Vom rheinischen zum schweinischen Kapitalismus

Demokratie für die Zukunft
Bürgerrat Demokratie, Copyrighted free use, via Wikimedia Commons

Wo bleibt die Demokratie? Im Schweinestall ist sie unmöglich. Das wird sich unter Merz nicht ändern.

Freilich kann gefragt werden, ob Deutschland ein Schweinestall ist. Nur weil sich „schweinisch“ auf „rheinisch“ reimt? Mit diesem Spruch gemeint war jene radikale Wende, die ab Ende der 1970-Jahre alle „westlichen Demokratien“ ergriff und in Deutschland das „Soziale“ an der dortigen Marktwirtschaft zunehmend abräumte. Der Kapitalismus warf seinen Schafspelz ab und zeigte wieder erkennbar, dass der Wolf Zähne hat und Beute macht. Nicht nur in Bonn am Rhein.

Überall gelang es dem Geldadel, seine Vorrechte rücksichtsloser durchzusetzen und soziale Zugeständnisse deutlicher zurückzufahren. Kaum mehr kaschiert wurde die Tatsache, dass sich der Kapitalismus, basierend auf den Privilegien der Eigentümer, in der Art eines modifizierten Feudalsystems nun nicht mehr zu verstecken brauchte.

Seitdem gilt, was der auf Sozialpolitik spezialisierte Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge so ausdrückt: Entstanden sei ein System, „das brutale Ausbeutung, drastische Entrechtung der Beschäftigten, systematisches Lohn- und Sozialdumping, skrupellose Leuteschinderei und massenhafte Tierquälerei durch eine kleine Gruppe von Millionären und Milliardären, die eng mit Exponenten des politischen Regierungssystems verbunden sind, kaum Grenzen setzt.“

Ich gehöre zu jenem städtisch-akademischen Milieu, das eigentlich bevorzugt die Grünen wählt und solche Tatbestände vorwiegend ignoriert. Von der Not jenes DHL- Boten, der an meiner Türe eilig Buchsendungen abliefert, spüre ich selbst recht wenig. Bei guter Pension lebe ich mehr oder weniger in freiwilliger Armut, weil ich – wer weiß warum – nur sehr wenig zum Leben brauche. Zwei kleine Zimmer, ein wenig Garten, kein Auto, keine Aktien, keine Rentner-Kreuzfahrten rund um die Welt. Ich weiß ja, dass das letzte Hemd, auch meines, keine Taschen haben wird. Gehe ich wählen oder äußere politische Meinungen, ist klar, dass dies nichts mit irgendwelchen Geldinteressen zu tun hat. Insofern bin ich untypisch für die Demokratie im Kapitalismus.

Einflusslos in der „Demokratie“

Andererseits ist mir klar: Politisch bin ich völlig einflusslos. Ob es mich gibt oder nicht – die Politik geht ihren Gang. Es geht mir wie den anderen Einflusslosen um mich herum. Ab und zu malen sie ein bedeutungsloses X in einen der kleinen Kreise rechts auf den Stimmzetteln und beobachten anschließend, dass die Macht wieder dort gelandet ist, wo sie, der politischen Schwerkraft folgend, hinzugehören scheint: In den Händen derer, die sie offensichtlich gepachtet haben.

Wie kommt das?

Dramatische Umverteilung

Unterdessen scheint mir eine solche Frage naiv zu sein. Zunehmend und für jedermann offensichtlicher liegt die Antwort auf der Hand. Ich verzichte hier darauf, die dramatische Umverteilung von Einkommen und vor allem der Vermögen von unten nach oben in Zahlen darzustellen. Eher willkürlich greife ich eine Gegenüberstellung heraus, die ebenfalls Christoph Butterwegge anführt: Das Privatvermögen der reichsten Bundesbürger übersteigt das monatliche Einkommen deutscher Grundsicherungsempfänger um beinahe das 100-Millionen-Fache. Wer mehr über die Verteilung von Einkommen und Vermögen auch weltweit wissen will, der google die Oxfam-Berichte, die sich mit diesem Thema befassen.

Wie ist Demokratie unter solchen Bedingungen überhaupt nur denkbar? Ich weiß, es existiert die Behauptung, das demokratische Ideal sei schon dann erreicht, wenn es möglich sei, unter den konkurrierenden Eliten die eine abzuwählen und der anderen die Macht zu übergeben. Ein Beispiel könnte jener Elitenaustausch sein, der 1998 stattfand. Damals machte ich mein Kreuzlein bei der SPD, denn ich erlag einer Nostalgie, die mir immer noch vorgaukelte, die SPD sei eine soziale, eine demokratische, also eine sozial-demokratische Partei.

Anschließend schwor ich mir, nie mehr so dämlich zu sein. Denn die neue (nun „sozialdemokratische“ und auch „grüne“) Elite hatte sich bereits entschlossen, die Interessen der alten Elite schlicht zu übernehmen, sie aber effektiver zur Geltung zu bringen. Das hieß damals: die neoliberale Revolution konsequent gegen die Bevölkerung durchzusetzen. In Kooperation mit parallelen Vorgängen in Großbritannien, sorgte die neue (Schröder-) Regierung dafür, dass die Gewinne oben und die Verzichte unten den „Standort Deutschland“ aufpäppelten. Nun nicht mehr als konservative Maßnahme, sondern als eine „sozialdemokratische“. Aufschluss darüber gibt etwa das sogenannte Schröder-Blair-Papier, in welchem dieser Plan im Einzelnen dargestellt wurde.

Mehr Demokratie wagen?

Schröders Maßnahmen waren das Gegenprogramm zu Willy Brandts Ansage bei dessen Regierungsantritt 1969: „Mehr Demokratie wagen“. Es kann keine Rede davon sein, dass Brandts optimistische Ankündigung jemals realisiert worden wäre. Doch was hätte eine Umsetzung bedeutet? Demokratie, verstanden als Volks- und nicht als Elitenherrschaft, verlangt Räume der allgemeinen Teilhabe und Teilnahme. Da reicht das Kreuzleinmalen nicht mehr.

Überall, wo Organisationen Entscheidungen fällen, die machtförmig das Leben der Menschen beeinflussen, sollten solche Räume existieren. Basis wäre eine demokratisch organisierte Bildung. Bereits auf den Schulen würde Demokratie praktiziert und eingeübt. Vor allem würden demokratische Strukturen dort herrschen, wo die meisten Menschen die längste Zeit ihres Lebens verbringen, nämlich in der Arbeitswelt, der Wirtschaft. Als Sozialdemokraten noch Sozialdemokraten waren, nannten sie das Wirtschaftsdemokratie.

Worum es dabei geht, will ich als Frage formulieren: Wäre es zumindest vorstellbar, dass sich die politische Teilhabe der Staatsbürger nicht nur auf die Auswahl zwischen zwei, maximal drei elitären Cliquen oder Clans beschränkt? Also nicht bloß auf den Wechsel von Personal, das sich im Hinblick auf Grundfragen wie ein Ei dem anderen gleicht? Soziale Demokratie, Sozial-Demokratie könnte bedeuten, dass die Menschen eines Landes direkten Einfluss auf allen Ebenen und in allen gesellschaftlichen Bereichen haben. Sich also tagtäglich in einer demokratischen Welt befinden und nicht bloß am Wahltag.

Ganz offensichtlich ist es, dass eine in diesem Sinn soziale Demokratie im Gegensatz zur kapitalistischen Realität steht. Wo die kollektiven Arbeitsergebnisse und die öffentlich finanzierten Leistungen in ihren Resultaten überwiegend von einem winzigen Geldadel abgeschöpft werden, da ist alles „Soziale“ bereits vordefiniert: Das Zusammenspiel der Menschen in einer Arbeitsgesellschaft hat der Produktion von privatem Reichtum zu dienen. Das schließt nicht aus, dass unter günstigen Umständen auch die Masse der Lohnabhängigen ein wenig davon zu sehen bekommt. Sei es durch „Sozialpolitik“ oder durch – meist nur vorübergehendes – Ansteigen der Löhne und Gehälter.

Beispiel Deutsche Bahn

Wir alle leiden unter der mentalen Einschränkung, dass wir uns jenseits des Kapitalismus nichts mehr vorstellen können. Dass die Menschheit die längste Zeit über ohne Kapitalismus klarkam und ihn eines Tages vielleicht abgeschafft haben wird, liegt jenseits auch der kühnsten Träume der allermeisten.

Daher ein Beispiel: Die Deutsche Bahn wurde einst hochgradig mit Steuermitteln funktionsfähig gemacht. Sie war als öffentliches oder anders gesagt als soziales Eigentum gedacht. An diesem Punkt hätte man die innere Struktur der Deutschen Bahn nach demokratischen Grundsätzen organisieren können, etwa in der Weise einer gemeinnützigen Genossenschaft. So etwas wie ein „Volksbahn“ bzw. eine Bürgerbahn wäre entstanden. Mit dem schlichten Auftrag, die Menschen pünktlich und sicher von A nach B zu transportieren. Niemandem hätte sie einen besonderen Reichtum bescheren müssen.

Stattdessen und als Folge der neoliberalen Wende sollte die Bahn an die Börse gebracht werden und in Form von Aktien in die Hände von Rentiers gelegt werden, Geldleuten, die sich für pünktlichen Transport kaum interessieren, stattdessen aber für hohe Gewinne. Dem Reichtum wollte man zuschustern, was man der Gesellschaft, den Staatsbürgern und damit dem Allgemeinwohl entzog. Kein eigentlich demokratischer Vorgang, sondern eine Zwangsumverteilung.

Oft stehe ich fluchend auf den Bahnsteigen und preise mich glücklich, wenn der Zug, den ich nutzen wollte, überhaupt irgendwann einläuft. Ab und zu ruft mir ein Kundiger, der ebenfalls im Bahnchaos herumirrt, den Namen „Mehdorn“ zu. Bei rund sechs Millionen jährlicher Entlohnung hatte dieser unfähige Manager aber lediglich jene Ideologie bedient, die von einer Regierung aus SPD und Grünen an ihn herangetragen wurde. Alles Öffentliche ist von Übel, gut ist nur das „Private“. Deshalb –  diese Devise ist nicht totzukriegen – mehr Markt, „mehr Kapitalismus wagen“ (so der Titel einer Veröffentlichung von Friedrich Merz). Wäre ja auch überraschend, wenn die zurzeit neue Elite einen grundsätzlich anderen Kurs fahren würde als die vorhergehende. (Was nicht heißt, dass die Bahn nun wirklich an die Börse kommt).

Das Oberschweinische

Nun zum Schweinischen und gewissermaßen dem Oberschweinischen, um noch einmal das Bonmot zu bemühen. Der „rheinische“, also der sozial etwas gedämpfte Kapitalismus ist schon lange durch die marktradikale Wende ersetzt worden. Und wieder einmal kommt ein Signal aus den USA. Weshalb nicht die Masken vollends fallen lassen? Die Inbesitznahme des Staates durch den Hyper-, den Überreichtum ist jenseits des Atlantiks vollzogen worden, also durch jene Teil-Elite, die entdeckt hat, dass Demokratie und Rechtsstaat nur insoweit benötigt werden, als sie die Bereicherungschancen verbessern und schützen.

Auch hier geschieht nichts unbedingt Neues: die neue Elite posaunt nur lauter heraus, was auch der alten schon maßgebend war und ist bereit, dafür auch die Verfassung auszuhebeln. Legitimation, Zustimmung zu solchen Raubzügen kann durch die Bewusstseinsindustrie erzeugt werden. Was die meisten meinen und in Wahlentscheidungen kundtun, wird nicht dem Zufall überlassen, sondern im Umfeld der Herrschaftseliten von der Heerschar der Günstlinge und Mitprofiteure medial erzeugt. Die Kreuzleinmaler hat man im Griff.

Nun wundern sich viele, dass die Clique rund um Donald Trump Sympathien für Russland hegt und damit die USA irgendwie die Fronten wechseln. Dabei war Russland praktisch der Testdurchlauf für den Übergang des Kapitalismus in seiner pseudodemokratischen Form zu seiner oberschweinischen Version. Putins Macht beruht auf den Ergebnissen einer wirtschafts- und sozialpolitischen Umwälzung, durch die öffentliches Eigentum ausgeplündert wurde, um es durch „Privatisierung“ einer Handvoll von Oligarchen zuzuschustern. Natürlich bleibt privatisiertes Gemeineigentum auch anschließend von öffentlicher Relevanz, aber es kann gegen den demokratischen Zugriff der Vielen besser verteidigt werden.

Das neu-alte Monster im Osten, von dem wir uns –  glaubt man unserer Propaganda – so großartig positiv abheben, ist also auch von uns selbst mit aus der Taufe gehoben und großgezogen worden. Einfach weil wir ihm jene DNA einpflanzen halfen, die wir als unentbehrlich auch für unsere eigene Lebensweise betrachten: den Plünderungskapitalismus. Man befasse sich etwa mit jenen Vorgaben, die der Internationale Währungsfonds (IWF) an seine Kreditvergaben knüpfte und die auch Russland gegen alle soziale Vernunft akzeptieren musste. Sparen unten, Renditen oben! so schlagwortartig diese Erwartung.

Schweinische Feinbilder

Aber damit des Schweinischen nicht genug. Jede autokratische Herrschaftsweise verlangt nach einer Herrschaftsideologie, die die eigentlichen Ziele der Machthaber schönredet und verhüllt. Da links-kritische Legitimationen ausfallen, bieten sich Nationalismus, Ethnozentrismus und geschürte Xenophobie an. So etwas wie MAGA klingt in den Ohren der sozial Gebeutelten immer gut. Ego-Massage durch Identifikation mit irgendwelchen großartigen Nationen, Ethnien oder Religionen ersetzt demokratische Teilhabe vollkommen.

Sofern zusätzlich Sündenböcke verfolgt werden können – neben den Flüchtlingen Schwule, Transgeschlechtliche oder Abtreibungsbefürworterinnen – ist dem Drang nach Bestrafung Schuldiger genüge getan. Juden kommen freilich auch infrage. In einem nächsten Schritt lenken außenpolitische Abenteuer, Kriege vor allem, besonders wirksam von den anstehenden Plünderungen ab – ein uraltes Rezept.

Während oben also die Renditen sprudeln und im Umfeld der Korruption der Rubel rollt, darf das Fußvolk sich insofern mitgenommen fühlen, als es am großartigsten Neuanfang teilnimmt, den die Weltgeschichte je gesehen hat. Verkündet wird: Nun sei die Demokratie auf ihrem Gipfel, weder durch kleinliche Richter noch durch dämliche Intellektuelle bekrittelt oder gebremst. Parlamente tun tendenziell weiterhin, was sie zuvor schon gerne taten: sie bestätigen den Kurs der begnadeten Machthaber.

Ich vermute, dass hierzulande und in Europa auch sonst verbreitet das Feindbild Russland eine wichtige Funktion übernehmen wird: nämlich ideologisch davon abzulenken, dass man sich selbst immer weniger von dem bekämpften System im Osten unterscheidet. Auch der Kalte Krieg pflegte Todfeindschaften, obgleich die sogenannte Konvergenztheorie zeigen konnte, wie sehr sich die verfeindeten Systeme in West und Ost einander anglichen.

Aber die Transatlantiker müssen umdenken. Unter Ausblendung der Kapitalismusfrage haben sie das US-System idealisiert. Natürlich werden sie in ihrer Beschränktheit nur erkennen können, dass die Trumpianer eine falsche Weltsicht haben, verkehrte Auffassungen vertreten und dass nun vielleicht auch Trump der Demenz verfällt. Verborgen wird ihnen bleiben, dass es sich nicht um die zufällige Demenz eines einzelnen, sondern um ein System, nämlich eine Art politische „Maschine“ handelt, die den Trumpismus hervorbringt: nämlich um eine Aneignungsmaschine, die sich als Demokratie ausgibt. Ihr Zweck, ihre Konstruktion läuft darauf hinaus, dass gewissermaßen unter der Hand dasjenige, was dem demokratischen Prinzip nach allen gehört, im Portefeuille der Wenigen landet.

Und Deutschland?

In Deutschland sind wir vom Eintreten des „Oberschweinischen“ noch ein Stück weit entfernt. Sobald aber ein Milliardär oder jemand, der von Milliardären unterstützt wird, beginnt, MAGA-Sprüche zu klopfen, die Gerichte anzugreifen oder die allemal zur Anpassung neigenden Medien vollends unter die staatliche Knute zu zwingen, ist Alarmstufe rot angesagt.

Vielleicht begreifen dann endlich jene, die auf Demonstrationen die Demokratie verteidigen, was hier Thema ist. Thema ist nicht so sehr die undemokratische Einstellung etwa von AfD-Wählern. Ob alle hier betroffenen zehn Millionen wirklich keine Demokratie wollen oder nicht eher eine wirkliche Demokratie, lässt sich begründet fragen.  Thema ist, dass wir uns (strukturell gesehen!) im Getriebe einer Aneignungsmaschine befinden, die extreme Machtungleichgewichte schafft und den vom System her Privilegierten die Möglichkeit zuspielt, auf den demokratischen Firlefanz schließlich auch offiziell zu verzichten.

Mich tröstet ein wenig, dass Black-Rock-Merz zwar reich, aber nicht wahnsinnig reich ist und den Hyper-, also Überreichen als armer Schlucker vorkommen muss. Da seine Lebens- und Erfahrungswelt freilich eine völlig andere ist, als die der großen Mehrheit in diesem Land, mag er der stillen Überzeugung sein, dass deren Interessen eigentlich diejenigen von Losern sind, die man mit geeigneten Sprüchen ruhigstellen und nicht weiter berücksichtigen sollte.

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23 Kommentare

  1. Nur wenn das Anhäufen von Reichtümern gesellschaftlich genauso geächtet ist wie – sagen wir – Ziegenf*cken – wird der Spuk aufhören. Und da wir bei diesem bösen Spiel die Schafe sind, sollten wir etwas unternehmen. Wir müssen das Bewusstsein ändern, das Bewusstsein ist bei allem was wir tun die treibende Kraft.

    Werner von Siemens schreibt in seinen Erinnerungen: „Dabei kann ich mir selbst das Zeugnis geben, dass es nicht die Gewinnsucht war, die mich bewog, meine Arbeitskraft und mein Interesse technischen Unternehmungen zuzuwenden. In der Regel war es das wissenschaftlich-technische Interesse, das mich einer Aufgabe zuführte. Ein Geschäftsfreund hänselte mich einmal mit der Bemerkung, ich ließe mich bei meinen Unternehmungen immer von dem allgemeinen Nutzen leiten, den sie bringen sollten, fände aber schließlich immer meine Rechnung dabei. Ich erkenne diese Bemerkung innerhalb gewisser Grenzen als richtig an, denn solche Unternehmungen, die das Gemeinwohl fördern, werden durch das allgemeine Interesse getragen und erhalten dadurch größere Aussicht auf erfolgreiche Durchführung. Indessen will ich auch die mächtige Einwirkung nicht unterschätzen, welche der Erfolg und das ihm entspringende Bewusstsein, Nützliches zu schaffen und Tausenden von fleißigen Arbeitern dadurch ihr Brot zu geben, auf den Menschen ausübt.“ Heute haben die Erben das Sagen. Mit welcher Berechtigung? Was haben sie geschaffen?

    1. Nur wenn das Anhäufen von Reichtümern gesellschaftlich genauso geächtet ist wie – sagen wir – Ziegenf*cken – wird der Spuk aufhören

      Das wird wahrscheinlich nie passieren, zumal du interessanterweise Werner von Siemens zitierst, der Prototyp eines Selfmademans und verantwortungsbewussten Unternehmers, der trotzdem „reich“ durch seine Tätigkeit wurde (etwas was es nach Aussagen der meisten Linken hier im Forum gar nicht geben kann, als „herrschende Klasse“ gehört er angeblich ausgemerzt, weil totaler Ausbeuter).

      Das Erbschaftsproblem ist tatsächlich ein strittiger Punkt, ich halte Erbschaftssteuern für den minimal-invasivsten Eingriff, um allzu große Vermögen zu begrenzen. Allerdings gerät das halt schnell an eine Grenze, wenn Investitionen betroffen sind, ein Erbling, der unter persönlichem Einsatz eine Firma weiter auf Erfolgskurs hält, dem würde ich nicht die Basis wegtreten, das wäre gesellschaftlich auch kontraproduktiv. DIE optimale Lösung sehe ich da noch nicht.

    2. „Nur wenn das Anhäufen von Reichtümern gesellschaftlich genauso geächtet ist wie – sagen wir – Ziegenf*cken – wird der Spuk aufhören. “

      Wer sagt den das „Ziegenf*cken“ gesellschaftlich geächtet ist? Vielleicht war das Mal vor 20-30 Jahren der Fall aber seit Eppstein und P.Diddy verdichten sich von Tag zu Tag die Indizien das Ziegenf*cken mittlerweile bei der Elite zum Wettkampfsport geworden ist.

      „Wo fängt die bestialität an und wo hört die Verkommenheit auf?“

  2. Man muss es wohl akzeptieren: Die Demokratie hat den Anschluss verpasst und jetzt vor allem gegenüber China reichlich Boden gutzumachen. In der DDR hieß es „Wir müssen den Westen überholen, ohne einzuholen!“. Das Gleiche gilt jetzt in der EU gegenüber den Chinesen. Der Kapitalismus ist dabei immer nur Handlanger.

  3. Augstein: „Russland erobert Westeuropa? Diese Vorstellung ist dement“

    Jakob Augstein, Verleger der Wochenzeitung „Der Freitag“, hat am Montagabend scharfe Kritik an dem seiner Ansicht nach überzeichneten Narrativ einer russischen Bedrohung geübt, dem mit massiver Aufrüstung begegnet werden solle.

    „Ich finde die Vorstellung abenteuerlich, dass die Russen Deutschland angreifen wollen“, sagte er.

    Die daraus resultierende Erhöhung der Rüstungsausgaben bezeichnete er als eine „verrückte, fabulöse Idee“.

  4. Der Artikel ist gut gestartet, aber am Ende mit einem Bauchklatscher gelandet.

    Der Kapitalismus war schon immer ein Wolf (oder wie hier Schwein) und manchmal im Schafspelz. Der Schafspelz ist allerdings nicht gottgegeben oder in Stein gemeißelt, sondern hängt eng zusammen mit dem Protest der Benachteiligten. Der ist nur zur Zeit auf einem Tiefpunkt. Man hat erfolgreich den Benachteiligten eingeredet ihr Gegner sind nicht die die für die Preissteigerungen und Abbau sozialer Leistungen verantwortlich sind, sondern rechts. Dabei regieren die nirgendwo mit, komischerweise fällt dieser Widerspruch an dem Narrativ den meisten nicht auf. Die Leute gehen auf die Strasse gegen Rechts statt gegen den Abbau ihrer Rechte. Aber hey der Unterschied ist nur ein Buchstabe, da kann man sich schonmal vertun.

    Wer hat denn die letzten 3 Jahre dafür gesorgt das alles immer teuerer wurde, die Arbeitsplätze wegfallen weil auch Firmen unter der Teuerung leiden, Gelder in die Rüstung umgeleitet. Hat der Autor das schon vergessen? Das war die rot grüne Ampel, nicht die Blauen. Und jetzt hat Rot-Schwarz das größte Aufrüstprogramm der Nachkriegs Geschichte aufgelegt. Mir scheint der Autor ist auch auf den Trick reingefallen alles den Rechten in die Schuhe zu schieben.

    „In Deutschland sind wir vom Eintreten des „Oberschweinischen“ noch ein Stück weit entfernt. Sobald aber ein Milliardär oder jemand, der von Milliardären unterstützt wird, beginnt, MAGA-Sprüche zu klopfen, die Gerichte anzugreifen oder die allemal zur Anpassung neigenden Medien vollends unter die staatliche Knute zu zwingen, ist Alarmstufe rot angesagt.“

    Tatsächlich ist das Oberschweinische schon da. Die Medien stehen schon unter Kontrolle. Ich frag mich grad wo hat der Autor die letzten 5 Jahre verbracht? Zudem neigen die Medien nicht zur Anpassung, da könnten sie ja nichts dafür, sondern sie wurden zur Anpassung gebracht. Auch das eine komplette Fehleinschätzung des Autors.
    Davon abgesehen sind die Medien in US freier, was man recht gut an Artikeln sehen kann die dort auch im Mainstream veröffentlicht werden, welche hier komplett unmöglich wären.

    „Mich tröstet ein wenig, dass Black-Rock-Merz zwar reich, aber nicht wahnsinnig reich ist und den Hyper-, also Überreichen als armer Schlucker vorkommen muss.“

    Es geht doch nicht darum wie reich Merz ist. Es geht auch nicht um rechts/links, es geht darum welche Politik er macht. Welche die den Standort Deutschland stärkt oder welche die dafür sorgt das sich Deutschland weiter deindustrialisiert und in schulden versinkt. Ohne Wirtschaft kein Geld und ohne Geld kein Soziales. Das hat die BSW besser begriffen als die Salonlinken.

    1. Dann ist jetzt Alarmstufe Rot, denn Bill Gates hat bereits angekündigt, sein Vermögen an die Gesellschaft zurückzugeben. Das sollte man als Drohung verstehen.

    2. Ob der Kapitalismus als Wolf oder im Schafspelz daherkommt, das hängt natürlich von den gegebenen Umständen ab. Wächst die Wirtschaft, also sind die Kapital-Anlagen profitabel, dann kann sich der Kapitalismus den Schafspelz leisten (soziale Wohltaten stammen ja aus dem Profit). Geht hingegen die Profitabilität flöten, dann ist es auch mit dem Schafspelz vorbei, dann zeigt der Kapitalismus sein wahres Wolfsgesicht. Auf die politische Sphäre übertragen bedeutet das nichts anderes als dass die liberale Demokratie eine Schönwetter-Demokratie ist und somit für den Normalgebrauch eigentlich ungeeignet.

      Kurioserweise war es zum guten Teil die politische Elite, die uns in das Unwetter der mangelhaften Profitabilität führte (nach Wagenknecht die dümmste Regierung, die wir je hatten). Es war ihre Ideologie, ein schön geredetes Ideal von Freiheit und Demokratie, die uns den Kapitalismus schmackhaft machen soll, ein verlogenes Ideal, das die Politik konsequent weiter verfolgte, das aber mit der wahren Natur des Kapitalismus nicht viel zu tun hatte. Der Kapitalismus verlangt nach Profit, den ihr die Ampel-Regierung nicht mehr bieten konnte. Das versucht nun die neue Merz-Regierung zu ändern. Um neues Wirtschaftswachstum zu erzeugen wird staatlicherseits viel Geld in die Hand genommen und im Rahmen der gegebenen Ideologie in die Kriegswirtschaft gesteckt.

      Eine verlogene Ideologie, die in die Sackgasse führt, die aber den Interessen des Kapitalismus gerecht werde muss, was bleibt der Politik da ein anderer Ausweg als Krieg? Ein äußerer Feind lenkt vom eigenen politischen Fehlverhalten ab und die Kriegswirtschaft schafft neue Profitabilität für den Kapitalismus. So zeigt sich die liberale Demokratie aktuell.

      1. „das hängt natürlich von den gegebenen Umständen ab.“

        Ja und nein (siehe weiter unten), hatte ich ja bereits geschrieben.

        „soziale Wohltaten stammen ja aus dem Profit“

        Genau, hatte ich auch bereits geschrieben. 😉

        (zum nein) Allerdings gilt das nicht umgekehrt. Nur weils der Wirtschaft gut geht heißt das nicht automatisch daß der Wohlstand allen zugute kommt. Der Bürger muss es sich schon erkämpfen.

        „Ein äußerer Feind lenkt vom eigenen politischen Fehlverhalten ab “

        Denke ich auch das ist ein Grund dafür. Der andere man will es historisch Russland immer noch zeigen. Und immer wieder wird man scheitern. Nur jetzt geht das Spiel auf unsere Kosten.

        Zudem siehts für Europa langfristig ziemlich mies aus. Nicht nur das China gut vorlegt, man haut den Firmen hier jeden Tag einen neuen Knüppel zwischen die Beine. Sehe btw auch nicht das Merz daran was ändert/ändern kann, außer etwas Makulatur.

        Kriegswirtschaft schafft keine Werte mit denen man dann weiteres Geld erwirtschaften kann. Außer die Sachen die man exportiert. Aber die verschenken wir dann auch noch.

  5. Der eigentlich autoritäre Charakter der repräsentativen Demokratie wird klar erkennbar in den Gründungsdokumenten der Federalisten. So machte James Madison (1751-1836) explizit deutlich, dass es im Rahmen einer dem Gemeinwohl dienenden Politik vorrangig um den Schutz der Eigentumsordnung geht und dass bei der Wahl der politischen Repräsentanten der Meinung der Bürger kein besonderes Gewicht zukommen könne. Die Eliten wüssten besser, was für das Volk gut sei, als das Volk selbst.

    „Die öffentliche Meinung, die von den Vertretern des Volkes ausgesprochen wird, steht mit dem Gemeinwohl mehr im Einklang als die Meinung des Volkes selbst.“

    Bei den im Wettstreit von Interessengruppen getroffenen politischen Entscheidungen müsse, so Madison, sichergestellt sein, dass die Gruppen der Erfolgreichen und Besitzenden einen größeren Einfluss auf die Gestaltung des Gemeinwesens und auch der öffentlichen Meinung haben als die Gruppen der Nichtbesitzenden. Mit dem Mechanismus der parlamentarischen Repräsentation lässt sich dies bewerkstelligen, da zwar die parlamentarischen „Volksvertreter” abgewählt werden können, jedoch nur durch andere Mitglieder aus dem Spektrum vorgegebener Elitegruppierungen ersetzt werden können. Diese Form einer repräsentativen Demokratie hat gegenüber offen autoritären Herrschaftsformen, wie etwa dem Feudalismus, den Vorteil, dass sich ein Veränderungswille der Bevölkerung nicht gegen die eigentlichen Zentren der Macht richten kann, sondern nur gegen ihre vordergründigen Erscheinungsformen, die parlamentarischen Repräsentanten und Regierungen. Hier ist also bereits im Kern ein Auseinanderfallen der vorgeblichen und der eigentlichen Zentren der Macht angelegt: die öffentlich sichtbaren demokratisch legitimierten staatlichen Apparate einerseits und die alle grundlegenden Entscheidungen bestimmenden praktisch nicht abwählbaren Elitegruppierungen andererseits.

    Autoritäre Elemente in der kapitalistischen Demokratie

    Diese Entwicklung einer „Demokratie ohne Demokratie“ setzte sich im 20. Jahrhundert so fort, dass sie den sich ausdifferenzierenden Erfordernissen und Ansprüchen einer kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung genügte. Die bereits etablierten Formen der repräsentativen Demokratie hatten sich aus Sicht der Machteliten bewährt, bedurften jedoch angemessener Anpassungen, weil sich neue soziale Konfliktgruppierungen etablierten und der Demokratiegedanke in der Bevölkerung immer wieder eine eigenständige Kraft entfaltete.

    Die wesentlichen neuen Entwicklungen lagen im Bereich dessen, was zunächst als Propaganda später dann als „public relation” bezeichnet wurde. Zudem wurde die ideologische Rechtfertigung für die gewünschte Form der kapitalistischen Demokratie bzw. der Elitendemokratie weiter ausgearbeitet und über Medien und Erziehungswesen kulturell verankert. Besonders einflussreich waren dabei die Beiträge von Walter Lippmann, der in seinem Klassiker Public Opinion von 1922 die ideologischen Grundlagen einer verdeckt autoritären Elitendemokratie weiter ausarbeitete, wie sie dann von vielen Intellektuellen weitergeführt und zum Standardmodell einer kapitalistischen Demokratie wurde. In diesem Standardmodell wird den Bürgern die Rolle des politischen Konsumenten zugewiesen. Der „mündige Bürger” gehört dabei ebenso zur bloßen ideologischen Rechtfertigungsrhetorik wie der „rationale Konsument” in der Ökonomie: Beide sind tatsächlich gerade nicht erwünscht, sondern Bürger wie Konsumenten sind in ihren Einstellungen, Meinungen und Präferenzen so zu formen, dass diese mit den Interessen der jeweiligen Eliten kompatibel sind. Daher entwickelten sich politische Propaganda und Techniken des Meinungsmanagements Hand in Hand mit Techniken, Konsumenten hervorzubringen und zu formen.
    (…)
    Edward Bernays sprach 1928 in seinem Klassiker Propaganda ganz selbstverständlich von einem „invisible government“ als der „true ruling power of our country“. In der Nachkriegszeit schienen Kapitalismus und repräsentative Demokratie vordergründig eine weniger autoritäre Allianz eingegangen zu sein.

    Die repräsentative Demokratie erwies sich für den Kapitalismus als ein besonders effektives Mittel zur sozialen Pazifizierung:

    Sie ließ scheinbar einen Klassenkompromiss zu, der im Austausch gegen sozialstaatliche Verbesserungen „die Hinnahme kapitalistischer Produktionsverhältnisse durch die nichtkapitalistische Mehrheit der Bevölkerung ermöglichen sollte.“ Durch einen solchen Klassenkompromiss konnte die repräsentative Demokratie zu einer gewaltigen kapitalistischen Produktivkraft werden. Dadurch verwandelte sich der Kapitalismus für drei Jahrzehnte „unter dem Einfluss demokratischer Politik und gewerkschaftlicher Organisierung [… ] aus einem gesellschaftlichen Klassenverhältnis in eine staatlich administrierte Prosperitätsmaschine.“ Der Kapitalismus freundete sich eine Zeitlang mit der repräsentativen Demokratie an, weil es gelang, die von den „Volksparteien“ vertretenen Positionen strikt innerhalb des Spektrums der Interessenunterschiede der Machteliten zu halten. Dadurch können die Volksparteien befriedend wirken, weil sie die Illusion einer demokratischen Kontrolle aufrechterhalten und zugleich die Stabilität der herrschenden Ordnung gewährleisten.

    Vordergründig lockerten sich also autoritäre Zugriffe des Kapitalismus auf die Demokratie. Unter dieser Oberfläche entwickelten sich jedoch vielfältige autoritäre Strukturen und Mechanismen, die bei passenden historischen Konstellationen genutzt werden konnten, um ernsthaft demokratische Entwicklungen zu blockieren.

    Aus:
    Freitag, 15. September 2017
    ~20 Minuten Lesezeit
    Die Wahrheit über die Demokratie
    Prof. Rainer Mausfeld über das absehbare Ende der „Demokratie”. Exklusivabdruck aus dem Buch „Fassadendemokratie und Tiefer Staat”.
    von Rainer Mausfeld

    Parlamentswahlen spielen offenkundig in kapitalistischen Demokratien für alle grundlegenden politischen Entscheidungen keine Rolle mehr. Die großen politischen Entscheidungen werden zunehmend von Instanzen und Akteuren bestimmt, die nicht der Kontrolle der Wähler unterliegen. Während also die Hülse einer repräsentativen Demokratie weitgehend formal intakt erscheint, wurde sie ihres demokratischen Kerns nahezu vollständig beraubt. Demokratie birgt also für die eigentlichen Zentren der Macht keine Risiken mehr.

    https://web.archive.org/web/20241212231203/https://www.rubikon.news/artikel/die-wahrheit-uber-die-demokratie

  6. Demokratie ist doch so etwas Tolles!
    Wenn sich zwei einig sind, muss der dritte immer das Klo putzen.

    Wäre es nicht schön, endlich mal Leute zu finden, die mit ihrem Leben zufrieden sind?
    All diese Theoretiker sind es sicher nicht.

  7. „Mich tröstet ein wenig, dass Black-Rock-Merz zwar reich, aber nicht wahnsinnig reich ist…..“

    Ach ja tröstet Sie das? Und meinen Sie auch das dieser Merz (vor allem nach seinem Grundgesetz-Aktion in dem er jeden einzelnen von uns um 10.000,-€ erleichterte) auch weiterhin arm bleiben wird, oder ob Merz durch seinen Dienst a̶m̶ ̶V̶o̶l̶k̶ an Black-Rock nicht selber auch bald zu den Milliardären aufsteigen wird?

    0,1% von der Beute ist doch nur kulant von Merz?

  8. Ein bisschen lang um detailliert darauf einzugehen, nur kurz:

    Mehr direkte Demokratie: JA, dringend

    Genossenschaften und Wirtschaftsdemokratie: nur auf freiwilliger Basis, wenn man effizient gute Produkte herstellen will, ist ein hartes hierarchisches Auslesesystem viel effizienter, als wenn alle mitschwätzen wollen

    Die deutsche Bahn mag heruntergewirtschaftet sein, aber sie ist m.W. immer noch im Besitz des Bundes. Dass die Politiker nichts taugen, ist ärgerlich, aber kaum der Privatwirtschaft anzulasten. Die Parteien nutzen das leider, um ihre abgehalfterten Parteibosse zu versorgen (erinnert sich jemand an Pofalla?). Zudem ist es, wie alle Infrastruktur-erhaltenden Unternehmen monopol- bzw. kartellanfällig und Privatisierungen sind in diesem Bereich besonders vorsichtig zu handhaben.

    Ja, Kapitalkonzentration ist ein demokratisches Problem, aber der soziale Status Quo wird m.E. grotesk übertrieben, gerade so, als ob wir im Manchester-Kapitalismus leben würden, keine Mindestlöhne hätten und Arbeitslose verhungern müssten. Das ist alles nicht der Fall, wir leisten uns sogar Heerscharen an Ausländern, die wir mitfinanzieren (unter linkem Beifall, aber mit fatalen Nebenwirkungen, wie steigenden Mieten und reduzierter Leistung bei z.B. den gesetzlichen Krankenkassen).

    Das Zusammenspiel der Menschen in einer Arbeitsgesellschaft hat der Produktion von privatem Reichtum zu dienen.

    Privater Reichtum ist der Antrieb im Kapitalismus, mag einem nicht gefallen, aber funktioniert im Großen und Ganzen besser als die Alternativen, die bisher ausprobiert wurden. Das heißt, dass die Versorgung mit Gütern nirgends besser und effizienter funktioniert, als im „Kapitalismus“ (egal ob schweinisch oder rheinisch), zumindest solange man nicht in eine gesellschaftliche Liquiditätsfalle (siehe Keynes) rutscht…

    Putins Macht beruht auf den Ergebnissen einer wirtschafts- und sozialpolitischen Umwälzung, durch die öffentliches Eigentum ausgeplündert wurde, um es durch „Privatisierung“ einer Handvoll von Oligarchen zuzuschustern.

    Putin ist ein Pragmatiker, er hat zurückgeholt, was möglich und sinnvoll war (siehe den reichsten Mann Russlands, Chodorkowski, der im Westen zum Märtyrer aufgeblasen wurde). Es ist nunmal effizienter, Geschäftsmännern ihre Villen zu lassen und sie in eine (vermeintlich) nützliche Richtung zu pressen, das haben m.E. schon die Nazis bewiesen. Eine funktionierende und ertragreiche Produktion aufzubauen, ist nämlich sehr sehr viel mehr, als „Ausbeutung“, wer noch nie im Privatsektor gearbeitet hat, dem fehlt i.d.R. jegliches Gefühl dafür, es hilft, die andere Seite zu verstehen, wenn man mit ihr spricht (statt immer nur über sie), ich fand z.B. den Chef von Brabus recht aufschlussreich (nicht vom Aufmacher abhalten lassen, er gibt viele interessante Einblicke, die ich so ähnlich auch schon in Firmen erlebt habe, der saugt sich das nicht aus den Fingern):
    https://www.youtube.com/watch?v=vb5Wk_OxLw8
    aus dem Kanal
    https://www.youtube.com/@ben_ungeskriptet/videos

    Die Ächtung der „Oligarchen“ im Westen, dürfte Putin übrigens sehr genutzt haben. Reiche scheinen den linksliberalen Westen nämlich ausgesprochen zu mögen, von ihm ausgespuckt zu werden, dürfte eine interessante Lehre für sie gewesen sein.

    die wir als unentbehrlich auch für unsere eigene Lebensweise betrachten: den Plünderungskapitalismus

    Offenbar erfolgreich:
    https://de.tradingeconomics.com/russia/wage-growth

    Moskau ist m.W. von westlichen Städten nicht mehr zu unterscheiden (nur sicherer und sauberer wahrscheinlich), ein multiethnisches, vom Kommunismus derart heruntergewirtschaftetes Riesenreich in kürzester Zeit neu aufzubauen, ist eine Herkulesaufgabe. Ich bewundere Putin in gewisser Weise dafür, auch wenn der sicher ebenfalls seine Schwächen hat… wahrscheinlich war er ein Glücksfall für die Russen. Hätten die nach Perestroika weitergemacht, wie davor, gäbe es das Land nicht mehr oder es wäre längst eine Kolonie der Amis.

    Sofern zusätzlich Sündenböcke verfolgt werden können – neben den Flüchtlingen Schwule, Transgeschlechtliche oder Abtreibungsbefürworterinnen

    Nicht nur linksradikale Propaganda lesen, Herr Waldrich!

    FIüchtlinge gelten in Deutschland als heilig, alle die bedingungslose Massenzuwanderung kritisieren (sie zerstört unsere Kultur und treibt die Kosten hoch) werden zensiert und schikaniert. Das hat mit „Sündenböcken“ nichts zu tun, es ist einfach ein Fakt, den man nicht ignorieren kann, wenn man seriös argumentiert!

    Schwule leiden übrigens vor allem unter der Zuwanderung arabischer Muslime, auch unter Afrikanern ist Homosexualität m.W. verpönt, aber natürlich darf man das nicht sagen, schuld sind immer wir: „böse alte weiße Männer“ blablabla, der Sündenbock der in Wirklichkeit immer für alles herhalten muss (wenn Sie das noch nicht gemerkt haben, kann es mit ihrer Wahrnehmungsfähigkeit nicht weit her sein).

    Der Transenkram ist den meisten Deutschen ziemlich egal… sofern sie ihn nicht juristisch und politisch aufgenötigt bekommen. Regenbogenfahnen (die Hakenkreuzfahne der rassistisch-sexistischen woken Bewegung) vor Amtsgebäuden, sind ein absolutes NoGo! Wer es übertreibt, bekommt halt irgendwann Gegenwind! Die Umerziehungsangriffe auf den Nachwuchs, sind übrigens besonders verhasst… Kindern einzureden, es gäbe keine Geschlechter bzw. man könnte sie beliebig wechseln, ist einfach krank!

    Abtreibungsbefürworterinnen: der Konflikt um dieses Thema ist alt und emotional aufgeladen (es geht um Kinder). Neu ist einzig, dass dem linksliberalen Mainstream die Narrative wegschwimmen, weil er wegen seinen Lügen und Verdrehungen allgemein an Rückhalt verliert und einen konservativen Backslash ausgelöst hat, außerdem sorgt das Internet für Gegenpropaganda. Ich schreibe das ganz neutral (ich habe dazu keine feste Meinung, ich beobachte nur).

  9. Putin hat 2022 vollkommen richtig gehandelt nachdem der Westen zusammen der der NAZI-UKRAINE den Friedensvertrag sabotiert hat.

    Seit 2013 (Obama dann Biden) geht der Westen gegen Russland vor und möchte durch die Ukraine Russland erobern.

    Die Ukraine hat unaufhörlich die Russischen Menschen im DOnbas /Luganksk schikaniert und getötet, sodaß diese zu Russland gehören wollten !

    Die Minsker Verträge waren nur ein Mittel die Ukraine aufzurüsten was allerding erfolglos war.

    Wenn jemand glaubt die Russische Bevölkerung so gegen Putin aufhetzen zu können, der hat sich schwer geirrt, denn so gut wie alle stehen hinter ihm.

    In Russland gibt es keinerlei Versorgungsprobleme, die Läden strotzen nur so von Waren aus aller Welt, nur noch sehr wenige aus Europa !!

  10. Danke lieber Herr Waldrich, musste gerade richtig schweinisch lachen.
    „Sobald aber ein Milliardär oder jemand, der von Milliardären unterstützt wird, beginnt, MAGA-Sprüche zu klopfen, die Gerichte anzugreifen oder die allemal zur Anpassung neigenden Medien vollends unter die staatliche Knute zu zwingen, ist Alarmstufe rot angesagt.“

    Spätestens seit der sogenannten „Pandemie“, dem Syrien und dem Ukrainekrieg, lieber Herr Waldrich, dürfte auch der letzte Mensch mit klarem und nicht indoktriniertem Verstand begriffen haben, dass wir über die von Ihnen genannten Punkt lääääängst hinaus sind.
    Gerade die letzten Jahre haben gezeigt, dass die Mainstreammedien ( Dank der Eigentümer und deren Verbindungen in die Politik) längst unter der Knute sind, die angestellten und „freien“ Journalisten ebenso und was die Gerichte angeht, trifft dies zu bis hoch ins Bundesverfassungsgericht.

  11. Ein paar Groschen noch von mir, einige haben ja bereits Wichtiges zu gesagt…

    Bei guter Pension lebe ich mehr oder weniger in freiwilliger Armut

    Es gibt keine „freiwillige Armut“. Selbstgenügsamkeit oder Epikureismus ist nicht mit Armut gleichzusetzen. Schon gar nicht wenn man zugleich eine „gute Pension“ zur Verfügung hat. Dann hat man nämlich Wahlfreiheit. Tatsächliche Armut lässt diese nicht zu. Herr Waldrich könnte jetzt mit zwei Clicks seine nächste Reise auf der Aida buchen. Ich könnte es nicht, selbst wenn ich Lust hätte auf so einer Dreckschleuder von Kreuzfahrtkahn an irgendwelchen Küsten vorbeizutuckern.

    Ich bin arm – pardon, Neudeutsch: „armutsbetroffen“ – und das nicht freiwillig. Im Monat habe ich 562 Euro zum Bestreiten meines Lebensunterhalts zur Verfügung. Doch davon kann man sein Leben hierzulande nicht bestreiten, gerade nicht wenn man Medikamente und anderes benötigt. Dabei brauche auch ich ansonsten nicht viel, schon gar keine großen K’s wie Klamotten, Karre, Kinder, Köter, Kultur et cetera. Der Paritätische hat mal ausgerechnet, dass 850 Euro im Monat (zuzüglich Miete) für einen Alleinstehenden gut hinhauen sollten. Dem würde ich zuneigen, ist aber nur meine persönliche Perspektive.

    Doch wer bewusst wenig konsumiert, aus dem Habenwill-Kreislauf aussteigt oder Minimalist ist, der ist nicht arm. Armut ist ein Zustand, kein Happening. Armut heißt, dass deine finanziellen Mittel nicht ausreichen, um die grundlegende Lebensbedürfnisse zu bestreiten. Armut ist das Gegenteil von Wahlfreiheit.

    Ansonsten kann ich Mujica (an dem es viel zu kritisieren gäbe) durchaus bei dem Sager zustimmen:

    Arm ist nicht derjenige, der wenig besitzt, sondern derjenige, der immer mehr braucht.

    Dann:

    Demokratie, verstanden als Volks- und nicht als Elitenherrschaft, verlangt Räume der allgemeinen Teilhabe und Teilnahme.

    Was ist so toll daran, wenn statt der Eliten „das Volk“ herrscht? Dann wird ja immer noch über irgendwen geherrscht. Also irgendwem irgendetwas gegen seinen Willen aufgedrückt. Mit Zwang. Wie wäre es wenn keiner herrschte und stattdessen versucht wird konsensual eine Gesellschaft für alle aufzubauen?

    Zumal das ominöse „Volk“ – das hier immer als monolithischer Block daherkommt und in eine sonderbare Distanz zu den Herrschenden gerückt wird – seinen Eliten und Unterdrückern ja mehrheitlich brav hinterhertrottet. Den ganzen Schmu mit sich machen lässt. 70 Prozent der Wahlteilnehmer haben im Februar ihr Kreuz bei den Altparteien gemacht. Also bei den Vertretern der Eliten. 25 Prozent bei den Scheinalternativen, die auch nur an die Futtertröge wollen. Allgemein sind 82,5 Prozent der Wahlberechtigten (vielsagendes Wort) an die Urne gegangen, um ihre Stimme beim Ablasshandel zu beerdigen – ein großer Anstieg. Sie hätten sich der Herrscherei ja auch verweigern können. Ich habe für die jammernden Wähler ziemlich wenig Mitleid übrig.

    Überall, wo Organisationen Entscheidungen fällen, die machtförmig das Leben der Menschen beeinflussen, sollten solche Räume existieren.

    Nochmals – warum sollten irgendwelche Organisationen und Institutionen überhaupt „machtförmig das Leben der Menschen beeinflussen“ dürfen? Das ist doch kein Naturgesetz!

    Basis wäre eine demokratisch organisierte Bildung. Bereits auf den Schulen würde Demokratie praktiziert und eingeübt.

    Die Schule dient zur Abrichtung und Einschleifung des Menschenmaterials, das seinen Körper später zu Verwertungszwecken Markt, Staat und / oder Tempel zur Verfügung zu stellen hat. An Schulen ist nichts gut und noch weniger, wenn darin irgendeine ominöse Herrschaftsform kultisch praktiziert und eingeübt wird. Es braucht die Entschulung der Gesellschaft! Wusste schon Illich!

    Als Sozialdemokraten noch Sozialdemokraten waren, nannten sie das Wirtschaftsdemokratie.

    Toll. Die ominöse „Mitbestimmung“. Die Arbeiter dürfen irgendwelche Kapos bestimmen, die ihnen dann mitteilen wie viel sie zu malochen haben oder welche Goodies es als Ausgleich für’s Schuften gibt. Aber hey – sie haben mitbestimmen dürfen wer sie wie ausbeutet. Das reicht den meisten wohl auch.

    Wie wäre es, wenn – nächste crazy idea – auch das Jobben, Schuften und Rackern überwunden wird? Wenn man dafür sorgt, dass Menschen eine Beruf – im Sinne einer Berufung – finden können statt einer Arbeitsstelle?

    Ja, ich weiß, für Sozialdemokraten unvorstellbar.

    Ganz offensichtlich ist es, dass eine in diesem Sinn soziale Demokratie im Gegensatz zur kapitalistischen Realität steht.

    Wieso – dieser Bonapartismus verträgt sich doch gut mit dem Kapitalismus. Man suggeriert Mitbestimmung und ominöse „demokratische Institutionen“ und den meisten Leuten genügt das ja offensichtlich.

    Sei es durch „Sozialpolitik“ oder durch – meist nur vorübergehendes – Ansteigen der Löhne und Gehälter.

    Ein Ansteigen der Löhne und Gehälter bedeutet bloß überhaupt nichts. Insbesondere dann nichts, wenn zugleich die Lebenshaltungskosten noch viel mehr ansteigen.

    Wir alle leiden unter der mentalen Einschränkung, dass wir uns jenseits des Kapitalismus nichts mehr vorstellen können.

    Jenseits der ominösen „Demokratie“ anscheinend auch nichts.

    Sie war als öffentliches oder anders gesagt als soziales Eigentum gedacht.

    Nein, sie war als nationaler Champion gedacht und als Werkzeug des Staates. Sie hatte Aufgaben zu übernehmen, gerade für jenen Fall, dass der Kalte Krieg plötzlich heiß geworden wäre. Hard politics konnte man schon damals nicht den Privaten überlassen. Es wäre ja auch niemand auf die Idee gekommen die Bundeswehr zu privatisieren oder die Beamtenschaft. Solche Schlüsselinstitutionen müssen in der Hand des Staates bleiben, allenfalls wenn man völlig von Freunden umgeben ist, werden manche Staatskonzerne abgestoßen, um Cash zu generieren.

    Nun zum Schweinischen und gewissermaßen dem Oberschweinischen, um noch einmal das Bonmot zu bemühen.

    Ich habe mit diesem Bonmot so meine Probleme.

    Schweine sind unglaublich intelligente, soziale und sehr reinliche Tiere. Die scheißen nicht dort, wo sie liegen und fressen – außer man zwingt sie mit 20 000 Artgenossen in einen „Stall“. Das Bonmot mag lustig gemeint sein, bleibt aber letztlich (unintendiert?) abwertend und stereotyp. Das ist weder diesen Tieren gegenüber fair noch analytisch sonderlich präzise.

    Allgemein habe ich so meine Probleme mit Tiervergleichen, die sind einfach seltenst hilfreich. Hier werden damit bloß kapitalistische Mechanismen auf eine moralsierende Ebene reduziert. Das trägt in meinen Augen wenig zur Sache bei.

    Da links-kritische Legitimationen ausfallen

    Ja, warum fallen die denn aus? Fiel das einfach vom Himmel oder wurde das vielleicht bewusst gemacht? Da hätte ich mir mehr zu gewünscht. Da hätte man mal beispielsweise für Deutschland die Wenden von 1982 und 1989 ff. und die Desavouierung alles Linken anbringen können. Und die Vermarktung und Platzierung der Bobos und ihrer kruden neoliberalen Ideologie als „links“.

    Ich vermute, dass hierzulande und in Europa auch sonst verbreitet das Feindbild Russland eine wichtige Funktion übernehmen wird

    Das Feindbild Russland wird in Deutschland seit den 90ern massiv verbreitet. Den 90ern des 19. Jahrhunderts. Das fing mit dem Antritt von Kaiser Wilhelm II. an und wurde sukzessive ausgedehnt, bis es unter Bethmann erstmals vollends zur Entfaltung kam. (Ressentiments gab es freilich schon zuvor, genauso wie rassistische Vorstellungen.) Nur so wurde auf jeden Fall eine Kriegsauslösung gegen Russland 1914 wirklich möglich, genauso wie Geschichten wie die „Goldauto“-Hysterie. Die Feindschaft ist dann in den Folgejahrzehnten unter Hitler wie Adenauer (im Westen) immer warm gehalten bzw. erweitert worden und in den deutschen Eliten bis heute extrem wirkmächtig. Das Feindbild ist nicht alt, genauso wenig wie seine Funktion. Es ging dabei auch wenig um das System im Osten, sondern vielmehr u.a um den Gebrauch jenes Landes als austauschbares Feindbild beziehungsweise als vernichtungswürdigen Anderen.

    undemokratische Einstellung etwa von AfD-Wählern

    Immer dieses AfD-Bashing. Sind die Grün*innen, das Fußvolk der Linkenden oder die Geiz-ist-geil-FDP etwa weniger intolerant und „undemokratisch“? Die wollen alle nur, dass die Machtmaschine zu ihren Gunsten rollt und in ihrem Sinne über andere geherrscht wird. Warum sollte man an die AfDler andere Erwartungen stellen? Die wollen einfach, dass der Karren nach ihren Vorstellungen läuft und die Gegenseite nun die Knute zu spüren bekommt. Aber Knute muss sein. Bei allen.

    In Deutschland sind wir vom Eintreten des „Oberschweinischen“ noch ein Stück weit entfernt.

    Daran habe ich starke Zweifel.

    Und allgemein stört mich dieser gewisse „früher war irgendwie alles besser“-Ton, in dem die „Trente Glorieuses“ verklärt werden. Herr Waldrich kritisiert ja den Kapitalismus, aber eher implizit und irgendwie auch nicht ganz konsequent. Zumindest nicht in meinen Augen – andere dürfen es anders sehen. Aber die Nachkriegsepoche war keine allgmeinverbindlich „goldene Epoche“, die war für viele ziemlich messingen und oftmals auch recht bleiern. Nun weil es damals Wirtschaftswachstum und „soziale Reformen“ gab, heißt es nicht, dass sie ein Paradies der Gerechtigkeit oder von sonst etwas waren. Der im Text zitierte Butterwegge macht das in seinen Büchern übrigens deutlich klarer und sichtbarer; etwa wenn er von den vielen Gruppen berichtet, die nicht profitierten, oder das damals bereits zehn Prozent der Bevölkerung arm waren. Dass Kriegsheimkehrer, Witwen und KZ-Opfer mit Brosamen abgespeist wurden et cetera. Es gab eben damals schon Klassenungleichheit, es gab damals schon Ausbeutung, es gab damals schon koloniales Unrecht – das heute gerne ausgeblendet wird – und der „rheinische Kapitalismus“ mit seiner vorgeblich „sozialen Marktwirtschaft“ war immer noch Kapitalismus, ergo auf Profitmaximierung, beständiger Landnahme und Akkumulation sowie Eigentumsprivileg und Ungleichheit beruhend. Es war eben die Hochzeit des Ordoliberalismus, dessen Erfinder übrigens die Neoliberalen gut befruchteten und nicht wenige auch in der Mont Pelerin Society herumliefen

    Dieser „früher war alles besser“-Duktus dagegen suggeriert, dass der Kapitalismus damals irgendwie „sozialer“ und damit weniger „schweinisch“ war. Das ist in meinen Augen Nostalgie. Nur weil es heute noch schlimmer ist, war es gestern nicht rosa. Auch geht unter, dass die „sozialen Reformen“ oft gezielte Zugeständnisse waren und vor der Systemkonkurrenz beziehungsweise dem Druck des Kalten Krieges erfolgten. Man musste die Leute ruhigstellen, man hatte Angst vor Moskaus fünften Kolonnen. Früher hatte man einen Papst Leo XIII., der seine anti-linke Enzyklika herausgab, nun – beim Nachlassen der kirchlichen Kraft – musste man stärker weltliche Beruhigungs- und Ablenkungspillen unters Volk schmeißen.

    Hier hätte man also tiefer gehen und eben Aspekte wie kapitalistische Verwertungslogik oder die Rolle des Staates bei dem ganzen – gerade im Ordoliberalismus!! – aufgreifen können. Stattdessen kreiste das ganze viel zu sehr um das Problem einer „falschen“ Elite. Wenn man eine andere hätte, wäre wohl alles – nun vielleicht nicht gut, aber wieder mehr im Lot oder was? Ne, wäre es nicht. Der Kapitalismus produziert „Schweinisches“ von selbst, ganz ohne „falsche“ Eliten. Das sieht man dann auch an der Bahn. Ihr Problem ist nicht zuvorderst oder gar nur die Inkompetenz branchenfremder Manager. Ihr Problem ist die Funktion eines solchen Unternehmens im System. Dass es gut in Schuss gehalten muss, wenn es darum geht Truppen zur Verteidigung des Zentrums und der hiesigen Produktionsstätte gen Osten zu verlagern (ebenso die Infrastruktur) und dass es entbehrlich wird, dass es privatisiert und zu Profitzwecken veräußert werden kann, wenn dieser Grund, diese Systembedrohung (temporär) wegfällt.

    Das ist ja auch bei den meisten parteipolitischen „Russlandverstehern“ so. Die haben kein Problem mit Aufrüstung, wollen sie nur für andere Einsätze und finden, dass der Verteidigung des Zentrums mehr gedient wird, wenn man mit Russland diplomatisch zu einem Einverständnis über die jeweiligen Claim-Grenzen kommt. Und die Infrastruktur wird nur insofern in Schuss gehalten wie sie die Produktionsprozesse nicht übermäßig verkompliziert. Tja.

  12. @Altlandrebell
    Ihre langen Kommentare lese ich immer wieder gerne, auch wenn ich Ihnen nicht in allen Punkten zustimme. Viele kämpfen gegen die Mächtigen, nur um selbst mächtig zu werden, Symptomatisch dafür ist Gerhard Schröder, der als Oppositionspolitiker zu nächtlicher Stunde und etwas angesäuselt am Gitter vor dem Kanzleramt rüttelte und rief: „Ich will hier rein.“ Ist Macht per definition etwas schlechtes? Gilt am Ende; Wem Gott die Macht gibt, dem nimmt er den Verstand? Warum laufen die Menschen Macht und Geld hinterher anstatt Glück und Liebe? Ich habe keine Antwort. Eine von Jack Londons Südseegeschichten handelt von einem alten Chinesen, Chun a Chun, der als Kuli angefangen hat und sehr reich wird und 15 Kinder hat. Aber egal ob er Kuli oder Multimillionär ist, seine Seele ist immer im Gleichgewicht. Vielleicht ist das ja der Schlüssel. Ich weiß es nicht. Schönen Tag noch.

    1. Guten Abend Herr Nold!

      auch wenn ich Ihnen nicht in allen Punkten zustimme.

      Das müssen Sie ja auch gar nicht. 😉 Das ist ein Meinungsforum, das dem Austausch dienen soll. Ich stelle bloß meine Gedanken, Positionen und Verlinkungen ein, Sie und andere können eigene daneben stellen. Dann kann jeder etwas mitnehmen und sich seine Meinung bilden. 😊

      Viele kämpfen gegen die Mächtigen, nur um selbst mächtig zu werden

      Ja, genau. Die kämpfen. Damit fängt das Problem ja an. Da ist man dann bei Tolstoi, der sagte:

      Alle Versuche, die Regierungen auf gewaltsame Weise zu vernichten, haben bis jetzt überall und immer nur dazu geführt, daß an Stelle der gestürzten Regierungen neue entstanden, häufig noch grausamere, als die, die sie ersetzten. So daß die Versuche, Gewalt durch Gewalt zu vernichten, bis jetzt nichts erreicht haben, und auch in Zukunft die Menschen offenbar nicht zur Befreiung von der Gewalt und also auch nicht von der Sklaverei führen werden.

      Quelle: hier

      Ich bin einfach dafür, dass man vom „kämpfen“ wegkommt.

      Ist Macht per definition etwas schlechtes?

      Sie haben aber viele Fragen! 😉

      Nun, aus meiner Perspektive ist es so: Ich finde, dass Macht oft etwas ziemlich Problematisches ist. Weil sie in der Regel mit Gewalt, Hierarchisierung, Zwang etc. einhergeht. Macht ist in der Regel ja mit der Unterdrückung und Kontrolle des Anderen und der Einschränkung der / seiner Freiheit(en) verbunden. Machtstrukturen sind Gewaltstrukturen. Ob Staat, Markt, Tempel (Kirche etc.), Schule – sie alle neigen nun mal intrinsisch dazu Ungleichheit und Ungerechtigkeit zu fabrizieren. Sie alle neigen dazu uns auszubeuten, zu kontrollieren, zu formen und in Unmündigkeit zu belassen.

      Ansonsten kommt es vielleicht noch etwas auf die Semantik an – das was jetzt wohl die meisten hier unter „Macht“ verstehen würden ist die „Macht über“, die herrschaftliche, die institutionelle Macht. Man könnte noch eine „Macht zu“ erörtern, eine Befähigungsmacht. Also, eine Kraft, um etwas zu bewirken, die jedem innewohnt. Die muss dann nicht unbedingt negativ sein, wenn sie ohne Zwang et cetera erfolgt. Man könnte Nietzsches „Willen zur Macht“ auch dahingehend auslegen, als einen grundlegenden Antrieb etwas zu unternehmen, der dann weder gut noch schlecht wäre, sondern erst einmal bloß einfach da ist. Aber wahrscheinlich reichte es da von „Befähigung“ zu sprechen und nicht von „Macht“.

      Langer Rede, kurzer Sinn: Wenn Macht (im Sinne von Befähigung) dazu dient, jemanden oder eine Gruppe positiv und nicht auf Kosten Dritter zu stärken und / oder gemeinsam kreative Potenziale freizusetzen, dann muss sie m.E. nichts Schlechtes sein. Dann könnte sie auch als Mittel zur Freiheit und zur Schaffung guter Dinge erachtet werden. Aber meistens wird Macht ja bloß in dem anderen Sinne genutzt, sprich um das Gegenüber zu dominieren und zu vernichten und da muss ich als Freigeist einfach sagen, dass ich von solcher Macht nun wirklich gar nichts halte.

      Wem Gott die Macht gibt, dem nimmt er den Verstand?

      Gott gibt aber nicht die Macht. Macht ist etwas menschengemachtes. Dementsprechend müssen wir auch nicht auf den nächsten Propheten warten, um dieses Problem anzugehen. Jeder kann etwas tun. 🙂

      Warum laufen die Menschen Macht und Geld hinterher anstatt Glück und Liebe?

      Auf welche Menschen beziehen Sie sich da genau? Hoffentlich nicht auf alle, denn es gibt genügend Völker und Kulturen, in denen nicht Macht und Geld hinterhergelaufen wurde / wird. Fromm nannte ein paar in seiner Gruppe der „lebensbejahenden Gesellschaften“. Das Streben nach Ruhm, Macht und Geld ist etwas, das sich u.a. in den lebensverneinenden Gesellschaften des Westens, im dortigen kapitalistisch-imperialistischen System entwickelt bzw. weiterentwickelt hat. Materialismus und Herrschaftssucht sind aber keine biologischen Determinanten – die sind auch aus Menschentun, Menschenhandeln hervorgegangen. Dementsprechend lassen sich potentiell auch wieder überwinden. (Ich gestehe natürlich zu, dass ein weiter Weg wird, gerade unter den herrschenden Bedingungen.)

      Mit dem Wort „Glück“ beziehungsweise gewissen Glücksbegriffen habe ich auch immer meine Probleme, aber das ist eine andere Diskussion, führt hier zu weit.

      Nun, ich hoffe, dass Sie (und unsere Mitleser) etwas mit meiner Antwort anfangen konnten und sei es etwas, um sich daran zu reiben. 😊

      Gruß
      Altlandrebell

  13. Was die Spezialdemokraten angeht, ist mir noch bis heute ein Wahlplakat in Erinnerung geblieben mit dem Slogan: „Arbeit, Arbeit, Arbeit!“
    Leider weiß ich nicht mehr, wann das war, aber es demonstrierte eindrucksvoll die grenzenlose Liebe des SPD-Spießers zur ausbeuterischen, verdummenden Lohnarbeit und infolgedessen logischerweise auch die komplette Demütigung sowie gezielte Verarmung aller aus der Lohnarbeit Herausgefallenen durch Hartz IV etc., eingeführt von einer Dreckskoalition aus SPD und Grünen.

    1. 👍👏 🤝

      Ergänzen möchte ich bloß, dass die Rot-Grün nicht im luftleeren Raum agierte. Sie hatte 1998 23,5 Millionen und 2002 22,6 Millionen Wähler hinter sich. Und die Unterstützung von Schwarz-Geld im Bundesrat. Wir wollen also die Wähler et cetera nicht aus ihrer Verantwortung entlassen. 😉 Es war glaube ich auch niemand gezwungen Schröder oder Fischer zu wählen. Und über das Treiben dieser Herren konnte man sich auch frei informieren und hatte dazu anderthalb Jahrzehnte lang Gelegenheit.

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