Ukrainische Regierung vs. Antikorruptionsbehörde

Wolodymyr Selenskyj
President Of Ukraine from Україна, CC0, via Wikimedia Commons

Die Auseinandersetzung zwischen dem Umfeld Selenskyjs und dem NABU (Nationales Antikorruptionsbüro der Ukraine) gewinnt zunehmend an Dynamik.

Am Montagmorgen fanden bei den engsten Vertrauten des Präsidialamtes Durchsuchungen statt – insgesamt mehr als 70 parallel. Einige Verdächtige hatten die Ukraine buchstäblich nur wenige Stunden vor Beginn der Ermittlungsmaßnahmen verlassen.

Nach aktuellem Stand wurden seit Beginn des Krieges enorme Summen für die Wiederherstellung und den Schutz der ukrainischen Energieinfrastruktur nach den russischen Angriffen bereitgestellt. Im Zentrum der Vorwürfe steht die Veruntreuung genau dieser Gelder.

Zur Erinnerung: Ende Oktober überwies Deutschland 60 Millionen Euro in den Fonds zur Unterstützung des ukrainischen Energiesektors. In den vergangenen drei Jahren summierte sich die Hilfe auf über 300 Millionen Euro.

Zuschlag von 10 bis 15 Prozent

Parallel zu den Durchsuchungen tauchten Abhörprotokolle in der Öffentlichkeit auf, und es erschienen Berichte, wonach das FBI eigene Ermittlungen gegen Personen aus Selenskyjs engstem Umfeld führe.

Bekannt zum Zeitpunkt der Veröffentlichung: Die Ermittlungen liefen seit mehr als 15 Monaten, und es wurden über 1.000 Stunden an Gesprächsaufnahmen gesammelt.

Laut Aussagen belief sich der übliche „otkat“ der Beteiligten auf 10 bis 15 Prozent. Diese Form der Rückzahlung ist ein systemisch verankerter Korruptionsmechanismus in der Ukraine: Ein Bau- oder Reparaturauftrag wird ausgeschrieben. Um den Zuschlag zu erhalten, muss das Unternehmen 10 bis 15 Prozent der Auftragssumme an einen Beamten zahlen. Dieser sorgt dann dafür, dass die Firma die Ausschreibung gewinnt und den zugesagten Betrag erhält – selbst wenn die Qualität der Arbeit letztlich schlecht ist.

Derzeit dauern die täglichen Stromausfälle mehr als zwölf Stunden, und in vielen Städten funktionieren U-Bahnen und elektrische Verkehrsmittel nicht. Ähnliche Zustände habe ich selbst vor zwei Jahren erlebt: Damals wurde der Strom nach acht Stunden Ausfall nur für vier Stunden eingeschaltet. In einer Kleinstadt reichten diese vier Stunden nicht aus, damit die Pumpen genügend Wasser in den Reservoirbehälter des Wasserturms fördern konnten, und auch die Heizsysteme schafften es nicht, die Häuser aufzuheizen. Als das Haus eines Nachbarn Feuer fing, mussten wir das Feuer ohne Wasser von Hand löschen, während der Nachbarsjunge mangels Telefonnetz mit dem Fahrrad zur Feuerwehr fuhr.

Goldener Lokus

Lehnte ein Auftragnehmer ab, den otkat zu zahlen, wurde der Firmenleitung gedroht, sämtliche Mitarbeiter zum Militär einzuziehen und Lizenzen oder Zertifikate für ungültig zu erklären.

Die Abhörmaterialien wurden als „Minditsch-Bänder“ bekannt – benannt nach einem langjährigen Vertrauten Selenskyjs. Auf den Mitschnitten erscheinen neben ihm auch der ehemalige Energieminister und der aktuelle Justizminister Galuschtschenko sowie der Direktor für physischen Schutz und Sicherheit von Energoatom, Bassow, und weitere Personen.

Die Reaktion auf diesen Vorstoß ließ kaum auf sich warten: Die Staatsanwaltschaft reichte eine Anklageschrift gegen einen NABU-Ermittler ein. Ihm wird vorgeworfen, mit Russland zusammengearbeitet und seinen Einfluss missbraucht zu haben. Es ist zu erwarten, dass der ukrainische Sicherheitsdienst (SBU) ebenfalls aktiv wird und den NABU-Ermittlern Spionage für Russland vorwirft.

Ich denke, wir erleben eine sehr interessante Entwicklung der Ereignisse – nicht zuletzt, weil die NABU-Operation den Namen „MIDAS“ trägt, nach dem mythologischen König, der alles in Gold verwandelte. Der Name spielt offenbar auf das Foto von Minditschs „Goldener Toilette“ an, das während einer früheren Durchsuchung in seiner Wohnung aufgenommen wurde – jenem Ort, an dem auch die Tonaufnahmen entstanden.

Maksim Korsun

Maksim Korsun ist Ukrainer und wohnt jetzt in Brandenburg. Früher hat er in der Ukraine, Russland und Moldawien gewohnt. Als der Krieg in seiner Heimat begann, meldete er sich freiwillig für die Lebensmittelversorgung. Er kam 2024 nach Deutschland.
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23 Kommentare

    1. Dazu soll man doch erst garnix sagen … und am besten gleich den ganzen Intellekt einstellen, wie Sexylensky uns kürzlich empfohlen hat:

      https://www.msn.com/de-de/nachrichten/welt/zelensky-warnt-die-nato-intellektuelle-reaktionen-werden-von-russland-als-schw%C3%A4che-angesehen/ar-AA1QaOxr?ocid=msedgntp&pc=U531&cvid=ace95ca3ff83461c89bff5292fa9587c&ei=64#comments

      Mit anderen Worten:

      „Bitte alle intellektuellen Tätigkeiten sofort einstellen. Übermäßiges Denken und Reden hilft nur dem Putin und kann Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung enormen Schaden zufügen und ist deshalb nur dazu ausdrücklich autorisierten Personen gestattet. Danke.
      *fiep*knaks*
      Aus aktuellem Anlass noch ein Nachtrag:
      Die Inzidenzzahlen steigen! Hüten Sie sich vor diplomatischen Infektionen, halten Sie Geist und Mund geschlossen und folgen Sie den Anweisungen des geschulten Fachpersonals!“
      Ende der Durchsage

      Orwell war ein Prophet!

  1. Die Auseinandersetzung gewinnt an Dynamik, weil anscheinend Selenski ausgetauscht werden muss.
    Oder ist Korruption jetzt ein total neues Phänomen in der Ukraine?

    1. Das wäre denkbar. Man darf auch nicht vergessen, dass die parasitäre ukrainische Elite keineswegs ein homogenes Block ist. Einig war man sich seit der Unabhängigkeit nur darin, dass es ein geradezu gottgebenes Recht sei, das Land und seine Bevölkerung gnadenlos auszuplündern und verkommen zu lassen. Dass man das Recht habe, alles zu stehlen, dessen man habhaft werden konnte. Aber darein liegt dann auch der Grund für die Widersprüche, wenn es um die Aufteilung der Beute geht. Solange man am Krieg verdienen kann – und da lässt sich trefflich stehlen, wie man weiß – lassen sich die noch unterdrücken. Aber ich kann mir vorstellen – klar, ich spekuliere – dass sich abzeichnet, dass dieses Geschäftsmodell durch den Kriegsverlauf Schaden nehmen könnte, was Teile der Diebesbande darüber nachdenken lässt, ab man mit anderem Personal besser führe.

      1. Aber sicher. Austausch heißt ja nicht automatisch, dass es besser wird. Selenskis Abgang organisiert die Diebesbande. Und Diebstahl ist da bei denen die einzig verlässliche Konstante.

    1. Man hat es eben nicht 2022 „geahnt“ , sondern gewusst und das schon sehr lange vorher. Auch schon vor dem Maidan. Es gab auch mal eine Zeit, man es heute nicht mehr glauben, Wo selbst in den hiesigen offiziell lizenzierten Wahrheitsmedien über die alles zerfressende ukrainische Korruption berichtet wurde.
      Es gelangt innerhalb weniger Jahre der neu entstandenen parasitären bürgerlichen Herrschaft, aus einer der reichsten Sowjetrepubliken das Armenhaus Europas zu machen. Und jenachdem, ob die regierenden Diebe sich mehr nach Osten oder nach Westen orientierten, wurden sie in der hiesigen medialen Landschaft den zunehmend verblödenden Rezipienten als demokratische Reformer (also unsere) oder autoritäre Bremser (also Moskauer) geframed.

      Was man auch nicht unterschätzen sollte, ist, dass in den Jahrzehnten der ununterbrochenen Klopstockratie Generationen geformt wurden, die nichts anderes kannten. Millionen von Menschen, für die es wie andes war, dass du da mitspielen oder das System erleiden musst, das du keine Chance hast, dich durch Leistung und Fleiß zu behaupten und das du das Land – schon lange war dem Krieg – verlassen musst, wenn das eine Perspektive haben willst.

  2. Wie Thomas Röper das darstellt: das NABU untersteht ganz offiziell den USA. Die Biden-Regierung nutzte es, um unliebsame Personen aus dem Verkehr zu ziehen, indem sie diese wegen Korruption anklagte. Auch während Trumps erster Amtszeit. Dieser interessierte sich damals wenig für die Ukraine.
    Ich halte diese Darstellung für richtig. Das hieße dann, dass Biden Selenskij und sein Umfeld immer geschützt hat, denn gegen die gab es nie eine Anklage. Wie sieht das jetzt nach Bidens Abdankung aus? Weiß man nicht.
    Aber jetzt kommt das FBI. Eigentlich die Bundespolizei der USA, die sich aber auch in anderen Ländern erlaubt, zu ermitteln. Das FBI nun arbeitet anders und gegen das NABU und nimmt Selenskijs Umfeld unter die Lupe. Dahinter dürfte Trump stecken.
    Womit er nun wirklich an dessen Absetzung arbeiten würde. Hat er denn einen anderen? Müsste er eigentlich.

    1. Selenski hat während Trumps erster Präsdentschaft den „Demokraten“ zugearbeitet, um deren aufgrund an den Haaren herbeigezogener Vorwürfe gescheitertes Amtsenthebungsverfahren gegen Trump zu ermöglichen. Das hat Trump nicht vergessen.

  3. Frühere Besuche Ukraine im Web brachten doch schon genügend Fotos, das ohne Geld in der Ukraine wirklich nichts funktioniert.
    Gespiegelte Lolita Seiten, Politikerinen ohne Slip in Gaststätten denen es wohl nicht ausmachte das jemand mit Fotos all das verwewigte, und feiste Gesichter von Milliardären . Jahre später dann sogar 2 Fotos über 2 schwarze Autos aus denen Dollars ausgeladen wurde. Stück später kam Maidan ..Nur Software Cracks , die kamen damals schon aus Indien o)))
    Übrigens auch deutsche Behörden Interessierte es nicht, wenn man Ihnen Links schickte zu diesen Lolita Seiten , was mich schon zum nachdenken brachte.
    Putin nahm seine Olligarchen an die Zügel, wer nicht wollte, hatte geringere Lebenserwartung , Damals wurde schon klar das Ukraine -Russland das wohl in einem militärischen Konflikt münden dürfte.
    Das war Osten das gleiche damals nach der Wende, es war für Uns also nichts neues . NSU Komplex usw, war ja ähnlich gelagert ..

    1. was soll da kommen ?

      Die wissen ganz genau was da abläuft, unterstützen das doch sogar zum Teil.
      Darüber kann man das Ukrainische Volk schön verarschen , zwecks Aufnahme Nato und EU , außer Versprechen nichts gewesen am Ende, und der halbe männliche Teil Bevölkerung der Ukrainer liegt dann unter der Erde ..

  4. Das sowjetische Erbe hat einen langen Atem. Unterwanderung des ukrainischen Staatsapparates durch Russland hier oder da nicht auszuschließen. Gut, dass so akkurat ermittelt wird. Allerdings sind die Nachrichten nicht neu, sondern in einschlägigen Kanälen schon adressiert.

    Pokrowsk holds 🇺🇦!

  5. Selenskyj war und ist ein Marketinggag der Ukraine als Zugeständnis an den Westen, um die Kohle und die Unterstützung zu bekommen.
    Der seit langem anhaltende Machtkampf wendet sich jetzt gegen Selenskyj und man wird anstelle von dem Lappen einen Hardliner installieren. Danach gehts dann richtig zur Sache und man wird die Grundlage für das Eingreifen der NATO schaffen.

  6. Die Ukraine besitzt über Rohstoffen, aber letztlich sind diese Rohstoffe für einen Staat erheblich, das sind Menschen, die diese Rohstoffe verwerten.
    Die Ukraine ist, mit ihrem Restbestand an Länder, nicht mehr in der Lage diese Ressourcen auf gesundem Weg zu realisieren, da die ukrainische Bevölkerung, weitgehend im Ausland lebt.
    Die Ukraine hat fertig, die Frage die besteht, ist, für wessen Staatsinteresse ist diese Ukraine noch von Nöten?
    Hier denke ich, das der zionistischeche illegale Präsident bestens positioniert wurde.
    Ein Dilemma für das zahlende Volk, aber nehmt das in…

  7. Man sollte bei diesen Vorgängen immer in Hinterkopf behalten, daß das NABU keine unabhängige ukrainische Behörde ist, sondern direkt von den USA gesteuert wird. Wer etwas vom NABU will, wendet sich daher direkt an die US-Botschaft in Kiew.

    Beim NABU werden die Fälle gewissermaßen gesammelt, um sie als potenzielle Druckmittel zu benutzen, um Wohlverhalten gegenüber den USA zu erzwingen. Klappt das, gibt es kein Verfahren und niemand erfährt etwas. Tanzt jemand aus der Reihe, wird plötzlich „ermittelt“. Die eigentlich für solche Vergehen/brechen zuständige Staatsanwaltschaft wurde daher für solche Verfahren ausgebootet. So wie bei Generalstaatsanwalt Schokin, der gegen den Gaskonzern Burisma ermittelte, und auf Befehl des damaligen US-Vizepräsidenten Biden gefeuert wurde. Sein Nach-Nachfolger Rjaboschapka übergab alle Akten dem NABU, von dem bis heute nie etwas gegen Burisma unternommen wurde. Wir erinnern uns. Bei Burisma war Bidens Sohn Hunter geparkt….

  8. Maksim Korsun wohnt, seinen Angaben zufolge, jetzt in Brandenburg. Er hat es also erst einmal aus der Ukraine heraus geschafft, ohne an der Front verheizt zu werden, was für sich allein gesehen schon eine erstaunliche Leistung darstellt. Immerhin wohnt er jetzt in Brandenburg. Brandenburg ist zwar erst mal nur die Streusandbüchse des deutschen Reiches aber ich würde als Fernziel auch eher nach Papua/Neuguinea auswandern.

    Ansonsten muten diese Front- und Korruptionsberichte bisher seltsam substanzlos an, als würden noch die Beweise fehlen. Verdeckte Korruption gibt es in Brandenburg gewiss auch aber der Umfang ist vielleicht nicht so gravierend.

  9. Maksim Korsun: „… in vielen Städten funktionieren U-Bahnen und elektrische Verkehrsmittel nicht.“

    Ein Bericht aus der U-Bahn von Chark[o|i]w, als es dort noch Strom und sogar Gazetten in russischer Sprache gab*
    https://player.vimeo.com/video/76090915
    ___________

    *) Das Video stammt aus einem Lokalzeitungsartikel mit dem Titel
    „Беременная харьковчанка разделась в вагоне метро ради перфоменса“
    von Oktober 2013 – „Stück später kam Maidan …“ (@ kd 11.11.2025 13:25 Uhr – https://overton-magazin.de/hintergrund/politik/ukrainische-regierung-vs-antikorruptionsbehoerde/#comment-311359)

    Bin darüber rein zufällig gestolpert, als ich nach ganz anderen Dingen suchte …

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