
Im westlichen Debattenraum mangelt es an Meinungsvielfalt. Das untergräbt nicht nur demokratische Grundwerte.
Vor fast fünfzig Jahren bin ich aus der Sowjetunion ausgewandert. Mein einziger Grund, alles zu verlassen, was ich kannte, war die tiefe Sehnsucht nach Meinungsfreiheit. Ich ärgerte mich über die Beschränkungen für ausländische Publikationen und bedauerte die Praxis, ausländische Radiosender wie den BCC World Service oder Radio Canada International zu blockieren.
Es war, als ob die Medien nur gehorsam die Parteilinie nachplappern würden, ohne Raum für echte Diskussionen oder Debatten. Sicher, die Behörden waren nicht mehr so repressiv wie zu Stalins Zeiten, aber die Furcht blieb bestehen. Sie warf einen Schatten auf politische Diskussionen und beschränkte sie auf einen kleinen Kreis vertrauter Freunde. Unsere wahren Gedanken und Meinungen zu äußern, fühlte sich wie ein Drahtseilakt an.
Intellektuelle Verantwortung war berauschend
Ich ließ meine Heimatstadt Leningrad (heute Sankt Petersburg), meine Freunde, meinen Bruder, die Gräber meiner Eltern und Großeltern zurück. Es war riskant, einen Antrag auf Auswanderung zu stellen, da man fast immer seinen Arbeitsplatz verlor und gesellschaftlich geächtet wurde, während man gleichzeitig unsicher war, ob die sowjetischen Behörden das Ausreisevisum gewähren würden. Ich hatte Glück. Innerhalb weniger Monate, im Mai 1973, wurde mir die sowjetische Staatsbürgerschaft aberkannt und ich durfte ein einfaches Ticket nach Wien kaufen. Mein Traum von der Freiheit war erfüllt. Das erste, was ich in Wien kaufte, war eine Ausgabe der International Herald Tribune.
Im November 1973 wechselte ich an die Universität von Montreal, die seither meine berufliche Heimat ist. Neben Lehre und Forschung verfolgte ich eifrig die politischen Debatten über den Vietnamkrieg, den von der CIA organisierten Sturz der Allende-Regierung in Chile und die Folgen des Oktoberkriegs in Israel. Die Debatten drehten sich um die Annäherungsversuche der USA an China und natürlich um die Beziehungen zu meinem ehemaligen Heimatland. Die einen lobten die Entspannung zwischen Breschnew und Nixon, die anderen fürchteten deren Fallstricke.
Was mich am meisten beeindruckte, war die Vielfalt der Meinungen, die ihren Weg auf die Zeitungsseiten und Fernsehbildschirme fanden. Meinungsartikel und Leserbriefe boten ein breites Spektrum an Ansichten, von denen einige nicht nur die Politik kritisierten, sondern auch praktikable Alternativen anboten. Schon bald begann ich, meine Meinung zu äußern, zunächst in Leserbriefen, später in Meinungsartikeln. Es war berauschend, meine staatsbürgerliche und intellektuelle Verantwortung wahrzunehmen und an der freien politischen Debatte teilzunehmen.
Kritische Meinungen sind aus dem Mainstream verschwunden
Ein anderes, noch wichtigeres Thema, das aus der rationalen öffentlichen Debatte verschwunden ist, ist die westliche Politik gegenüber Russland. Dieses Thema ist nicht nur wichtiger, weil Russland größer ist, sondern weil es um die potenzielle nukleare Auslöschung des Lebens auf der Erde geht. Lange vor dem Februar 2022 haben die meisten NATO-Länder (wie auch die Ukraine vor ihnen) den Zugang zu russischen Medien eingeschränkt, was im Westen während des Kalten Krieges nie der Fall war. So wie die sowjetischen Behörden das Stören westlicher Rundfunksendungen als Maßnahme gegen „imperialistische Subversion“ rechtfertigten, schützt nun eine ganze Reihe von NATO- und nationalen Behörden die Bürger in Europa und Nordamerika vor „russischer Desinformation“.
Prominente westliche Wissenschaftler wie Jeffrey Sachs von der Columbia University und John Mearsheimer von der University of Chicago sind an den Rand gedrängt worden und aus den Mainstream-Medien verschwunden. Ihre Infragestellung der westlichen Politik gegenüber Russland wird als „Argumente des Kremls“ abgetan. Der Krieg in der Ukraine hat sich zu einer moralischen Frage gewandelt. Die Haltung des Westens zum Russland-Ukraine-Krieg zu hinterfragen, ist schlichtweg indiskutabel.
Außerdem stoßen die wenigen Versuche, die westliche Politik in Osteuropa zu untersuchen, auf unüberwindbare Hindernisse. Als beispielsweise die Vereinigung Montréal pour la paix (Montreal für den Frieden) versuchte, eine Debatte mit bekannten Experten für internationale Beziehungen und die kanadische Außenpolitik zu organisieren, versprach sie, „Fakten zu präsentieren, die Sie noch nie in unseren Medien und in den Büros von Justin Trudeau und Mélanie Joly“ (Kanadas Premierminister bzw. Minister für globale Angelegenheiten) gelesen oder gehört haben. Die Einrichtung, die ursprünglich zugestimmt hatte, ihre Räumlichkeiten zu mieten, beugte sich dem Druck der, wie sie es ausdrückte, „ukrainischen Nachbarn“ und sagte die Miete ab. Eine andere Einrichtung sagte die Anmietung ihrer Räumlichkeiten zu, zog diese aber umgehend zurück, um „ihre Stammkunden nicht zu verärgern“.
Rechtschaffenheit und Selbstgerechtigkeit schließen sich gegenseitig aus
Angesichts dieser Rückschläge musste die Veranstaltung in einen nahen gelegenen Park verlegt werden. Es gab drei Redner, ein paar Dutzend meist grauhaarige Menschen mittleren Alters, die gekommen waren, um ihnen zuzuhören, und etwa die gleiche Anzahl junger, kräftiger Demonstranten, die ukrainische Fahnen und antirussische Plakate schwenkten. Sie versuchten, die Redner mit Lärm und lauten Liedern zu übertönen. Die Polizei wurde hinzugezogen, um die beiden Gruppen zu trennen und Gewalt zu verhindern. Doch das Verhalten der Demonstranten war merkwürdig. Als einer der Redner, Yves Engler, ein Autor, der für seine scharfsinnigen Bücher über die kanadische Außenpolitik bekannt ist, sagte, dass die Ukrainer das Recht haben, sich den russischen Truppen zu widersetzen, begannen die randalierenden Demonstranten zu skandieren: „Schämt euch!“
Die gesamte Veranstaltung fand in französischer Sprache statt, aber es wurde deutlich, dass die meisten der Demonstranten kein Französisch konnten. Das Ziel ihres Zorns konnte also nicht der Inhalt des Gesagten sein. Sie protestierten gegen die Freiheit, über den Krieg in der Ukraine zu diskutieren. Dies war nur ein Beispiel dafür, wie die Unterdrückung von Debatten über Russland und die Ukraine die gesamte Bandbreite von Veranstaltungen an der Basis über Universitätsgelände bis hin zu den Medien abdeckt.
Die Freiheit der Debatte ist nicht nur ein demokratisches Recht. Sie ist auch ein wichtiger Mechanismus für die Formulierung und Bewertung politischer Alternativen. Wenn ein Konflikt in einen epischen Kampf zwischen Gut und Böse verwandelt wird, untergräbt Selbstgerechtigkeit das Potenzial für Diplomatie unter dem Deckmantel moralischer Rechtschaffenheit. Der verstorbene britische Oberrabbiner Jonathan Sachs hat scharfsinnig festgestellt, dass „Rechtschaffenheit und Selbstgerechtigkeit sich gegenseitig ausschließen“. In der Tat erhöht diese angeblich moralische Unterdrückung der Debatte die Wahrscheinlichkeit eines Atomkriegs und seiner Folgen, die von den US-Strategen 1962 treffend als MAD (Mutually Assured Destruction) definiert wurden.
Das derzeitige Klima der Unfreiheit untergräbt nicht nur unsere Grundwerte. Es stellt eine existenzielle Bedrohung für die Menschheit dar.
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Die Meinung war auch im Westen schon immer eingeschränkt. Wir denken nur an McCarthy…
Das tröstet doch ungemein.
Frage: „Was können Sie uns über das 20. Jahrhundert sagen?“
Antwort: „Da gab es McCarthy in den USA!“
Danke.
Ich hoffe immer noch, dass die Ukraine irgendwann trotz der ausländischen Hilfen keine Energie mehr für ihren Selbstzerstörungskurs hat und wieder Frieden will.
Für Minsk II ist schon eine Weile zu spät, aber es gibt dann eine Chance für ein neues Abkommen, bei dem sicherlich ein paar Sicherheitsmechanismen eingebaut sein werden, die den Weg zum Frieden flankieren.
Israel hat weniger durchsetzungsstarke Nachbarn, die noch brauchen, um sich gegen die Bombardierungen und die israelische Besetzung mit US-Hilfe erfolgreich zur Wehr setzen zu können.
Die Ukraine wird von Nazis kontrolliert und die kämpfen bis zum Schluss. Das ist der Vorteil an Fanatikern, hat man ja auch beim IS gesehen, der die arabische Version der Nazis war. Deswegen stützen sich die Amis auch immer auf die fantastischsten Arschlöcher, die sie finden können.
Der gegründete Staat Israel, war von Anfang an ein Opfer oder als Opfer gedacht.
Die Perser schreiben immer über den zionistischen Staat Israel, sie haben sich m.K.n. niemals über das jüdische Volk beschwert.
Schon während Covid sagte eine befreundete Russin, die nach dem Zerfall der SU nach Deutschland „in die Freiheit“ ausgewandert war, dass sie die hiesigen Zustände mittlerweile doch sehr an die in ihrer Jugend in der SU erinnerten. Und nein, nicht weil sie etwas gegen die Impfung hatte, sondern obwohl sie bereits 3x geimpft war. Schön, dass es Stimmen gibt, die das auch öffentlich sagen!
Wobei ich mich erinnere, dass ich bis 2017 zumindest meine Kritik (z.B. wegen unserer Syrien Politik) als Antwort auf all die propagandistischen Artikel zum Thema noch unzensiert äußern durfte. Die Zensur als nächster Schritt nach der Gleichschaltung der großen Medien scheint mir erst mit der angeblichen Einflussnahme Russlands auf die Wahl Trumps begonnen zu haben, hierzulande mit dem NetzDG. Schon erschütternd, wie schnell diese unselige Entwicklung voranschreitet!
Naja, ich kann mich erinnern, dass die Infragestellung der Erzählung über 9/11 schon bei ZEIT und Tagesspiegel gelöscht wurde.
Auch Gegenstimmen zu dem Serbien/Kosovokrieg z.b. die von Peter Handke wurden zensiert oder gleich zensiert.
Einverstanden, schon dass J.F.K. nicht von einem Einzeltäter erschossen wurde, durfte man damals nicht sagen, ohne als „Verschwörungstheoretiker“ diffamiert zu werden. Einen gewissen Schutz der von der Obrigkeit gewünschten Narrative gab es wohl schon immer. Aber so richtig im großen Stil selbst gegen unbedeutende Foristen vorzugehen, scheint mir neu zu sein. Vermutlich war es früher nicht so nötig auch die kleinen Fische zu zensieren, weil die erst dank Internet eine Bedrohung für das herrschende Narrativ darstellen!
Ach, hat sich der Dissitentismus doch nicht so ausgezahlt wie erhofft? Kein neuer Solschenizyn geworden. Pech.
Aus dem Text geht überhaupt nicht hervor, dass sich etwas auszahlen sollte.
Und als Dissident war er zu jung und unbedeutend.
Er wollte einfach ganz offen und frei vernünftig über Dinge diskutieren.
Hätte das der real existierende Sozialksmus zugelassen, würde es ihn heute vielleicht noch geben, weil er eine Korrektiv-Funktion genutzt hätte.
Die Legende in die Freiheit zu wollen kenne ich aus eigenem Erleben zu genüge. Sie ist das moralische Feigenblatt aller, die, zumindest in meinem Umfeld mehrfach von den Protagonisten leise zugegeben, vorrangig ihre staatlich finanzierte Ausbildung (viele Ärzte) verkaufen und ihre Karriere im Westen umsetzen wollten. Das war auch der Hintergrund des als Freikauf diskreditierten Kompromisses, der übrigens nur ein Kredit war. Aber die Legende klingt besser.
Über den „real existierenden Sozialismus“ brauchen wir nicht streiten, es war keiner, der den Namen verdient. Aber auch hier muss man die Frage stellen, ob eine solche Gesellschaftsordnung unter den internationalen Bedingungen überhaupt möglich war. Es ging ums Überleben der Sowjetunion und die Protagonisten nutzten die Lage hauptsächlich aus rein egoistischen Erwägungen. Das ändert auch die Ausnahme des Gleichschritts mit der westlichen Propaganda nicht.
Ich war unmittelbar ins Geschehen einbezogen, war aktiv im Neuen Forum und kenne all die Erzählungen bis zum Erbrechen von vielen „Helden“. Manche legten ihre Motivation offen, sie wollten nicht noch einmal zu kurz kommen. Der Mensch handelt immer aus persönlichen Motiven, sucht aber auch immer eine rührende Geschichte dafür.
Im Beitrag gibt der Autor ja an, sein einziger Grund wäre die Meinungsfreiheit gewesen.
Dann wollten also viele vor allem den persönlichen (finanziellen) Vorteil und die angebliche Freikaufsumme war nur eine Ablösesumme.
Aber haben diese Menschen auch begriffen, dass sie (im Gegensatz zu den USA) ein kostenloses Studium erhielten und eigentlich eine gewisse Rückvergütung an den Ausbildungsbetrieb fällig sein müsste, wenn man sich wie ein ehrbarer Kaufmann verhalten sollte und Fairness kein völliges Fremdwort wäre?
Den Grund haben sich die „Rübermacher“ (Manfred Krug) zur moralischen Selbstbefriedigung zurecht gelegt, wurde ihnen ja auch laufend von der Propaganda vorgekaut, bis sie es selbst glaubten. Ist ja schön bequem. Nur meine Bekannten/Internatsfreunde, Ärzte, haben mir im direkten Gespräch ihre wahre Motivation eingeräumt, bestätigen ihren Egoismus, sogar unverblümt vor der Ausreise.
Ich kann nur aus dem persönlich Erlebtem das als Frage formulierte Fazit ziehen: Warum hat die in in Bautzen Einsitzenden nicht zuvor erschossen?
Von Denjenigen ich spreche, mann ich nur fragend antworten: Wer hätte es sich denn sonst „verdient“, wenn nicht Solche?
Als fast 75jähriger kann ich den Aussagen dieses Artikels nur zustimmen. Weil gleich im ersten Post wieder der übliche, denkarme Quatsch auftaucht, erkläre ich: es war nie wirklich gut mit der Meinungs- und Debattenfreiheit, aber es war doch einmal deutlich besser als heute. Die Frage ist nur, was wird die folgende Generation tun? Sich mit Phrasen wie ganz oben herausreden und auf den Weihnachtsmann warten? Das ist zu befürchten.
Im Prinzip gibt es nur zwei Möglichkeiten: entweder in Massen auf die Straße gehen, oder den Gang durch die Institutionen antreten. Zum Beispiel Strafanzeigen erwirken (deren Konsequenzen dann im öffentlichen Raum beobachtet werden müssen). Unter anderem auch gegenüber IM Faeser, die offenbar ihr Amt, dessen Möglichkeiten und Steuergelder benutzt, um ihre Ideologie durchzusetzen. Dazu ist die in keiner Weise berechtigt. Natürlich können auch beide Möglichkeiten parallel benutzt werden. Von einer dritten Möglichkeit, der Revolution, ist nichts zu halten. Sie kann zwar sehr schnell die Verhältnisse ändern, bringt aber leider regelmäßig Kräfte an die Macht, die dem Volk mindestens ebenso sehr schaden wie ihre Vorgänger. Zur Zeit ist die Mehrheit der Menschen noch in Gleichgültigkeit und Übersättigung gefangen. Aber das kann sich schnell ändern. Hoffen wir, dass es dann nicht zum Bürgerkrieg kommt.
Denn: mit der existenziellen Bedrohung trifft der Autor den Nagel auf den Kopf!
Was ist eine Revolution?
Der Austausch der Mächte mir ähnlichem Missbrajchsgebahren der Eliten, nur unter einer a deren Fahne?
Revolutionär wäre nur ein Orientierungswechsel weg von Macht hin zu Gestaltungsfreiheit.
Dafür bräuchte man aber Wissen und Kenntnis und dafür fehlt es jenseits der jeweiligen Blase oft grundlegend.
Und ohne eine eine gewisse Menscbenfreundlichkeit und persönlichen Bescheidenheit, sie es die österreichische KPÖ prakiziert, sollte jede Lizenz vorenthalten sein.
Würde die Argumentationskraft reichen, könnte man den Debattenraum bis hin zu eindeutigen Lügen und Verunglimpfung redlichler Menschen offen halten.
Aber dann müsste man auch eine dementsprechend ehrliche, aufrechte und von wirklichen Werten getragene Politik verfolgen…
Demokratie wurde erfunden, als es noch keine Social Media gab und sich Debatten und Narrative recht einfach kontrollieren liessen.
Das Problem der heutigen Demokratien ist der Kontrollverlust im Debattenraum, der durch Social Media entstanden ist.
Dadurch wird es für die Machteliten schwieriger, die für den Erhalt der Gesellschaftsordnung benötigten Narrative zu diktieren.
Subversion ist auch in Demokratien unerwünscht.
Was wir heute erleben, ist der verzweifelte Versuch der Machteliten (Politik, Medien), die Kontrolle über die Narrative zurück zu gewinnen. Dieser Versuch nimmt immer autoritärere und totalitärere Züge an (Zensur, Diffamierung, Shitstorms, Cancel Culture, Propaganda).
Besonders in Zeiten des politisch organisierten Wohlstandsverlustes und des wirtschaftlichen Niedergangs ist die Kontrolle der Machteliten über die Debatten und Narrative extrem wichtig, um Subversion bereits im Keim zu ersticken.
Wir beobachten, dass die Versprechen der Demokratie und des Kapitalismus von den Machteliten nicht mehr eingelöst werden können. Wer es in diesen Zeiten wagt, vom diktierten Konsens abzuweichen, wird es schwer haben.
Es spielt dann für den grossen Teil der Bevölkerung keine Rolle mehr, ob er in einer Demokratie oder einer Autokratie lebt. Es ist Hans was Heiri, wie man in der Schweiz zu sagen pflegt.
Ja, um die Kontrolle der Debatten im Sinne herrschaftlicher Narrative geht es. Damals, als das Internet sich entwickelte, blieb der Jubel über zukünftig vermeintlich freie und demokratische Diskussionen einseitig. Während die Masse der demokratischen Öffentlichkeit sich freute, schwieg die herrschende Klasse verbissen; denn das war es gerade nicht, was diese Klasse will.
Es gibt heute im Debattenraum einen immer stärkeren Rechtsruck, eine immer stärkere Faschisierung in Richtung Einschränkung von Menschenrechten, Humanismus, Demokratie und parallel dazu Forcierung von Demokratieabbau, Sozialabbau, Militarismus, Krieg und Diffamierung von Friedens- und Umweltbewegungen.
Die Einschränkung der Meinungsfreiheit und präziser gesagt: der Diskussionsfreiheit ist also eine sehr einseitige Angelegenheit, nicht nur, aber in letzter Zeit vor allem auch im Internet. Man achte mal drauf.
Ich glaube da hast du recht. Der Meinungskorridor war früher breiter solange man in ohnmächtigen Kleingruppen, die heute als Echoblasen beschimpft werden, kommunizierte. Damals hießen sie Stammtische.
Mit dem Internet gehen diese kleinen „Echoblasen“ aber heute ganz schnell viral und es droht der mediale GAU, was die Aktivitäten der Regierenden antreibt. Der Informationsfluss muss darum ständig überwacht und gelenkt werden.
Das Problem was sie allerdings haben, ist, dass sie sich zur Meinungsfreiheit bekennen, diese aber immer wieder dafür sorgt, dass brisante Informationen abseits der MSM bekannt werden, die ihre Behauptungen eindeutig widerlegen. Also müssen solche Informationen als Fake News denunziert und ihre Urheber zu Verschwörungstheoretikern gestempelt werden.
Während bei Orwell die Vergangenheit aber leicht umgeschrieben werden konnte, vergisst das Internet heute nicht. Videos und Artikel, Interviews und Stellungnahmen lassen sich nicht einfach vernichten, und so mancher Verschwörungspraktiker wird als solcher entlarvt. Wenn früher z.B. die Nachrichten die SIPRI-Presseerklärung darstellte, erforderte es großen Aufwand diese zu kontrollieren. Heute aber kann jeder, der englisch spricht, auf die website des Instituts gehen und gucken, ob die Interpretation korrekt war.
Auch wenn dies heute nur eine Minderheit macht, ändert es die Spielregeln, ungeachtet dessen, dass heute die Masse der Medienkonsumenten sich informieren lässt, statt sich selbst zu informieren. Diese werden wahrscheinlich erst aufwachen, wenn ihre eigene Lage unter Stress gerät. Doch dann droht Ungemach.
Die klassische Demokratie beruhte nicht auf einer externen Kontrolle von Debatten und Narrativen, sondern darauf, dass nicht jeder Krethi und Plethi seinen Stierkot in die Menge schreien konnte.
Schiller sagte einst: „Man soll die Stimmen wägen und nicht zählen; Der Staat muss untergehn, früh oder spät, Wo Mehrheit siegt und Unverstand entscheidet.“; heute ist es schlicht unmöglich Stimmen zu wägen, weil jeder mitschreien darf.
Anders gesagt: Vor den sozialen Medien hatte der unterdurchschnittliche Bürger ein bis max. elf „Follower“, nämlich vom Wirt seiner Stammkneipe bis zu den bekifften Mitgliedern seiner weltanschaulichen Splittergruppe.
Seit jeder, der „Nazi“ plärren kann, gezählt wird, findet der Umschlag von Demokratie zu Olchokratie statt.
Das andere Problem der bundesdeutschen Demokratie sind die fehlenden Zugangsvoraussetzungen zu Mandaten und Ämtern. Jeder darf alles werden. Das macht die Politik attraktiv für Menschen, die keine Chance haben, im normalen Arbeitsmarkt einen Job zu bekommen bzw. länger als 3 Wochen zu halten. Dass solche Menschen eher unterkomplex „argumentieren“ und damit den Pöbel, der ihnen folgt, noch anspornen, ist offensichtlich.
Ich bin seit langem für ein Zensuswahlrecht in dem die Stimme mit dem IQ, der Allgemeinbildung und dem Ergebnis einer psychiatrischen Untersuchung gewichtet wird.
Ehrlich gesagt wäre ich schon glücklich, wenn man vor der Schreibberechtigung in diversen Foren und sozialen Netzwerken einen Test dieser Eigenschaften durchlaufen müsste und die Ergebnisse einsehbar wären. Ich denke, dann würde so mancher Beitrag zwar trotzdem geschrieben werden (gerade die Dummen und Gestörten sind ja oft bemerkenswert schmerzfrei) aber zusammen mit den Ergebnissen erheblich unterhaltsamer.
Na ja, am besten wäre es, wenn man zumindest rudimentäre Kenntnisse über den Begriff der Demokratie besitzen würde, bevor man solche öffentliche statements von sich gibt.
Bei dir sind diese Kenntnisse über Demokratie jedoch noch nicht mal ansatzweise vorhanden.
Demokratie muss stets die Bedürfnisse Aller berücksichtigen und das geht nur über ihre – demokratische! – Einbeziehung.
Der IQ ist eine Sache, aber wenn Empathie und Verständnis komplexer Sachverhalte fehlen, ist der IQ eine eiskalte Angelegenheit.
Es werden dereinst Maschinen den IQ und das Lexikonwissen jedes Menschen übertreffen. Aber sollen dann allein diese Maschinen das Recht haben, abzustimmen?
Demokratie wird nur sein, wenn sie menschlich und kommunikativ ist und über bloß formale Abstimmungen hinaus geht. Alles andere würde nur die aktuelle Asozialität fortsetzen.
»rudimentäre Kenntnisse«
Meine Grundkenntnisse umfassen folgenden Fakten:
1. Als die Demokratie im antiken Griechenland erfunden wurde, durften nur die freien Männer abstimmen.
2. Die Attische Demokratie hat etliche Jahrzehnte länger funktioniert als die Bundesdeutsche.
»Demokratie muss stets die Bedürfnisse Aller berücksichtigen«
Das ist offensichtlich nicht möglich wenn man einfach nur Stimmen zählt. Z.B. haben 2021 14,8% gegen ihre Bedürfnisse nach Vollversorgung durch Bullshit-Jobs im überflüssigen Dienst gestimmt. Solche Jobs kann sich nämlich nur eine übersaturierte Gesellschaft leisten und Habeck arbeitet hart daran, uns wieder auf das Wohlstandsniveau von 1946 zu bringen.
»aber wenn … Verständnis komplexer Sachverhalte fehlen«
Das ausgerechnet Hochintelligenten das Verständnis komplexer Sachverhalte fehlen soll, ist doch mal eine richtig steile These. Ich hätte dieses Problem eher bei den Fühlis verortet.
»aber wenn Empathie … fehlen, ist der IQ eine eiskalte Angelegenheit.«
Du sagst das, als es etwas schlechtes sei. Wenn ich mir die Ergebnisse der „Politik“ von Frau Bärbock, Herrn Habeck, der Bundesbetroffenheitsbeauftragten und Co. so ansehe, dann vermisse ich die eiskalte Angelegenheit sehr.
»Es werden dereinst Maschinen den IQ und das Lexikonwissen jedes Menschen übertreffen.«
Ich bezweifle, dass Maschinen zu unseren Lebenszeiten intelligent werden. Das was unter dem Marketingbegriff „künstliche Intelligenz“ firmiert hat jedenfalls exakt gar nichts mit Intelligenz zu tun. Es ist bestenfalls das sehr schnelle Anwenden gezielt trainierter Vorurteile.
Und Lexikonwissen ist sicher nicht alles, aber ohne Lexikonwissen glaubt man schon mal an hunderttausende Kilometer entfernte Länder, die Ostkokaine, Kobold-Batterien, Speicherfähigkeit des Stromnetzes, den Speck der Hoffnung, das „heile machen“ von Heizungen und den Unterschied zwischen Insolvenz und kein-Geld-mehr-haben.
»Demokratie wird nur sein, wenn sie menschlich und kommunikativ ist«
„Menschlich und kommunikativ“ haben wir und was dabei herauskommt finde ich nicht erstrebenswert. Dann lieber die eiskalte Angelegenheit. Aber ich sehe durchaus ein, dass Fühlis ein paar Hungerjahre brauchen bis sie das auch so sehen. Wenn sie nicht so schwer von Begriff wären, wären sie ja keine Fühlis.
„Rechtschaffenheit und Selbstgerechtigkeit schließen sich gegenseitig aus“
Ich verspüre eine gewisse Restlust, dieses „Bonmot“, das, wie ich befürchte, hier wohl jedem Leser „einleuchtet“, auseinander zu nehmen.
Zumal das eine Gelegenheit wäre, die nur liederlich verschleierte Rechtfertigung des Mordes an Rosa Luxemburg, die der „leitende Redakteur Geschichte“ der „Welt“ im Januar 2019 verfaßt hat, beizuziehen:
https://www.welt.de/geschichte/article187670614/Rosa-Luxemburg-Was-Freiheit-der-Andersdenkenden-wirklich-meint.html
Falls es einen Interessenten gibt, soll er Laut geben, dann mach ich das.
Ja, ich wäre interessiert an deinen Gedanken zum Bonmot und dem „Welt“-Artikel.
Danke, okay, kann bis morgen dauern, aber das Thema verlangt ja keine Eile.
„Subversion ist auch in Demokratien unerwünscht.“ (Biland)
Was für ein Quatschsatz! „Subversion“ heißt überhaupt nix anderes, als „Ziel behördlicher, polizeilicher, militärischer, verbandsinterner, eliminatorischer Gegenmaßnahmen“.
Darauf haben „poststrukturalistische“, akademische Fanatiker der „Freiheit“, Foucault voran, eine semantische Umwertung des Wortes gegründet, sie zum Bestandteil ihrer ideologischen Konstrukte von „Widerständigkeit“ gemacht, die niemand in der breiten Bevölkerung kennt, der niemand außerhalb enger akademisch geprägter Zirkel folgt.
Ich habe den Verdacht, auch Guido Biland kennt das blöde Zeugs nicht, die Umwertung ist wohlmöglich auf seinem eigenen Mist gewachsen, denn er verdreht das Wort, in Gegensatz zu den Poststrukturalisten, zwecks Aufwertung der staatlich wie nichtstaatlich organisierten Bekämpfung von Dissidenz, von konkreten, einzelnen, abweichenden Urteilen über staatliche und administrative Ziele, Vorhaben und Pläne und deren Rechtfertigungen, welch letztere er deshalb, administrativem Usus folgend, zu „Narrativen“ umdefiniert, damit sie den Gegenpositionen gleich gelten.
Dieser administrative Usus, das teile ich hier nur nebenbei mit, ist Bestandteil der Inquisitionskultur unseres Zeitalters, in der es nicht weniger, sondern mehr, nämlich weit- und durchgreifender, um spirituelle Autorität und Hoheit geht, als zur Zeit des Selbstbehauptungskampfes des katholischen Klerus gegen die Häresien in den eigenen Reihen, vermittels eines Krieges gegen die Volksstände, in denen der Klerus nicht zu Unrecht Quellen und Stützen der Häresie vermutete.
Naja, okay, damit habe ich das „Geheimnis“ schon ausgeplaudert, das der „Agenda“ der Bilandschen Wortverdrehungskunst zugrunde liegt:
Er will die Energien der Inquisitionskultur nutzen, sie auf seine persönlichen Mühlen leiten, nämlich so:
Weltweit sind, bis auf wenige goscinny’sche* Inseln, die „Sozialen Medien“ Ziel und Instrument des Inquisitionskampfes, der Maßnahmen zur Errichtung und Befestigung einer Inquisitions-Kultur, welche Dissidenz zu ihrer Voraussetzung nimmt und nutzt! Die neuen Inquisitionshäscher müssen keine „Hexen“ erfinden, sie schaffen vielmehr Voraussetzungen und narrative, spirituelle Mittel dafür, daß sie welche auffinden (können) wo sie das wollen!
Wie zur Zeit der „klassischen“ Inquisitions ist jederman eingeladen, mitzumachen, sich an etwas zu beteiligen, was, rücksichtslos gegen Inhalt und Verlauf, unweigerlich zu Gunsten derer geht, welche die militärische und administrative Macht in Händen halten.
Und Biland redet von „Kontrollverlust“ …
Bilands selbst geschaffener Gewinn ist selbsterklärend. Immerhin vor sich selbst steht er mit seiner dünnpfiffigen Wortklauber- und -verdreherei:
https://overton-magazin.de/top-story/__trashed-2/#comment-48784
nun als „subversives Element“ da, dem Beachtung und – vielleicht – Verdienst zukomme.
Hört auf, euch und andere zu belügen, zu täuschen, zu tricksen, zu betrügen – es bringt nichts mehr!
*Toute la Gaule est occupée par les Romains. Toute? Non! Un village peuplé d’irréductibles Gaulois résiste encore et toujours …
Ich bin fast schon begeistert, wie wenig Common Sense es von meiner Seite benötigt, um die zehnfache Menge Nonsens im Großhirn von TomGard zu produzieren. Das nächste Mal versuche ich es mit: „Die Schweiz ist ein kleines Land in Europa.“ Mal schauen, was dieser Gemeinplatz im Denklabor von TomGard auslöst. Mindestens zwei forumfüllende Elogen müssten schon drin liegen …
Solange ich noch in Berlin lebte, habe ich fünf Schweizer mehr oder minder flüchtig kennen gelernt. Bis auf einen hatten sie alle diese eigentümliche „Ich komm vom Dorf“ – Attitüde ‚drauf. Die Ausnahme war der SAP-ler auf Montage.
Womit ich mich für den vergeudeten „Klick“ gerächt habe …
Rabkin hat wohl erkannt, das die Flucht in die ‚Freiheit‘ eine Illusion war und fand sich wieder in der unfreien Welt vor der er flüchtete.
„Wer die Freiheit einer Nation stürzen will,muss damit beginnen,den Akt des freien Sprechens unter Kontrolle zu bringen.“ Benjamin Franklin
Damit ist schon alles gesagt. Meinungsfreiheit gibt es entweder ganz oder gar nicht. Das Diktat beginnt damit, daß sich jemand beleidigt fühlt und diesem Gefühl Rechnung getragen wird. Was aber ist besser? Wenn Ärger ein verbales Ventil findet oder wenn sich jener Ärger aufstaut und irgendwann eben nicht rein verbal entlädt?
Die Begrenzung der Meinungsvielfalt in westlichen Gefilden hat aber auch einen ziemlich eindeutig zu benennennden Ursprung, der heißt Feminismus. Freie Rede ist männlich, deren Unterdrückung feministisch.
Die Begrenzung der Meinungsvielfalt in westlichen Gefilden hat aber auch einen ziemlich eindeutig zu benennennden Ursprung, der heißt Feminismus. Freie Rede ist männlich, deren Unterdrückung feministisch.
Ähh, könnte er da mal erklären wie er das genau meint?
Ich habe wahrlich nichts für Feminismus in der heutigen Form übrig. Aber die Begrenzung der Meinungsvielfalt entsteht meiner Ansicht nach aus einer Reihe von anderen Triebkräften. Ansonsten gäbe es ja in Ländern, in denen Feminismus quasi nicht oder kaum vorkommt, besonders viel Meinungsfreiheit. Das ist aber ganz und gar nicht der Fall.
@ Two Moon:
Wie entstand denn das, was die Amerikaner „political correctness“ nennen?
Falls Sie vor 1980 geboren wurden, dann hätten Sie die Anfänge der Entwicklung eigentlich mitbekommen müssen.
Wenn außerhalb des Westens die freie Rede nicht üblich ist, so ist das kein Wunder. Diese ist ja eine westliche Errungenschaft, genau wie das Prinzip der Gewaltenteilung, eben jene westlichen Werte deren Existenz so manch einer leugnet oder die man gerne mal ins Lächerliche zieht.
Und sollte der Westen irgendwann mal ganz fallen oder sich von innen komplett auflösen, dann wird so manch einer noch bemerken, daß die Alternativen auch nicht besser sind.
Ich habe die Anfänge der „political correctness“ durchaus mitbekommen, aber der heutige Feminismus war nur eine Spielart in der sich diese „correctness“ ausgetobt hat. Es darauf zu reduzieren greift meiner Ansicht nach viel zu kurz und verwischt nur die eigentlichen Triebfedern: Macht zu erlangen über die Kontrolle darüber welche Worte und Formulierungen gebraucht werden dürfen.
Die Vorbedingung für eine solche Entwicklung war aber eine zunehmende Vergeistigung, die mit einer zunehmenden Abkopplung von emotionalen, instinktiven, intuitiven und körperlichen Einflüssen, auf das Bewusstsein einherging. Ohne diese, überlicherweise mäßigenden, Einflüsse wurde das Geistesleben zunehmend statisch und musste sich immer mehr an Werte, Ideale oder Moral klammern.
Da die Triebe aber natürlich immer da sind, jetzt nur kaum noch wahrgenommen und scheinbar unter Kontrolle des Geistes waren, suchten sie sich immer andere Löcher um zu ihrem Recht zu kommen. So eben auch der Machttrieb im Fall der „political correctness“.
Die Höflichkeit begrenzt manchmal die Meinungsfreiheit, wenn sie mal wieder ihr Revier verlassen will und dann später vielleicht nicht mehr heim findet.
@ Luck:
Höflichkeit ist aber eine soziale Eigenschaft und kein Diktat, erst recht keine staatlich verordnete Zensur inklusive Denunziationsbehörden.
Oh mon Dieu, quel malheur, die Spiegelfechter sind wieder eingeflogen.
Tut mir leid, ich habe zwei falsche Fährten gelegt.
Als ich mich an den Exkurs zu „Rechtschaffenheit und Selbstgerechtigkeit schließen sich gegenseitig aus“ machte, habe ich bemerkt, daß Rabkins Umwidmung des Zitates vom Oberrabbiner für moralische Rechtschaffenheit die Sentenz haltbar macht – in Grenzen jedenfalls.
Der Grund meines Irrtums dürfte hier schwerlich für jemanden interessant sein, und da er auch meine Assoziation zu Rosa Luxemburgs „Freiheit des Andersdenkenden“ hat entfallen lassen, bleibt es beim „Sorry“.
Exkurs über die Redefreiheit für Vertreter der RICHTIGEN Moral
Auch wenn man meint, es gebe historische „Daten“, als mehr oder weniger kleine oder große Fakten-Punkte. Es gibt sie real nicht, sondern sie sind – wie in anderen Wissenschaften auch – das Produkt menschlicher Wahrnehmung und der zugrunde gelegten Messverfahren. „Demokratie wurde erfunden…“. sagt Guido Biland. Ist das so?
Es gibt dieses Wort, das in einigen Sprachen ähnlich klingt und ähnlich geschrieben wird, in vielen Sprachen aber möglicherweise gar nicht existiert. Der inhaltliche Gehalt des Wortes Demokratie wurde und wird über lange Zeiträume von wechselnden, widersprüchlichen Interessen her definiert und als politischer Inhalt, als Ziel, gesetzt.
Mein eigener Demokratiebegriff ist aufs engste mit dem Anspruch verknüpft, für alle Menschen eine gesicherte materielle Lebensgrundlage herzustellen und zu gewährleisten. Ein Sachverhalt der gegenwärtig nicht gegeben ist. Auch nicht in den Landen, die sich als `entwickelt´ bezeichnen. Dass es gegen Hunger und Durst hilft, dagegen anzureden oder anzuschreien, bezweifle nicht nur ich. In dieser Lage meinen manche, es könne helfen, die Zahl der Menschen zu reduzieren. Andere meinen, jeder Mensch habe die Fähigkeit ohne fremde Unterstützung für sich selbst zu sorgen, man müsse ihm nur die Gelegenheit dazu verschaffen. Wieder andere meinen, es sei besonders menschlich nicht zu teilen, sie oder ihre Ahnen hätten sich den gegenwärtigen, eigenen Überfluss redlich verdient… .
Anders als auf der Grundlage von Reden und Gegenreden kann der Mensch seine Probleme nicht lösen. Zumindest dann nicht, wenn man Totschlag zur Erlangung einer Wildschweinkeule NICHT als Handlungsmöglichkeit akzeptiert, was weithin der Fall ist. Das schafft nämlich nicht mehr Essen, sondern weniger Esser. Deshalb hat das Verbot solchen Tuns eine lange Tradition. Menschliche Gemeinschaften aber dürfen tun, was Einzelne nicht tun dürfen – unter viel diskutierten, wechselnden, MORALISCHEN AUFLAGEN selbstverständlich.
Der 30-jährige Krieg verursachte nach Schätzungen berufener Historiker den Tod von 33 bis 66 Prozent der Bevölkerung. Für eine sehr begrenzte Zahl der Überlebenden – denjenigen, denen das Ackerland und die Bauern gehörten – brach eine Zeit kultureller Größe an, die in zahlreichen Schlössern, Opernhäusern, bunt ausgemalten Kirchen… ihren Ausdruck fand. Wenn das kein Kriegserfolg war!
Konnte ich klären, für wen sich Menschen als Opfer lohnen? Der Ukraine dürfte ein ähnliches Schicksal bevorstehen. Die zukünftigen Nutznießer der dort betriebenen Bevölkerungsreduktion heißen Blackrock, Cargill, Monsanto… . Wer genau in Stammbäumen nachforscht, kommt vielleicht sogar dahin, dass die Nutznießer der Tätigkeit dieser Konzerne in großer Zahl aus dem alten Adel stammen, der sich irgendwann das Land aneignete.
Auf keine andere Art rentieren sich Revolutionen. Sie werden nur aus einem einzigen Grund von den jeweils Herrschenden nicht für gut befunden: Es gibt nach der Revolution andere, vielleicht auch in der Bevölkerung relativ mehr Nutznießer der gemeinsamen Anstrengungen für das Überleben. Dafür ist die Wendung `demokratischer Fortschritt´ gebräuchlich.
Demokratie ist kein Automobil, sie wurde nicht erfunden, sondern wurde erstritten, ist gewachsen, mal krumm und schief. Was Demokratie so gar nicht verträgt ist ein überzogenes Primat der Gleichberechtigung. Wo nämlich alle beim Brückenbau mitreden und nicht der Bauingenieur das letzte Wort hat, da quert man den Fluß besser mit dem Boot. Wo alle mitreden bleibt die Entiwcklung irgendwann stehen.
Wichtiger für die Demokratie sind weniger die Anzahl der Wahlvorgänge als die strikte Trennung der Gewalten, genau hier unterscheidet sich Demokratie von autokratischer Herrschaft. Auch braucht Demokratie natürlich Kontrollinstanzen wie Medien, die ebenso scharf von politischer Einflußnahme getrennt sein müssen.
So gar nicht kompatibel mit Demokratie ist jene Welt 2.0, die Dominanz der sozialen Medien, die keine Schwarmintelligenz erzeugt, sondern eine Kakaphonie der Stimmen, die sich gegenseitig überschlagen, von den erwähnten Hexenjagden à la Salem ganz abgesehen. Wo alle reden wird keiner gehört.