Washington sagt »Journalismus ist kein Verbrechen« und arbeitet gleichzeitig an der Kriminalisierung des Journalismus

Julian Assange
Cancillería del Ecuador, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons, bearbeitet

Ab einem bestimmten Punkt fühlt es sich fast schon zu einfach an, die Heuchelei und die Widersprüche des zentralisierten US-Imperiums zu kritisieren, das ist wirklich keine Kunst. Aber was soll’s, lasst es uns trotzdem tun!

Caitlin Johnstone hat im Westend Verlag ein »Kleines Erste-Hilfe-Büchlein gegen Propaganda« herausgebracht. Es hilft dabei, gegen den Schwachsinn unserer Zeit gewappnet zu sein.

Die russischen Sicherheitsdienste haben offiziell Spionagevorwürfe gegen den Wall-Street-Journal-Reporter Evan Gershkovich erhoben1, der seit seiner Verhaftung im vergangenen Monat in Russland inhaftiert ist. Gershkovich bestreitet Berichten zufolge die Spionagevorwürfe und sagt, er sei in Russland journalistisch tätig gewesen.

Diese Nachricht wurde zeitgleich mit einer gemeinsamen Erklärung des Mehrheitsführers im Senat, Chuck Schumer, und des Minderheitsführers im Senat, Mitch McConnell, veröffentlicht2, in der die Inhaftierung von Gershkovich als Verletzung der Pressefreiheit verurteilt wurde.

Journalismus ist kein Verbrechen?

»Um das ganz klarzustellen: Journalismus ist kein Verbrechen«, schreiben die Senatoren. »Wir fordern, dass die unbegründeten, aus der Luft gegriffenen Anschuldigungen gegen Herrn Gershkovich fallen gelassen werden und er sofort freigelassen wird, und wir verurteilen erneut die anhaltenden Versuche der russischen Regierung, unabhängige Journalisten und Stimmen der Zivilgesellschaft einzuschüchtern, zu unterdrücken und zu bestrafen.«

Die Formulierung »Journalismus ist kein Verbrechen« ist eine interessante Wahl, da der häufigste Einzelfall, auf den sie sich bezieht, sicherlich der von Julian Assange ist3, der seit vier Jahren in einem Hochsicherheitsgefängnis eingesperrt ist, während die US-Regierung daran arbeitet, seine Auslieferung wegen des Verbrechens des guten Journalismus zu erwirken.4 Auf jeder Pro-Assange-Demonstration, an der ich je teilgenommen habe, waren Schilder mit einer Variation des Satzes »Journalismus ist kein Verbrechen« zu sehen und jeder Assange-Unterstützer wird mit diesem Refrain bestens vertraut sein.

Als Assange-Unterstützer klingt es daher etwas seltsam, diesen Slogan von zwei D.- C.-Monstern zu hören, die beide die Verfolgung des berühmtesten Journalisten der Welt enthusiastisch unterstützt haben.

»Er hat unserem Land enormen Schaden zugefügt, und ich denke, er muss mit der vollen Härte des Gesetzes verfolgt werden. Und wenn das zu einem Problem wird, müssen wir das Gesetz ändern«5, sagte McConnell über Assange, nachdem WikiLeaks im Jahr 2010 tausende von diplomatischen Telegrammen veröffentlicht hatte.

»Weder WikiLeaks noch seine ursprüngliche Quelle für diese Materialien sollten in irgendeiner Weise von der größtmöglichen Strafverfolgung im Rahmen des Gesetzes verschont werden«6, sagte Schumer im Jahr 2010.

»Jetzt, wo Julian Assange verhaftet wurde, hoffe ich, dass er bald für seine Einmischung in unsere Wahlen im Namen Putins und der russischen Regierung zur Rechenschaft gezogen wird«7, twitterte Schumer, als Assange vor fast genau vier Jahren aus der ecuadorianischen Botschaft in London gezerrt wurde. (Assange wurde nicht wegen irgendetwas angeklagt, das mit Russland oder der Wahl 2016 zu tun hatte, und die Behauptungen über geheime Absprachen mit Russland sind bis heute völlig unbegründet).

Die Heuchelei der Manager des US-Imperiums

Dies sind zwei der mächtigsten gewählten Beamten der Welt, die sich als mutige Verteidiger der Pressefreiheit aufplustern und ausgeben, nachdem sie aktiv die Versuche ihrer Regierung unterstützt haben, eben diese Pressefreiheit zu zerstören. Ihre Regierung arbeitet daran, Assange unter dem Espionage Act ausliefern zu lassen und zu inhaftieren, weil er einer nach Expertenmeinung8 normalen journalistischen Tätigkeit nachgegangen ist. Dies wird es ihnen ermöglichen, einen rechtlichen Präzedenzfall zu schaffen, durch den die Auslieferung jedes Journalisten überall auf der Welt verlangt und dieser strafrechtlich verfolgt werden kann, wenn er US-Kriegsverbrechen aufdeckt, wie es Assange getan hat.9

Es gibt keine größere Bedrohung für die Pressefreiheit in der Welt, als sie die USA mit ihrer Verfolgung von Julian Assange darstellen, eine Verfolgung, die von Schumer und McConnell und all den anderen Washingtoner Sumpf-Kreaturen, die sich heute melodramatisch über Evan Gershkovich aufregen, inbrünstig unterstützt wird.

Das ist natürlich lächerlich. Man kann nicht sagen: »Journalismus ist kein Verbrechen«, während man buchstäblich daran arbeitet, den Journalismus zu kriminalisieren. Diese Positionen schließen sich gegenseitig aus. Wählen Sie eine.

Es lohnt sich, auf die Heuchelei der Manager des US-Imperiums hinzuweisen, und zwar nicht, weil Heuchelei an sich ein besonders schwerwiegendes Übel ist, sondern weil sie zeigt, dass diese Leute nicht stehen, wofür sie vorgeben zu stehen. Das US-Imperium hat kein Interesse an der Pressefreiheit, es geht ihm um Macht und seine Vorherrschaft und die Geräusche, die es zur Unterstützung des Journalismus macht, sind immer nur ein zynischer Trick, mit dem es ungehorsame ausländische Regierungen auf der Weltbühne niederknüppeln kann.10

Assange hat in seiner Arbeit mit WikiLeaks viele unbequeme Tatsachen über das US-Imperium aufgedeckt, aber keine war so unbequem wie das, was er dadurch ans Licht gebracht hat, dass er es gezwungen hat, ihn zu verfolgen und sein wahres Gesicht zu enthüllen, indem es den größten Journalisten der Welt in einer so schamlosen Verfolgungsjagd niederrang.

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7 Kommentare

  1. Mein Eindruck ist, dass man hofft, dass Julian Assange ganz einfach im Gefaengnis wegstirbt. Gesundheitlich angeschlagen war er bereits bevor er in Belmarsh seinem Einzelhaftschicksal ueberlassen wurde. Also einfach die Zeit arbeiten lassen. Es wuerde schliesslich ein grosses Problem loesen, denn niemand will in der aktuellen Debatte einen medienwirksamen Prozess gegen einen Journalisten, der amerikanische Kriegsverbrechen aufgedeckt hat.

    Und der heuchlerische Wertewesten schweigt dazu und vergiesst Krokodilstraenen ueber Nawalny. Man hat groesste Muehe, dass einem nicht schlecht wird.

  2. Als ich den Film
    Kill the Messenger
    Gesehen habe war klar,dass die Amis die größte Bedrohung darstellen.
    CIA besitzt mehr Bargeld
    Als die USA Schulden,mit
    Dem sie jede Rechtsstaatlichkeit beerdigen.

  3. Alles ist ein Verbrechen (im Westen), dass sich traut das Narrativ begründet in Frage zu stellen, ob Journalist, Politiker, Wissenschaftler oder sonstige.
    Die Heuchelei hat über alle Grenzen hinweg ihre Doppelmoral so entwickelt, das in allen Parteien, Zeitungen, Organisationen und sonstiges kaum mehr Freiräume für Wahrheit gibt.
    Es existiert ein Grund, wessen Geld ich nehme, dessen Musik wird gespielt. Das ist keine Kritik am Kapitalismus oder sonstiges, sondern eine oder mehrere konzentrierten Kapitalflüsterer, die ein internationales Netzwerk betreiben.
    Oder anders gefrsgt: wie kann es sein, dass Demokratien ihre eigenen Vorlagen missachten? Wie kann es sein das die demokratischen Völker weiterhin nach diesen vorgaben in der Lage sind, alles so hinzunehmen?
    Es gibt ja diesen Spruch, ‘nur besoffene sagen die Wahrheit’, in Gedanken an Jean Claude Junker und anderen die davor oder danach am Hebel saßen.

  4. In einem Land, in dem eine Ina Ruck einen der angesehendsten Journalistenpreise erhält, ist wohl alles zu spät…

    Langsam muß man sich fragen, warum eigentlich Claas Relotius geschaßt wurde? Dessen Expertise wäre doch jetzt gefragter denn je?

  5. Die oberste Handlungsmaxime des Westens ist die (säkulare) Bigotterie.
    Entlarvt schon in Mt 7, 3-5, also in dem Wertekanon, auf den sich das “christliche Abendland” dabei so gern beruft.

  6. Widerwärtige Doppelzüngigkeit, die aufzeigt, wie verkommen die “westlichen Werte” mittlerweile sind.
    Hat unser BaerböckIn nicht im Wahlkampf… ach ich vergaß, was im Wahlkampf gesagt wird, muß ja hinterher nicht umgesetzt werden… (Merkel)

    mfg

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