Wahlen und andere Ungelegenheiten

Joe Biden und Benjamin Netanjahu
The White House, Public domain, via Wikimedia Commons

Joe Bidens Haltung zum Gazakrieg belastet dessen Wahlkampfkampagne und könnte ihm auch die Wiederwahl kosten. Indes kippt in den USA die Stimmung pro Palästina weiter.

Hat der gewaltsame Tod von sieben humanitären Helfern der World Central Kitchen, die in Gaza Lebensmittel an hungernde Palästinenser verteilt haben, eine Änderung in den USA bewirkt, was die Sicht auf Israel angeht? Das könnte man glauben, zumal sich auch die Regierungen von Australien, Großbritannien, Polen und Kanada über den Mord an ihren Bürgern empörten.

Und auch Joe Biden, unser Alterspräsident, scheint nun erstmals auf den Tisch hauen zu wollen. Er rief seinen israelischen Amtskollegen Benjamin Netanyahu an und forderte, ja was, weniger Zivilisten verhungern zu lassen? So ähnlich. Wenn die Umbringrate nicht sinke, werde er die Waffenlieferungen aus den USA begrenzen.

AI-Zieltechnologie auf Kosten der US-Steuerzahler

Zunächst einmal ist es erstaunlich, dass so ein “Unfall” überhaupt passieren kann, denn Israel hat die modernste AI-Zieltechnologie auf Kosten des amerikanischen Steuerzahlers. Noch erstaunlicher ist, wie sehr die amerikanischen Mainstream-Medien darauf einsteigen. Und nicht nur das: CNN brachte neulich einen Bericht, wie israelische Soldaten in Gaza plünderten und Essen vernichteten.

Meine woken Brüder und Schwestern im Geiste glauben nun, mit der gezielten Tötung von weißen Westlern habe Israel eine imaginäre Grenze überschritten und etwas getan, was die US-Regierung nicht tolerieren werde.

Das ist rührend, aber der US-Regierung war es bereits vor 20 Jahren herzlich egal, als israelische Panzer Rachel Corrie überfuhren, oder auch kürzlich, als sich Aaron Bushnell, ein amerikanischer Soldat, selbst in Brand steckte, weil er nicht länger ein “Komplize bei einem Völkermord” sein wollte. Er starb im Krankenhaus.

Biden wünscht sich insgeheim garantiert, dass sich Netanyahu ebenfalls selbst in Brand steckt, aber nicht wegen einer Handvoll weißer westlicher Opfer. Auch nicht wegen der negativen PR, die der Anschlag auf die Helfer der World Central Kitchen mit sich brachte, obwohl das durchaus eine gewisse Rolle spielt.

Nein, Biden hat eine Wahl zu gewinnen, und die Waffenlieferungen an Israel sind bei seinen Wählern zunehmend unpopulär (ähnlich ist es übrigens in Großbritannien). Unsere Wahl spielt sich im Prinzip in sieben bevölkerungsreichen, knappen Staaten ab; das sind Arizona, Nevada, Pennsylvania, North Carolina, Georgia, Michigan, und Wisconsin. In sechs Staaten führt Trump, nur in Wisconsin ist es ein Umfragepatt.

Zehn Prozent Abweichlerquote

Und in allen diesen Bundesstaaten gibt es eine Bewegung, Biden die Stimme zu verweigern, wenn er seine Israelpolitik nicht ändert. Diese Protestwähler kreuzen “uncommitted” an oder, wie es in Wisconsin genannt wird, ” uninstructed”, unentschieden. 48.000 demokratische Wähler haben sich in den Vorwahlen in Wisconsin für “uninstructed” entschieden; gut 500.000 wählten Biden, eine Abweichlerquote von knapp zehn Prozent also.

Zehn Prozent Abstinenz in den wichtigen Staaten kann Biden die Wahl kosten. Allerdings hat Trump in Wisconsin noch schlechtere Werte – rund 76.000 republikanische Vorwähler stimmten für Nikki Haley, die gar nicht mehr im Rennen ist, auch eine Art von unentschieden. Wie sich das letztlich im November auswirken wird: keine Ahnung.

Aber offenbar nimmt der Präsident das Problem ernst. Zum Ende des Ramadans hat Biden dutzende von wichtigen muslimischen Community-Führern ins Weiße Haus eingeladen. Sie sagten ab. Begründung: Ihnen sei nicht nach Feiern und Schmausen zumute, während ihre Brüder und Schwestern in Gaza verhungerten.

Mehr als 30.000 Tote hat es in Gaza bisher gegeben, das ist halb soviel wie tote Bosnier im Jugoslawienkrieg und der Krieg gegen Gaza ist noch lange nicht vorbei.

Alternativ, Donald Trump, wäre Netanyahu mit ihm glücklicher? Zunächst, sich darauf zu verlassen, dass Trump einem hilft, wäre ungefähr so schlau, als würden sich die sechs Stämme der Iroquois darauf verlassen, dass Washingtons Armee nicht angreift. Trump, so bemerkte John Podhoretz, der letzte Standartenträger der Neocons, denke grundsätzlich nur daran, was gut für Trump sei.

Israel soll sich mit dem Krieg beeilen

Nun ist Trump den rechten Evangelikalen verpflichtet, die einen Gutteil seiner Wahlbasis stellen. Denn dank seiner Connections zum Herrn im Himmel wird Trump dafür sorgen, dass Armaggeddon in Israel stattfindet und die echten Christen gen Himmel fahren (glaube ich; ich bin nicht evangelisch). Andererseits, wen sollen die sonst wählen, Cornel West? Marianne Williamson? Robert F. Kennedy Jr.?

Andererseits hat Trump auch viele nicht-religiöse “America Firster” als Wähler, die wollen, dass die Zahlungen an Israel endlich aufhören und dass sich Amerika ausschließlich um sich selber kümmert.

Kürzlich wurde der Ex-Präsident von Israel Hayom interviewt, eine israelische Zeitung, die als das Sprachrohr der völkisch-rechtsradikalen Siedler gilt. Israel Hayom wird von dem amerikanischen Casinokönig Sheldon Adelson respektive dessen Witwe Miriam finanziert. Adelson war auch ein potenter Wahlkampfspender für Trump, der sich lange als Freund Netanyahus gerierte.

Trump sagte zu Ariel Kahana, dem Siedlerjournalisten, Netanyahu solle sich beeilen mit dem Krieg und den bald beenden, denn die Bilder aus Gaza seien schlecht für Israels Image in den USA. “Wir brauchen Frieden. Das kann nicht so weitergehen.”

Das empfanden die Siedler als Schlag ins Kontor. Derweil sinnierte Trumps Schwiegersohn Jared Kushner – ein Anhänger des charismatischen, 1994 in Brooklyn verstorbenen Lubavitchers Rabbi Menachim Mendel Schneerson – darüber nach, die Palästinenser in die Negev-Wüste umzusiedeln und sich die “wertvollen meeresnahen Baugrundstücke” in Gaza als Immobilienentwickler anzueignen.

Israel gefährdet US-Interessen

Aber es geht nicht nur um Image, Immobiliengewinne und anstehende Wahlen. Der Kern des Konflikts zwischen den USA und Israel ist: Der militärisch-industrielle Komplex hat von Israel die Nase voll. “Israel ist eine strategische Belastung für Amerika”, verkündete die Zeitschrift Foreign Policy, eine wichtige außenpolitische Stimme, die der Washington Post Company gehört, also den Grahams.

Die “spezielle Beziehung” zu Israel, die Amerika seit dem Zweiten Weltkrieg 300 Milliarden gekostet habe, biete keinen Vorteil für Washington und gefährde im Gegenteil die amerikanischen Interessen rund um die Welt, meint FP. Sie behindere die US-Manövrierfähigkeit im Mittleren Osten. Israel treibe Amerika in einen Konflikt mit dem Iran und unterminiere die strategischen Interessen der USA.

Der Autor, Jon Hoffmann, kommt vom Cato-Institute, ein konservativer Think Tank. Ändert sich nun die amerikanische Israelpolitik? Und wohin? Das weiß keiner, aber wir leben in Zeiten voller Überraschungen.

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17 Kommentare

  1. Also wie mir scheint brennt die Hütte an allen Ecken und Enden. Normalerweise braucht das Imperium die Rechtsradikalen ja. Nur so lässt sich imperiale Politik machen. Aber nun scheinen sie in Gaza völlig aus dem Ruder zu laufen, zumal die Kontrolle über die Medien abhanden gekommen scheint, die das Ganze noch in das übliche Propaganda-Licht “für Menschenrechte, das Gute in Welt, gegen Terrorismus und das Böse in der Welt” hätten manipulieren können.

    Nun…. Pepe Escobar berichtet Interessantes:

    https://de.rt.com/international/201419-die-achse-des-widerstands-in-der-sahelzone/

    Fazit: viele kleine Feuer (Gaza, Ukraine, Afrika) ergeben vll doch auch ein großes…. Das Imperium brennt.

    1. Man hat sich halt verzettelt mit so vielen sagen wir Engagements weltweit in jedem Shithole, daß man finden kann. Überdehntes Imperium. Trumps Idee das zurückzufahren war vielleicht doch nicht so doof.

    2. Der schleichende Zerfall des Imperiums ist eines der wenigen, wirklich positiven Phänomene die wir sehen dürfen. Im Prinzip müssen wir hoffen, dass Biden die Wahl noch lebend erreicht, denn sonst findet man möglicherweise einen besseren Kandidaten. RFK jr wäre zB ein fanatischer Verteidiger der Zionisten in Tel Aviv.

      Man muss Trump nicht mögen, aber er wird die Unterstützung der Ukraine einstellen. Das Einzige seiner Politik das uns tatsächlich berührt.
      Es liegt an den Deutschen dann dafür zu sorgen, dass die eigene Idioten Rergierung nicht die Rolle der USA übernimmt. Also Zahlmeister diesen absurden Krieges zu werden.
      Aber… es sind eure Steuergelder und selbstverständlich dürft ihr damit machen, was eure Regierung will

      😂 🤣 😂 🤣 😂

  2. Das Interview zum Thema mit Jon Hoffmann vom Cato-Institute

    https://www.cato.org/multimedia/media-highlights-tv/jon-hoffman-discusses-relationship-between-us-israel-msnbcs-ayman

    Die angegebene Quelle für den Text in FP
    https://foreignpolicy.com/2024/03/22/israel-gaza-biden-netanyahu-security-united-states/%3Futm_
    läßt sich bei mir nicht öffnen. (“Page Not Found”); ich empfehle

    https://foreignpolicy.com/2024/03/22/israel-gaza-biden-netanyahu-security-united-states/

    Übrigens, für diesen Satz in dem Artikel:

    ” Israel and its supporters are hugely influential in Washington, commanding attention on both sides of the political aisle through different forms of direct and indirect lobbying and influence.”
    würde man hierzulande “gekreuzigt”. Und unter “lobbying and influence” bekommt man den alten Artikel von S.Walt zu lesen:
    https://www.hks.harvard.edu/publications/israel-lobby-and-us-foreign-policy

  3. “Trump sagte zu Ariel Kahana, dem Siedlerjournalisten, Netanyahu solle sich beeilen mit dem Krieg und den bald beenden, denn die Bilder aus Gaza seien schlecht für Israels Image in den USA. „Wir brauchen Frieden. Das kann nicht so weitergehen.“

    Trumps Sicht auf die Dinge ist natürlich gewohnt einseitig. Aber lieber Mr. Trump und alle Amerikaner 7,7 Mrd Menschen gucken euch – und auch ihren Freunden – bei der Unterstützung zum regelbasierten Völkermord zu. Auch darum sollten die Israelis ihre Untaten besser einstellen und wir unsere Unterstützung dafür.

  4. “[…]Indes kippt in den USA die Stimmung pro Palästina weiter[…]”

    Da ist dem Artikelschreiber Danny Patrick Rose, oder dem Übersetzer des Textes eventuell, wohl im Eifer des Schreibens ein Fehler unterlaufen?

    Im kompletten Text ist eine andere Stimmung gegenüber jemand anderem, einem anderen Staat, am kippen, der alttestamentarisch ein komplettes Volk auslöschen will, wenn es nach den Fanatikern in diesem nahöstlichen Staat geht – um Netanjahu herum?

    Oder hat der Autor gar Angst vor einem (eventuell) möglichen Antisemitismusvorwurf, der auch in den USA schnell aufkommt wenn Autor das vermeintlich Falsche schreibt?

    Nur mal so als Frage hier in den Raum gestellt 😉

    Grüße
    Bernie

  5. Nethanjahu ist Zionist. Satansbrut. Eine kleine sehr reiche Gruppe die zu Spott aller Demokratien die westliche Welt beherrschen. Nethanjahu ist daher mächtiger als das weiße Freudenhaus in Washington Niemand kann ihn im Moment stoppen. Langfristig besiegelt er aber so den Untergang seiner Heimat Israel.

  6. Die alte, weiße, jüdische Lobby scheint ihren Zenit überschritten zu haben.
    Eine junge, migrantisch geprägte Community gewinnt – nicht nur in den USA – erfreulich an Einfluss.
    Gut so. Gerade weil es unseren Mossad-Artur arg triggern dürfte… 😀

    1. Zumindest gibt s einen Widerstand gegen die Zionisten. Und gute Aussichten auf die Zukunft: Wenn man beginnt die Fundis zum Militär einzuziehen, wird die Welt sehen, ob Zionisten oder normale Menschen in Isarel an der macht sind!

      Man fasst es nicht: “Gott hat uns dieses ganze Land vor 4000 Jahren geschenkt. Deswegen haben nur wir ein Recht darauf und dürfen die Palästinenser ausrotten!”

      1. Damals lebten dort auch schon Menschen, die die hebräischen Obdachlosen dann beseitigten. Und wer hat in die Tora geschrieben, daß ihr Gott ihnen dieses Land geschenkt habe? Genau diese Landbesetzer. Wie praktisch.

  7. Wenn Trump “der letzte Standartenträger der Neocons” sei, der wievielte ist dann Biden?
    Ist Pipeline sprengen keine Neocon-Politik?

    Wann regierte der letzte Nicht-Neocon?
    War Obama kein Neocon, aber half ihnen trotzdem?

    1. Man kann Obama, den grössten Massenmörder unter den letzten Präsidenten, zurecht als NeoCon bezeichnen. Unter ihm kamen die widerlichsten Figuren überhaupt an die Macht, Hilary&Co zB.

      Es ist schon eine eigenartige Welt in der man für Figuren wie Trump dankbar sein muss.
      Die USA sind halt immer lustig… halten ein Land in dem ein Verrückter gegen einen Debilen um die Präsidentschaft antritt…. Und in DE scheint es keinen zu stören, fest an der Seite der USA ssteht man.

  8. “…Ändert sich nun die amerikanische Israelpolitik? …”

    Nein. Den Zeitpunkt haben die USA schon lange verpasst. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob sie es heute überhaupt noch könnten.

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