewalt gegen das palästinensische Volk und ihrer Apartheid-Herrschaft isolierter und gefährdeter ist als je zuvor.

Seit Beginn des Krieges im vergangenen Herbst wurden offiziell 33.000 Palästinenser getötet, doch die tatsächliche Zahl der Todesopfer dürfte weitaus höher sein, wobei Zehntausende weiterer Opfer unter den Trümmern ihrer Häuser begraben oder an extremem Mangel an Nahrung, Wasser und fehlender medizinischer Versorgung verstorben sind.

Doppelmoral und Lügen der USA und Großbritanniens

In den letzten Tagen sind die bedauerliche Doppelmoral und die Lügen der USA und Großbritanniens wieder in vollem Umfang zutage getreten. Die USA und Großbritannien haben sich hartnäckig geweigert, Israels schamlos illegale Bombardierung des iranischen Diplomatengeländes in Damaskus, Syrien, die am 1. April erfolgt ist, zu verurteilen (7). Dann haben sie aber den Iran lautstark verurteilt (8), als er zwei Wochen später zum Gegenangriff überging.

Diese absurde Doppelmoral lässt die USA und Großbritannien in den Augen des Rests der Welt wie krasse Tyrannen aussehen.

Nach mehr als einem Jahrhundert der Einmischung Großbritanniens und der USA in den Nahen Osten ist es an der Zeit, ehrlich über die Fakten der Vergangenheit und gerechte Lösungen für die Zukunft zu sprechen.

Am wichtigsten ist: Die Aufnahme Palästinas als UN-Mitgliedsstaat und die Umsetzung der Zwei-Staaten-Lösung im Einklang mit dem Völkerrecht sind der Weg zu Frieden, Gerechtigkeit und Sicherheit sowohl für Israel als auch für Palästina.

Der größte Teil der Welt unterstützt diese Lösung mit großem Engagement. Die Frage ist nur, ob Großbritannien und die USA ihr Veto einlegen werden.

Es ist höchste Zeit, dass die beiden Mächte, die am meisten dazu beigetragen haben, den Nahen Osten zu ruinieren, den wahren Weg zum Frieden unterstützen, indem sie Palästina jetzt als souveränen UN-Mitgliedsstaat willkommen heißen, und nicht in einer sagenumwobenen Zukunft, die für immer von israelischen Hardlinern blockiert wird.

 

Fußnoten
  1. https://overton-magazin.de/hintergrund/politik/die-zwei-staaten-loesung-nach-dem-gaza-krieg/
  2. https://www.commondreams.org/tag/palestine
  3. https://www.commondreams.org/tag/israel
  4. https://www.commondreams.org/tag/gaza
  5. https://news.un.org/en/story/2024/01/1146097
  6. https://www.nbcnews.com/news/world/right-wing-israeli-ministers-join-thousands-event-calling-countrys-res-rcna135863
  7. https://press.un.org/en/2024/sc15650.doc.htm
  8. https://press.un.org/en/2024/sc15660.doc.htm

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9 Kommentare

  1. “Wenn die USA und Großbritannien Anstand hätten, würden sie Palästina als UN-Mitgliedsstaat begrüßen”
    Wenn meine Urgroßmutter Holzbeine gehabt hätte wäre sie eine Schubkarre gewesen.

  2. Dass sie die Anerkennung des Staates Palästina verweigern, folgt der gleichen Logik, die der sog. Zweistaaten-Lösung zugrunde liegt: letzteres ist nur die Angel mit der Karotte, die den Anschein erwecken soll, dass das – wenn der Gewalttäter ein paar Zugeständnisse macht – irgendwie ein faires Angebot sei.

    Das “Angebot” der Zweistaaten-Lösung dient nichts Anderem als dazu die Palästinenser und die Weltbevölkerung hinzuhalten. Letzten Endes will man aber genauso verfahren wie einst mit den Indianern, denen man auch immer wieder gesagt hat “ok, das Land dürft ihr jetzt wirklich haben, das tasten wir jetzt nicht mehr an”.

    Von daher würde eine Anerkennung Palästinas ihren Interessen widersprechen.

    1. Ich hatte es schon einmal geschrieben: ich lehne die Zweistaaten-Lösung – von der ich früher einmal dachte, dass das ein pragmatischer, also gangbarer Kompromiss wäre – inzwischen ab. Das Land gehört den selbsternannten Israelis nicht. Es ist Diebstahl, was da passiert, vom Anfang bis zum Ende. Das Land gehört den Palästinensern und diese allein sollten darüber entscheiden, was damit passiert.

      1. Und wo sollen dann die Israelis hin? In ihren Keller einziehen? In einem Staat für die sogenannten Palästinenser zögen die Israelis den kürzeren.

  3. Hätte Amerika eine Demokratie wäre sicher schnell ein Palästinensischer Staat zu machen, aber wie hochkarätige Universitäten aus den USA unlängst festgestellt haben hat Amerika keine Demokratie, es hat ein Oligopol. Das erschütternde Ergebnis dieser “Vorzeigedemokratie” war, dass in 60 Jahren Oligarchie in den USA nicht ein einiger jämmerlicher Wählerwunsch , sei er auch noch so klein, je umgesetzt wurde. Also in Zahlen 0% Wünsche des “Souverän” und 100% Wünsche der Oligarchie wurden realisiert.
    Wie man da noch die Chuzpe haben kann von Demokratie zu schwafeln beeindruckt mich.

    Ich glaube es lässt sich nicht mehr verbergen (zumindest für diejenigen die nicht die Augen davor verschließen können) das hinter den Kulissen in den USA ein Ungeheuer metastasiert ist und den Staat einfach übernommen hat.

  4. Anstand!, ist ein grosses Wort.
    Und wenn Minderheiten jeglichem Narrativs daherkommt, gilt es die Augen, Ohren und andere Wahrnehmungsorgane zu senisiblieren!
    Der deutsche praktizierte Anstand, besteht darin opportun zu agieren.
    Aber der deutsche konzertierte Anstand tut alles dazu, das ihr liberales System weiterhin am gewinnen ist. Selbst wenn die Ukraine verloren geht, bleibt D der Rest des Westens!
    Weil D all seine ursprünglichen ‘Peiniger’ abstrafen wird, man beachte hierbei das Magazin ‘Politico”!
    Dort werden die vorgaben publiziert…

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